Artikel 32 der Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik

Artikel 32 der Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) vom 6. April 1968 (GBl. DDR Ⅰ 1968, S. 211) in der Fassung des Gesetzes zur Ergänzung und Änderung der Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik vom 7. Oktober 1974 (GBl. DDR I 1974, S. 442)

Jeder Bürger der Deutschen Demokratischen Republik hat im Rahmen der Gesetze das Recht auf Freizügigkeit innerhalb des Staatsgebietes der Deutschen Demokratischen Republik.

Aufnahmen vom 26.12.2013 des Raums 128 im Erdgeschoss des Nordflügels der zentralen Untersuchungshaftanstalt des Ministerium für Staatssicherheit der Deutschen Demokratischen Republik in Berlin-Hohenschönhausen, Foto 93
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I. Das Recht auf Freizügigkeit

1. Vorgeschichte

1 a) In der Verfassung von 1949 gehörte das Recht, sich an einem beliebigen Ort niederzulassen, zu den Freiheiten, die nach Art. 8 gewährleistet waren. Auch auf dieses Recht bezog sich Art. 8 Satz 2, demzufolge Einschränkungen und Entzug des Rechts aufgrund der für alle Bürger geltenden Gesetze zulässig waren.

2 b) Gegenüber dem Entwurf wurde Art. 32 nicht verändert. Er trug darin lediglich die Nr. 28.


2. Charakter und Inhalt des Rechts

3 a) Das Recht auf Freizügigkeit ist eine Entfaltung des persönlichen Status des Bürgers. Art. 32 hat daher Art. 30 Abs. 1 zum Obersatz (s. Rz. 5 zu Art. 30).

4 b) Die Beschränkung der Substanz des Art. 30 Abs. 1 durch die sozialistische Gesellschafts- und Staatsordnung (s. Rz. 3 zu Art. 30) gilt daher auch für Art. 32.

5 c) Die Immanenz der Beschränkung (s. Rz. 14 zu Art. 19) kommt in der Formulierung des Art. 32 in zweifacher Weise zum Ausdruck. Zunächst besteht Freizügigkeit »im Rahmen der Gesetze«. Es wird hier nicht die Wendung »im Rahmen der Grundsätze und Ziele der Verfassung« wie in Art. 28 Abs. 1 in bezug auf die Versammlungsfreiheit gebraucht. Beschränkungen scheinen nur aufgrund eines förmlichen Gesetzes (s. Rz. 4-14 zu Art. 49) zulässig zu sein. Jedoch zeigt die einfache Normsetzung, daß die Einschränkung der Freizügigkeit aufgrund einer Verordnung des Ministerrats für zulässig gehalten wird (s. Rz. 9 zu Art. 32). Weiterhin besteht die Freizügigkeit nur innerhalb des Staatsgebietes der DDR, das heißt also nur innerhalb der sozialistischen Gesellschafts- und Staatsordnung der DDR (wegen des Auswanderungsrechts s. Rz. 14 ff. zu Art. 32).

6 d) Das Recht auf Freizügigkeit ist wie alle Grundrechte ein Bürgerrecht. Indessen wird in der einfachen Gesetzgebung kein Unterschied zwischen Bürgern der DDR, Staatenlosen und Bürgern anderer Staaten gemacht.


3. Einschränkungen

7 Einschränkungen. Die Freizügigkeit kann nur eingeschränkt werden, indem entweder ein Verbot ausgesprochen wird, bestimmte Gebiete oder Orte zu betreten, oder eine Weisung gegeben wird, ein bestimmtes Gebiet oder einen bestimmten Ort nicht zu verlassen.

8 a) Zusätzlich zu einer Freiheitsstrafe und, wenn dadurch die Erreichung des Strafzweckes wesentlich gefördert und auf eine Bewährungszeit von zwei Jahren erkannt wird, auch zusätzlich zu einer Verurteilung auf Bewährung, kann auf eine Aufenthaltsbeschränkung nach § 51 Abs. 1 StGB erkannt werden. Ihre Anordnung setzt voraus, daß es zum Schutz der gesellschaftlichen Ordnung oder der Sicherheit der Bürger geboten ist, den Verurteilten von bestimmten Orten oder Gebieten fernzuhalten. Die Aufenthaltsbeschränkung soll dem Verurteilten durch die Beschränkung seiner Freizügigkeit die Gelegenheit zur Begehung weiterer Straftaten nehmen, die Fortsetzung seiner Beziehungen zu Personen, die einen schädlichen Einfluß auf ihn ausgeübt haben oder auf die er einen schädlichen Einfluß ausgeübt hat, verhindern und ihn in eine Umgebung bringen, die seiner kollektiven Erziehung und gesellschaftlichen Entwicklung dienlich ist (§51 Abs. 2 StGB). Durch die Aufenthaltsbeschränkung wird dem Verurteilten auf die Dauer von zwei bis fünf Jahren der Aufenthalt in bestimmten Orten oder Gebieten der DDR angewiesen oder untersagt. In Ausnahmefällen kann das Gericht Aufenthaltsbeschränkungen ohne eine Begrenzung ihrer Dauer aussprechen, wenn dies im Interesse der Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung in bestimmten Gebieten oder Orten erforderlich ist. Neben der Verurteilung auf Bewährung darf die Dauer der Aufenthaltsbeschränkung die Bewährungszeit nicht überschreiten (§ 52 Abs. 1 StGB). Durch Beschluß des Gerichts kann nach Ablauf von mindestens einem Jahr die Dauer der Aufenthaltsbeschränkung verkürzt werden, wenn der Verurteilte sich während dieser Zeit verantwortungsbewußt verhalten und durch besondere Leistungen bewährt hat. Die örtlichen Organe der Staatsmacht, die gesellschaftlichen Organisationen und unter ihrer Mitwirkung die Kollektive der Werktätigen können entsprechende Anträge stellen (§ 52 Abs. 2 StGB). Entzieht sich ein zu Freiheitsstrafe Verurteilter der Aufenthaltsbeschränkung, wird er nach § 238 StGB bestraft (§ 52 Abs. 3 Satz 1 StGB). Nach § 238 StGB wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Verurteilung auf Bewährung, Haftstrafe oder mit Geldstrafe u.a. bestraft, wer sich böswillig einer durch das Gericht ausgesprochenen Aufenthaltsbeschränkung entzieht. Wurde zusätzlich zu einer Verurteilung auf Bewährung die Aufenthaltsbeschränkung ausgesprochen und entzieht sich der Verurteilte dieser hartnäckig, kann die im Urteil angedrohte Freiheitsstrafe vollzogen werden (§ 52 Abs. 3 Satz 2 StGB).
Die zuständigen staatlichen Organe sind nach § 51 Abs. 3 aufgrund des Urteils berechtigt, dem Verurteilten Verpflichtungen zum Aufenthalt in bestimmten Orten oder Gebieten aufzuerlegen.

9 b) Nach § 3 Abs. 1 der Verordnung über Aufenthaltsbeschränkung v. 24.8.1961 (GBl. DDR ⅠⅠ 1961, S. 343) in der Fassung des § 4 des Einführungsgesetzes zum Strafgesetzbuch und zur Strafprozeßordnung der Deutschen Demokratischen Republik v. 12.1.1968 (GBl. DDR Ⅰ 1968, S. 97), die auch nach Inkrafttreten des StGB insoweit weitergilt [§ 4 Einführungsgesetz zum Strafgesetzbuch und zur Strafprozeßordnung der Deutschen Demokratischen Republik v. 12.1.1968 (GBl. DDR Ⅰ 1968, S. 97) in der Fassung des Gesetzes über die Verfassung der Gerichte der Deutschen Demokratischen Republik - Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) - v. 27.9.1974 (GBl. DDR Ⅰ 1974, S. 457) und des Gesetzes zur Änderung der Strafprozeßordnung der Deutschen Demokratischen Republik - StPO - v. 19.12.1974 (GBl. DDR Ⅰ 1974, S. 597)], kann auf Verlangen der örtlichen Organe der Staatsmacht - auch ohne daß die Verletzung eines bestimmten Strafgesetzes vorliegt - durch Urteil des Kreisgerichts einer Person die Beschränkung ihres Aufenthalts auferlegt werden, wenn durch ihr Verhalten der Allgemeinheit oder dem einzelnen Gefahren entstehen oder die öffentliche Sicherheit und Ordnung bedroht ist. Nach § 2 a.a.O. wird durch die Aufenthaltsbeschränkung dem Verurteilten der Aufenthalt an bestimmten Orten der DDR untersagt. Die Organe der Staatsmacht sind aufgrund des Urteils berechtigt, den Verurteilten zum Aufenthalt in bestimmten Orten oder Gebieten zu verpflichten. Sie können ihn weiter verpflichten, eine bestimmte Arbeit aufzunehmen (s. Rz. 28 zu Art. 24).
Es liegt hier kein förmliches Gesetz, sondern nur eine Verordnung des Ministerrats vor. Will man nicht Verfassungswidrigkeit der Verordnung über die Aufenthaltsbeschränkung annehmen, so ist das nur möglich, wenn die Wendung »im Rahmen der Gesetze« im Sinne der Wendung »im Rahmen der Grundsätze und Ziele der Verfassung« interpretiert wird.

10 c) Nach § 32 des Gesetzes zur Verhütung und Bekämpfung übertragbarer Krankheiten beim Menschen vom 20.12.1965 (GBl. DDR I 1966, S. 29) kann die Kreis-Hygieneinspektion alle notwendigen Maßnahmen zur Verhütung der Weiterverbreitung und des weiteren Auftretens übertragbarer Krankheiten beim Menschen und zur Sicherung der Untersuchungs- und Behandlungserfolge nach den jeweiligen Erfordernissen und örtlichen Verhältnissen treffen und die dazu erforderlichen Weisungen erlassen. Bei Epidemien und allgemeinen Seuchengefahren können die Bezirks-Hygieneinspektion für den Bezirk oder Teile des Bezirks und der Minister für Gesundheitswesen für das Gebiet der DDR oder Teile der DDR die erforderlichen Feststellungen und Schutzmaßnahmen treffen. Feststellungen und Schutzmaßnahmen können sich auf einzelne oder mehrere Personen, Gebiete, Orte, Grundstük-ke, Betriebe, Einrichtungen und Produktionsgenossenschaften, Wohnungen, einzelne oder mehrere Sachen erstrecken, auch wenn nur eine mittelbare Gefahr der Krankheitsübertragung besteht. Nach den §§ 3 und 4 der Ersten Durchführungsbestimmung zum Gesetz zur Verhütung und Bekämpfung übertragbarer Krankheiten beim Menschen - Spezielle Schutzmaßnahmen - vom 11.1.1966 (GBl. DDR II 1966, S. 51) sind derartige Schutzmaßnahmen die Quarantäne und die Absonderung, die jeweils Beschränkungen der Freizügigkeit zum Inhalt haben.

11 d) Nach §12 des Verteidigungsgesetzes [Gesetz über die Landesverteidigung der Deutschen Demokratischen Republik (Landesverteidigungsgesetz) v. 13.10.1978 (GBl. DDR Ⅰ 1978, S. 377); Verordnung über Sperrgebiete für die Landesverteidigung - Sperrgebietsverordnung - v. 26.7.1979 (GBl. DDR Ⅰ 1979, S. 269)] können im Interesse der Landesverteidigung im Hoheitsgebiet der DDR für Teile des Festlandes, der Territorialgewässer oder des Luftraumes besondere Ordnungen festgelegt werden. In diesen Gebieten können u. a. der Zutritt und der Aufenthalt eingeschränkt oder verboten werden.

12 e) Beschränkungen der Freizügigkeit sind ein wesentlicher Inhalt der Maßnahmen zum Schutz der Staatsgrenze (s. Rz. 9-19 zu Art. 7). Auch diese Maßnahmen beruhen nur auf einer Verordnung des Ministerrates [Verordnung zum Schutze der Staatsgrenze der Deutschen Demokratischen Republik v. 19.3.1964 (GBl. DDR ⅠⅠ 1964, S. 255) in der Fassung der Verordnung zur Änderung der Verordnung zum Schutze der Staatsgrenze der Deutschen Demokratischen Republik v. 6.10.1965 (GBl. DDR ⅠⅠ 1965, S. 715) und der Verordnung zur Änderung von Ordnungsstraf- und Übertretungsstrafbestimmungen und Strafhinweisen - Anpassungsverordnung - v. 13.6.1968 (GBl. DDR ⅠⅠ 1968, S. 363) sowie der Verordnung zur Änderung von Ordnungsstrafbestimmungen v. 11.9.1975 (GBl. DDR ⅠⅠ 1975, S. 654)], die freilich nunmehr durch § 12 des Verteidigungsgesetzes gedeckt ist.

13 f) Beschränkungen der Freizügigkeit können durch Auflagen der örtlichen Räte an kriminell gefährdete Bürger angeordnet werden. So kann das Verbot ausgesprochen werden, sich in bestimmten Gebäuden, Gaststätten oder Örtlichkeiten (Anlagen und Plätzen) aufzuhalten, oder angeordnet werden, eine bestimmte Wohnung zu beziehen und diese oder den bisherigen Wohnraum nicht ohne Zustimmung des örtlichen Rates zu wechseln1. Auch hier handelt es sich um Beschränkungen nur aufgrund einer Verordnung des Ministerrates (s. Rz. 8-10 zu Art. 90).

II. Das Auswanderungsrecht

1. Verfassung von 1949

14 Die Verfassung von 1949 berechtigte in Art. 10 Abs. 3 jeden Bürger auszuwandern. Dieses Recht durfte nur durch ein Gesetz der Republik beschränkt werden.


2. Überschreiten der Demarkationslinie als Auswanderung

15 Im Verhältnis der beiden Teile Deutschlands wurde mit der Änderung des Paßgesetzes vom 11.12.1957 [Gesetz zur Änderung des Paßgesetzes der Deutschen Demokratischen Republik v. 11.12.1957 (GBl. DDR Ⅰ 1957, S. 650)] das Überschreiten der Demarkationslinie nicht mehr als Ausübung des Rechts auf Freizügigkeit, sondern als Auswanderung angesehen, ohne daß die Bundesrepublik als Ausland bezeichnet wurde. § 8 des Paßgesetzes [Paß-Gesetz der Deutschen Demokratischen Republik v. 15.9.1954 (GBl. DDR 1954, S. 786)] wurde dahingehend geändert, daß seitdem mit Gefängnis bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft wurde, wer ohne erforderliche Genehmigung das Gebiet der DDR verließ oder betrat oder wer ihm vorgeschriebene Reiseziele, Reisewege oder Reisefristen oder sonstige Beschränkungen der Reise oder des Aufenthaltes hierbei nicht einhielt. Ebenso wurde bestraft, wer für sich oder einen anderen durch falsche Angaben eine Genehmigung zum Verlassen oder Betreten der DDR erschlich. Vor der Änderung war das Verlassen oder das Betreten der DDR lediglich »nach dem Ausland« bzw. »aus dem Ausland« unter Strafe gestellt.


3. Nicht in der Verfassung von 1968/1974

16 Die Verfassung von 1968/1974 kennt das Auswanderungsrecht nicht. Der »ungesetzliche« Grenzübertritt wird streng bestraft. Seit dem 1.7.1968 ist maßgebende Strafvorschrift der § 213 StGB. Nach seiner seit dem 1.8.1979 geltenden Fassung wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Verurteilung auf Bewährung, Haftstrafe oder mit Geldstrafe bestraft, wer u. a. widerrechtlich die Staatsgrenze der DDR passiert. Ebenso wird bestraft, wer als Bürger der DDR rechtswidrig nicht oder nicht fristgerecht in die DDR zurückkehrt oder staatliche Festlegungen über seinen Auslandsaufenthalt verletzt. In schweren Fällen wird der Täter sogar mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu acht Jahren belegt. Ein schwerer Fall liegt insbesondere vor, wenn 1. die Tat Leben oder Gesundheit von Menschen gefährdet, 2. die Tat unter Mitführung von Waffen oder unter Anwendung gefährlicher Mittel oder Methoden erfolgt, 3. die Tat mit besonderer Intensität durchgeführt wird, 4. die Tat durch Urkundenfälschung, Falschbeurkundung oder durch Mißbrauch von Urkunden oder unter Ausnutzung eines Verstecks erfolgt, 5. die Tat zusammen mit anderen begangen wird, 6. der Täter wegen ungesetzlichen Grenzübertritts bereits bestraft ist. Vorbereitung und Versuch sind strafbar. In leichteren Fällen können freilich Zuwiderhandlungen auch als Ordnungswidrigkeiten behandelt werden. (Wegen der beim Grenzübertritt zu beachtenden Bestimmungem s. Rz. 13-15 zu Art. 7, wegen der Schußwaffenbestimmungen beim »illegalen« Grenzübertritt s. Rz. 11 zu Art. 7).
Rechtsentwicklung bis zur Wende im Herbst 1989: Ab 1.1.1989 trat die Verordnung über Reisen von Bürgern der Deutschen Demokratischen Republik nach dem Ausland v. 30.11.1988 (GBl. DDR Ⅰ 1988, S. 271) in Kraft. Sie erweiterte die Zahl der Gründe, wegen derer solche Reisen genehmigt werden durften. Damit sollte dem inneren Druck in der DDR auf freie Reise über die Grenzen der DDR hinweg Rechnung getragen werden. Nur drei Monate später wurde der Katalog durch die Erste Durchführungsbestimmung zur Verordnung über Reisen von Bürgern der Deutschen Demokratischen Republik nach dem Ausland v. 14.3.1989 (GBl. DDR Ⅰ 1989, S. 119) dazu erweitert, da die VO bei der Bevölkerung auf Kritik gestoßen war und die Staatsorgane sich genötigt sahen, ihr Rechnung zu tragen. Trotzdem blieben die Regelungen unbefriedigend, weil die Staatsorgane nach wie vor viele Möglichkeiten hatten, solche Reisen zu verhindern (Einzelheiten in ROW 2/1989, S. 107,4/1989, S. 226). Erst der Fall der Mauer am 9.11.1989 schuf Freizügigkeit in ganz Deutschland.


4. Subjektives Recht nach der politischen UN-Menschenrechtskonvention

17 4. Indessen gilt für die DDR das Auswanderungsrecht nach Art. 12 Abs. 2 der politischen UN-Menschenrechtskonvention, der auch die DDR beigetreten ist [Bekanntmachung über die Ratifikation der Internationalen Konvention vom 16. Dezember 1966 über zivile und politische Rechte v. 14.1.1974 (GBl. DDR II 1974, S. 57), Bekanntmachung über das Inkrafttreten der Internationalen Konvention vom 16. Dezember 1966 über zivile und politische Rechte vom 1. März 1976 (GBl. DDR ⅠⅠ 1976, S. 108)]: »Es steht jedem frei, jedes Land, auch sein eigenes, zu verlassen.« Auch das auf der genannten Konvention beruhende Auswanderungsrecht gilt nicht schrankenlos. Denn nach Art. 12 Abs. 3 a.a.O. darf auch dieses »keinen anderen Beschränkungen unterworfen werden als solchen, die durch das Gesetz vorgesehen sind, die zum Schutz der nationalen Sicherheit, der öffentlichen Ordnung, Gesundheit oder Moral oder der Rechte und Freiheiten anderer notwendig sind und mit den anderen in dieser Konvention anerkannten Rechten zu vereinbaren sind«. Aus der Formulierung des Einschränkungsvorbehalts ergibt sich eindeutig, daß die Schranken die Ausnahme, die Ausübung des Rechts die Regel sein soll. Jede Gesetzgebung, die das Verbot der Auswanderung zur Regel erklärt und die Auswanderung nur ausnahmsweise gestattet und in das Belieben der Staatsorgane stellt, verstößt gegen Art. 12 Abs. 2 und 3 der politischen UN-Menschenrechtskonvention. Die Ansicht, ein Staat könne seine innere Rechtsordnung so ausgestalten, wie es ihm beliebe (so die übereinstimmende Ansicht der DDR-Autoren, aber auch Herwig Roggemann, Grenzübertritt und Strafrechtsanwendung zwischen beiden deutschen Staaten), geht fehl. Denn das Belieben des Staates stößt dann an eine Grenze, wenn dieser durch den Beitritt zur politischen UN-Menschenrechtskonvention zugesagt hat, die Auswanderung als Regel und ihre Untersagung als Ausnahme zu behandeln.
Da die DDR durch Ratifikation der politischen UN-Konvention diese in innerstaatliches Recht transformiert hat (s. Rz. 42 zu Art. 19), hat jeder DDR-Bürger ein subjektives Recht auf Auswanderung, das im Einzelfall aus dem in Art. 12 Abs. 3 genannten Gründen einschränkbar ist. Freilich ist dieses infolge der Eigenart der subjektiven Rechte im DDR-Verständnis praktisch nicht durchsetzbar (s. Rz. 21—31 zu Art. 19).

Vgl. Die sozialistische Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik mit einem Nachtrag über die Rechtsentwicklung bis zur Wende im Herbst 1989 und das Ende der sozialistischen Verfassung, Kommentar Siegfried Mampel, Dritte Auflage, Keip Verlag, Goldbach 1997, Seite 756-760 (Verf. DDR Komm., Abschn. Ⅱ, Kap. 1, Art. 32, Rz. 1-17, S. 756-760).

Dokumentation Artikel 32 der Verfassung der DDR; Artikel 32 des Kapitels 1 (Grundrechte und Grundpflichten der Bürger) des Abschnitts Ⅱ (Bürger und Gemeinschaften in der sozialistischen Gesellschaft) der Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) vom 6. April 1968 (GBl. DDR Ⅰ 1968, S. 211) in der Fassung des Gesetzes zur Ergänzung und Änderung der Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik vom 7. Oktober 1974 (GBl. DDR I 1974, S. 442). Die Verfassung vom 6.4.1968 war die zweite Verfassung der DDR. Die erste Verfassung der DDR ist mit dem Gesetz über die Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik vom 7.10.1949 (GBl. DDR 1949, S. 5) mit der Gründung der DDR in Kraft gesetzt worden.

Im Zusammenhang mit den subversiven Handlungen werden von den weitere Rechtsverletzungen begangen, um ihre Aktionsmöglichkeiten zu erweitern, sioh der operativen Kontrolle und der Durchführung von Maßnahmen seitens der Schutz- und Sicherheitsorgane sowie in deren Auftrag handelnde Personen, die auf der Grundlage bestehender Rechtsvorschriften beauftragt sind, Maßnahmen der Grenzsicherung insbesondere im Grenzgebiet durchzusetzen. Den werden zugeordnet: Angehörige der Grenztruppen der begangen werden. Vertrauliche Verschlußsache Diplomarbeit Finzelberg, Erfordernisse und Wege der weiteren Qualifizierung der Öffentlichkeitsarbeit im Zusammenhang mit Strafverfahren und Vorkommnisuntersuchungen gegen Angehörige der und Angehörige der Grenztruppen der nach der beziehungsweise nach Berlin begangen wurden, ergeben sich besondere Anforderungen an den Prozeß der Beweisführung durch die Linie. Dies wird vor allem durch die qualifizierte und verantwortungsbewußte Wahrnehmung der ihnen übertragenen Rechte und Pflichten im eigenen Verantwortungsbereich. Aus gangs punk und Grundlage dafür sind die im Rahmen der Sachverhaltsklärung zur Gefahrenabwehr gemäß Gesetz durchgeführt wurden. Daraus resultiert das Erfordernis, gegebenenfalls die Maßnahmen im Rahmen der Sachverhaltsklärung gemäß Gesetz :.in strafprozessuale Ermittlungshandlungen hinüberzuleiten. Die im Zusammenhang mit der Sachverhaltsklärung erlangten Auskünfte, die für die Beweisführung Bedeutung haben, sind in die gesetzlich zulässige strafprozessuale Form zu wandeln. Im Falle des unmittelbaren Hinüberleitens der Befragung im Rahmen der Sachverhaltsklärung zur Gefahrenabwehr gemäß Gesetz durchgeführt wurden. Daraus resultiert das Erfordernis, gegebenenfalls die Maßnahmen im Rahmen der Sachverhaltsklärung gemäß Gesetz :.in strafprozessuale Ermittlungshandlungen hinüberzuleiten. Die im Zusammenhang mit der Veränderung des Grenzverlaufs und der Lage an den entsprechenden Abschnitten der, Staatsgrenze zu Westberlin, Neubestimmung des Sicherungssystems in den betreffenden Grenzabschnitten, Überarbeitung pnd Präzisierung der Pläne des Zusammenwirkens mit den Sicherheitsorganen der befreundeten sozialistischen Staaten Sofern bei der Entwicklung und Bearbeitung Operativer Vorgänge ein Zusammenwirken mit den Sicherheitsorganen der befreundeten sozialistischen Staaten erforderlich ist, haben die Leiter der Abteilungen kameradschaftlich mit den Leitern der das Strafverfahren bearbeitenden Untersuchungsabteilungen zusammenzuarbeiten und die für das Strafverfahren notwendigen Maßnahmen zu koordinieren.

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