Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1973, Seite 674

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 27. Jahrgang 1973, Seite 674 (NJ DDR 1973, S. 674); Dem Antrag des Staatsanwalts, den Angeklagten zu lebenslanger Freiheitsstrafe zu verurteilen, ist das Bezirksgericht nicht gefolgt. Nach der dafür gegebenen Begründung hat es vor allem die Entscheidungssituation bei dem Mordverbrechen und die Persönlichkeit des Angeklagten als maßgebende Gesichtspunkte dafür betrachtet. Es ist aber der mit dem Protest vorgetragenen Auffassung zuzustimmen, daß das Bezirksgericht insoweit nicht alle entscheidenden Tatsachen berücksichtigt hat, die die Schwere der situationsbedingten Straftat charakterisieren. Auch ein spontanes Handeln kann bedenkenlose Rücksichtslosigkeit, Brutalität, egoistische Motive und eine menschenverachtende Haltung beinhalten. Das vom Angeklagten begangene Mordverbrechen weist diese Merkmale auf. Das ergibt sich eindeutig aus seiner gesamten Handlungsweise. Aus der am Spätabend des 12. Januar 1973 Vorgefundenen Mitteilung seines Vaters, daß dieser mit dem arbeitsscheuen Verhalten seines Sohnes nicht einverstanden war und der Angeklagte mit dem Eingreifen staatlicher Organe rechnen müsse, zog der Angeklagte die Schlußfolgerung, diesem durch die Flucht zu entgehen. Das dazu benötigte Geld wollte er sich durch Diebstahl verschaffen. Aus diesem Beweggrund brach er mit Hilfe, von Werkzeugen gewaltsam in die Küche seiner Wirtin ein, um dort nach Geld zu suchen. Zwar rechnete er damit, daß Frau D. nicht zu Hause war, Gewißheit hatte er darüber nicht. Sein Verhalten zeigt auch, daß er sich vorsichtig verhielt. Zweifellos war der Angeklagte erschrocken, als er vom Schlafzimmer her die Stimme von Frau D. vernahm. Das Bezirksgericht hat mit Recht darauf hingewiesen, daß der Angeklagte durchaus noch die Möglichkeit hatte, unerkannt zu bleiben und die Wohnung zu verlassen, da sich Frau D. noch nicht im klaren war, ob jemand anwesend war, und die Zimmer dunkel waren. In dieser Situation handelte der Angeklagte keineswegs überstürzt. Er erfaßte die Situation, versteckte sich hinter der Küchentür und wollte ab-warten, was Frau D. tut. Als er bemerkte, daß diese zum Lichtschalter ging, fürchtete er, entdeckt zu werden, und entschloß sich sofort, sie bewußtlos zu schlagen. Bereits dieses Verhalten zeigt Kaltblütigkeit des Angeklagten und hemmungslose Verfolgung seiner Ziele. Dabei nutzte der Angeklagte die Tatsache rigoros aus, daß die alte Frau ihm kaum Widerstand entgegensetzen konnte und ein überraschendes, hinterlistiges Handeln sofort zum Ziel führt. Keinen Augenblick zögerte der Angeklagte oder hatte er Bedenken, gegen einen alten Menschen, der ihm wehrlos ausgeliefert war, vorzugehen. Mit roher Gewalt schlug er auf Frau D. ein. Als diese entgegen seinen Erwartungen nicht sofort bewußtlos wurde, kannte sein Durchsetzungswillen keine Grenzen mehr. Aus dem ärztlichen Befund geht hervor, daß der Angeklagte, auf Frau D. kniend, sie mit ganzer Kraft würgte, bis sie tot war. Die mehrfachen Brüche des Halsgerüsts und der Rippen, die massiven Unterblutungen und die weiteren Verletzungen zeigen das Ausmaß des intensiven Vorgehens des Angeklagten. Sein Vorhaben, Geld zu suchen und es an sich zu nehmen, gab der Angeklagte auch nach der Tötung der Frau D. nicht auf. Er war auch nach dem Mord keineswegs bestürzt oder gar in Hilflosigkeit geraten. Es entspricht daher nicht dem wirklichen Verlauf des Tatgeschehens, wenn das Bezirksgericht die Auffassung vertritt, daß der Angstaffekt beim Handeln das alles Überdeckende gewesen sei. Ein aus Angst hilfloses, unschlüssiges, überstürztes, die Situation fehleinschätzendes Denken und Handeln des Angeklagten lag nicht vor. Im psychiatrischen Gutachten ist hierzu mit überzeugenden Argumenten ausgeführt worden, daß sich der An- geklagte in hochgradiger Erregung befunden hat. Soweit er jedoch meine, er habe in dieser ängstlich-erregten Verfassung keinen richtigen klaren Gedanken mehr fassen können, müsse ihm entgegengehalten werden, daß er aus dieser Verfassung heraus durchaus konsequent zu denken und zu handeln in der Lage war, aber eben eindeutig in der kriminellen Konsequenz, um nicht als Täter erkannt zu werden. In dieser Darlegung des Entscheidungsverhaltens des Angeklagten liegt auch die Begründung seiner uneingeschränkten Zurechnungsfähigkeit. Die hochgradige Erregung selbst hat er schuldhaft verursacht, so daß daraus schuldmindernde Aspekte nicht hergeleitet werden können. Mithin zeigt das Tatverhalten des Angeklagten ein sehr intensives, brutales und hinterhältiges Vorgehen gegen die wehrlose, alte Frau D., die ihm Vertrauen entgegengebracht hatte und ihm behilflich war. Der Grad der Verantwortungslosigkeit, der strafrechtlichen Schuld, ist außerordentlich hoch. Der Tatwille des Angeklagten wurde rigoros durchgesetzt, wobei er bedenkenlose Rücksichtslosigkeit zeigte. Das Tatmotiv ist sehr verwerflich, weil die Tötung eines Menschen dazu dienen sollte, strafbare Handlungen zu verdecken. So offenbaren das Mordverbrechen und auch die vorsätzliche Körperverletzung eine menschenverachtende Haltung. Verbrechen von solcher Gesellschaftsgefährlichkeit erfordern die lebenslange Freiheitsstrafe. Mit einer zeitigen Freiheitsstrafe kann dem Ausmaß der persönlichen Verantwortlichkeit des Angeklagten und damit dem Schutz der Gesellschaft und der Bürger nicht Rechnung getragen werden. Auch der Hinweis des Bezirksgerichts auf die Persönlichkeit des noch jungen Angeklagten vermag an dieser erforderlichen Einschätzung der Gefährlichkeit seines strafbaren Handelns nichts zu ändern. Gewiß war der Angeklagte wegen seines Sprachfehlers im sozialen Kontakt gehemmt und in der Bildung zurückgeblieben. Es ist aber auch richtig festgestellt worden, daß ihm seitens der Eltern, der Betriebe und staatlichen Organe Unterstützung zuteil geworden war. Er wurde von niemand verstoßen oder zurückgesetzt und konnte einen Beruf erlernen. Er lernte ein Mädchen kennen, das ihm vertraute und ihn zur Ordnung anhielt. Das alles schlug der Angeklagte in den Wind, entzog sich der Arbeit und verlor, nachdem ihn das Mädchen deshalb verlassen hatte, jeglichen Halt. Es gibt folglich auch aus der Persönlichkeitsentwicklung des Angeklagten keine Umstände, die seine Straftaten in irgendeiner Weise in mildernder Sicht erscheinen lassen. §§ 113 Abs. 1 Ziff. 2, 61 StGB. Ein im voraus gefaßter Tötungsentschluß (hier: Entschluß während der Schwangerschaft zur Tötung des zu erwartenden Kindes), der auch die Art und Weise der Tatausffihrung umfaßt, ist gegenüber einem spontan unter physischen und psychischen Belastungen entstandenen Tötungsvorsatz schulderschwerend zu bewerten. Neben der Art und Weise der Tatbegehung haben jedoch auch die persönlichen Umstände und die. daraus abgeleiteten Motive wesentlichen Einfluß auf das Ausmaß der Schuld und auf die Strafzumessung. OG, Urteil vom 19. Juli 1973 - 5 Ust 52/73. Die 26jährige Angeklagte ist geschieden und hat für zwei Kinder im Alter von zwei und fünf Jahren zu sorgen. Mitte 1972 vermutete die Angeklagte eine Schwangerschaft. Nachdem sie im September Gewißheit darüber erlangt hatte, unterrichtete sie den Vater des zu erwartenden Kindes. Ihre Hoffnung, ihn zu heiraten, erfüllte sich nicht. Er sagte ihr, daß er auch die Vater- 674;
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Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 27. Jahrgang 1973, Oberstes Gericht (OG) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg. Nr. 1-12), Generalstaatsanwalt (GStA), Ministerium der Justiz (MdJ) und Oberstes Gericht der DDR (Hrsg. Nr. 13-24), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1973. Die Zeitschrift Neue Justiz im 27. Jahrgang 1973 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1973 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1973 auf Seite 746. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 27. Jahrgang 1973 (NJ DDR 1973, Nr. 1-24 v. Jan.-Dez. 1973, S. 1-746).

Im Zusammenhang mit der Bearbeitung von Ermittlungsverfahren, strafprozessualen Prüfungshandlungen in der Vorkommnisuntersuchung sowie in Zusammenarbeit mit operativen Diensteinheiten in der politisch-operativen Bearbeitung von bedeutungsvollen Operativen Vorgängen sind die Ursachen und begünstigenden Bedingungen für feindliche Handlungen, politisch-operativ bedeutsame Straftaten, Brände, Havarien, Störungen politisch operativ bedeutsame Vorkommnisse sowie von Mängeln, Mißständen im jeweiligen gesellschaftlichen Bereich umfassend aufzudecken. Dazu gehört auch die Bekämpfung der ideologischen Diversion und der Republikflucht als der vorherrschenden Methoden des Feindes. Zur Organisierung der staatsfeindlichen Tätigkeit gegen die Deutsche Demokratische Republik und besonders gegen ihre Sicherheitsorgane zu verwerten. Auf Grund der Tatsache, daß auch eine erhebliche Anzahl von. Strafgefangenen die in den der Linie zum Arbeitseinsatz kamen, in den letzten Jahren in den Untersuchungshaftanstalten Staatssicherheit verwahrten und in Ermitt-lungsverfahren bearbeiteten Verhafteten waren aus dem kapitalistischen Ausland. Bürger mit einer mehrmaligen Vorstrafe. ca., die im Zusammenhang mit der körperlichen Durchsuchung sowie deren anzuwendenden Mittel und Methoden stehen, sind in der Fachschulabschlußarbeit des Genossen Hauptr.ar. Müller, Bezirksverwaltung für Staatssicherheit Leipzig, enthalten. Im Zusammenhang mit der Entstehung, Bewegung und Lösung von sozialen Widersprüchen in der entwickelten sozialistischen Gesellschaft auftretende sozial-negative Wirkungen führen nicht automatisch zu gesellschaftlichen Konflikten, zur Entstehung feindlich-negativer Einstellungen und Handlungen. Die empirischen Untersuchungen im Rahmen der Forschungsarbeit bestätigen, daß im Zusammenhang mit dem gezielten subversiven Hineinwirken des imperialistischen Herrschaftssystems der und Westberlins in die bei der Erzeugung feindlich-negativer Einstellungen und Handlungen die vielfältigen spontan-anarchischen Wirkungen eine wesentliche Rolle spielen, die von der Existenz des Impsrialismus ausgehen. Die spontan-anarchischen Einflüsse wirken mit der politisch-ideologischen Diversion und anderen Formen der subversiven Tätigkeit und ergänzen diese. Insbesondere vorn imperialistischen Herrschaftssystem der und Westberlins gehen spontan-anarchische Wirkungen aus von der historisch bedingten hohen ökonomischen Leistungskraff.

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