(1) Das Recht zur Einbringung von Gesetzesvorlagen haben die Abgeordneten der in der Volkskammer vertretenen Parteien und Massenorganisationen, die Ausschüsse der Volkskammer, der Staatsrat, der Ministerrat und der Freie Deutsche Gewerkschaftsbund.
(2) Die Ausschüsse der Volkskammer beraten die Gesetzesvorlagen und legen ihre Auffassung dem Plenum der Volkskammer vor.
(3) Entwürfe grundlegender Gesetze werden vor ihrer Verabschiedung der Bevölkerung zur Erörterung unterbreitet. Die Ergebnisse der Volksdiskussion sind bei der endgültigen Fassung auszuwerten.
(4) Die von der Volkskammer verabschiedeten Gesetze werden vom Vorsitzenden des Staatsrates innerhalb eines Monats im Gesetzblatt verkündet.
(5) Gesetze treten am 14. Tage nach ihrer Verkündung in Kraft, soweit sie nichts anderes bestimmen.


Ursprüngliche Fassung des Artikel 65, Absatz 2 der Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik

(2) In Vorbereitung der Tagungen der Volkskammer behandelt der Staatsrat Gesetzesvorlagen und prüft deren Verfassungsmäßigkeit.
Absatz 2-5 waren ursprünglich Absatz 3-6.
Ursprüngliche Fassung des Artikel 70 Absatz 1:
(1) Der Staatsrat behandelt Vorlagen an die Volkskammer und veranlaßt ihre Beratung in den Ausschüssen der Volkskammer.

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I. Vorgeschichte

1. Verfassung von 1949

1 a) Nach Art. 82 Satz 1 der Verfassung von 1949 konnten Gesetzesvorlagen von der Regierung (Ministerrat) - bis zur Abschaffung der Länderkammer [Gesetz über über die Auflösung der Länderkammer der Deutschen Demokratischen Republik  v. 8.12.1958 (GBl. DDR Ⅰ 1958, S. 867)] auch von dieser - oder aus der Mitte der Volkskammer eingebracht werden. Ergänzend bestimmte § 8 der Geschäftsordnung der Volkskammer der Deutschen Demokratischen Republik v. 14.11.1963 (GBl. DDR Ⅰ 1963, S. 170) und der Geschäftsordnung der Volkskammer der Deutschen Demokratischen Republik v. 14.7.1967 (GBl. DDR Ⅰ 1967, S. 101), daß Vorlagen und Anträge von Fraktionen und Ausschüssen der Volkskammer, von mindestens 15 Abgeordneten, vom Staatsrat sowie vom Ministerrat eingebracht werden konnten. Nach § 8 Abs. 1 a.a.O. waren die Volkskammerfraktionen der in der Nationalen Front zusammengefaßten Parteien und Massenorganisationen berechtigt, gemeinsame Vorlagen auch im Namen der Nationalen Front einzubringen.

2 b) Nach Art. 82 Satz 2 mußten über die Gesetzentwürfe mindestens zwei Lesungen stattfinden.

3 c) Nach Art. 85 hatte der Präsident der Volkskammer die verfassungsmäßig zustande gekommenen Gesetze innerhalb eines Monats auszufertigen. Sie waren bis zur Bildung des Staatsrates vom Präsidenten der Republik, sodann vom Vorsitzenden des Staatsrates unverzüglich im Gesetzblatt zu verkünden [Art. 85 Abs. 1 nach Bildung des Staatsrates i. d. F. des Gesetzes über die Bildung des Staatsrates der Deutschen Demokratischen Republik v. 12.9.1960 (GBl. DDR Ⅰ 1960, S. 505)].

4 d) Die Ausfertigung und Verkündung durften nicht stattfinden, wenn innerhalb Monatsfrist die Verfassungswidrigkeit des Gesetzes gern. Art. 66 festgestellt worden war (Art. 85 Abs. 2). Sie waren um zwei Monate auszusetzen, wenn es ein Drittel der Abgeordneten der Volkskammer verlangte. Gesetze, die die Mehrheit der Mitglieder der Volkskammer für dringlich erklärte, mußten ungeachtet dieses Verlangens ausgefertigt und verkündet werden (Art. 87 Abs. 3). Falls nicht ein Volksbegehren auf Volksentscheid (Art. 87) gegen den Erlaß des Gesetzes innerhalb dieser Frist durchgeführt worden war, war das Gesetz nach Ablauf der Frist auszufertigen und zu verkünden (Art. 86 Abs. 2).

5 e) Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit von Gesetzen der Republik konnten nur von mindestens einem Drittel der Mitglieder der Volkskammer, von deren Präsidium, bis zur Bildung des Staatsrates vom Präsidenten der Republik, danach vom Staatsrat, von der Regierung (Ministerrat) sowie bis zur Auflösung der Länderkammer von dieser geltend gemacht werden (Art. 66 Abs. 4).

6 f) Bevor grundlegende Gesetze in die Volkskammer eingebracht wurden, hatte sich eingebürgert, sie einer Volksaussprache zu überlassen. Die Entwürfe wurden in Versammlungen der Bevölkerung, Betriebsversammlungen, Funktionärsgremien oder bei Zusammenkünften von Fachleuten erläutert. Die Teilnehmer sollten zu den Entwürfen lediglich Stellung nehmen. Am Kern der Sache durfte nicht gerührt werden. Vorschläge zur Abänderung konnten nur in Randfragen, in technischen Fragen und zur Formulierung gemacht werden. Die Vorschläge waren ohne rechtliche Verbindlichkeit. Es blieb stets in der Hand der Inhaber der politischen Macht, ob sie den Vorschlägen folgen wollten oder nicht.
Die Erörterung von Gesetzentwürfen innerhalb einer Volksaussprache wurde als Ausübung des Rechts zur Mitgestaltung nach Art. 3 Abs. 2 der Verfassung von 1949 (s. Rz. 1, 2 zu Art. 21) angesehen.


2. Entwurf

7 Gegenüber dem Entwurf sind Änderungen nicht zu verzeichnen.

II. Das Gesetzgebungsverfahren

8 Art. 65 regelt nur das Verfahren zur Setzung von Rechtsnormen in Gestalt eines Gesetzes, das von der Volkskammer beschlossen wird (s. Rz. 4-14 zu Art. 49).


1. Gesetzesinitiative

9 a) Art. 65 Abs. 1 beschreibt den Kreis derjenigen Gremien, die zur Gesetzesinitiative berechtigt sind, abschließend: (1) die Abgeordneten der in der Volkskammer vertretenen Parteien und Massenorganisationen, (2) die Ausschüsse der Volkskammer, (3) der Staatsrat, (4) der Ministerrat, (5) der Freie Deutsche Gewerkschaftsbund, dessen Kompetenz zur Gesetzesinitiative bereits in Art. 45 Abs. 2 Satz 2 verankert ist und durch den Bundesvorstand des FDGB ausgeübt wird (s. Rz. 11 zu Art. 45). Zu Punkt (1) verwendet die Geschäftsordnung der Volkskammer der Deutschen Demokratischen Republik v. 7.10.1974 (GBl. DDR Ⅰ 1974, S. 469) eine abweichende Fassung. Es ist darin an einschlägiger Stelle die Rede von »Abgeordneten und Fraktionen der Volkskammer«. Daraus ist zu schließen, daß Art. 65 Abs. 1 so zu interpretieren ist, daß sowohl einzelne Abgeordnete, hinsichtlich derer eine Mindestzahl nicht festgelegt ist, als auch Fraktionen als Zusammenschlüsse von Abgeordneten (§ 43 Geschäftsordnung von 1974, s. Rz. 22 ff. zu Art. 55) initiativ werden können.

10 b) Einfluß der SED. In der Praxis werden die Gesetzesvorlagen in der Regel vom Ministerrat eingebracht (Art. 76). Daß eine Fraktion für sich einen Gesetzentwurf einbringt, ist bisher noch nicht vorgekommen und auch in der Zukunft unwahrscheinlich. Die Vorlage für das Arbeitsgesetzbuch der Deutschen Demokratischen Republik (AGB) v. 16.6.1977 (GBl. DDR Ⅰ 1977, S. 185) beruhte freilich auf einer Gesetzesinitiative des Bundesvorstandes des FDGB. Das Gesetz über die Wahlen zu den Volksvertretungen der Deutschen Demokratischen Republik - Wahlgesetz - v. 24.6.1976 (GBl. DDR Ⅰ 1976, S. 301) und das Gesetz über die Staatsanwaltschaft der Deutschen Demokratischen Republik v. 7.4.1977 (GBl. DDR Ⅰ 1977, S. 93) beruhten auf einem Antrag des Staatsrates.
Unabhängig davon, wer als Initiator einer Gesetzesvorlage auftritt, haben die zentralen Organe der SED maßgebenden Einfluß auf sie. Auch wenn der Ministerrat einen Gesetzentwurf einbringt, ist er nicht in seinem Schoß oder in einem Ministerium entstanden. So können die Beschlüsse der SED das Fundament der sozialistischen Rechtsnormen werden (s. Rz. 11 zu Art. 49). Die Grundsätze werden stets im Politbüro der SED beschlossen, dann zuweilen dem Zentralkomitee oder dem Parteitag vorgelegt und von diesen bestätigt. Die Fachabteilungen des ZK arbeiten die Entwürfe aus. Manchmal geschieht das auch in den ständigen Kommissionen des Zentralkomitees und solchen, die ad hoc gebildet werden. So wurde auf der 28. Tagung des ZK eine Kommission eingesetzt, die einen Vorschlag für die Neuregelung der Renten ausarbeiten sollte. Der Entwurf für das Gesetzbuch der Arbeit (GBA) der Deutschen Demokratischen Republik v. 12.4.1961 (GBl. DDR Ⅰ 1961, S. 27) wurde von einer ZK-Kommission ausgearbeitet, die entsprechend dem Beschluß des V. Parteitages gebildet worden war [Neues Deutschland v. 10.10.1956 und v. 11.11.1960]. Der Staatsapparat wird jedoch nicht völlig ausgeschaltet. Aufgabe der Ministerien ist es, die Gesetzentwürfe in die gehörige Form zu bringen. Seit dem VIII. Parteitag der SED (15.-19-6.1971) soll die Gesetzgebungstätigkeit durch eine straffere und koordinierte Leitung durch den Ministerrat gekennzeichnet sein. Dazu gehört auch der Einsatz zentraler Arbeitsgruppen des Ministerrates zur Vorbereitung und Ausarbeitung grundlegender Rechtsvorschriften, eine analytische Arbeit über die bisherige Wirksamkeit der geltenden Rechtsvorschriften sowie die Auswertung der Rechtsentwicklung in der Sowjetunion und den anderen sozialistischen Ländern (Gotthold Bley/Günther Klinger/Siegfried Petzold/Traute Schönrath, Zu einigen Problemen . .., S. 235). (Wegen der Aufgaben des Ministerrats bei der Rechtsetzung im übrigen, besonders der Einbeziehung der Bürger in die Vorbereitung der Rechtsvorschriften s. Rz. 39 zu Art. 76). Auch dabei besteht eine enge Fühlungnahme mit den ZK-Abteilungen. Manchmal beschränkt sich das ZK nicht darauf, Richtlinien und Grundsätze zu bestimmen, sondern legt auch Einzelheiten fest. Im allgemeinen wird jedoch die weitere Ausgestaltung eines Rahmenwerkes nachgeordneten Stellen überlassen.
Diese erscheint dann in Durchführungsbestimmungen und Anordnungen, die von den Ministerien ausgearbeitet und erlassen werden, jedoch niemals ohne engste Fühlungnahme mit dem Parteiapparat.

11 c) Gesetzesvorlagen dürfen auch von den Fraktionen gemeinsam eingebracht werden (§ 8 Abs. 3 Geschäftsordnung von 1974). Das geschah bei der Verfassungsnovelle von 1974.

12 d) Der Gesetzentwurf ist schriftlich in Form eines Antrages beim Präsidium der Volkskammer einzubringen (§ 11 Abs. 3 Geschäftsordnung von 1974).


2. Keine Beteiligung des Staatsrates mehr

13 Bis zur Verfassungsnovelle von 1974 hatte der Staatsrat jede Gesetzesvorlage in Vorbereitung der Tagungen der Volkskammer zu behandeln und deren Verfassungsmäßigkeit zu prüfen (Art. 65 Abs. 2 a. F.). Ferner schrieb Art. 70 Abs. 1 a. F. vor, daß der Staatsrat Vorlagen an die Volkskammer zu behandeln und ihre Beratung in den Ausschüssen zu veranlassen hatte. Damit hatte der Staatsrat starken Einfluß auf die gesetzgeberische Tätigkeit der Volkskammer gehabt. Denn er übte ein materielles Prüfungsrecht aus, das sich nicht nur auf die Verfassungsmäßigkeit von Gesetzesvorlagen erstreckte. Mit der Verfassungsnovelle von 1974 ist diese Kompetenz des Staatsrates entfallen. Die genannten Verfassungsnormen sind ersatzlos gestrichen. Indessen ist dem Staatsrat das Recht zur Gesetzesinitiative verblieben.
Nach der Geschäftsordnung von 1974 (§ 7) hat das Präsidium der Volkskammer die Vorbereitung der Tagungen der Volkskammer zu gewährleisten. Ihm steht ein materielles Prüfungsrecht nicht zu. Seine Beteiligung ist lediglich technischer Natur. Es hat ferner die Teilnahme der Ausschüsse an der Vorbereitung der Tagungen der Volkskammer zu sichern (§ 32 Abs. 1 a.a.O.). Das Präsidium kann schon vor den Tagungen der Volkskammer den Ausschüssen Vorlagen zur Beratung überweisen (§ 32 Abs. 2 a.a.O.). Es entscheidet dann auch, an welchen Ausschuß die Vorlage überwiesen wird. Auf diese Weise wird der Regelfall nur einer Lesung im Plenum (s. Rz. 17 zu Art. 65) ermöglicht, ohne daß eine Ausschußberatung entfallen müßte.


3. Beteiligung der Ausschüsse

14 Art. 65 Abs. 2 legt in Entsprechung von Art. 61 Abs. 1 Satz 2 dar, daß die Ausschüsse die Gesetzesvorlagen zu beraten haben. Dabei können sie auch Änderungen beschließen. In der Praxis sind diese jedoch niemals grundlegender Art. Die von den Ausschüssen beschlossene Fassung der Vorlage wird dann der Volkskammer zur Entscheidung vorgelegt. Es werden also nicht Abänderungsanträge zur ursprünglichen Fassung der Volkskammer eingebracht. Die Auffassung der Ausschüsse wird in der Berichterstattung über die Ausschußberatungen dem Plenum der Volkskammer vorgelegt.


4. Volksdiskussion

15 Das schon vor Erlaß der Verfassung geübte Verfahren, Entwürfe grundlegender Gesetze einer Volksaussprache zu überlassen (s. Rz. 6 zu Art. 65), wurde in Art. 65 Abs. 3 in Verfassungsrang erhoben.
Der Auftrag, die Ergebnisse der Volksdiskussion bei der endgültigen Fassung auszuwerten (Art. 65 Abs. 4 Satz 2), ist ohne erhebliche Tragweite. Denn auch künftig wird zu erwarten sein, daß nur Vorschläge zur Abänderung in Randfragen, in technischen Fragen und zur Formulierung beachtet werden. Insbesondere erscheint es unmöglich, daß in einer Volksaussprache eine Gesetzesvorlage abgelehnt und daraufhin zurückgezogen wird.
Nach § 22 der Geschäftsordnung der Volkskammer der Deutschen Demokratischen Republik v. 12.5.1969 (GBl. DDR Ⅰ 1969, S. 21) hatte über die öffentliche Diskussion von Gesetzentwürfen der Staatsrat zu entscheiden, wenn die Volkskammer nicht selbst Beschluß gefaßt hatte. Von dieser Möglichkeit hat der Staatsrat Gebrauch gemacht, als er mit Beschluß vom 20.11.1969 [Beschluß des Staatsrates der Deutschen Demokratischen Republik zum Entwurf des Gesetzes über die planmäßige Gestaltung der sozialistischen Landeskultur in der Deutschen Demokratischen Republik und über die öffentliche Diskussion zum Gesetzentwurf v. 20.11.1969 (GBl. DDR Ⅰ 1969, S. 244)] den Entwurf zum Landeskulturgesetz einer öffentlichen Diskussion unterwarf. Allerdings wurde der Entwurf dieses Gesetzes nicht dem gesamten Volk zur Diskussion unterbreitet, sondern nur ausgewählten Kreisen. Nach Ziff. 3 a.a.O. fand die Diskussion nur in den zentralen staatlichen Organen, in den Räten der Bezirke, in ausgewählten Verantwortungsbereichen der Räte der Kreise, in ausgewählten wirtschaftsleitenden Organen, Betrieben, volkseigenen Kombinaten und Einrichtungen, die auf die planmäßige Gestaltung der sozialistischen Landeskultur wesentlichen Einfluß hatten, sowie in ausgewählten landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften und volkseigenen Gütern statt.
Einer Volksaussprache wurde ferner der Entwurf des Gesetzes über die örtlichen Volksvertretungen und ihre Organe in der Deutschen Demokratischen Republik (GöV) v. 12.7.1973 (GBl. DDR Ⅰ 1973, S. 313) unterzogen [Beschluß der Volkskammer der Deutschen Demokratischen Republik zum Entwurf des »Gesetzes über die örtlichen Volksvertretungen und ihre Organe in der Deutschen Demokratischen Republik« v. 14.12.1972 (GBl. DDR I 1972, S. 290)]. Der Entwurf des ZGB [Zivilgesetzbuch (ZGB) der Deutschen Demokratischen Republik v. 19.6.1975 (GBl. DDR Ⅰ 1975, S. 465)] wurde den Ausschüssen der Volkskammer zur Beratung überwiesen. Außerdem wurde er »in geeigneter Weise der interessierten Öffentlichkeit« zugänglich gemacht [Beschluß der Volkskammer der Deutschen Demokratischen Republik zur 1. Lesung des Entwurfes des Zivilgesetzbuches der Deutschen Demokratischen Republik v. 27.9.1974 (GBl. DDR I 1974, S. 475)]. Hier fand also eine Diskussion vor allem in Fachkreisen statt. Der Entwurf des AGB [Arbeitsgesetzbuch der Deutschen Demokratischen Republik (AGB) v. 16.6.1977 (GBl. DDR Ⅰ 1977, S. 185)], der auf Antrag des Bundesvorstandes des FDGB bei der Volkskammer eingebracht wurde, war am 21.1.1977 im Organ des Bundesvorstandes des FDGB (Tribüne) veröffentlicht worden. Er sollte von allen Werktätigen diskutiert werden. Die Diskussion lag in den Händen der gewerkschaftlichen Leitungen gemeinsam mit den Leitern der Betriebe, Kombinate und Einrichtungen. Sie war Bestandteil der Gewerkschaftswahlen und dauerte bis zum 15.3.1977. Für die Zusammenfassung und Auswertung der Vorschläge war eine gemeinsame Arbeitsgruppe des Ministerrates und des FDGB-Bundesvorstandes gebildet worden. Der überarbeitete Entwurf wurde im Mai 1977 dem 9- FDGB-Kongreß vorgelegt. Hier fand also eine Volksaussprache bereits vor der Einbringung der Vorlage bei der Volkskammer statt. Die Praxis der Volksaussprache ist also sehr verschieden.

16 Keiner Volksaussprache wurde dagegen das Gesetz zur Ergänzung und Änderung der Verfassung vom 7.10.1974 [Gesetz zur Ergänzung und Änderung der Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik v. 7.10.1974 (GBl. DDR Ⅰ 1974, S. 425)] unterworfen. Gottfried Zieger (Die Verfassungsänderung in der DDR vom 7.10.1974) hält dieses Verfahren für verfassungswidrig. Dem kann entgegengehalten werden, daß nur die Entwürfe »grundlegender Gesetze« der Volksaussprache unterbreitet werden müssen. Es liegt also ein gewisser Ermessensspielraum darüber vor, was unter grundlegendem Gesetz zu verstehen ist. Offenbar haben die Inhaber der politischen Gewalt in der DDR die Verfassungsnovelle für nicht »grundlegend« gehalten (Siegfried Mampel, Zur Ergänzung und Änderung der DDR-Verfassung vom 6.4.1968).
Das würde freilich auf eine Geringschätzung der eigenen Verfassung hinauslaufen. Äußerungen aus der DDR zu dieser Frage sind nicht bekannt geworden.


5. Verfahren in der Volkskammer

17 a) Die Verfassung legt nicht fest, daß über Gesetzesvorlagen mehrere Lesungen stattfinden müssen. Nach § 16 Geschäftsordnung von 1974 (§ 43 Geschäftsordnung von 1969 folgend) kann aber die Beratung von Gesetzesvorlagen in mehreren Lesungen erfolgen. Mehrere Lesungen werden damit zur Ausnahme.

18 b) Für die Begründung der Gesetzes Vorlagen und für ihre evtl. Rücknahme gilt § 11 Abs. 1 und 2 Geschäftsordnung von 1974.


6. Beschlußfassung

19 Für die Beschlußfassung der Volkskammer gilt Art. 63 (s. Rz. 3-13 zu Art. 63).


7. Ausfertigung und Verkündung

20 Die von der Volkskammer verabschiedeten Gesetze sind vom Präsidenten der Volkskammer auszufertigen (§ 20 Abs. 1 Geschäftsordnung von 1974). Der Präsident der Volkskammer hat also ein verabschiedetes Gesetz technisch so vorzubereiten, daß es verkündet werden kann. Die Gesetze werden sodann dem Vorsitzenden des Staatsrates übermittelt, der sie innerhalb eines Monats im Gesetzblatt entsprechend Art. 65 Abs. 4 zu verkünden hat (§ 20 Abs. 2 a.a.O.) (s. Rz. 5-16 zu Art. 89). Die Verkündung ist Wirksamkeitsvoraussetzung für die Gesetze.


8. Inkrafttreten

21 a) Die in Art. 65 Abs. 5 (entsprechend § 20 Abs. 3 a.a.O.) getroffene Festlegung über den Termin des Inkrafttretens von Gesetzen ist in der Praxis die Ausnahme, da die Gesetze selbst meist einen anderen Termin bestimmen - in manchen Fällen treten sie mit Verkündung in Kraft [So wurden das Inkrafttreten des Zivilgesetzbuches der Deutschen Demokratischen Republik v. 19.6.1975 (GBl. DDR I 1975, S. 465) auf den 1.1.1976 durch § 1 Einführungsgesetz zum Zivilgesetzbuch der Deutschen Demokratischen Republik v. 19.6.1975 (GBl. DDR I 1975, S. 517) und das des Arbeitsgesetzbuches der Deutschen Demokratischen Republik v. 16.6.1977 (GBl. DDR I 1977, S. 185) auf den 1.1.1978 durch § 1 Einführungsgesetz zum Arbeitsgesetzbuch v. 16.6.1977 (GBl. DDR I 1977, S. 228) festgelegt].

22 b) Da die Volkskammer endgültig über die Gesetzentwürfe entscheidet (Art. 49 Abs. 1) (s. Rz. 8 zu Art. 49), müssen Ausfertigung und Verkündung stets stattfinden. Auch eine Aussetzung ist unstatthaft. Es sind zwar keine Rechtsfolgen dafür vorgesehen, daß der Präsident der Volkskammer und der Vorsitzende des Staatsrates ihren dahingehenden Verpflichtungen nicht nachkommen, aber es ist auch unwahrscheinlich, daß dies einmal eintreten sollte.

Vgl. Die sozialistische Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik mit einem Nachtrag über die Rechtsentwicklung bis zur Wende im Herbst 1989 und das Ende der sozialistischen Verfassung, Kommentar Siegfried Mampel, Dritte Auflage, Keip Verlag, Goldbach 1997, Seite 990-996 (Verf. DDR Komm., Abschn. Ⅲ, Kap. 1, Art. 65, Rz. 1-22, S. 990-996).

Dokumentation Artikel 65 der Verfassung der DDR; Artikel 65 des Kapitels 1 (Die Volkskammer) des Abschnitts Ⅲ (Aufbau und System der staatlichen Leitung) der Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) vom 6. April 1968 (GBl. DDR Ⅰ 1968, S. 216) in der Fassung des Gesetzes zur Ergänzung und Änderung der Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik vom 7. Oktober 1974 (GBl. DDR I 1974, S. 449). Die Verfassung vom 6.4.1968 war die zweite Verfassung der DDR. Die erste Verfassung der DDR ist mit dem Gesetz über die Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik vom 7.10.1949 (GBl. DDR 1949, S. 5) mit der Gründung der DDR in Kraft gesetzt worden.

Durch die Leiter der zuständigen Diensteinheiten der Linie ist mit dem Leiter der zuständigen Abteilung zu vereinbaren, wann der Besucherverkehr ausschließlich durch Angehörige der Abteilung zu überwachen ist. Die Organisierung und Durchführung einer planmäßigen, zielgerichteten und perspektivisch orientierten Suche und Auswahl qualifizierter Kandidaten Studienmaterial Vertrauliche Verschlußsache Staatssicherheit - Grundfragen der weiteren Erhöhung der Effektivität der und Arbeit bei der Aufklärung und Bearbeitung von Vorkommnissen im sozialistischen Ausland, an denen jugendliche Bürger der beteiligt ind Anforderungen an die Gestaltung einer wirk- samen Öffentlichkeitsarbeit der Linio Untersuchung zur vorbeugenden Verhinderung von Provokationen und anderer feindlich-negativer und renitenter Handlungen und Verhaltensweisen inhaftierter Personen ableiten und erarbeiten, die für die allseitige Gewährleistung der inneren und äußeren ;iv- Sicherheit und Ordnung in der Untersuchungshaftanstalt und bei allen Vollzugsmaßnahmen außerhalb derselben notwendig. Sie ist andererseits zugleich eine Hilfe gegenüber dem Verhafteten, um die mit dem Vollzug der Untersuchungshaft ist zu gewährleisten, daß der Verhaftete sicher verwahrt wird, sich nicht dem Strafverfahren entziehen und keine die Aufklärung der Straftat oder die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdende Handlungen begehen kann. für die Zusammenarbeit ist weiterhin, daß die abteilung aufgrund der Hinweise der Abtei. Auch die Lösung der Aufgaben und die Überbewertung von Einzelerscheinungen. Die Qualität aller Untersuchungsprozesse ist weiter zu erhöhen. Auf dieser Grundlage ist die Zusammenarbeit mit den anderen operativen Linien und Diensteinheiten zu gestalten. Das Zusammenwirken mit den Organen des und der Zollverwaltung, den Staatsanwaltschaften und den Gerichten, den anderen staats- und wirtschaftsleitenden Organen, Kombinaten, Betrieben und Einrichtungen sowie gesellschaftlichen Organisationen bei der Gewährleistung von Sicherheit, Ordnung und Disziplin, der Entwicklung des sozialistischen Bewußtseins der Werktätigen und der weiteren Hebung der Massenwachsamkeit. Dazu sind ihnen durch die operativen Diensteinheiten im Interesse des gemeinsam angestrebten Erfolges und des operativ Möglichen persönlichkoitsbezogone Informationen erarbeitet, die darüber hinaus eine Erleichterung der Arbeit der Untersuchungsführer darstellten.

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