Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1974, Seite 84

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 28. Jahrgang 1974, Seite 84 (NJ DDR 1974, S. 84); Mitglied der Gemeindevertretung war, hat wie vom Kreisgericht richtig erkannt zweifellos ideologisch negative Auswirkungen. Diese haben jedoch nicht ein solches Ausmaß, daß sie als „besonders schädlich“ i. S. des § 39 Abs. 2 StGB einzuschätzen sind. Entgegen der Auffassung der Instanzgerichte hat die Angeklagte mit ihren Straftaten auch nicht in anderer Weise eine schwerwiegende Mißachtung der gesellschaftlichen Disziplin zum Ausdruck gebracht. Im vorliegenden Fall erblickt das Kreisgericht diese zunächst darin, daß die Angeklagte mehrfach über einen längeren Zeitraum strafbare Handlungen beging. Gemäß Ziff. I 5 des Beschlusses des Plenums des Obersten Gerichts zur Erhöhung der Wirksamkeit der Rechtsprechung bei Straftaten gegen das sozialistische Eigentum vom 3. Oktober 1973/*/ können bei Straftaten, die materielle Schäden unter 3 000 M verursachten, Freiheitsstrafen u. a. dann angewendet werden, wenn der Täter „vielfach“ handelte. Daraus darf aber nicht geschlossen werden, daß jedes vielfache Handeln notwendig eine Freiheitsstrafe nach sich zieht. Vielmehr kommt es darauf an, alle in § 61 StGB genannten und in Ziff. I 5 des Beschlusses des Plenums des Obersten Gerichts vom 3. Oktober 1973 nochmals erläuterten Kriterien für die Bestimmung der Strafe nach Art und Höhe heranzuziehen. Im vorliegenden Fall mußte der Umstand der vielfachen Tatbegehung in Beziehung zu den anderen, die Tatschwere bestimmenden Faktoren gesetzt werden. Die Instanzgerichte heben zur Charakterisierung der Tatschwere besonders hervor, daß die Angeklagte intensiv handelte. Soweit die Intensität mit der Vielzahl von Handlungen begründet wird, widerspricht dies der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichts. Danach bezieht sich der Begriff „Intensität“ auf die Einzelhandlung. Ihre Wiederholung wird durch den Begriff „mehrfache Begehung“ erfaßt. Die Handlungen der Angeklagten weisen keine besondere Intensität auf. Auch die Fälschungen in der Abrechnungsliste sind kein so schwerwiegender Umstand, der den Ausspruch einer Freiheitsstrafe erforderlich macht. Im Beschluß des Plenums des Obersten Gerichts vom 3. Oktober 1973 wird in bezug auf die Art und Weise der Tatbegehung, die bei Schäden unter 3 000 M den Ausspruch einer Freiheitsstrafe rechtfertigen können, „raffiniertes Handeln“ angeführt. Damit wird zum Ausdruck gebracht, daß nicht jede von einem Täter entwickelte Intensität in Betracht kommt, sondern daß insoweit höhere Anforderungen gestellt werden. Die Manipulationen der Angeklagten an der Abrechnungsliste sind im vorliegenden Fall nicht als „raffiniertes Handeln“ im Sinne des genannten Plenarbeschlusses zu werten. Wesentlich für die Bestimmung des Grades der Schuld sind auch die Motive des Täters. Das Bezirksgericht wirft der Angeklagten Bereicherungsstreben vor. Das trifft insoweit zu, als jedes Eigentumsdelikt der ungerechtfertigten Bereicherung dient. Auch bei Eigentumsdelikten sind die Motive des Angeklagten für sein kriminelles Handeln für die Einschätzung des Grades der Schuld von besonderer Bedeutung. Sie geben Aufschluß über die innere Haltung des Angeklagten zu den verletzten sozialen und rechtlichen Anforderungen. Die Schuld wiegt um so schwerer, je negativer die Motive waren, die die Entscheidung des Täters bestimmten. So ist es für den Grad der Schuld bedeutsam, ob ein Täter Geld entwendet, um sich Mittel für übermäßigen Alkoholgenuß zu verschaffen oder wie im Fall der Angeklagten -- finanzielle Schwierigkeiten zu überwinden, die darauf zurückzuführen sind, daß sie nicht /*/ Veröffentlicht in NJ-Beilage 6/73 (zu Heft 22). - D. Red. richtig zu wirtschaften versteht (vgl. Ziff. 2.2.1." des Berichts des Präsidiums des Obersten Gerichts an die 6. Plenartagung vom 28. März 1973 zu Problemen der strafrechtlichen Schuld, NJ-Beilage 3/73 zu Heft 9). Soweit das Kreisgericht in diesem Zusammenhang schulderschwerend wertet, „daß die Angeklagte auf Grund ihrer Ausbildung in besonderem Maße geeignet war, die persönlichen finanziellen Belange ordnungsgemäß zu führen“, ist ihm nicht zu folgen. Mit seiner Feststellung zeigt das Kreisgericht lediglich einen Widerspruch in der Persönlichkeitsstruktur der Angeklagten auf. Der Umstand, daß die Angeklagte im persönlichen Leben das Geld nicht richtig einteilen konnte, ist erwiesen. Durch die Verurteilung soll die Angeklagte dazp angehalten werden, sich auch insoweit zu ändern. Zusammenfassend ist festzustellen, daß die Tatschwere der Handlungen der Angeklagten nicht einen solchen Grad erreicht hat, der die Anwendung einer Verurteilung auf Bewährung von vornherein ausschließt. Damit gewinnen aber die Persönlichkeitsumstände, insbesondere auch die Erziehungsbereitschaft der Angeklagten und ihr Verhalten vor und nach der Tat, besondere Bedeutung. Das Verhalten der Angeklagten vor der Straftat ist als positiv zu werten. Das beweist ihre gesellschaftliche Aktivität. Das Kreisgericht hat diese Umstände nur einseitig bewertet, indem es nur die negativen Auswirkungen gesehen hat, die die Straftat in diesem Zusammenhang hatte. Die gesellschaftliche Aktivität vor der Straftat darf aber nicht deshalb abgewertet oder gar negiert werden, weil der Täter eine Straftat begangen hat. Nach der Tat hat die Angeklagte große Anstrengungen unternommen und tut dies auch gegenwärtig noch , um den verursachten Schaden schnellstmöglich wiedergutzumachen. Sie arbeitet mehrschichtig und hat zusätzlich Arbeiten in der Landwirtschaft übernommen. Damit zeigt die Angeklagte, daß sie ernsthafte Lehren aus den Straftaten gezogen hat. Das rechtfertigt die Schlußfolgerung, daß sie künftig ihrer Verantwortung gerecht werden wird. Damit sind die Voraussetzungen einer Verurteilung auf Bewährung (§ 30 StGB) gegeben. Entsprechend der Tatschwere war eine Freiheitsstrafe von zehn Monaten anzudrohen. Zur Sicherung der weiteren Erziehung der Angeklagten war außerdem die Bewährung am Arbeitsplatz festzulegen. Zugleich war eine entsprechende Frist festzusetzen, innerhalb deren der Restschaden zu begleichen ist. Im Hinblick auf die entsprechend Ziff. I 6 des Beschlusses des Plenums des Obersten Gerichts vom 3. Oktober 1973 zu stellenden hohen Anforderungen an die Täter war unter Berücksichtigung der zusätzlichen Arbeitsleistungen der Angeklagten der Endtermin für die Schadensbegleichung auf den 31. März 1974 festzusetzen. §§ 30, 31, 39, 61 StGB. 1. Zur Abgrenzung zwischen Freiheitsstrafe und Strafen ohne Freiheitsentzug (hier: Verurteilung auf Bewährung). 2. Zur Erhöhung der Wirksamkeit von Strafen ohne Freiheitsentzug durch konkret ausgestaltete, auf bestimmte Bewährungspflichten des Täters orientierte Bürgschaften. OG, Urteil vom 7. November 1973 2 Zst 35/73. Die 19 Jahre alte Angeklagte ist als Strickerin im VEB T. tätig. Ihre Arbeitsleistungen waren qualitätsgerecht, entsprachen quantitativ jedoch nicht immer der Norm, so daß sie monatlich nur etwa 330 M verdiente. In der Zeit von März bis Juni 1973 entwendete die Angeklagte insgesamt neunmal aus dem VEB T. Teile für 84;
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Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 28. Jahrgang 1974, Generalstaatsanwalt (GStA), Ministerium der Justiz (MdJ) und Oberstes Gericht (OG) der DDR (Hrsg.), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1974. Die Zeitschrift Neue Justiz im 28. Jahrgang 1974 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1974 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1974 auf Seite 756. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 28. Jahrgang 1974 (NJ DDR 1974, Nr. 1-24 v. Jan.-Dez. 1974, S. 1-756).

Der Vollzug der Untersuchungshaft hat der Feststellung der objektiven Wahrheit im Strafverfahren zu dienen. Die Feststellung der Wahrheit ist ein grundlegendes Prinzip des sozialistischen Strafverfahrens, heißt es in der Richtlinie des Plenums des Obersten Gerichts der zu Fragen der gerichtlichen Beweisaufnahme und Wahrheitsfindung im sozialistischen Strafprozeß. Untersuchungshaftvollzugsordnung -. Ifläh sbafij.ng ; Änderung vom Äderung. Ordnungs- und Verhaltensregeln für Inhaftierte in den Untersuchungshaftanstalten Staatssicherheit - Hausordnung - erarbeitet auf der Grundlage des Befehls des Genossen Minister Gemeinsame Festlegung der Hauptabteilung und der Abteilung des Mfo zur einheitlichen Durchsetzung einiger Bestimmungen der Untersucbungshaftvollzugsordnung - Untersuchungshaftvollzugsordnung -in den Untersucbungshaftanstalten Staatssicherheit haben sich bisher in der Praxis bewährt. Mit Inkrafttreten der Dienstanweisung des Genossen Minister über den Vollzug der Untersuchungshaft und die Gewährleistung der Sicherheit in den Unter uchungshaf ans alten Staatssicherheit und den dazu erlassenen Ordnungen und Anweisungen des Leiters der Abteilung wird auf die versivitäten von Untersuchungs- und traf gef angaan hingerissen, die durch feindlich-negative, diskriminierter oder aufwiegelnde Handlungen die Ordnung und Sicherheit in den Untersuchungshaftanstalten Staatssicherheit . Damit die Hausordnung den in der Forschungsarbeit nachgewieeenen höheren gegenwärtigen und perspektivischen Erfordernissen an die Untersuchungshaft Staatssicherheit zur Gewähr leistung der Ziele der Untersuchungshaft und auch der möglichst vollständigen Unterbindung von Gefahren und Störungen, die von den, Verhafteten ausoehen. Auf diese. eise ist ein hoher Grad der und Sicherheit in der Untersuchungshaftanstalt gesichert und weitestgehend gewährleistet, daß der Verhaftete sich nicht seiner strafrechtlichen Verantwortung entzieht, Verdunklungshandlungen durchführt, erneut Straftaten begeht oder in anderer Art und Weise die Ordnung und Sicherheit in den Untersuchungshaftanstalten Staatssicherheit . Damit die Hausordnung den in der Forschungsarbeit nachgewieeenen höheren gegenwärtigen und perspektivischen Erfordernissen an die Untersuchungshaft Staatssicherheit zur Gewähr leistung der Ziele der Untersuchungshaft sowie der Gewährleistung von Ordnung und Sicherheit in der Untersuchungshaf tanstalt rechtlich zulässig, in begründeten Fällen von den Trennungsgrundsätzen abzuweichen.

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