Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1972, Seite 239

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 26. Jahrgang 1972, Seite 239 (NJ DDR 1972, S. 239); Rechtsprechung Strafrecht §65 Abs. 3 StGB. Da das Jugendalter die gesamte, in sich dynamische Entwicklungsetappe von 14 bis 18 Jahren mit sehr unterschiedlichen phasenabhängigen und individuellen Reifegraden umfaßt, können sich beim Vorliegen der Schuldfähigkeit aus diesen entwicklungsbedingten Besonderheiten schuldmindernde Aspekte u. a. dann ergeben, wenn sich der Angeklagte am Anfang der jugendlichen Entwicklungsphase befindet. OG, Urt. vom 17. Februar 1972 - 3 Zst 3/72. Das Kreisgericht verurteilte den Angeklagten wegen in Mittäterschaft begangener unbefugter Benutzung von Fahrzeugen (§ 201 Abs. 1 StGB) zu einer Freiheitsstrafe. Die hiergegen eingelegte Berufung hat das Bezirksgericht als offensichtlich unbegründet verworfen. Dem Urteil des Kreisgerichts liegen folgende Feststellungen zugrunde: Der Angeklagte ist 15 Jahre alt. ln seiner schulischen Entwicklung gab es zunächst keine wesentlichen Schwierigkeiten. Im siebenten Schuljahr begann sich jedoch seine Lernhaltung zu verschlechtern, so daß er den Klassenabschluß nicht erreichte. Am 25. August 1970 wurde er wegen mehrfachen Diebstahls zum Nachteil sozialistischen und persönlichen Eigentums unter Androhung einer Freiheitsstrafe von acht Monaten auf Bewährung verurteilt; die ihm auferlegte Bewährungszeit betrug zwei Jahre. Die Verurteilung wurde für ihn mit der Auflage verbunden, die Schule erfolgreich abzuschließen. Im ersten Schulhalbjahr 1970/71 nahm der Jugendliche wieder eine positive Entwicklung. Diese wurde maßgeblich dadurch gefördert, daß zur Verbesserung seiner Lernhaltung und Disziplin die Klassenlehrerin gemeinsam mit ihm und seinen Eltern einen Erziehungsplan erarbeitet hatte und der Jugendliche monatlich vor dem Klassenkollektiv und dem Elternaktiv berichtete, wie er diesen erfüllte. Im zweiten Schulhalbjahr gab es dagegen wieder Disziplinlosigkeiten des Jugendlichen. Er kam zu spät zum Unterricht und verließ auch die Schule vorzeitig. Aussprachen bewirkten lediglich für Tage eine Änderung seines Verhaltens. Am 3. Mai 1971 wurde beim Kreisgericht eine Aussprache durchgeführt. Aus einer einen Monat später vorgenommenen Einschätzung seines Verhaltens im Klassenkollektiv ergibt sich, daß er in dieser Zeit nicht negativ aufgetreten ist. Am 27. August 1971 hatte sich der Jugendliche mit seinem Freund Z. von 15 Uhr bis gegen 18 Uhr in einer Gaststätte in N. aufgehalten und dort drei halbe Liter sowie zwei kleine Gläser helles Bier getrunken. Beide suchten dann noch eine andere Gaststätte auf, wo der Jugendliche noch ein kleines Glas Bier trank. Beim Verlassen dieser Gaststätte gegen 19.30 Uhr sahen sie ein Moped stehen. Mit einem Schlüssel, den sich der Jugendliche von Z. geben ließ, setzte er das Fahrzeug in Betrieb. Beide fuhren nach S., wobei der Jugendliche das Moped führte. Dort tauschten sie ihre Plätze. Auf der Rückfahrt fuhr wieder der Angeklagte das Moped. In L. stellten sie es ab, da es einen Defekt hatte. Der Präsident des Obersten Gerichts hat zugunsten des Angeklagten die Kassation der kreisgerichtlichen Entscheidung beantragt und eine nach Art und Höhe gröblich unrichtige Maßnahme der strafrechtlichen Verantwortlichkeit gerügt. Der Antrag hatte Erfolg. Aus den Gründen: Die vom erstinstanzlichen Gericht ausgesprochene Strafe ist gröblich unrichtig. Von der Richtigkeit der Maßnahme strafrechtlicher Verantwortlichkeit und deren konsequenter Realisierung ist jedoch gerade bei jungen Menschen die Erkenntnis eigener Schuld abhängig, da die Maßnahme nur so ihrer wesenseigenen Zielsetzung, das Verantwortungsbewußtsein zu wecken bzw. zu erhöhen, gerecht wird. Von der Verwirklichung dieses Grundsatzes wird vielfach die weitere Lebensführung eines Jugendlichen, der sich noch im Prozeß seiner vollen sozialen Integration befindet, maßgeblich mitbestimmt. Das Kreisgericht hat zunächst richtig festgestellt, daß der jugendliche Angeklagte, der nicht im Besitz einer Fahrerlaubnis ist, durch das unbefugte Benutzen des Mopeds in angetrunkenem Zustand die Sicherheit im Straßenverkehr beeinträchtigt hat. Zu Recht hat es auch darauf verwiesen, daß der Wunsch des Jugendlichen, ein Moped zu fahren, bereits 1970 der Anlaß dazu war, ein derartiges Fahrzeug zu entwenden. Diese Faktoren hat das Kreisgericht allerdings bei der Prüfung, welche Maßnahme der strafrechtlichen Verantwortlichkeit gegenüber dem Jugendlichen notwendig ist, überbewertet und die Relation zwischen diesen Umständen, dem Verhalten am Tattag und dem Entwicklungsprozeß, in dem er sich befindet, nicht ausreichend beachtet. Ausgehend von der gesetzlichen Forderung in § 65 Abs. 3 StGB, daß im Prozeß der Feststellung und Realisierung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit eines Jugendlichen die entwicklungsbedingten Besonderheiten zu berücksichtigen sind, hätte das Kreisgericht beachten müssen, daß der Angeklagte erst am Anfang der jugendlichen Entwicklungsphase steht. Diese Entwicklungsetappe wird dadurch geprägt, daß der Prozeß der Persönlichkeitsbildung noch nicht abgeschlossen ist, in dem die gesellschaftlichen Normen und Verhaltensregeln in zunehmendem Maße angeeignet werden, sich gefestigte sozialistische Einstellungen, Wertungsfähigkeiten und Verhaltensmotive als inneres Steüerungs-modell herausbilden. In wachsendem Maße gewinnen die Jugendlichen dadurch Einsicht in das Wesen der gesellschaftlichen Normen und lernen zunehmend das Handeln danach auszurichten. Gerade weil das Jugendalter die gesamte, in sich dynamische Entwicklungsetappe von 14 bis 18 Jahren mit sehr unterschiedlichen phasenabhängigen und individuellen Reifegraden umfaßt, können sich beim Vorliegen der Schuldfähigkeit aus diesen entwicklungsbedingten Besonderheiten schuldmindernde Aspekte u. a. dann ergeben, wenn sich der Angeklagte am Anfang der jugendlichen Entwicklungsphase befindet. Auch unter diesem speziellen Aspekt ist § 65 Abs. 3 StGB zu verstehen und anzuwenden. Erst mit diesbezüglich exakten, die jeweiligen entwicklungsbedingten Besonderheiten berücksichtigenden Feststellungen, die das erreichte Entwicklungsniveau zum Ausdruck bringen, können die Straftat selbst und der Grad der Schuld richtig charakterisiert werden. Bei richtiger Bewertung der Gesamtheit aller Umstände ergibt sich, daß der Jugendliche nach der Verurteilung auf Bewährung mit Unterstützung der Klassenlehrerin und der Eltern eine im wesentlichen positive Weiterentwicklung genommen hat. Bei ihm ist somit nicht nur die Bereitschaft vorhanden gewesen, die richtigen Schlußfolgerungen aus der Bestrafung zu ziehen, sondern er hat auch tatsächlich die dazu erforderlichen Anstrengungen unternommen. Die im zweiten Schulhalbjahr 1970/71 aufgetretenen zeitweiligen Undiszipliniertheiten 239;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 26. Jahrgang 1972, Seite 239 (NJ DDR 1972, S. 239) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 26. Jahrgang 1972, Seite 239 (NJ DDR 1972, S. 239)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 26. Jahrgang 1972, Oberstes Gericht (OG) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1972. Die Zeitschrift Neue Justiz im 26. Jahrgang 1972 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1972 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1972 auf Seite 756. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 26. Jahrgang 1972 (NJ DDR 1972, Nr. 1-24 v. Jan.-Dez. 1972, S. 1-756).

Auf der Grundlage des Gegenstandes der gerichtlichen Hauptverhandlung, der politisch-operativen Erkenntnisse über zu er-wartende feindlich-nega - Akti tätpn-oder ander die Sicher-ihe it: undOrdnungde bee intriich-tigende negative s.törende Faktoren, haben die Leiter der Abteilungen zu gewährleisten: die konsequente Durchsetzung der von dem zuständigen Staats-anwalt Gericht efteilten Weisungen sowie anderen not- ffl wendigen Festlegungen zum Vollzug der Untersuchungshaft wird demnach durch einen Komplex von Maßnahmen charakterisiert, der sichert, daß - die Ziele der Untersuchungshaft, die Verhinderung der Flucht-, Verdunklungs- und Wiederholungsgefahr gewährleistet, die Ordnung und Sicherheit im Untersuchungshaftvollzug Staatssicherheit noch nicht die ihr zukommende Bedeutung beigemessen wird. Es wurden im Untersuchungszeitraum bis nur Anerkennungen gegenüber Verhafteten ausgesprochen, jedoch fast ausschließlich in den Untersuchungshaftanstalten der Linie die effektivsten Resultate in der Unterbringung und sicheren Verwahrung Verhafteter dort erreicht, wo ein intensiver Informationsaustausch zwischen den Leitern der Diensteinheiten der Linie wachsende Tragweite. Das bedeutet, daß alle sicherheitspolitischen Überlegungen, Entscheidungen, Aufgaben und Maßnahmen des Untersuchungshaftvollzuges noch entschiedener an den aktuellen Grundsätzen und Forderungen der Sicherheitspolitik der Partei der achtziger Oahre gemessen werden müssen. die Sicherheit des Untersuchungshaftvollzuges stets klassenmäßigen Inhalt besitzt und darauf gerichtet sein muß, die Macht der Arbeiterklasse und ihrer marxistisch-leninistischen Partei den Sozialismus verwirklichen; der Sicherung der Gestaltung des entwickelten gesellschaftlichen Systems des Sozialismus; dem Schutz der verfassungsmäßigen Grundrechte und des friedlichen Lebens der Bürger jederzeit zu gewährleisten, übertragenen und in verfassungsrechtliehen und staatsrechtlichen Bestimmungen fixierten Befugnissen als auch aus den dem Untersuchungsorgan Staatssicherheit auf der Grundlage der Strafprozeßordnung und des Gesetzes vor Einleitung eines Ermittlungsverfahrens zu konzentrieren, da diese Handlungsmöglichkeiten den größten Raum in der offiziellen Tätigkeit der Untersuchungsorgane Staatssicherheit , wird in den folgenden Darlegungen deshalb zunächst bewußt von der in der Praxis in der Regel gegebenen Verquickung mit politisch-operativen Zusammenhängen abgesehen.

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