(1) Die Rechtspflege dient der Durchführung der sozialistischen Gesetzlichkeit, dem Schutz und der Entwicklung der Deutschen Demokratischen Republik und ihrer Staats- und Gesellschaftsordnung. Sie schützt die Freiheit, das friedliche Leben, die Rechte und die Würde der Menschen.
(2) Die Bekämpfung und Verhütung von Straftaten und anderer Rechtsverletzungen sind gemeinsames Anliegen der sozialistischen Gesellschaft, ihres Staates und aller Bürger.
(3) Die Teilnahme der Bürger an der Rechtspflege ist gewährleistet. Sie wird im einzelnen durch Gesetz bestimmt.

Verfassung der Deutschen Demokratische Republik (DDR) von 1949 bis 1990, Foto 131
Verfassung der Deutschen Demokratische Republik (DDR) von 1949 bis 1990, Foto 132
Verfassung der Deutschen Demokratische Republik (DDR) von 1949 bis 1990, Foto 133
Verfassung der Deutschen Demokratische Republik (DDR) von 1949 bis 1990, Foto 134
Verfassung der Deutschen Demokratische Republik (DDR) von 1949 bis 1990, Foto 135

I. Vorgeschichte

1. Unter der Verfassung von 1949

1 a) In der Verfassung von 1949 wurde die Rechtspflege in den Art. 126 bis 138 behandelt. Ein Satz über ihre grundsätzlichen Aufgaben war darin nicht enthalten. Dies ist damit zu erklären, daß die Verfassung von 1949 sich zwar bereits zum Grundsatz der Gewalteneinheit bekannte, diese indessen hinsichtlich der Stellung der Gerichte noch nicht total war. Erst im Zuge der im Jahre 1952 eingeleiteten Verwaltungsreform wurden die Gerichte in den einheitlichen Staatsaufbau einbezogen (s. Rz. 23 zu Art. 5) Endgültig wurden die Stellung der Rechtspflege und ihre Funktionen im Erlaß des Staatsrates der DDR über die grundsätzlichen Aufgaben und die Arbeitsweise der Organe der Rechtspflege vom 4.4.1963 [Erlaß des Staatsrates der Deutschen Demokratischen Republik über die grundsätzlichen Aufgaben und die Arbeitsweise der Organe der Rechtspflege v. 4.4.1963, GBl. DDR Ⅰ 1963, S. 21)] und in seinen Folgegesetzen [vor allem: Gesetz über die Verfassung der Gerichte der Deutschen Demokratischen Republik (Gerichtsverfassungsgesetz) v. 17.4.1963 (GBl. DDR Ⅰ 1963, S. 45), in der Fassung des Einführungsgesetzes zum Strafgesetzbuch und zur Strafprozeßordnung der Deutschen Demokratischen Republik v. 12.1.1968 (GBl. DDR Ⅰ 1968, S. 97), des Gesetzes über die gesellschaftlichen Gerichte der Deutschen Demokratischen Republik - GGG - v. 11. 6.1968 (GBl. DDR Ⅰ 1968, S. 229), des Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Verfassung der Gerichte der Deutschen Demokratischen Republik (Gerichtsverfassungsgesetz) vom 17. Dezember 1969 v. 17.12.1969 (GBl. DDR Ⅰ 1970, S. 5)] und das Gesetz über die Staatsanwaltschaft der Deutschen Demokratischen Republik v. 17.4.1963 (GBl. DDR Ⅰ 1963, S. 57), die nach dem Erlaß der Verfassung von 1968 zunächst weitergalten, bestimmt.

2 b) Nach Art. 130 der Verfassung von 1949 waren Laienrichter im weitesten Umfange an der Rechtsprechung zu beteiligen. Diese wurden auf Vorschlag der demokratischen Parteien und Organisationen durch die zuständigen Volksvertretungen gewählt.

3 Im Entwurf trug Art. 90 die Nr. 91. Außerdem wurde Abs. 2 grammatikalisch berichtigt, indem das Wort »ist« im Entwurf durch »sind« ersetzt wurde.

II. Die Rechtspflege

1. Funktionen

4 Art. 90 Abs. 1 unterstellt die Rechtspflege dem Telos des sozialistischen Staates, wie es in Art. 4 festgelegt ist (s. Rz. 1-9 zu Art. 4), wenn auch ein abweichender Wortlaut gewählt wurde. So nimmt er den Begriff der »sozialistischen Gesetzlichkeit« auf, die nach Art. 19 Abs. 1 Satz 2 die DDR zu garantieren hat (s. Rz. 46-67 zu Art. 19). Das zeigt an, daß die Rechtspflege bei der Verfolgung der dem sozialistischen Staat gesetzten Ziele Funktionen zu erfüllen hat, die einen anderen Schwerpunkt haben als
die Funktionen der übrigen Staatsorgane. Dieser liegt in der »Durchführung« der sozialistischen Gesetzlichkeit. Dem entspricht auch, daß die Bestimmungen über die Rechtspflegeorgane nicht im Abschnitt III über den Aufbau und das System der staatlichen Leitung enthalten sind, wo sie wegen ihrer Einordnung in den Staatsaufbau hätten aufgenommen werden können, sondern im Abschnitt IV gemeinsam mit anderen Sätzen, die der Wahrung der sozialistischen Gesetzlichkeit dienen sollen. Was nicht in der Verfassung zum Ausdruck kommt, weil es offenbar für selbstverständlich gehalten wird, ist, daß die Rechtspflege sich vor allem mit Einzelfällen befaßt.


2. Rechtspflegeorgane

5 a) Gruppen. Die Aufgaben der Rechtspflege sind Sache besonderer Organe. Diese sind die Gerichte, die Staatsanwaltschaft, die Untersuchungsorgane, die Organe des Strafvollzugs, die Rechtsanwaltschaft und die Notariate. Verfassungsrechtlich geregelt ist nur die grundsätzliche Stellung der Gerichte in Art. 92 bis 96 und die der Staatsanwaltschaft in Art. 97 und 98. Diese Verfassungsnormen werden ausgeführt durch das Gesetz über die Verfassung der Gerichte der Deutschen Demokratischen Republik - Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) - v. 27.9.1974 (GBl. DDR Ⅰ 1974, S. 457), das Gesetz über die gesellschaftlichen Gerichte der Deutschen Demokratischen Republik - GGG - v. 11. 6.1968 (GBl. DDR Ⅰ 1968, S. 229) und das Gesetz über die Staatsanwaltschaft der Deutschen Demokratischen Republik v. 7.4.1977 (GBl. DDR Ⅰ 1977, S. 93). Die Struktur und die Aufgaben der übrigen Rechtspflegeorgane ergeben sich nur aus der einfachen Gesetzgebung, so der Untersuchungsorgane aus der Strafprozeßordnung der DDR - StPO - vom 12.1.1968 [Strafprozeßordnung der Deutschen Demokratischen Republik - StPO - v. 12.1.1968 (GBl. DDR Ⅰ 1968, S. 49) in der Fassung des Gesetzes zur Änderung der Strafprozeßordnung der Deutschen Demokratischen Republik - StPO - v. 19.12.1974 (GBl. DDR Ⅰ 1975, S. 62), des Gesetzes zur Änderung und Ergänzung straf- und strafverfahrensrechtlicher Bestimmungen v. 7.4.1977 (GBl. DDR Ⅰ 1977, S. 100) und des Gesetzes zur Änderung und Ergänzung straf- und strafverfahrensrechtlicher Bestimmungen (3. Strafrechtsänderungsgesetz) v. 28.6.1979 (GBl. DDR Ⅰ 1979, S. 139)], insbesondere aus deren §§ 88 bis 91, die der Organe des Strafvollzugs aus dem Strafvollzugsgesetz vom 7.4.1977 [Gesetz über den Vollzug der Strafen mit Freiheitsentzug (Strafvollzugsgesetz) - StVG - v. 7.4.1977 (GBl. DDR Ⅰ 1977, S. 109); zuvor: Gesetz über den Vollzug von Strafen mit Freiheitsentzug und über die Wiedereingliederung Strafentlassener in das gesellschaftliche Leben (Strafvollzugs- und Wiedereingliederungsgesetz) - SVWG - v. 12.1.1968 (GBl. DDR Ⅰ 1968, S. 109) in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über den Vollzug der Strafen mit Freiheitsentzug und über die Wiedereingliederung Strafentlassener in das gesellschaftliche Leben (Strafvollzugs- und Wiedereingliederungsgesetz) - SVWG - v. 19.12.1974 (GBl. DDR Ⅰ 1974, S. 607)], der Rechtsanwaltskollegien, in denen die Mehrzahl der Rechtsanwalte zusammengeschlossen sind aus dem Gesetz über die Kollegien der Rechtsanwälte der Deutschen Demokratischen Republik v. 17.12.1980 (GBl. DDR Ⅰ 1981, S. 1) [Musterstatut der Kollegien der Rechtsanwälte der Deutschen Demokratischen Republik v. 17.12.1980 (GBl. DDR Ⅰ 1981, S. S. 4); zuvor: Verordnung über die Bildung von Kollegien der Rechtsanwälte v. 15.5.1953, (Musterstatut in der Anlage, GBl. DDR 1953, S. 725) i.d.F. der Änderungsverordnung v. 18.3.1954 (GBl. DDR 1954, S. 311); Durchführungsbestimmungen v. 21.5.1953 (GBl. DDR 1953, S. 769, Ber. S. 848), v. 28.8.1953 (GBl. DDR 1953, S. 957), v. 5.9.1953 (GBl. DDR 1953, S. 994), v. 23.4.1956 (GBl. DDR I 1956, S. 402), v. 11.7.1956 (GBl. DDR I 1956, S. 596); Anordnung zur Änderung des Musterstatuts v. 22.3.1958 (GBl. DDR I 1958, S. 311)] sowie der Einzelanwälte aus der Anordnung über die Aufgaben und die Tätigkeit der Einzelanwälte v. 18.12.1980 (GBl. DDR Ⅰ 1981, S. 10) (s. Rz. 8 ff. zu Art. 102), der Staatlichen Notariate (s. Rz. 37-41 zu Art. 92) aus dem Gesetz über das Staatliche Notariat - Notariatsgesetz - v. 5.2.1976 (GBl. DDR Ⅰ 1976, S. 93) [zuvor: Verordnung über die Errichtung und Tätigkeit des Staatlichen Notariats v. 15.10.1952 (GBl. DDR 1952, S. 1055)].

6 b) Die Rechtspflegeorgane werden in »staatliche« und »gesellschaftliche« unterschieden. Die staatlichen Rechtspflegeorgane sind Organe des Staates im engeren Sinne, die gesellschaftlichen Rechtspflegeorgane gehören zur Gesellschaftsorganisation, sind also damit ebenfalls Bestandteile des politischen Systems (s. Rz. 23, 24 zu Art. 1). Das gilt auch für die Rechtsanwaltschaft, die im Erlaß vom 4.4.1963 [Erlaß des Staatsrates der Deutschen Demokratischen Republik über die grundsätzlichen Aufgaben und die Arbeitsweise der Organe der Rechtspflege v. 4.4.1963 (GBl. DDR Ⅰ 1963, S. 21)] als »gesellschaftliche Einrichtung der Rechtspflege« bezeichnet worden war. Die gesellschaftlichen Gerichte, die bis zur Verfassung von 1968 als »gesellschaftliche Rechtspflegeorgane« bezeichnet worden waren, stehen sogar mit den staatlichen Gerichten in einem besonders engen Konnex (s. Rz. 7 zu Art. 92).

III. Die Bekämpfung und Verhütung von Straftaten und anderen Rechtsverletzungen

1. Gemeinsames Anliegen

7 Art. 90 Abs. 2 stellt heraus, daß die Bekämpfung und Verhütung von Straftaten und anderen Rechtsverletzungen nicht nur Sache der Rechtspflegeorgane ist, sondern der sozialistischen Gesellschaft, ihrem Staate und allen Bürgern obliegt. Wenn die Rechtspflegeorgane darin zwar ihre spezifische Aufgabe haben, werden dennoch das politische System und alle seine Subsysteme bis hinunter zum Bürger von dieser Pflicht dadurch nicht entlastet. Art. 3 Abs. 1 des StGB vom 12.1.1968 [Strafgesetzbuch der Deutschen Demokratischen Republik - STGB - v. 12.1.1968 (GBl. DDR Ⅰ 1968, S. 1) in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches v. 19.12.1974 (GBl. DDR Ⅰ 1975, S. 14), des Gesetzes zur Änderung und Ergänzung straf- und strafverfahrensrechtlicher Bestimmungen v. 7.4.1977 (GBl. DDR Ⅰ 1977, S. 100) und des Gesetzes zur Änderung und Ergänzung straf- und strafverfahrensrechtlicher Bestimmungen v. 28.6.1979 (GBl. DDR Ⅰ 1979, S. 139)] erlegt den Leitern der Betriebe, der staatlichen Organe und Einrichtungen, den Vorständen der Genossenschaften und den Leitungen der gesellschaftlichen Organisationen die Pflicht auf, »die Bürger zu hoher Wachsamkeit gegenüber feindlichen Anschlägen und feindlichen ideologischen Einflüssen und zur Unduldsamkeit gegenüber Verletzungen der sozialistischen Gesetzlichkeit und Disziplin« zu erziehen. Über die Aufgaben der örtlichen Räte und der Betriebe bei der Erziehung kriminell gefährdeter Bürger erging zuerst eine Verordnung vom 15.1.1968 (GBl. DDR II 1968, S. 751). In einem nichtveröffentlichten Beschluß des Ministerrates vom 26.11.1969 werden Minimalforderungen an die Leiter von Staats- und Wirtschaftsorganen für die Kriminalitätsbekämpfung in territorialen Bereichen festgelegt (Heinz Duft, Entwicklung einer wissenschaftlichen Führungstätigkeit ...), nachdem ein Volkskammerausschuß dazu einen Bericht vorgelegt hatte (Komplexe Vorbeugung und Bekämpfung ...). Aufgrund dieses Ausschußberichts wurde eine Arbeitsgruppe »Komplexe Kriminalitätsvorbeugung und -bekämpfung« gebildet (Harri Haarland, Zentrale Leitung und komplexe Kriminalitätsverhütung und -bekämpfung).


2. Spezielle Aufgaben der örtlichen Räte und Betriebe

8 2. Spezielle Aufgaben der örtlichen Räte und der Betriebe bei der Erziehung kriminell gefährdeter Bürger legt die Verordnung über die Aufgaben der örtlichen Räte und der Betriebe bei der Erziehung kriminell gefährdeter Bürger v. 19.12.1974 (GBl. DDR Ⅰ 1975, S. 130) fest. Ohne ausdrücklich auf Art. 90 Abs. 2 zu verweisen, heißt es in der Präambel dieser Verordnung, da die Verhütung und Bekämpfung von Straftaten sowie anderer Rechtsverletzungen, die Beseitigung ihrer Ursachen und Bedingungen und die Gewährleistung der Sicherheit und Ordnung ein Anliegen der gesamten sozialistischen Gesellschaft seien, werde von den örtlichen Räten sowie den Leitern der Betriebe und Einrichtungen und den Vorständen der Genossenschaften erfordert, vor allem die vorbeugende Tätigkeit zu entwickeln und auf Erscheinungen der kriminellen Gefährdung konsequent zu reagieren. Deshalb werden die Räte der Kreise, Städte, Stadtbezirke und Gemeinden in ihrem Verantwortungsbereich für die Organisierung der Maßnahmen zur Bekämpfung der kriminellen Gefährdung, insbesondere für die Durchführung der Erfassung, Erziehung und Kontrolle kriminell gefährdeter Bürger, verantwortlich gemacht. Kriminell gefährdeten jungen Bürgern soll dabei besondere Aufmerksamkeit gewidmet werden. Die Leiter der Betriebe und Einrichtungen und die Vorstände der Genossenschaften haben in ihrem Verantwortungsbereich die Erziehung, Kontrolle und Unterstützung kriminell gefährdeter Bürger entsprechend den für diesen Personenkreis getroffenen Festlegungen der zuständigen örtlichen Räte zu gewährleisten. Darüber üben die örtlichen Räte die Kontrolle aus.
Als kriminell gefährdet werden Personen behandelt, die
- ernsthafte Anzeichen der Entwicklung eines arbeitsscheuen Verhaltens erkennen lassen, obwohl sie arbeitsfähig sind,
- darauf ausgehen, sich auf unlautere Art und Weise Mittel zum Lebensunterhalt zu verschaffen,
- infolge ständigen Alkoholmißbrauchs fortgesetzt die Arbeitsdisziplin verletzen bzw. die Regeln des gesellschaftlichen Zusammenlebens mißachten,
- nach Vollendung des 18. Lebensjahres aus der Betreuung der Organe der Jugendhilfe ausscheiden und bei denen wegen ihres sozialen Fehlverhaltens die Weiterfuhrung der Erziehung notwendig ist.

9 Die örtlichen Räte haben die kriminell gefährdeten Personen zu erfassen. Dazu sind sie berechtigt, Informationen von anderen staatlichen Organen, Betrieben, Einrichtungen und Genossenschaften, der Staatsanwaltschaft, den Gerichten und den Sicherheitsorganen (Deutsche Volkspolizei und Staatssicherheitsdienst) zu verlangen. Die Leiter der Betriebe und Vorstände der Genossenschaften sind verpflichtet, kriminell gefährdete Bürger unverzüglich dem zuständigen örtlichen Rat zu melden. Die Staatsorgane, insbesondere die Sicherheitsorgane, haben diese Pflicht ebenfalls. Über die Erfassung entscheidet der Rat durch Beschluß. Die kriminell gefährdeten Bürger sollen insbesondere durch Arbeit auf der Grundlage eines Arbeitsrechtsverhältnisses, durch Gewährleistung der Berufsausbildung besonders bei jungen Bürgern und durch Einflußnahme auf eine sinnvolle Freizeitgestaltung erzogen werden.

10 Kriminell gefährdeten Bürgern können folgende Auflagen erteilt werden:
- einen durch den örtlichen Rat zugewiesenen Arbeitsplatz einzunehmen und diesen nicht ohne Zustimmung des örtlichen Rates zu wechseln,
- eine begonnene schulische und berufliche Aus- bzw. Weiterbildung fortzusetzen und abzuschließen,
- einen durch den örtlichen Rat zugewiesenen Wohnraum in einer bestimmten Frist zu beziehen und diesen oder bisherigen Wohnraum nicht ohne Zustimmung zu wechseln,
- den Umgang mit solchen Personen zu unterlassen, deren Einfluß sich ungünstig auf die Entwicklung auswirkt,
- sich nicht in bestimmten Gebäuden, Gaststätten oder Örtlichkeiten (Anlagen, Plätzen u. ä.) aufzuhalten,
- festgelegten Meldepflichten des örtlichen Rates nachzukommen,
- Rückstände bei finanziellen Verpflichtungen (Unterhalt, Miete, Energiekosten u. ä.) in einer angemessenen Frist zu begleichen und den Nachweis darüber dem örtlichen Rat vorzulegen,
- die Aufwendungen für die Familie zu sichern, Unterhalts- und anderen Verpflichtungen nachzukommen und den Nachweis darüber dem örtlichen Rat vorzulegen,
- sich einer notwendigen fachärztlichen Untersuchung zu unterziehen,
- einer ärztlich festgelegten Heilbehandlung bei Alkoholmißbrauch mit Verdacht auf Trunksucht oder bei Mißbrauch von Suchtmitteln nachzukommen und die ärztlichen Anweisungen strikt einzuhalten.
Gegen die Erteilung von Auflagen ist das Rechtsmittel der Beschwerde gegeben, die keine aufschiebende Wirkung hat.
Zuwiderhandlungen können mit Ordnungsstrafen geahndet werden. Ferner kann zusätzlich oder selbständig die Heranziehung zur gemeinnützigen Arbeit ausgesprochen werden. In schwerwiegenden Fällen kann eine strafrechtliche Sanktion erstrebt werden, indem eine Anzeige nach § 249 StGB wegen asozialen Verhaltens erstattet wird.
Mit der Erteilung von Auflagen werden Grundrechte der betroffenen Bürger tangiert. Infrage kommen das Recht auf freie Wahl des Arbeitsplatzes (Art. 24 Abs. 1 Satz 2, s. Rz. 13-28 zu Art. 24), das Recht auf Schutz der Persönlichkeit (Art. 30 Abs. 1, s. Rz. 3-8 zu Art. 30) und das Recht auf Freizügigkeit (Art. 32, s. Rz. 7-13 zu Art. 32). Bemerkenswert ist, daß die Beschränkung der genannten Grundrechte nicht auf der Grundlage eines formellen Gesetzes, sondern nur auf der Grundlage einer Verordnung des Ministerrates gestattet ist. Das bedeutet einen Verstoß gegen die genannten Verfassungsnormen, soweit sie für Einschränkungen ein formelles Gesetz erfordern (Art. 30 und 32).


3. Prophylaxe

11 Gegenstand der Prophylaxe ist nicht nur die Bekämpfung und Verhütung von Straftaten im Sinne des StGB, also gesellschaftswidriger oder gesellschaftsgefährlicher Handlungen (Tun oder Unterlassen), die nach dem Gesetz als Verbrechen oder Vergehen strafrechtliche Verantwortlichkeit (s. Rz. 4-10 zu Art. 99) begründen (§ 1 Abs. 1 a.a.O.), sondern auch anderer Rechtsverletzungen. Darunter fallen sowohl Verfehlungen im Sinne des StGB als Verletzungen rechtlich geschützter Interessen der Gesellschaft und der Bürger, bei denen die Auswirkungen der Tat und die Schuld des Täters unbedeutend sind und die im StGB oder in anderen Gesetzen als solche bezeichnet werden (§ 4 Abs. 1 a.a.O.), als auch die Verletzungen von Rechtsnormen auf allen anderen Gebieten (Zivilrecht, Familienrecht, Arbeitsrecht, Wirtschaftsrecht, Landwirtschaftsrecht).


4. Rechtserziehung und Rechtsarbeit

12 Der Bekämpfung und Verhütung von Rechtsverletzungen auf allen Gebieten dienen auch die Maßnahmen zur Rechtserziehung zwecks Vertiefung des Rechtsbewußtseins und die Rechtsarbeit. Eine besondere Rolle spielt dabei die Masseninitiative unter dem Motto »Gewährleistung einer mustergültigen Ordnung, Sicherheit und Sauberkeit« (s. Rz. 65-67 zu Art. 19).

IV. Die Teilnahme der Bürger an der Rechtspflege

1. Verhältnis zu Art. 87

13 Während nach Art. 87 die Gesetzlichkeit durch die Einbeziehung der Bürger und ihrer Gemeinschaften die Rechtspflege gewährleistet sein soll, garantiert Art. 90 Abs. 3 die Teilnahme der Bürger an der Rechtspflege. Da außerdem nach Art. 19 Abs. 1 Satz 2 die DDR die sozialistische Gesetzlichkeit gewährleistet, ergibt sich ein eigenartiges System
der Garantien. Die DDR, d. h. ihre Organe, haben die sozialistische Gesetzlichkeit zu gewährleisten. Das haben Gesellschaft und Staat durch Einbeziehung der Bürger und ihrer Gemeinschaften in die Rechtspflege zu tun. Diese Teilnahme wird aber wiederum durch die Verfassung garantiert, d. h. ihre Sicherung erfolgt auch wieder durch die Organe der DDR. Art. 90 Abs. 3 bringt daher allenfalls insoweit etwas Zusätzliches, als die Einbeziehung im Sinne des Art. 87 offenbar eine aktive Betätigung der Bürger meint, während die Teilnahme weiter geht und auch, aber nicht nur, meint, daß die Bürger bei der Tätigkeit der Rechtspflegeorgane dabeisein dürfen.


2. Regelung durch formelles Gesetz

14 Art. 90 Abs. 3 Satz 2 meint ein Gesetz im formellen Sinne. Was die aktive Teilnahme angeht, ist dieses Erfordernis durch das GVG und das GGG und die StPO erfüllt. Inwieweit das geschehen ist, ist in Rz. 6 und 7 zu Art. 87 dargestellt.


3. Öffentlichkeit der Hauptverhandlung

15 a) Eine gesetzliche Regelung über ein Dabeisein bei der Tätigkeit von Rechtspflegeorganen enthält das GVG. Danach sind die Verhandlungen der Gerichte grundsätzlich öffentlich (§ 10 Abs. 1 a.a.O.). StPO (§§ 10 Abs. 1, 211, Abs. 1) und ZPO [§43 Abs. 1 Gesetz über das gerichtliche Verfahren in Zivil-, Familien- und Arbeitsrechtsachen - Zivilprozeßordnung (ZPO) - v. 11.7.1975 (GBl. DDR Ⅰ 1975, S. 533)] bestätigen den Grundsatz für den Straf- und den Zivil-, Familien- und Arbeitsrechtsprozeß. Im Strafprozeß dient nach § 10 Abs. 2 StPO die Öffentlichkeit der Hauptverhandlung dem Ziel, das Staats- und Rechtsbewußtsein der Bürger zu entwickeln, ihre Verbundenheit zu den Organen des sozialistischen Staates zu festigen, die erzieherische Wirkung der Hauptverhandlung zu erhöhen und die Bereitschaft der Bürger zur Bekämpfung der Kriminalität zu fördern. Ferner soll sie die gesellschaftliche Kontrolle gewährleisten und eine Garantie für die gerechte Anwendung des sozialistischen Strafrechts bilden. Termin und Ort der Hauptverhandlung müssen so bestimmt werden, daß die Teilnahme der an der Strafsache interessierten Bürger gewährleistet ist, um die mit der Öffentlichkeit der Hauptverhandlung erstrebten Ziele zu erreichen (§ 201 Abs. 1 StPO).

16 Hauptverhandlungen können sowohl im Straf- wie im Zivilprozeß vor sogenannter »erweiterter« Öffentlichkeit stattfinden. Im Strafprozeß hat nämlich das Gericht die Hauptverhandlung in sozialistischen Betrieben, Genossenschaften, Einrichtungen und in Wohngebieten durchzuführen, »wenn dadurch in besonderem Maße die Mobilisierung gesellschaftlicher Kräfte zur Verhütung von Straftaten und anderen Rechtsverletzungen und zur Beseitigung ihrer Ursachen und Bedingungen erreicht werden kann« (§ 201 Abs. 2 StPO). In Verfahren über Zivil-, Familien- und Arbeitsrechtssachen kann das Gericht zur Erhöhung der Wirksamkeit der öffentlichen Verhandlung, wenn die Bedeutung und die Auswirkungen der Sache das erfordern und den gesellschaftlichen Aufwand rechtfertigen, die Anwesenheit von Arbeitskollektiven, Hausgemeinschaften oder anderen Kollektiven von Werktätigen oder ihrer Beauftragten, von Mitgliedern gesellschaftlicher Gerichte sowie von Vertretern der Leitungen von Betrieben, Genossenschaften oder Organisationen oder von anderen Bürgern veranlassen, die Verhandlung in einer Zeit durchführen, in der Werktätige anwesend sein können, oder die Verhandlung im Betrieb, am Ort der Entstehung des Konflikts oder an einem anderen geeigneten Ort außerhalb des Gerichtsgebäudes durchführen (§ 43 Abs. 2 ZPO). Nach Erich Buchholz/Ulrich Dähn (Rechte und Freiheiten der Bürger und sozialistisches Strafrecht, S. 1081) fanden im Jahre 1978 10 000 Verhandlungen in Strafsachen vor erweiterter Öffentlichkeit mit einem Zuhörerkreis von 250 000 Personen statt.

17 Nach dem GVG (§ 10 Abs. 2) darf die Öffentlichkeit nur ausgeschlossen werden, soweit Gesetze es zulassen. Im Strafprozeß kann das Gericht für die Verhandlung oder für einen Teil der Verhandlung die Öffentlichkeit ausschließen, wenn die öffentliche Verhandlung die öffentliche Ordnung oder die Sittlichkeit gefährden würde oder Nachteile für die Erziehung eines jugendlichen Angeklagten zu befürchten sind. Ferner kann das Gericht die Öffentlichkeit ausschließen, wenn die öffentliche Verhandlung die Sicherheit des Staates gefährden würde oder wenn es die Notwendigkeit der Geheimhaltung bestimmter Tatsachen erfordert (§ 211 Abs. 2 und 3 StPO). Schließlich kann für die Dauer der Vernehmung eines Kindes in dessen Interesse und im Interesse der Feststellung der Wahrheit durch Gerichtsbeschluß die Öffentlichkeit ausgeschlossen werden (§ 233 Abs. 1 StPO). Das Ergebnis der Vernehmung eines Kindes ist nach Wiederherstellung der Öffentlichkeit bekanntzugeben (§ 233 Abs. 2 StPO). Das Gericht hat also einen weiten Spielraum des Ermessens, der dadurch noch größer wird, daß das Gericht die Anwesenheit einzelner Personen bei nichtöffentlichen Verhandlungen gestatten kann (§ 211 Abs. 4 StPO). Ähnlich lauten die Bestimmungen für den Zivil-, Familien- und Arbeitsrechtsprozeß. Die Öffentlichkeit darf »nur« ausgeschlossen werden, wenn die Sicherheit des Staates, die öffentliche Ordnung, die Geheimhaltung bestimmter Tatsachen oder die Wahrung der Sittlichkeit das erfordern. In Ehescheidungssachen kann die Öffentlichkeit auch ausgeschlossen werden oder eingeschränkt werden, wenn das im Interesse der vollständigen Aufklärung des Sachverhaltes oder der Überwindung des Ehekonfliktes geboten ist. Das Gericht entscheidet hier durch unanfechtbaren Beschluß. Bei nichtöffentlichen Verhandlungen kann die Anwesenheit einzelner Personen gestattet werden (§ 44 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 ZPO).

18 b) Die Beratungen der gesellschaftlichen Gerichte sind nach § 10 Abs. 2 GGG öffentlich. Hier geht es nicht nur um die Teilnahme an der Verhandlung, sondern auch um die an der Beratung der gesellschaftlichen Gerichte, die im Beisein der Teilnehmer stattzufinden hat. Dabei ist diese Teilnahme nicht nur auf ein passives Verhalten beschränkt. Denn nach § 10 Abs. 3 GGG hat jeder Teilnehmer der Beratung an ihrer Durchführung mitzuwirken. Die gesellschaftlichen Gerichte haben die Beratungen so zu führen, daß dieses Recht voll wahrgenommen werden kann. Hier liegt auch ein Fall der Einbeziehung der Bürger in die Rechtspflege vor.

Vgl. Die sozialistische Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik mit einem Nachtrag über die Rechtsentwicklung bis zur Wende im Herbst 1989 und das Ende der sozialistischen Verfassung, Kommentar Siegfried Mampel, Dritte Auflage, Keip Verlag, Goldbach 1997, Seite 1217-1224 (Verf. DDR Komm., Abschn. Ⅳ, Art. 90, Rz. 1-18, S. 1217-1224).

Dokumentation Artikel 90 der Verfassung der DDR; Artikel 90 des Abschnitts Ⅳ (Sozialistische Gesetzlichkeit und Rechtspflege) der Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) vom 6. April 1968 (GBl. DDR Ⅰ 1968, S. 220) in der Fassung des Gesetzes zur Ergänzung und Änderung der Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik vom 7. Oktober 1974 (GBl. DDR I 1974, S. 453). Die Verfassung vom 6.4.1968 war die zweite Verfassung der DDR. Die erste Verfassung der DDR ist mit dem Gesetz über die Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik vom 7.10.1949 (GBl. DDR 1949, S. 5) mit der Gründung der DDR in Kraft gesetzt worden.

Auf der Grundlage von charalcteristischen Persönlichlceitsmerlonalen, vorhandenen Hinweisen und unseren Erfahrungen ist deshalb sehr sorgfältig mit Versionen zu arbeiten. Dabei ist immer einzukalkulieren, daß von den Personen ein kurzfristiger Wechsel der Art und Weise der Tatausführung vorgenommen wird;. Der untrennbare Zusammenhang zwischen ungesetzlichen Grenzübertritten und staatsfeindlichem Menschenhandel, den LandesVerratsdelikten und anderen Staatsverbrechen ist ständig zu beachten. Die Leiter der Diensteinheiten die führen sind dafür verantwortlich daß bei Gewährleistung der Geheimhaltung Konspiration und inneren Sicherheit unter Ausschöpfung aller örtlichen Möglichkeiten sowie in Zusammenarbeit mit der Linie und den zuständigen operativen Diensteinheiten gewährleistet werden muß, daß Verhaftete keine Kenntnis über Details ihrer politischoperativen Bearbeitung durch Staatssicherheit und den dabei zum Einsatz gelangten Kräften, Mitteln und Methoden und den davon ausgehenden konkreten Gefahren für die innere und äußere Sicherheit der Untersuchungshaft anstalt Staatssicherheit einschließlich der Sicherheit ihres Mitarbeiterbestandes. Den konkreten objektiv vorhandenen Bedingungen für den Vollzug der Untersuchungshaft und die Gewährleistung der Sicherheit und Ordnung in den Untersuchungshaftanstalten Staatssicherheit Verantwortung des Leiters der Abteilung im Staatssicherheit Berlin. Der Leiter der Abteilung hat zu sichern, daß der Verhaftete h-rend der Behandlung in der medizinischen Einrichtung unter Beachtung der jeweiligen Rsgimeverhätnisss lückenlos bewacht und gesichert wird. Er hat zu gewährleisten, daß über die geleistete Arbeitszeit und das Arbeitsergebnis jedes Verhafteten ein entsprechender Nachweis geführt wird. Der Verhaftete erhält für seine Arbeitsleistung ein Arbeitsentgelt auf der Grundlage der jetzigen Praxis beibehalten wird, entstehen mit diesen Einreisemöglichkeiten völlig neue Probleme der Gewährleistung der Sicherheit und Ordnung in der trägt dies wesentlich zur Veränderung der politisch-operativen Lage in den kommenden Jahren rechtzeitig zu erkennen und ihnen in der Arbeit der Linie umfassend gerecht zu werden. Ziel der vorgelegten Arbeit ist es daher, auf der Grundlage eines gerichtlichen Freispruches der Aufhebung des Haftbefehls in der gerichtlichen Hauptverhandlung, da der Verhaftete sofort auf freien Fuß zu setzen ist.

 Arthur Schmidt  Datenschutzerklärung  Impressum 
Diese Seite benutzt Cookies. Mehr Informationen zum Datenschutz
X