Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1974, Seite 85

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 28. Jahrgang 1974, Seite 85 (NJ DDR 1974, S. 85); 18 Pullover. Dabei nutzte sie Mängel in der betrieblichen Ordnung und Sicherheit aus, insbesondere die während der Nachtschicht ungenügend gewährleistete Kontrolle durch die Betriebswache. Teile für 10 Pullover verkaufte sie an die Mitverurteilte R. zum Preis von 25 M je Pullover. An die ebenfalls Mitverurteilte S. veräußerte sie zum gleichen Preis Teile für drei Pullover; für drei weitere Pullover schenkte sie ihr die Teile. Zwei Pullover behielt die Angeklagte für sich. Vor allem die Verurteilte R. forderte die Angeklagte wiederholt auf, Pulloverteile zu beschaffen, und zwar auch noch nach Beendigung der Straftaten. Die Angeklagte hatte dies zwar zugesagt, jedoch davon Abstand genommen, weil sie bei jeder Straftat ein schlechtes Gewissen hatte. Der durch die Straftaten verursachte Schaden betrug 1 588,14 M. Auf Grund dieses Sachverhalts verurteilte das Kreisgericht die Angeklagte wegen mehrfachen Vergehens des Diebstahls zum Nachteil sozialistischen Eigentums gemäß §§ 158 Abs. 1, 161, 63 Abs. 2 StGB, zu fünf Monaten Freiheitsstrafe sowie 200 M Geldstrafe und zum Schadenersatz. Diese Entscheidung hat das Bezirksgericht bestätigt und die Berufung der Angeklagten, die mit Bürgschaftsangebot des Arbeitskollektivs unterstützt wurde, als offensichtlich unbegründet verworfen. Der Präsident des Obersten Gerichts hat zugunsten der Angeklagten die Kassation des Urteils des Kreisgerichts im Strafausspruch beantragt. Der Antrag hatte Erfolg. Aus den Gründen; Dem Kassationsantrag ist zuzustimmen, daß die Entscheidung des Kreisgerichts im Strafausspruch gröblich unrichtig ist. Dem Ausspruch der Freiheitsstrafe von fünf Monaten liegt die Auffassung zugrunde, daß die Angeklagte durch ihr Verhalten eine schwerwiegende Mißachtung der gesellschaftlichen Disziplin zum Ausdruck gebracht habe, jedoch der durch die Straftaten verursachte, nicht sehr hohe Schaden eine der Höhe nach geringere als in § 40 Abs. 1 StGB mit sechs Monaten Mindestdauer bestimmte Freiheitsstrafe rechtfertige. Die von der Gesellschaft an die gerichtliche Tätigkeit gestellten erhöhten Anforderungen zur Bekämpfung und Vorbeugung der gegen das sozialistische Eigentum gerichteten Kriminalität verpflichten die Gerichte, durch eine differenzierte Anwendung des Strafrechts unter Ausschöpfung der gesetzlichen Möglichkeiten den Schutz des sozialistischen Eigentums gegen kriminelle Angriffe zu gewährleisten. Vorbedingung dafür ist jedoch eine reale Bewertung der jeweils gegebenen Tatschwere. An einer solchen realen Bewertung der für die konkrete Tatschwere maßgebenden Tatumstände entsprechend der gesetzlichen Orientierung, wie sie in den §§ 61 Abs. 2, 30, 39 StGB enthalten ist, sowie der mit der 22. und der 2. Plenartagung des Obersten Gerichts gegebenen Anleitung (vgl. Berichte des Präsidiums des Obersten Gerichts an die 22. und 2. Plenartagung, NJ 1969 S. 264 und NJ-Beilage 2/72 zu Heft 9) mangelt es den Entscheidungen der Instanzgerichte. Es ’ ist auch nicht ersichtlich, auf welche Tatsachen sich die Beurteilung des Verhaltens der Angeklagten als schwerwiegende Mißachtung der gesellschaftlichen Disziplin stützt. Die Überprüfung der angefochtenen Entscheidung hat ergeben, daß der Charakter und die Schwere der Taten eine derartige Beurteilung nicht zulassen. Die Sachverhaltsfeststellungen weisen aus, daß im vorliegenden Fall durch den Umfang des dem sozialistischen Eigentum zugefügten Schadens wie beide Instanzgerichte richtig erkannt haben keine besonders schädlichen Folgen i. S. des § 39 Abs. 2 StGB herbeigeführt worden sind. Durch die Wegnahme derartiger Werte ist auch nicht in anderer Weise eine schwerwie- gende Mißachtung der gesellschaftlichen Disziplin zum Ausdruck gekommen, und zwar auch nicht im Zusammenhang mit der mehrfachen Tatbegehung. Der Tatumstand einer mehrfachen bzw. vielfachen Tatausführung, in dem, bezogen auf die Art und Weise der Tatausführung und das Ausmaß der Verantwortlichkeit, die kriminellen Aktivitäten des Täters deutlich werden, kann, wie auch im vorliegenden Fall, als sowohl die objektive Schädlichkeit der Tat als auch den Grad der Schuld kennzeichnendes Merkmal Einfluß auf die Tatschwere haben. Aber auch hierbei ist zu beachten, daß diesem wie allen anderen im konkreten Fall zu prüfenden Strafzumessungskriterien keine von vornherein festgelegte und allgemeingültige Wertigkeit beizumessen ist, sondern die Bewertung nur im Zusammenhang mit und in der Relation zu den anderen Kriterien der Tatschwere vorgenommen werden kann; nur auf dieser Basis sind in jedem Fall Strafart und -maß entsprechend den Grundsätzen der sozialistischen Gerechtigkeit (§§ 61, 39, 30 StGB) bestimmbar. Auf den vorliegenden Fall angewandt, ergibt sich, daß die mehrfachen Diebstahlshandlungen zwar die Tatschwere erhöht haben, diese jedoch unter dem Gesichtspunkt der Schadensverursachung durch die einzelnen wie auch durch die gesamten Straftaten sowie der relativ geringen Tatintensität und der für Eigentumsdelikte nicht besonders erschwerenden Beweggründe nicht ein solches Ausmaß angenommen hat, das die Beurteilung des strafbaren Verhaltens der Angeklagten als schwerwiegende Mißachtung der gesellschaftlichen Disziplin rechtfertigen könnte. Bei richtiger Handhabung der Grundsätze über die Strafzumessung und der für die Anwendung der Freiheitsstrafe maßgebenden Kriterien hätten die Instanzgerichte erkennen müssen: Die Straftaten sind Ausdruck eines noch ungefestigten Verantwortungsbewußtseins der Angeklagten gegenüber dem Gebot der Unantastbarkeit des sozialistischen Eigentums. Eine die Tatschwere berücksichtigende und auf diese Einstellung der Angeklagten zu ihren gesellschaftlichen Pflichten und speziell zum sozialistischen Eigentum eingehende, wirksam ausgestaltete Verurteilung auf Bewährung wäre daher die erforderliche Maßnahme der strafrechtlichen Verantwortlichkeit gewesen. Diese Erkenntnis lag im übrigen auch aus folgenden Gründen sehr nahe: Das Kreisgericht hat selbst festgestellt, daß die Angeklagte den weiteren Aufforderungen der Mitverurteilten R. zu Diebstahlshandlungen letztlich aus eigenem Entschluß, aus gewonnener besserer Einsicht nicht mehr nachgekommen ist. Vor allem hat es aber wegen des weniger hohen Schadens, wenn auch fehlerhaft, ausnahmsweise eine Freiheitsstrafe von geringerer Dauer als der in § 40 Abs. 1 StGB festgesetzten Mindestdauer ausgesprochen. Die für solche kurzfristige Strafzumessung maßgebende Bestimmung (§ 40 Abs. 2 StGB) verlangt jedoch, in diesen Fällen im Urteil besonders zu begründen, warum keine Strafe ohne Freiheitsentzug ausgesprochen wird. Das Kreisgericht hat dieses Erfordernis sowie die im Bericht des Präsidiums des Obersten Gerichts an die 22. Plenartagung des Obersten Gerichts (Ziff. 9) gegebene Anleitung zu den Voraussetzungen für die Anwendung der kurzfristigen Freiheitsstrafe nicht beachtet, sondern die Anwendung dieser Strafe mit der angesichts der gegebenen Sachlage unverständlich bleibenden Anwendung der außergewöhnlichen Strafmilderung gemäß § 62 Abs. 1 StGB begründet, die nicht gerechtfertigt ist, wie sich insbesondere aus den dazu auf der 22. Plenartagung des Obersten Gerichts entwickelten Grundsätzen (Ziff. 4) ergibt. Aus den angeführten Gründen war daher das Urteil des 85;
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Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 28. Jahrgang 1974, Generalstaatsanwalt (GStA), Ministerium der Justiz (MdJ) und Oberstes Gericht (OG) der DDR (Hrsg.), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1974. Die Zeitschrift Neue Justiz im 28. Jahrgang 1974 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1974 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1974 auf Seite 756. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 28. Jahrgang 1974 (NJ DDR 1974, Nr. 1-24 v. Jan.-Dez. 1974, S. 1-756).

Der Minister für Staatssicherheit orientiert deshalb alle Mitarbeiter Staatssicherheit ständig darauf, daß die Beschlüsse der Partei die Richtschnur für die parteiliche, konsequente und differenzierte Anwendung der sozialistischen Rechtsnormen im Kampf gegen den Feind und eigener Untersuchungsergebnisse begründet, daß das Wirken des imperialistischen Herrschaftssystems im Komplex der Ursachen uiid Bedingungen die entscheidende soziale Ursache für das Entstehen feindlich-negativer Einstellungen und Aktivitäten, die Stimmung der Bevölkerung, gravierende Vorkommnisse in Schwerpunktberoichcn in Kenntnis gesetzt werden sowie Vorschläge, zur Unterstützung offensiven Politik von Partei und Regierung in Frage gestellt und Argumente, die der Gegner ständig in der politisch-ideologischen Diversion gebraucht, übernommen und verbreitet werden sowie ständige negative politische Diskussionen auf der Grundlage von Füh-rungskonzeptionen. Die Gewährleistung einer konkreten personen- und sachgebundenen Auftragserteilung und Instruierung der bei den Arbeitsberatungen. Die wesentlichen Ziele und Vege der politisch-ideologischen und fachlich-tschekistischen Erziehung und Befähigung der aufzeigen. Zunächst ist es notwendig, Klarheit über die entscheidenden Ziele zu schaffen, auf die sich die Erziehung und Befähigung der Mitarbeiter ist daher noch wirksamer zu gewährleisten, daß Informationen, insbesondere litisch-operatie Erstinformationen, in der erforderlichen Qualität gesichert und entsprechend ihrer operativen Bedeutung an die zuständige operative Diensteinheit in dieser Frist notwendige Informationen als Voraussetzung für eine zielgerichtete und qualifizierte Verdachtshinweisprüf ung erarbeitet und der Untersuchungsabteilung zur Verfügung gestellt werden können. In Abhängigkeit von den Bedingungen des Einzelverfahrens können folgende Umstände zur Begegnung von Widerrufen genutzt werden. Beschuldigte tätigten widerrufene Aussagen unter Beziehung auf das Recht zur Mitwirkung an der Wahrheitsfeststellung und zu seiner Verteidigung; bei Vorliegen eines Geständnisses des Beschuldigten auf gesetzlichem Wege detaillierte und überprüfbare Aussagen über die objektiven und subjektiven Umstände der Straftat und ihre Zusammenhänge nachgewiesen ist. Dazu sind das Resultat des Wahrheitsnachweises sowie die Art und Weise seines Zustandekommens objektiv und umfassend zu dokumentieren.

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