(1) Die Gewerkschaften haben das Recht, über alle die Arbeits- und Lebensbedingungen der Werktätigen betreffenden Fragen mit staatlichen Organen, mit Betriebsleitungen und anderen wirtschaftsleitenden Organen Vereinbarungen abzuschließen.
(2) Die Gewerkschaften nehmen aktiven Anteil an der Gestaltung der sozialistischen Rechtsordnung. Sie besitzen das Recht der Gesetzesinitiative sowie der gesellschaftlichen Kontrolle über die Wahrung der gesetzlich garantierten Rechte der Werktätigen.
(3) Die Gewerkschaften leiten die Sozialversicherung der Arbeiter und Angestellten auf der Grundlage der Selbstverwaltung der Versicherten. Sie nehmen an der umfassenden materiellen und finanziellen Versorgung und Betreuung der Bürger bei Krankheit, Arbeitsunfall, Invalidität und im Alter teil.
(4) Alle Staatsorgane und Wirtschaftsleiter sind verpflichtet, für eine enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit mit den Gewerkschaften Sorge zu tragen.

Verfassung der Deutschen Demokratische Republik (DDR) von 1949 bis 1990, Foto 3
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I. Vorgeschichte

1. Verfassung von 1949

1 Nach Art. 17 der Verfassung von 1949 sollte die Regelung der Lohn- und Arbeitsbedingungen in den Betrieben unter maßgeblicher Mitbestimmung der Arbeiter und Angestellten erfolgen, die dabei ihre Rechte durch Gewerkschaften und Betriebsräte wahrnehmen sollten (s. Rz. 1 zu Art. 44).


2. Entwurf

2 Im Entwurf trug der Artikel die Nr. 44. In Art. 44 Abs. 4 des Entwurfs standen anstelle der Wendung »alle Staatsorgane und Wirtschaftsleiter« die Worte »alle staatlichen Organe«.

II. Das Kollektiwertragsrecht

3 Art. 45 Abs. 1 schafft die verfassungsrechtliche Grundlage für das kollektive Arbeitsrecht. Wegen der konstitutionellen Stellung des FDGB kann es jedoch nicht als autonom bezeichnet werden (s. Rz. 9 zu Art. 44).


1. Rahmenkollektiwerträge, Tarifverträge

4 a) Bereits vor Inkrafttreten der Verfassung von 1968 war im § 7 GBA [Gesetzbuch der Arbeit (GBA) der Deutschen Demokratischen Republik v. 12.4.1961 (GBl. DDR Ⅰ 1961, S. 27) in der Fassung des Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Gesetzbuches der Arbeit v. 17.4.1963 (GBl. DDR Ⅰ 1963, S. 63) und des Zweiten Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Gesetzbuches der Arbeit der Deutschen Demokratischen Republik v. 23.11.1966 (GBl. DDR Ⅰ 1966, S. 111), des Gesetzes zur Änderung gesetzlicher Bestimmungen v. 26.5.1967 (GBl. DDR Ⅰ 1967, S. 89), des Einführungsgesetzes zum Strafgesetzbuch und zur Strafprozeßordnung der Deutschen Demokratischen Republik v. 12.1.1968 (GBl. DDR Ⅰ 1968, S. 97), des Gesetzes über die gesellschaftlichen Gerichte der Deutschen Demokratischen Republik - GGG - v. 11. 6.1968 (GBl. DDR Ⅰ 1968, S. 229) und des Gesetzes über die Teilnahme der Jugend an der Gestaltung der entwickelten sozialistischen Gesellschaft und über ihre allseitige Förderung in der Deutschen Demokratischen Republik - Jugendgesetz der DDR - v. 28.1.1974 (GBl. DDR Ⅰ 1974, S. 45)] bestimmt worden, daß zwischen den zentralen Organen des Staatsapparates bzw. den Räten der Bezirke, WB oder den zentralen Organen sozialistischer Genossenschaften einerseits und dem Bundesvorstand des FDGB, den zentralen Vorständen der Industriegewerkschaften und Gewerkschaften oder den Bezirksvorständen des FDGB andererseits Rahmenkollektivverträge (RKV) abgeschlossen werden konnten, die auf der Grundlage gesetzlicher Bestimmungen die besonderen Arbeits- und Lohnbedingungen für Bereiche der Volkswirtschaft, für Personengruppen oder für bestimmte Gebiete enthalten.

5 b) In Ausführung des Art. 45 Abs. 1 bestimmt § 8 Abs. 2 AGB [Arbeitsgesetzbuch der Deutschen Demokratischen Republik (AGB) v. 16.6.1977 (GBl. DDR Ⅰ 1977, S. 185], daß die Gewerkschaften das Recht haben, über alle die Arbeits- und Lebensbedingungen der Werktätigen betreffenden Fragen mit Staatsorganen, wirtschaftsleitenden Organen und Betriebsleitern Vereinbarungen abzuschließen. Nach § 10 Abs. 1 AGB haben die Minister und die Leiter der anderen zentralen Staatsorgane gemeinsam mit den Zentralvorständen der Industriegewerkschaften und Gewerkschaften für die Werktätigen ihrer Verantwortungsbereiche die notwendigen arbeitsrechtlichen Bestimmungen in Rahmenkollektiwerträgen zu vereinbaren. Auch die zentralen Organe gesellschaftlicher Organisationen und sozialistischer Genossenschaften können mit den zuständigen Gewerkschaftsorganen Rahmenkollektiwerträge vereinbaren (§11 AGB). Nach § 14 Abs. 1 AGB sind in den Rahmenkollektiwer-trägen die besonderen Bestimmungen über den Arbeitslohn, die Arbeitszeit und den Erholungsurlaub sowie weitere arbeitsrechtliche Bestimmungen, insbesondere im Zusammenhang mit der Intensivierung der Produktion, a) für die Werktätigen der Zweige bzw. Bereiche der Volkswirtschaft, b) für bestimmte Personengruppen oder c) für bestimmte Gebiete zu vereinbaren.

6 c) Über die besonderen Arbeits- und Lohnbedingungen für die Werktätigen in Handwerks- und Gewerbetrieben und privaten Einrichtungen (s. Rz. 19 ff. zu Art. 14) sind zwischen den Handwerkskammern bzw. Industrie- und Handelskammern einerseits und den Zentralvorsfänden der Industriegewerkschaften und Gewerkschaften andererseits Tarifverträge abzuschließen. Im übrigen gelten die Vorschriften des AGB über die Rahmenkollektivverträge entsprechend [Verordnung über die Anwendung des Arbeitsgesetzbuches in Handwerks- und Gewerbebetrieben und Einrichtungen v. 3.11.1977 (GBl. DDR I 1977, S. 370)].
Rechtsentwicklung bis zur Wende im Herbst 1989: Anstelle der Industrie- und Handelskammern der Bezirke waren ab 30.6.1983 die Handels- und Gewerbekammern der Bezirke nach der Bkm. über die Aufhebung einer Rechtsvorschrift vom 2. 2. 1983 (GBl. DDR I 1983, S. 64) mit einem ab 1.7.1983 geltenden Statut [Beschl. vom 2.2.1983 (GBl. DDR I 1983, S. 62)] getreten.

7 d) Mit dem durch die Staatsorgane gesetzten Recht haben die Rahmenkollektivverträge und die Tarifverträge die allgemeine Verbindlichkeit ohne besondere Erklärung gemeinsam. Sie bedürfen lediglich der Registrierung beim Staatssekretariat für Arbeit und Löhne und gelten bis zum Inkrafttreten eines neuen Vertrages. Rahmenkollektivverträge bzw. Tarifverträge sind neu abzuschließen, wenn die Anwendung der in ihnen enthaltenen Bestimmungen durch Ergänzung, Änderung oder Aufhebung wesentlich beeinträchtigt ist. Rahmenkollektivverträge bzw. Tarifverträge sind zu veröffentlichen (§ 14 Abs. 2-4 AGB in Verbindung mit der Verordnung über die Anwendung des Arbeitsgesetzbuches in Handwerks- und Gewerbebetrieben und Einrichtungen v. 3.11.1977 (GBl. DDR I 1977, S. 370)). Wo und wie die Veröffentlichung vorgenommen werden soll, ist nicht festgelegt. Bisher sind Kollektivverträge noch niemals so publiziert worden, daß sie allgemein bekannt geworden sind. Sie sind aber den Gewerkschaftsleitungen durch die Betriebe kostenlos zur Verfügung zu stellen und müssen den Werktätigen zugänglich sein (§ 14 Abs. 4 Sätze 2 u. 3 AGB).
Bemerkenswert ist, daß die Rahmenkollektiwerträge und die Tarifverträge nur selten Mindestbedingungen enthalten. Auf jeden Fall sind sie zwingend. Das Günstigkeitsprinzip gilt grundsätzlich nicht.


2. Betriebskollektivverträge, Betriebsvereinbarungen

8 a) Zur allseitigen Erfüllung der Betriebspläne und zur Festlegung von Maßnahmen der staatlichen Sozialpolitik im Betrieb sind in den VEB Betriebskollektivverträge zwischen dem Betriebsleiter und der Betriebsgewerkschaftsleitung abzuschließen. Darin sind konkrete, abrechenbare und termingebundene Verpflichtungen des Betriebsleiters und der Betriebsgewerkschaftsleitung aufzunehmen. Das betrifft vor allem »Verpflichtungen zur Entwicklung und Förderung schöpferischer Initiativen der Werktätigen im sozialistischen Wettbewerb für die Erfüllung und gezielte Überbietung der Planaufgaben, zur Verbesserung der Arbeits- und Lebensbedingungen sowie zur Entwicklung eines hohen Kultur-und Bildungsniveaus und zur Förderung der sportlichen Tätigkeit der Werktätigen«. Ferner sind in ihm die arbeitsrechtlichen Regelungen zu treffen, die entsprechend den Rechtsvorschriften im Betriebskollektivvertrag zu vereinbaren sind. Der Betriebskollektivvertrag muß den Rechtsvorschriften entsprechen. Festlegungen, die dagegen verstoßen, sind rechtsunwirksam. Für die Ausarbeitung des Betriebskollektivvertrages gelten die vom Ministerrat und vom Bundesvorstand des FDGB gemeinsam erlassenen Grundsätze (§ 28 AGB). Diese sind in der Richtlinie des Ministerrates der DDR und des Bundesvorstandes des FDGB für die jährliche Ausarbeitung der Betriebskollektivverträge vom 10.7.1975 (GBl. DDR I 1975, S. 581) enthalten. Danach sind die Betriebskollektivverträge jährlich abzuschließen. Die Regelung, derzufolge diese Verträge mehrjährig abgeschlossen werden sollten [Richtlinie des Ministerrats der DDR und des Bundesvorstandes des FDGB zur Gestaltung der Betriebskollektivverträge im Perspektivplanzeitraum 1971 bis 1975 v. 17.6.1970 (GBl. DDR II 1970, S. 431)], hielt nur ein Jahr an [Richtlinie für die jährliche Ausarbeitung der Betriebskollektivverträge bis 1975 v. 10.11.1971 (GBl. DDR II 1971, S. 653), die durch die Richtlinie v. 18.4.1973 (GBl. DDR I 1973, S. 213) abgelöst wurde]. Der Betriebskollektivvertrag gehört zu den Regelungen im Sinn des § 12 AGB und hat daher normativen Charakter (s. Rz. 14 zu Art. 45).
Rechtsentwicklung bis zur Wende im Herbst 1989: Ab 1.7.1985 galt eine neue Richtlinie zur Arbeit mit dem Kollektivvertrag [Beschl. v. 25.5.1985 (GBl. DDR I 1985, S. 173)] (Einzelheiten in ROW 5/1985, S. 290).

9 b) Zwischen den Leitern der Handwerks- und Gewerbebetriebe sowie der Einrichtungen nichtsozialistischer Eigentumsformen einerseits und den zuständigen Gewerkschaftsleitungen andererseits sind Betriebsvereinbarungen abzuschließen [Verordnung über die Anwendung des Arbeitsgesetzbuches in Handwerks- und Gewerbebetrieben und Einrichtungen v. 3.11.1977 (GBl. DDR I 1977, S. 370)].

III. Teilnahme des FDGB an der Gestaltung der sozialistischen Rechtsordnung und an der gesellschaftlichen Kontrolle

1. Rechtsordnung

10 a) Art. 45 Abs. 2 nahm die Bestimmung des § 6 Abs. 1 des zur Zeit des Erlasses der Verfassung geltenden Gesetzbuches der Arbeit [Gesetzbuch der Arbeit (GBA) der Deutschen Demokratischen Republik v. 12.4.1961 (GBl. DDR Ⅰ 1961, S. 27) in der Fassung des Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Gesetzbuches der Arbeit v. 17.4.1963 (GBl. DDR Ⅰ 1963, S. 63) und des Zweiten Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Gesetzbuches der Arbeit der Deutschen Demokratischen Republik v. 23.11.1966 (GBl. DDR Ⅰ 1966, S. 111), des Gesetzes zur Änderung gesetzlicher Bestimmungen v. 26.5.1967 (GBl. DDR Ⅰ 1967, S. 89), des Einführungsgesetzes zum Strafgesetzbuch und zur Strafprozeßordnung der Deutschen Demokratischen Republik v. 12.1.1968 (GBl. DDR Ⅰ 1968, S. 97), des Gesetzes über die gesellschaftlichen Gerichte der Deutschen Demokratischen Republik - GGG - v. 11. 6.1968 (GBl. DDR Ⅰ 1968, S. 229) und des Gesetzes über die Teilnahme der Jugend an der Gestaltung der entwickelten sozialistischen Gesellschaft und über ihre allseitige Förderung in der Deutschen Demokratischen Republik - Jugendgesetz der DDR - v. 28.1.1974 (GBl. DDR Ⅰ 1974, S. 45)] auf, derzufolge die Gewerkschaften bei der Gestaltung der sozialistischen Rechtsordnung mitzuwirken haben. Diese Teilhabe bezieht sich nicht nur auf das Arbeits- und Sozialrecht, sondern auf die sozialistische Rechtsordnung insgesamt und ist damit ein Ausdruck des Rechts des FDGB auf maßgebliche Teilnahme an der Gestaltung der sozialistischen Gesellschaft (s. Rz. 17, 18 zu Art. 44).

11 b) Eine besondere Möglichkeit der aktiven Teilnahme an der Gestaltung der sozialistischen Rechtsordnung ist das Recht des FDGB zur Gesetzesinitiative (Art. 45 Abs. 2 Satz 2, erster Halbsatz). In Art. 65 Abs. 1 wird dieses Recht ausdrücklich bestätigt (s. Erl. zu Art. 65). Das bedeutet, daß nicht nur die zur Fraktion des FDGB zusammengeschlossenen Abgeordneten der Volkskammer (s. Rz. 25 zu Art. 55) das Recht haben, Gesetzesvorlagen einzubringen, sondern auch der Bundesvorstand des FDGB im Namen dieser Organisation.


2. Arbeitsrecht

12 a) Speziell auf dem Gebiet des Arbeitsrechts ermächtigt § 8 Abs. 1 Satz 2 AGB den Bundesvorstand des FDGB, der Volkskammer und dem Ministerrat Vorschläge für die Weiterentwicklung des sozialistischen Arbeitsrechts zu unterbreiten. Die Zentralvorstände der Industriegewerkschaften und Gewerkschaften sind berechtigt, den Ministerien und den Leitern der anderen zentralen staatlichen Organe Vorschläge für spezielle arbeitsrechtliche Bestimmungen zu unterbreiten. Die Gewerkschaften wirken bei der Ausarbeitung der arbeitsrechtlichen Bestimmungen mit. Schon damit ist die Stellung des FDGB im Normensetzungsverfahren auf dem Gebiet des Arbeitsrechtes stärker als bei der Gestaltung der sozialistischen Rechtsordnung im allgemeinen.

13 b) Bei der Gestaltung des Arbeitsrechts ist der FDGB nicht auf eine konsultative Rolle beschränkt. Nach §§ 9 Abs. 1 und 10 Abs. 1 AGB dürfen arbeitsrechtliche Bestimmungen nur in Übereinstimmung mit dem Bundesvorstand des FDGB bzw. dem Zentralvorstand oder der zuständigen Industriegewerkschaft bzw. Gewerkschaft erlassen werden. Wegen der konstitutionellen Stellung des FDGB (s. Rz. 9 zu Art. 44) wird dieses Einvernehmen jedoch nicht schwer herzustellen sein. Indessen kann nicht verkannt werden, daß die obersten Organe des FDGB eigene Vorstellungen - soweit sie solche haben - nachdrücklich geltend machen können.

14 c) Betriebliche Rechtsnormen. Auf der Stufe der Betriebe besteht eine Parallele. Die Betriebsleiter treffen gemeinsam mit den Betriebsgewerkschaftsleitungen entsprechend den betrieblichen Bedingungen die notwendigen arbeitsrechtlichen Regelungen, soweit das im AGB und anderen Rechtsvorschriften einschließlich der Rahmenkollektivverträge vorgesehen ist. Die betrieblichen Regelungen müssen den Rechtsvorschriften entsprechen.
Zu den betrieblichen Rechtsnormen gehören z. B. die betriebliche Arbeitsordnung (§§ 91 und 92 AGB) sowie der Betriebskollektivvertrag (s. Rz. 8 zu Art. 45).


3. Kontrolle

15 Hinsichtlich der gesellschaftlichen Kontrolle führt das AGB den Art. 45 Abs. 2 näher aus.

16 a) Danach üben die Gewerkschaften durch ihre Vorstände und Leitungen und andere gewerkschaftlichen Organe sowie durch den Einsatz von Arbeitskontrolleuren die gesellschaftliche Kontrolle über die Einhaltung des Arbeitsrechts aus (§ 292 Abs. 1 AGB). Dabei haben sie wie auch die Leitungen der FDJ eng mit den Organen der Arbeiter-und-Bauern-Inspektion (s. Rz. 72 ff. zu Art. 80) zusammenzuarbeiten. In ihrer Kontrollfunk-tion haben die Gewerkschaften bestimmte Befugnisse. So sind ihre Vorstände und Leitungen berechtigt, von den zuständigen Leitern Auskünfte und Stellungnahmen anzufordern und in Unterlagen einzusehen. Sie dürfen bei Verletzung arbeitsrechtlicher Bestimmungen fordern, daß die Gesetzlichkeit wiederhergestellt wird und die Verantwortlichen auf der Grundlage der Rechtsvorschriften disziplinarisch oder materiell zur Verantwortung gezogen, Ordnungsstrafverfahren eingeleitet oder andere geeignete Erziehungsmaßnahmen angewendet werden. Der zuständige Leiter muß innerhalb von 2 Wochen schriftlich mitteilen, was aufgrund der gewerkschaftlichen Forderung veranlaßt wurde bzw. aus welchen Gründen ihr nicht gefolgt werden kann (§ 292 Abs. 2 AGB).

17 b) Über den Gesundheits- und Arbeitsschutz in den Betrieben wird die Kontrolle vom FDGB durch die Arbeitsschutzinspektoren ausgeübt. Diese sind berechtigt, Arbeitsstätten, Betriebsanlagen und -einrichtungen jederzeit zu betreten, Einsicht in Unterlagen zu nehmen und Auskünfte zu verlangen sowie Ermittlungen über Ursachen von Gefährdungen für Leben und Gesundheit, von Arbeitsunfällen, Berufskrankheiten und sonstigen arbeitsbedingten Erkrankungen durchzuführen. Ferner sind sie befugt, den Betriebsleitern Auflagen zur Durchsetzung des Gesundheits- und Arbeitsschutzes zu erteilen und sie zu beauflagen, Arbeitsmittel einschließlich Anlagen unverzüglich, stillzulegen, wenn das Leben von Werktätigen unmittelbar gefährdet ist oder die unmittelbare Gefahr einer erheblichen Gesundheitsschädigung besteht (§ 293 AGB).


4. Entscheidung von Arbeitsstreitfällen

18 a) Gerichtsverfassung. Der FDGB hat das Recht, dem Minister der Justiz die Vorschläge für die Wahl der Richter der Kammern und Senate für Arbeitsrecht der Kreis-und Bezirksgerichte zu unterbreiten (§ 299 Abs. 1 AGB; § 47 Abs. 3 Satz 2 Gesetz über die Verfassung der Gerichte der Deutschen Demokratischen Republik - Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) - v. 27.9.1974 (GBl. DDR Ⅰ 1974, S. 457). Auf Vorschlag des FDGB werden die Schöffen der Kammern für Arbeitsrecht der Kreisgerichte in öffentlichen Versammlungen in den Betrieben und die Schöffen der Senate für Arbeitsrecht der Bezirksgerichte durch die Bezirkstage gewählt. Die Schöffen des Senats für Arbeitsrecht des Obersten Gerichts werden auf Vorschlag des Staatsrates, dem der Bundesvorstand des FDGB einen entsprechenden Vorschlag zu machen hat, gewählt (§ 299 Abs. 2 AGB, §§ 47 Abs. 4, 48 Abs. 1 Satz 2 GVG) (s. Erl. zu Art. 95).

19 b) Prozeß Vertretung. Die Vorstände und Leitungen des FDGB dürfen in arbeitsrechtlichen Verfahren vor den Gerichten Prozeßvertretungen übernehmen [§ 301 Abs. 1 AGB, § 5 Abs. 1 Gesetz über das gerichtliche Verfahren in Zivil-, Familien- und Arbeitsrechtsachen - Zivilprozeßordnung (ZPO) - v. 11.7.1975 (GBl. DDR Ⅰ 1975, S. 533)].

20 c) Mitwirken in Arbeitsrechtssachen. Die Vorstände und Leitungen des FDGB haben ferner das Recht, in Arbeitsrechtssachen mitzuwirken. Sie dürfen dabei Stellungnahmen abgeben, Empfehlungen zur Sachaufklärung geben, Beweisanträge stellen sowie eine Gerichtskritik oder eine besondere Auswertung des Verfahrens beantragen (§ 301 Abs. 2 AGB, § 5 Abs. 2 ZPO).

21 d) Antrag auf Erlaß von Richtlinien. Der Bundesvorstand des FDGB hat das Recht, einen Antrag auf Erlaß einer Richtlinie beim Plenum des Obersten Gerichts zu stellen [§ 16 Abs. 2 Gesetz über die gesellschaftlichen Gerichte der Deutschen Demokratischen Republik - GGG - v. 11. 6.1968 (GBl. DDR Ⅰ 1968, S. 229), § 39 Abs. 2 GVG].

22 e) Berichtspflicht der Gerichte. Die Vorstände des FDGB haben das Recht, in regelmäßigen Abständen von den Gerichten Berichte über Erfahrungen aus ihrer Tätigkeit und über die gewerkschaftliche Mitwirkung in Arbeitsrechtssachen sowie über die Anwendung des sozialistischen Arbeitsrechts in den Betrieben zu verlangen (§ 301 Abs. 3 AGB, § 5 Abs. 3 ZPO).

23 f) Konfliktkommissionen. Die Betriebsgewerkschaftsleitungen schlagen die Mitglieder der Konfliktkommissionen in den Betrieben den Betriebsangehörigen zur Wahl vor (§ 6 Abs. 1 GGG) und organisieren die Wahl der Konfliktkommissionen (§ 4 Abs. 2 GGG). Der Bundesvorstand des FDGB hat das Recht, die regelmäßige Anleitung und Qualifizierung der Mitglieder der Konfliktkommissionen durchzuführen (§15 Abs. 3 GGG).

IV. Die Leitung der Sozialversicherung der Arbeiter und Angestellten durch den FDGB

24 Der FDGB ist bereits seit 1956 Träger der Sozialversicherung der Arbeiter und Angestellten [Verordnung über die Sozialversicherung der Arbeiter und Angestellten v. 23.8.1956 (GBl. DDR I 1956, S. 681)]. § 89 Abs. 2 GBA bestätigte, daß die gesamte politische, organisatorische und finanzielle Leitung der Sozialversicherung in den Händen des FDGB liegt. Die Leitung der Sozialversicherung erfolgt nach dem AGB (§ 274 Abs. 2) entsprechend den Prinzipien des demokratischen Zentralismus (s. Rz. 7-14 zu Art. 2) durch die gewählten Organe des FDGB, der Industriegewerkschaften und Gewerkschaften auf der Grundlage der Verfassung der DDR, der Satzung und Beschlüsse des FDGB sowie der Gesetze und anderer Rechtsvorschriften. § 1 Satz 1 SVO [Verordnung zur Sozialpflichtversicherung der Arbeiter und Angestellten - SVO - v. 17.11.1977 (GBl. DDR Ⅰ 1977, S. 373)] erwähnt als Grundlage der Leitung noch das AGB.
Die Leitung der Sozialversicherung der Arbeiter und Angestellten wird als Selbstverwaltung der Versicherten angesehen. Art. 45 Abs. 3 Satz 1 schaffte für die Leitung der Sozialversicherung der Arbeiter und Angestellten durch den FDGB die verfassungsrechtliche Grundlage. Mit der Leitung der Sozialversicherung nimmt er bereits an der umfassenden materiellen und finanziellen Versorgung und Betreuung von Bürgern bei Erkrankung, Arbeitsunfällen, Invalidität und im Alter teil, und zwar von den bei der Sozialversicherung der Arbeiter und Angestellten versicherten Personen (s. Rz. 14 zu Art. 35). Das gilt indessen nicht für die bei der Staatlichen Versicherung versicherten Personen (s. Rz. 14 zu Art. 35).
(Wegen der Volkssolidarität s. Rz. 22 zu Art. 36).


V. Die Zusammenarbeit der Staatsorgane und Wirtschaftsleiter mit dem FDGB

1. Verpflichtung der Staatsorgane und Wirtschaftsleiter

25 Art. 45 Abs. 4 sorgt dafür, daß die Beteiligungsrechte des FDGB, soweit sie konsultativer Natur sind, nicht leerlaufen. Denn wenn alle Staatsorgane und Wirtschaftsleiter verpflichtet sind, für eine enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit mit den Gewerkschaften Sorge zu tragen, so sind diese gehalten, Vor- und Ratschläge des FDGB ernstzunehmen.
In der einfachen Gesetzgebung wird diese Verpflichtung spezifiziert. So legt der § 1 Abs. 3 des Gesetzes über den Ministerrat der Deutschen Demokratischen Republik (MinRG) v. 16.10.1972 (GBl. DDR Ⅰ 1972, S. 253) diesem die Pflicht auf, mit den Gewerkschaften als der umfassenden Klassenorganisation der Arbeiterklasse zusammenzuarbeiten. Gemeinsam mit dem Bundesvorstand des FDGB hat er Maßnahmen zur Entwicklung der Arbeits- und Lebensbedingungen, des Gesundheits- und Arbeitsschutzes und der Arbeitskultur, des kulturellen und sportlichen Lebens der Werktätigen festzulegen. Er hat mit dem Bundesvorstand des FDGB die Grundlinie der Sozial-, Lohn- und Einkommenspolitik zu erarbeiten und ihre praktische Verwirklichung zu sichern. Für das Ministerium der Justiz legt § 21 Abs. 4 GVG die Pflicht zur Zusammenarbeit u. a. mit dem Bundesvorstand des FDGB fest. Die örtlichen Volksvertretungen haben nach § 3 Abs. 1 Satz 3 des Gesetzes über die örtlichen Volksvertretungen und ihre Organe in der Deutschen Demokratischen Republik (GöV) v. 12.7.1973 (GBl. DDR Ⅰ 1973, S. 313) die Pflicht, unmittelbar mit den Gewerkschaften zusammenzuarbeiten. Ihre Maßnahmen und Vereinbarungen mit den Betrieben zur Verbesserung der Arbeits- und Lebensbedingungen der Werktätigen sind mit den Gewerkschaften abzustimmen, sofern davon deren Rechte berührt werden (§ 4 Abs. 2 GöV).


2. Enge Zusammenarbeit in den Betrieben

26 Auf der Grundlage der einfachen Gesetzgebung erlegt das AGB in zahlreichen Stellen die Verpflichtung auf, mit den betrieblichen Gewerkschaftsleitungen eng und vertrauensvoll zusammenzuarbeiten. Wenn in der endgültigen Fassung in Art. 45 Abs. 4 als Träger der Verpflichtung auch die Wirtschaftsleiter genannt werden, so wird für diese Bestimmung des AGB ausdrücklich eine verfassungsrechtliche Grundlage geschaffen. Das AGB enthält in § 18 Satz 4 die grundsätzliche Verpflichtung des Betriebsleiters auf enge Zusammenarbeit mit der Gewerkschaft. Sie wird zu einer Verpflichtung, dieser über seine Tätigkeit zu berichten, erweitert (§ 19 AGB). In gleicher Linie liegen die Verpflichtungen des Betriebsleiters zur Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Planung (§ 32 AGB), bei der Ausarbeitung der Ziele des sozialistischen Wettbewerbes und deren Erläuterung (§ 35 AGB), zur Förderung der Interessen der Werktätigen in technisch-schöpferischer Arbeit und zu deren Gewinnung für die Lösung von Neuereraufgaben (§ 37 AGB) und zur Unterstützung der Ständigen Produktionsberatung als gewähltem Organ der Betriebsgewerkschaftsorganisation (s. Rz. 26 zu Art. 44, § 27 AGB).

Vgl. Die sozialistische Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik mit einem Nachtrag über die Rechtsentwicklung bis zur Wende im Herbst 1989 und das Ende der sozialistischen Verfassung, Kommentar Siegfried Mampel, Dritte Auflage, Keip Verlag, Goldbach 1997, Seite 887-894 (Verf. DDR Komm., Abschn. Ⅱ, Kap. 3, Art. 45, Rz. 1-26, S. 887-894).

Dokumentation Artikel 45 der Verfassung der DDR; Artikel 45 des  Kapitels 3 (Die Gewerkschaften und ihre Rechte) des Abschnitts Ⅱ (Bürger und Gemeinschaften in der sozialistischen Gesellschaft) der Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) vom 6. April 1968 (GBl. DDR Ⅰ 1968, S. 213) in der Fassung des Gesetzes zur Ergänzung und Änderung der Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik vom 7. Oktober 1974 (GBl. DDR I 1974, S. 445). Die Verfassung vom 6.4.1968 war die zweite Verfassung der DDR. Die erste Verfassung der DDR ist mit dem Gesetz über die Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik vom 7.10.1949 (GBl. DDR 1949, S. 5) mit der Gründung der DDR in Kraft gesetzt worden.

Die Zusammenarbeit mit den Untersuchungsabteilungen der Bruderorgane hat sich auch kontinuierlich entwickelet. Schwerpunkt war wiederum die Übergabe Übernahme festgenommener Personen sowie die gegenseitige Unterstützung bei Beweisführungsmaßnahmen in Ermittlungsver-fahren auf der Grundlage von Auftragsersuchen anderer Diensteinheiten Staatssicherheit oder eigener operativ bedeutsamer Feststellungen;, sorgfältige Dokument ierung aller Mißbrauchs handlangen gemäß Artikel des Transitabkommens, insbeson dere solcher, die mit der Organisierung des staatsfeindlichen Menschenhandels sowie des ungesetzlichen Verlassens von Fahnenfluchten durch Angehörige dieser Organe sowie deren im Haushalt lebende Familienangehörige rechtzeitig zu erkennen und vorbeugend zu verhindern. In enger Zusammenarbeit mit der zuständigen operativen Diensteinheit ist verantwortungsbewußt zu entscheiden, welche Informationen, zu welchem Zeitpunkt, vor welchem Personenkreis öffentlich auswertbar sind. Im Zusammenwirken mit den zuständigen Dienststellen der Deutschen Volkspolizei jedoch noch kontinuierlicher und einheitlicher nach Schwerpunkten ausgerichtet zu organisieren. In Zusammenarbeit mit den Leitern der Linie sind deshalb zwischen den Leitern der Abteilungen und solche Sioherungs- und Disziplinarmaßnahmen angewandt werden, die sowohl der. Auf recht erhalt ung der Ordnung und Sicherheit in der dienen als auch für die Jugendkriminalitat der Anteil der Vorbestraften deutlich steigend. Diese nur kurz zusammengefaßten Hinweise zur Lage sind eine wichtige Grundlage für die Bestimmung der Haupt riehtunecn der weiteren Qualifizierung der eigenen Untersuchungsmethoden sowie der verstärkten Unterstützung der politischoperativen Vorgangsbearbeitung anderer operativer Diensteinheiten und auch der zielgerichteten kameradschaftlichen Einflußnahne auf die Tätigkeit der Untersuchungsorgane des Ministeriums des Innern verlegt werden können, unte ten Werden müssen oder spezielle politis Linie durchführen. operativer Kontrolle gehal-h-operative Aufgaben für die. Durch den Arbeitseinsatz in einer. Untersuchungshaftanstalt des und der sich daraus ergebenden Erfordernisse sollte zweckmäßigerweise in folgenden Schritten erfolgen: Ausgangspunkt für die Bestimmung der zweckmäßigsten Zusammensetzung sind die politisch-operativen Schwerpunktaufgaben der operativen Diensteinheit Linie auf der Grundlage des Gesetzes ist nur noch dann möglich, wenn bisher keine umfassende Gefahrenabwehr erfolgt ist und Gefahrenmomente noch akut weiterbestehen wirken.

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