(1) Jeder Bürger hat das Recht, vor Gericht gehört zu werden. (2) Das Recht auf Verteidigung wird während des gesamten Strafverfahrens gewährleistet.
I. Vorgeschichte
1. Verfassung von 1949
1 Die Verfassung von 1949 kannte den Satz, demzufolge jedermann vor Gericht Anspruch auf rechtliches Gehör hat, nicht. Indessen enthielt § 6 Abs. 1 des Gesetzes über die Verfassung der Gerichte der Deutschen Demokratischen Republik (Gerichtsverfassungsgesetz) v. 17.4.1963 (GBl. DDR Ⅰ 1963, S. 45) den Satz, daß jeder Bürger das Recht hat, sich bei Gericht vertreten zu lassen und gehört zu werden. Außerdem war nach § 6 Abs. 2 a.a.O. das Recht jedes Beschuldigten auf Verteidigung gewährleistet. Dazu gehört auch das Recht, sich den Verteidiger zu wählen.
2. Entwurf
2 Im Entwurf trug der Art. 102 die Nr. 103. Änderungen sind nicht zu verzeichnen.
II. Das rechtliche Gehör
1. Mitwirkungsrecht im Verfahren nach dem Gerichtsverfassungsgesetz
3 Das Gesetz über die Verfassung der Gerichte der Deutschen Demokratischen Republik - Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) - v. 27.9.1974 (GBl. DDR Ⅰ 1974, S. 457) schließt das Recht auf rechtliches Gehör in ein Mitwirkungsrecht jedes am gerichtlichen Verfahren Beteiligten ein. Danach (§11) hat jeder am Verfahren Beteiligte, über dessen Rechte und Interessen zu entscheiden ist, das Recht, an der Durchführung der Verhandlung mitzuwirken, sich zu äußern und Anträge zu stellen. Die Gerichte sind verpflichtet, die für die Entscheidung bedeutsamen Tatsachen in der Verhandlung zu erörtern und der Entscheidung zugrundezulegen.
2. Im Strafverfahren
4 Die Bedeutung des rechtlichen Gehörs liegt vor allem im Strafverfahren. Ergänzend bestimmt § 15 Abs. 1 der StPO der Deutschen Demokratischen Republik vom 12.1.1968 [Strafprozeßordnung der Deutschen Demokratischen Republik - StPO - v. 12.1.1968 (GBl. DDR Ⅰ 1968, S. 49) in der Fassung des Gesetzes zur Änderung der Strafprozeßordnung der Deutschen Demokratischen Republik - StPO - v. 19.12.1974 (GBl. DDR Ⅰ 1975, S. 62), des Gesetzes zur Änderung und Ergänzung straf- und strafverfahrensrechtlicher Bestimmungen v. 7.4.1977 (GBl. DDR Ⅰ 1977, S. 100) und des Gesetzes zur Änderung und Ergänzung straf- und strafverfahrensrechtlicher Bestimmungen (3. Strafrechtsänderungsgesetz) v. 28.6.1979 (GBl. DDR Ⅰ 1979, S. 139)], daß der Beschuldigte und der Angeklagte das Recht auf aktive Mitwirkung im gesamten Strafverfahren haben und zu ihrer Verteidigung entweder die strafprozessualen Rechte selbst wahrnehmen oder in jeder Lage des Verfahrens auch die Hilfe eines Verteidigers in Anspruch nehmen dürfen. Nach § 15 Abs. 2 StPO haben das Gericht, der Staatsanwalt und die Untersuchungsorgane die Pflicht, dem Beschuldigten und dem Angeklagten das Recht auf Verteidigung zu gewährleisten. Sie haben den Beschuldigten und den Angeklagten über seine Rechte zu belehren. Ferner bestimmt § 47 StPO, daß der Beschuldigte und der Angeklagte zu den gegen sie erhobenen Beschuldigungen zu vernehmen sind. Sie sind dabei auf das Recht, Beweisanträge zu stellen, hinzuweisen. Die Beweisanträge sind zu protokollieren. Bei der Vernehmung zur Sache ist dem Beschuldigten und dem Angeklagten Gelegenheit zu geben, sich zusammenhängend zu den gegen sie erhobenen Beschuldigungen zu äußern. Ferner ist nach § 105 Abs. 4 StPO dem Beschuldigten im Ermittlungsverfahren in der Vernehmung Gelegenheit zu geben, sein Verhalten darzulegen, den Verdacht zu beseitigen, entlastende Umstände vorzubringen und Anträge zu stellen. Nach § 224 Abs. 1 StPO ist dem Angeklagten in der Hauptverhandlung die Gelegenheit zu geben, Tatsachen über die Straftat mitzuteilen, den bestehenden Verdacht zu beseitigen, entlastende Umstände vorzubringen und Beweisanträge zu stellen.
3. Im Zivil-, Familien- und Arbeitsrechtsverfahren
5 Das Recht auf Gehör vor Gericht gilt indessen auch in Zivil-, Familien- und Arbeitsrechtsverfahren. Nach der Zivilprozeßordnung [§ 3 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 Gesetz über das gerichtliche Verfahren in Zivil-, Familien- und Arbeitsrechtsachen - Zivilprozeßordnung (ZPO) - v. 11.7.1975 (GBl. DDR Ⅰ 1975, S. 533)] haben die Prozeßparteien das Recht und die Pflicht, am Verfahren teilzunehmen, insbesondere bei der Feststellung des Sachverhaltes mitzuwirken. Sie haben Anspruch darauf, vom Gericht gehört zu werden und in die Prozeßakten einzusehen. Den Prozeßparteien ist eine Wahrheitspflicht auferlegt. Sie sind verpflichtet, »in ihren Erklärungen und Aussagen den Sachverhalt vollständig und wahrheitsgemäß darzulegen« (§ 3 Abs. 1 Satz 3 ZPO).
III. Das Recht auf Verteidigung
1. Inhalt
6 Das Recht auf Verteidigung umfaßt nach § 61 StPO das Recht des Beschuldigten oder des Angeklagten, - die Beschuldigung kennenzulernen, - über die Beweismittel unterrichtet zu werden, - alles vorzubringen, was die erhobene Beschuldigung ausräumen oder seine strafrechtliche Verantwortlichkeit mindern kann, - sich selbst zu verteidigen und sich in jeder Lage des Verfahrens eines Verteidigers zu bedienen, - Beweisanträge und andere Anträge zur Durchführung des Verfahrens zu stellen, - Rechtsmittel einzulegen. Das Gericht, die Staatsanwälte und die Untersuchungsorgane sind verpflichtet, das Recht auf Verteidigung zu gewährleisten.
2. Rechtsanwälte als Verteidiger
7 Als Verteidiger kann jeder in der DDR zugelassene Rechtsanwalt gewählt werden. Hat der Beschuldigte oder der Angeklagte einen gesetzlichen Vertreter, kann auch dieser selbständig einen Verteidiger wählen (§ 62 StPO). Der Verteidiger hat die Pflicht, einen Beitrag zur Erforschung der objektiven Wahrheit zu leisten. Gesteht der Angeklagte nicht und reicht das Beweismaterial gegen ihn nicht aus, so soll der Verteidiger, wenn er meint, daß der Angeklagte schuldig ist, nicht seinen Freispruch fordern, »weil hier der Verteidiger seine im Interesse der Gesellschaft durchzuführende Aufgabe verletzen müßte und sich so dem vermeintlichen Interesse des Beschuldigten unterordnen würde«. Das verstoße gegen die Pflichten eines sozialistischen Verteidigers. Hier bleibe nur der Weg der Mandatsniederlegung, hieß es in einer veröffentlichten Stellungnahme der Arbeitsgruppe Strafrecht-Strafprozeßrecht des Kollegiums der Rechtsanwälte des Bezirks Potsdam. Grundsätzlich hat sich an diesen Anforderungen an das Verhalten des Verteidigers nichts geändert. So schrieb Friedrich Wolff (Stellung, Aufgaben und Verantwortung des Verteidigers im Strafverfahren, S. 401/402), der Beruf des Verteidigers verlange ein hohes Maß an Prinzipienfestigkeit, denn die Wünsche und Forderungen des Mandanten stimmten nicht immer mit dem Gesetz und der Berufspflicht des Verteidigers überein. Die Auffassung vom »selbständigen Prozeßsubjekt« Verteidiger habe mehr Gewicht als diejenige vom im persönlichen Dienstleistungsverhältnis stehenden »weisungsgebundenen« Verteidiger. Verteidigung im sozialistischen Staat sei immer Verteidigung von der Position des realen Sozialismus aus. (Wegen des gesellschaftlichen Verteidigers s. Rz. 6 zu Art. 87).
Exkurs: Die Rechtsanwaltschaft
8 Die Rechtsanwaltschaft ist in das politische System des Sozialismus als Teil des einheitlichen Rechtspflegesystems integriert. Sie ist gespalten in die einem Kollegium angehörenden Rechtsanwälte und die freien Rechtsanwälte.
1. Die Kollegien der Rechtsanwälte
9 a) Die Kollegien der Rechtsanwälte sind Zusammenschlüsse von Rechtsanwälten. Mitglied eines Kollegiums von Rechtsanwälten kann nach dem Gesetz vom 17.12.1980 [Gesetz über die Kollegien der Rechtsanwälte der Deutschen Demokratischen Republik v. 17.12.1980 (GBl. DDR Ⅰ 1981, S. 1) (inkraftgetreten am 1. 3. 1981); zuvor: Verordnung über die Bildung von Kollegien der Rechtsanwälte v. 15.5.1953 (GBl. DDR 1953, S. 725) mit Anlage Musterstatut für die Kollegien der Rechtsanwälte] ein Bürger der DDR werden, der mit dem Volk und seinem sozialistischen Staat eng verbunden ist, eine juristische Ausbildung erworben hat und über ein hohes Maß an Wissen, Lebenserfahrung, menschlicher Reife und Charakterfestigkeit verfugt. Die persönlichen und fachlichen Anforderungen gleichen also denen, die an Richter gestellt werden (s. Rz. 4-15 zu Art. 94). Der Aufnahme in das Kollegium geht zur Vorbereitung auf die anwaltliche Tätigkeit eine Assistentenzeit von einem Jahr voraus, die in einem Arbeitsrechtsverhältnis zwischen dem Kollegium und dem Assistenten verbracht wird. Ausnahmsweise kann auf Beschluß des Kollegiums unter Bestätigung des Ministers der Justiz auf die Assistentenzeit verzichtet werden [§ 12 Musterstatut der Kollegien der Rechtsanwälte der Deutschen Demokratischen Republik v. 17.12.1980 (GBl. DDR Ⅰ 1981, S. S. 4)]. Mit der Aufnahme in ein Kollegium ist der Rechtsanwalt zugelassen. Eines Aktes der Justizverwaltung bedarf es zur Zulassung nicht. Der Minister der Justiz kann jedoch einem Mitglied eines Kollegiums die Zulassung entziehen, wenn es eine schwere Verletzung der Pflichten eines Rechtsanwaltes begangen hat. Ferner kann ein Mitglied im Wege eines Disziplinarverfahrens als Disziplinarmaßnahme aus dem Kollegium ausgeschlossen werden.
10 b) Die Mitglieder der Kollegien der Rechtsanwälte haben u. a. die Aufgabe, »zur weiteren Stärkung der sozialistischen Gesetzlichkeit, zur Verwirklichung der Rechtsprechung und zur Festigung und Weiterentwicklung des sozialistischen Rechtsbewußtseins der Bürger« beizutragen. »Sie unterstützen als Verteidiger in Strafverfahren Angeklagte und Beschuldigte bei Ausübung des verfassungsmäßigen Grundrechts auf Verteidigung und beraten und vertreten die Bürger in gerichtlichen und außergerichtlichen Angelegenheiten.« Sie haben dazu beizutragen, »die gesetzlich garantierten Rechte und Interessen der Bürger zu verwirklichen, die Bürger zur freiwilligen und bewußten Einhaltung des sozialistischen Rechts anzuhalten und Rechtsverletzungen vorzubeugen«. Zu ihren Aufgaben gehört ferner, den Bürgern ihre Rechte und Pflichten zu erläutern, ihnen bei der Regelung ihrer Rechtsangelegenheiten zu helfen, auf die Überwindung von Ursachen und begünstigenden Bedingungen von Rechtsverletzungen Einfluß zu nehmen und die Entwicklung sozialistischer Beziehungen im Zusammenleben der Bürger zu fördern. Sie sind berechtigt, vor allen Kreisgerichten, Militärgerichten, Bezirksgerichten, Militärobergerichten und vor dem Obersten Gericht der DDR sowie vor den Bezirks Vertragsgerichten und dem Zentralen Vertragsgericht der DDR entsprechend den hierfür geltenden Rechtsvorschriften, aber nicht vor den gesellschaftlichen Gerichten, aufzutreten.
11 c) Die Kollegien haben zwar zu gewährleisten, daß ftir die Bürger die freie Anwaltswahl gewährleistet ist und daß die Mitglieder ihre anwaltliche Tätigkeit eigenverantwortlich ausüben können. Indessen haben sie so auf ihre Mitglieder einzuwirken, daß eine freie Advokatur nicht gegeben ist. So haben nach dem Musterstatut (§§ 2 und 3) die Kollegien Einfluß darauf zu nehmen, »daß die Mitglieder die übernommenen Aufträge gewissenhaft und mit hoher Sachkenntnis wahrnehmen, sich für die Verwirklichung der gesetzlich garantierten Rechte und Interessen der Bürger einsetzen und damit zur Festigung der sozialistischen Gesetzlichkeit und zur Erhöhung der Rechtssicherheit beitragen«. Die Kollegien haben nicht nur die fachliche Weiterbildung der Mitglieder und Mitarbeiter zu fördern, sondern auch die politische. Dafür wird den Mitgliedern durch das Kollegium soziale Versorgung im Alter gewährt und die materielle Unterstützung der Mitglieder bei zeitweiliger Verhinderung an der Berufsausübung gesichert.
12 d) Die Ansprüche aus der Tätigkeit der Mitglieder stehen nicht ihnen selbst, sondern dem Kollegium zu. Jedes Mitglied hat Anspruch auf die durch seine Leistungen erzielten Einnahmen des Kollegiums nach Abzug eines Anteils für Kosten und für die Zuführung zu den finanziellen Fonds (darunter der Beiträge zur Sozialversicherung) (§§ 19 und 21 a.a.O.). Die Tätigkeitsvergütungen und die anderen Einkünfte der Mitglieder der Kollegien werden nach den für Arbeiter und Angestellte geltenden Vorschriften über die Besteuerung des Arbeitseinkommens besteuert. Die Einnahmen der Kollegien unterliegen nur der Umsatzsteuer. Gewerbe-, Körperschafts- und Vermögenssteuer werden für die Kollegien nicht erhoben.
13 e) Die Kollegien der Rechtsanwälte unterliegen der Anleitung und der Beaufsichtigung ihrer Tätigkeit durch den Minister der Justiz. Er hat auch ihre »Festigung und Weiterentwicklung« zu fördern. Dazu hat er u. a. insbesondere Hinweise und Empfehlungen zur Beratung und Entscheidung grundsätzlicher Fragen der anwaltlichen Tätigkeit zu geben, auf die Durchsetzung sozialistischer Kaderprinzipien in den Kollegien einzuwirken und der politischen und fachlichen Weiterbildung ständige Aufmerksamkeit zu widmen (§13 Gesetz vom 17.12.1980).
14 f) Das höchste Organ des Kollegiums ist die Mitgliederversammlung. Sie wählt aus ihrer Mitte den Vorstand und die Revisionskommission. Der Vorstand leitet das Kollegium. Er ist der Mitgliederversammlung für seine Tätigkeit verantwortlich und rechenschaftspflichtig. Er ist befugt, gegenüber den Mitgliedern ein Disziplinarverfahren durchzuführen und Disziplinarmaßnahmen (Verweis, strenger Verweis, Ausschluß aus dem Kollegium) zu verhängen (§§ 7, 8 Musterstatut).
15 g) Die Kollegien bestehen in den Bezirken und sind juristische Person. Jedes Kollegium richtet im Bezirk die erforderliche Anzahl von Zweigstellen ein. In diesen üben die Mitglieder ihre Tätigkeit aus. Zweigstellen sind vorrangig am Sitz der Kreisgerichte zu bilden (§11 Gesetz vom 17.12.1980, §4 Musterstatut). Das Musterstatut ist die rechtliche Grundlage für die Ausarbeitung des Statuts jedes Kollegiums der Rechtsanwälte, über das nach eben diesem Musterstatut formell die Mitgliederversammlung zu beschließen hat. Abweichungen vom Musterstatut sind indessen kaum wahrscheinlich.
16 h) Zur »Mitgestaltung einer einheitlichen Entwicklung der Kollegien der Rechtsanwälte« besteht seit dem 1.3.1981 der Rat der Vorsitzenden, dem alle Vorsitzenden der Kollegien angehören. Der Rat ist berechtigt, dem Minister der Justiz Maßnahmen zur einheitlichen Entwicklung der Kollegien der Rechtsanwälte vorzuschlagen. Er kann auch mit Zustimmung des Ministers der Justiz Empfehlungen für die Tätigkeit der Organe der Kollegien der Rechtsanwälte herausgeben.
2. Die Einzelanwälte
17 Der Stand der Einzelanwälte erschien vom Aussterben bedroht. Lange Zeit hin-durch fanden keine oder doch fast keine Zulassungen als Einzelanwalt statt. Seit dem 1.3.1981 gilt jedoch eine neue Rechtsgrundlage über die Aufgaben und die Tätigkeit der Einzelanwälte [Anordnung über die Aufgaben und die Tätigkeit der Einzelanwälte v. 18.12.1980 (GBl. DDR Ⅰ 1981, S. 10)]. Es ist anzunehmen, daß künftig in noch nicht feststellbarem Umfang wieder Zulassungen als Einzelanwalt vorgenommen werden. Uber die Zulassung entscheidet der Minister der Justiz. Er kann auch die Zulassung zurücknehmen, wenn ein Einzelanwalt wegen seines hohen Alters, wegen Krankheit, wegen Invalidität oder aus sonstigen Gründen seine Aufgaben nicht mehr ordnungsgemäß erfüllen kann. Er kann die Zulassung entziehen, wenn der Einzelanwalt gegen die Verfassung, gegen Gesetze oder andere Rechtsvorschriften verstoßen oder in sonstiger Weise eine schwere Verletzung der Pflichten eines Rechtsanwaltes begangen hat. Der Minister der Justiz kann gegen einen Einzelanwalt auch ein Disziplinarverfahren durchführen und Disziplinarmaßnahmen (Verweis, strenger Verweis, Entzug der Zulassung) verhängen. Der Minister regelt die Abwicklung, wenn ein Einzelanwalt seine Tätigkeit beendet. Für die berufliche Tätigkeit des Einzelanwaltes gelten die einschlägigen Bestimmungen für die Mitglieder der Kollegien der Rechtsanwälte entsprechend. Der Einzelanwalt ist berechtigt, für seine Berufstätigkeit Gebühren und Auslagen nach den dafür geltenden Rechtsvorschriften zu erheben. Steuerliche Vorteile genießt der Einzelanwalt nicht. Der Minister der Justiz leitet auch die Einzelanwälte an und beaufsichtigt ihre Tätigkeit. Er kann damit die Direktoren der Bezirksgerichte beauftragen. Auch die Tätigkeit der Einzelanwälte entspricht nicht den Vorstellungen von einer freien Advokatur.
3. Das Rechtsanwaltsbüro für internationale Zivilrechtsvertretungen
18 Als ein Kollegium besonderer Art besteht das Rechtsanwaltsbüro für internationale Zivilrechtsvertretungen [Anordnung über die Bestätigung des Statuts des Rechtsanwaltsbüros für internationale Zivilrechtsvertretungen v. 18.12.1980 (GBl. DDR I 1981, S. 7) mit Anlage Statut des Rechtsanwaltsbüros für internationale Zivilrechtsvertretungen (inkraftgetreten am 1.3.1981); zuvor: Anordnung über die Bestätigung des Statuts des Rechtsanwaltsbüros für internationale Zivilrechtsvertretungen v. 18.8.1967 (GBl. DDR II 1967, S. 563)]. In ihm sind Rechtsanwälte der DDR vereinigt, »um spezifische Aufgaben der juristischen Beratung und Vertretung von inländischen und ausländischen Bürgern und juristischen Personen in internationalen Zivilrechtsangelegenheiten wahrzunehmen«. Das Büro arbeitet nach einem vom Minister der Justiz erlassenen Statut8, dessen Bestimmungen denen für die Kollegien der Rechtsanwälte gleichen. Für die Aufnahme werden indessen Spezialkenntnisse über das Zivil-, Handels-, Familien- und Arbeitsrecht anderer Staaten sowie Kenntnisse in mindestens zwei Fremdsprachen verlangt. Die Mitglieder schließen mit den Auftraggebern Vereinbarungen über das Honorar und die voraussichtlich entstehenden Auslagen individuell ab. Die Einnahmen und Auslagen sind von ihnen gegenüber dem Rechtsanwaltsbüro abzurechnen. Die anderen Rechtsanwälte dürfen internationale Zivilrechtsvertretungen nicht übernehmen.
4. Die Patentanwaltsbüros
19 Zur Vertretung auf dem Gebiet des Patent-, Muster- und Kennzeichnungswesens bestehen Büros für die Vertretung in Patent-, Muster- und Kennzeichnungsangelegenheiten (Patentanwaltsbüros). Sie haben die Aufgabe, »Rechtsuchende vor dem Amt für Erfindungs- und Patentwesen (s. Rz. 59 zu Art. 80) und vor den Gerichten in allen Fragen des Patent-, Muster- und Kennzeichnungswesens zu vertreten und bei der Durchführung von Rechtshandlungen in anderen Staaten zum Erwerb, zur Aufrechterhaltung, Verteidigung und Durchsetzung von Schutzrechten sowie im Zusammenhang mit der Auseinandersetzung mit Schutzrechten zu fungieren«. Nur sie sind berechtigt, Rechtsuchende, die in der DDR weder Wohnsitz noch Niederlassung haben, zu vertreten. Die Ausübung der Tätigkeit als Patentanwalt in den Patentanwaltsbüros bedarf der Zulassung durch den Präsidenten des Amtes für Erfindungs- und Patentwesen. Dazu ist u. a. eine abgeschlossene technische oder naturwissenschaftliche Ausbildung an einer Universität, Hoch- oder Fachschule und die Ausbildung in einem postgradualen Studium auf dem Gebiet des Schutzrechtswesens oder eine abeschlossene juristische Hochschulbildung erforderlich. Die Patentanwaltsbüros arbeiten nach vom Präsidenten des Amtes für Erfin-dungs- und Patentwesen bestätigten Statuten, für die ein Musterstatut existiert [Anordnung über die Vertretung in Patent-, Muster- und Kennzeichnungsangelegenheiten v. 15.12.1980 (GBl. DDR I 1981, S. 59) mit Anlage »Musterstatut für Patentanwaltsbüros«].
Vgl. Die sozialistische Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik mit einem Nachtrag über die Rechtsentwicklung bis zur Wende im Herbst 1989 und das Ende der sozialistischen Verfassung, Kommentar Siegfried Mampel, Dritte Auflage, Keip Verlag, Goldbach 1997, Seite 1305-1311 (Verf. DDR Komm., Abschn. Ⅳ, Art. 102, Rz. 1-19, S. 1305-1311).
Dokumentation Artikel 102 der Verfassung der DDR; Artikel 102 des Abschnitts Ⅳ (Sozialistische Gesetzlichkeit und Rechtspflege) der Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) vom 6. April 1968 (GBl. DDR Ⅰ 1968, S. 221) in der Fassung des Gesetzes zur Ergänzung und Änderung der Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik vom 7. Oktober 1974 (GBl. DDR I 1974, S. 456). Die Verfassung vom 6.4.1968 war die zweite Verfassung der DDR. Die erste Verfassung der DDR ist mit dem Gesetz über die Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik vom 7.10.1949 (GBl. DDR 1949, S. 5) mit der Gründung der DDR in Kraft gesetzt worden.