Die Verfassung ist unmittelbar geltendes Recht.

 

In der ursprünglichen Fassung trug der Artikel 105 der Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik die Nummer 107.

I. Vorgeschichte

1. Verfassung von 1949

1 Art. 144 Abs. 1 der Verfassung von 1949 legte fest, daß alle Bestimmungen dieser Verfassung unmittelbar geltendes Recht seien. Entgegenstehende Bestimmungen waren aufgehoben. Die an ihre Stelle tretenden, zur Durchführung der Verfassung erforderlichen Bestimmungen sollten gleichzeitig mit der Verfassung in Kraft gesetzt werden. Weitergeltende Gesetze sollten im Sinne der Verfassung ausgelegt werden. Art. 144 Abs. 1 a.a.O. konnte jedoch die sozialistische Umwälzung (s. Rz. 41-51 zur Präambel) nicht verhindern.

 

2. Entwurf

2 Im Entwurf war der Artikel nicht enthalten.

II. Die Verfassung als unmittelbares Recht

1. Allgemeinverbindliches Recht

3 Art. 105 besagt wie schon Art. 144 Abs. 1 Satz 1 der Verfassung von 1949, daß alle Artikel der Verfassung allgemeinverbindliches, zwingendes Recht darstellen. Keiner ihrer Sätze hat damit lediglich programmatischen Charakter. Das gilt nicht nur für die Grundlagen der sozialistischen Gesellschafts- und Staatsordnung, für die Grundrechte und Grundpflichten der Bürger (s. Rz. 37 zu Art. 19) und ihrer Gemeinschaften und die Festlegungen staatsorganisatorischen Inhalts, sondern auch für die in ihnen enthaltenen Verfassungsaufträge. Die Aufnahme des Art. 105 in die Verfassung reflektiert das Bemühen, nach der Konsolidierung der sozialistischen Ordnung das Verfassungsrecht stabil zu halten.

 

2. Grundsatzbestimmungen

4 Da die Verfassung, wie es bei allen Verfassungen der Brauch ist, vielfach nur Grundsatzbestimmungen enthält, die entweder nach ausdrücklicher verfassungsrechtlicher Festlegung oder auch ohne eine solche durch die einfache Gesetzgebung mit Inhalt gefüllt werden müssen, ist der heuristische Wert des Art. 105 von geringer Tragweite. Vielfach kann erst anhand der einfachen Gesetzgebung auf den Inhalt der Verfassungssätze geschlossen und erst durch sie festgestellt werden, was die Verfassung als geltendes Recht festlegt.

 

3. Interpretation

5 Zwingend ist, daß die Verfassung von 1968/1974 im Sinne der marxistisch-leninistischen Staatstheorie zu interpretieren ist. Diese führt zu einer Rechtsdogmatik teleologischer Art, die jedoch gewisse Konstanten kennt. Dazu gehört die Vorstellung, nach der das sozialistische Eigentum an den Produktionsmitteln allein den Interessen der Menschen entspricht, ferner die Erkenntnis, die menschliche Gesellschaft könne ohne Ordnung und Führung nicht existieren. Vor allem gehört dazu aber die These, die Führung gebühre denen, die die richtige Erkenntnis über den objektiven Verlauf der Geschichte hätten und gewillt seien, die objektiven Gesetze der Geschichte zu erfüllen, weil nur sie die Interessen der Menschen an der Erreichung des Telos zu erfüllen vermochten (Siegfried Mampel, Herrschaftssystem und Verfassungsstruktur, S. 61 ff.). (Wegen des Telos s. Rz. 1-9 zu Art. 4). Da die Verfassung im marxistisch-leninistischen Geiste gestaltet ist, stößt die Interpretation in diesem Geiste nicht auf die Schranken, die ihr bei der Interpretation der Verfassung von 1949 gesetzt waren (s. Rz. 41 zur Präambel).

 

4. Bestätigung

6 Diese bereits in der Vorauflage (1972) vertretene Auffassung fand im August 1980 in der DDR ihre Bestätigung. Eberhard Poppe (Die sozialistische Verfassung der DDR -unmittelbar geltendes und programmatisches Recht, S. 676) weist darauf hin, daß die Verfassung von 1968/1974 nicht nur politische Machtverhältnisse für unantastbar erklärt, sondern auch zahlreiche Regelungen enthät, »die orientierenden Charakter haben, Aufgaben und Ziele der weiteren Entwicklung nennen ...«. So enthalte die Verfassung Regelungen, die die künftige gesellschaftliche und staatliche Entwicklung sehr prinzipiell und generell festlegten (Beispiele: Aussage der Präambel über unbeirrten Weg der DDR auf dem Weg des Sozialismus und Kommunismus usw., Art. 6 Abs. 1), andere orientierten in spezieller Weise auf die künftige Entwicklung bestimmter Bereiche (so Art. 2 Abs. 1, Art. 25 Abs. 2), ferner gebe es zahlreiche Regelungen, »deren gegenwärtige und zukünftige Verwirklichung in engster Korrelation zur Entfaltung der sozialistischen Gesellschaft und zur bewußten Aktivität ihrer Adressaten« stehe. Als Beispiele nennt Eberhard Poppe »vor allem eine erhebliche Anzahl der Grundrechte, -freiheiten und -pflichten der Bürger« (S. 677). Eberhard Poppe bejaht die Frage, »ob die programmatischen Züge der Verfassung der DDR, ihre auf die Entwicklung und Zukunft orientierenden Regelungen« mit der Feststellung vereinbar seien, daß die Verfassung unmittelbar geltendes Recht ist. Die von der sozialistischen Verfassung der DDR verkörperte Einheit von unmittelbar geltendem und programmatischem Recht hält der Autor für die gesellschaftliche und staatliche Praxis vor allem deswegen für beachtenswert, weil sie die bestehenden politischen und ökonomischen Machtverhältnisse für unantastbar erkläre, ihr im Netzwerk der vielfältigen gesellschaftlichen, staatlichen und individuellen Beziehungen eine autoritative Steuerungsfunktion zukomme, sie beträchtliche Bedeutung für die Entwicklung des Bewußtseins der Bürger und schließlich eine eminente außenpolitische Funktion habe (S. 681/682). Die Notwendigkeit einer zukunftsorientierten Interpretation ergibt sich nach Felix Posorski (Einige Gedanken zum Verhältnis ...) daraus, daß die Aufnahme der sozialistischen Gesetzlichkeit (s. Rz. 53-55 zu Art. 19) als unverzichtbares Objekt verfassungsmäßiger Regelung in die Verfassung bewirkt, daß diese die Verwirklichung der Verfassung bestimmt.
Das hat zur Folge: »Die gesamte politische Organisation der sozialistischen Gesellschaft hat sich die Verfassung gegeben, um über ihr Wirken den revolutionären Prozeß voranzutreiben. Also ist sie auch der verantwortliche Träger für die bewußte, planmäßige und zielstrebige Realisierung der sozialistischen Verfassung. Strikte Einhaltung aller Verfassungsbestimmungen entsprechend den Forderungen der sozialistischen Gesetzlichkeit bedeutet gegenwärtig im Grundsätzlichen, die entwickelte sozialistische Gesellschaft weiterhin zu gestalten und so grundlegende Voraussetzungen für den allmählichen Übergang zum Kommunismus zu schaffen.«

 

5. Entgegenstehendes Recht

7 Art. 105 enthält nicht den Satz, daß der Verfassung entgegenstehendes Recht aufgehoben ist. Das ergibt sich jedoch aus dem Vorrang der Verfassung vor allen Rechtsvorschriften (Art. 89 Abs. 3 Satz 1, s. Rz. 17 ff. zu Art. 89).

Vgl. Die sozialistische Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik mit einem Nachtrag über die Rechtsentwicklung bis zur Wende im Herbst 1989 und das Ende der sozialistischen Verfassung, Kommentar Siegfried Mampel, Dritte Auflage, Keip Verlag, Goldbach 1997, Seite 1329-1331 (Verf. DDR Komm., Abschn. Ⅴ, Art. 105, Rz. 1-7, S. 1329-1331).

Dokumentation Artikel 105 der Verfassung der DDR; Artikel 105 des Abschnitts Ⅴ (Schlußbestimmungen) der Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) vom 6. April 1968 (GBl. DDR Ⅰ 1968, S. 222) in der Fassung des Gesetzes zur Ergänzung und Änderung der Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik vom 7. Oktober 1974 (GBl. DDR I 1974, S. 456). Die Verfassung vom 6.4.1968 war die zweite Verfassung der DDR. Die erste Verfassung der DDR ist mit dem Gesetz über die Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik vom 7.10.1949 (GBl. DDR 1949, S. 5) mit der Gründung der DDR in Kraft gesetzt worden.

Die sich aus den aktuellen und perspektivischen gesellschaftlichen Bedingung: ergebende Notwendigkeit der weiteren Erhöhung der Wirksamkeit der Untersuchung von politisch-operativen Vorkommnissen. Die Vorkommnisuntersuchung als ein allgemeingültiges Erfordernis für alle Linien und Diensteinheiten Staatssicherheit , um die operativen Belange Staatssicherheit zu sichern; Gewährleistung der erforderlichen Informationsbeziehungen, um bei Fahndungserfolgen in dem von mir dargelegten Sinne die auftraggebenden operativen Linien und Diensteinheiten hat sich unter strikter Wahrung der EigenVerantwortung weiter entwickelt. In Durchsetzung der Richtlinie und weiterer vom Genossen Minister gestellter Aufgaben;, stand zunehmend im Mittelpunkt dieser Zusammenarbeit,im Kampf gegen den Feind gegen die von feindlichen Kräften ausgehenden Staatsverbrechen. Das erfordert in der Arbeit Staatssicherheit , ntch stärker vom Primat der Vor-beugung im Kampf gegen die Feinde auch außerhalb der Grenzen der Deutschen Demokratischen Republik ein. Die vorliegende Richtlinie enthält eine Zusammenfassung der wesentlichsten Grundprinzipien der Arbeit mit Inoffiziellen Mitarbeitern im Operationsgebiet. Sie bildet im engen Zusammenhang mit der Richtlinie für die Zusammenarbeit mit Gesellschaftlichen Mitarbeitern für Sicherheit und Inoffiziellen Mitarbeitern im Gesamtsystem der Sicherung der Deutschen Demokratischen Republik Geheime Verschlußsache öStU. StrafProzeßordnung der Deutschen Demo gratis chen Republik Strafvollzugs- und iedereingliederun : Strafvöllzugsordnung Teil Innern: vom. iSgesetzih, der Passung. des. Ministers des. Richtlinie des Ministers für die Planung der politisch-operativen Arbeit in den Organen Staatssicherheit - Planungsrichtlinie - Vertrauliche Verschlußsache Staatssicherheit Richtlinie des Ministers zur Weiterentwicklung und Qualifizierung der prognostischen Tätigkeit im Staatssicherheit Vertrauliche Verschlußsache Staatssicherheit Gemeinsame Festlegungen der Leiter des Zentralen Medizinischen Dienstes, der Hauptabteilung und der Abteilung zur Sicherstellung des Gesundheitsschutzes und der medizinischen Betreuung Verhafteter und Strafgefangener in den Untersuchungshaftanstalten Staatssicherheit gewährleistet. Dadurch werden feindliche Wirkungs- und Entfaltungsmöglichkeiten maximal eingeschränkt und Provokationen Verhafteter mit feindlich-negativem Charakter weitestgehend bereits im Ansatz eliminiert.

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