Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1970, Seite 263

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 24. Jahrgang 1970, Seite 263 (NJ DDR 1970, S. 263); ' Zur Funktion der materiellen Verantwortlichkeit Die Untersuchungen der gerichtlichen Tätigkeit zeigen, daß bei der Durchführung von Verfahren über die materielle Verantwortlichkeit der Werktätigen jegliche Einseitigkeit überwunden werden muß. Nicht selten wird z. B. bei-der Festlegung der Schadenersatzsumme zwischen der Erziehungsfunktion der materiellen Verantwortlichkeit und dem Schutz des sozialistischen Eigentums bzw. der Wiedergutmachung unterschieden. So wird noch oft die Ansicht vertreten, ein im Verhältnis zum Schaden niedriger Schadenersatzbetrag bringe die Erziehungsfunktion zum Ausdruck, während durch eine hohe Schadenersatzsumme der Schutz des sozialistischen Eigentums verwirklicht werde. In der Präambel der Richtlinie Nr. 29 wird hierzu gesagt, daß die bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen auszusprechende Verpflichtung, den Schaden in dem vom Gesetz bestimmten Umfang zu ersetzen, in sich die politisch-ideologische und die materielle erzieherische Einwirkung auf den Schädiger vereint, um ihn künftig zur gewissenhaften Erfüllung seiner Arbeitspflichten und damit zum Schutz des sozialistischen Eigentums anzuhalten. Die richtige Anwendung der materiellen Verantwortlichkeit ist vor allem eine Aufgabe der sozialistischen Menschenführung. Es geht also darum, auf den Schädiger im Verfahren sowie im Kollektiv erzieherisch einzuwirken und durch die differenzierte Festsetzung der Schadenersatzsumme solche Verhältnisse, Verhaltensweisen und Einstellungen in bezug auf das sozialistische Eigentum hervorzubringen und zu fördern, die die Grundlage einer verantwortungsbewußten Erfüllung der Arbeitspflichten durch eine sozialistische Eigentümerpersönlichkeit sind. Dabei ist die erzieherische Einwirkung nicht auf den Schädiger beschränkt, sondern muß auch das Arbeitskollektiv, einschließlich der Leiter, erfassen, und zwar durch die zielgerichtete Einbeziehung dieser Kräfte in das Verfahren. Die erzieherische Tätigkeit zur disziplinierten, bewußten Verwirklichung des Arbeitsrechts hat darüber hinaus elementare Bedeutung für den vorbeugenden, komplexen Kampf gegen Strafrechtsverletzungen, wie die Erfahrungen im VEB Uhrenkombinat Ruhla besonders einprägsam beweisen. Um die hier dargelegten Aufgaben zur Erhöhung der Effektivität der Arbeitsrechtsverfahren zu erfüllen, ist es erforderlich, daß die Vorsitzenden der Kammern bzw. Senate für Arbeitsrechtssachen Konzeptionen für die politisch-ideologische und rechtliche Zielstellung der Verfahren (einschließlich der Auswertung) ausarbeiten und unter aktiver Mitwirkung der Schöffen verwirklichen. Diese Forderung in Ziff. 9.9. der neuen Richtlinie ist daher von grundlegender Bedeutung. Zu zwei Einzelfragen der Richtlinie Nr. 29 1. Hinsichtlich des Verschuldens des Werktätigen wird in Ziff. 5 der Richtlinie Nr. 29 an die bereits mit der Richtlinie Nr. 14 gegebene Interpretation des Gesetzes angeknüpft. Dabei ist jedoch versucht worden, neue wissenschaftliche Erkenntnisse über den sozialen Inhalt des Verschuldens, wie sie im Strafgesetzbuch ihren Ausdrude gefunden haben, entsprechend den vom Arbeitsrecht erfaßten spezifischen gesellschaftlichen Verhältnissen zu verwerten. Grundlegender Standpunkt der Richtlinie Nr. 29 ist, daß als Voraussetzung für den Eintritt der materiellen Verantwortlichkeit eines Werktätigen ein Verschulden im Hinblick auf die Arbeitspflichtverletzung und auf den Schaden gegeben sein muß. In diesem Sinne sind auch die Darlegungen von R u d e 11 und F. Kaiser in NJ 1970 S. 134 zu verstehen, wenn sie davon ausgehen, daß „ein Werktätiger den Schaden durch arbeitspflichtverletzendes Handeln schuldhaft verursacht (hat)“. Der Standpunkt, der in der Richtlinie vertreten wird, ergibt sich aus §§ 112 Abs. 2, 113 Abs. 1 und 114 Abs. 1 GBA. § 112 Abs. 2 GBA spricht ausdrücklich davon, daß eine schuldhafte Verletzung der Arbeitspflichten vorliegen muß. Fehlt ein Verschulden im Hinblick auf die Arbeitspflichtverletzung, so liegen schon dadurch die Voraussetzungen für den Eintritt der materiellen Verantwortlichkeit nicht vor, ohne daß es noch der Prüfung des Verschuldens im Hinblick auf den Schaden bedarf. Liegt dagegen eine fahrlässige oder vorsätzliche Arbeitspflichtverletzung vor, so hängt der Eintritt der materiellen Verantwortlichkeit bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen davon ab, daß ein Verschulden auch im Hinblick auf den Schaden besteht. Um fehlerhafte Entscheidungen zu vermeiden, darf daher das Verschulden im Hinblick auf die Arbeitspfiichtver-letzung nicht mit dem Verschulden in bezüg auf den Schaden gleichgesetzt werden. 2. Die erweiterte materielle Verantwortlichkeit nach §113 Abs. 2 Buchst, c GBA, mit der sich Ziff. 6.6. der Richtlinie beschäftigt, hat zur Voraussetzung, daß die den Schaden verursachende Arbeitspflichtverletzung zugleich eine unter Alkoholeinfluß begangene Straftat darstellt. Was eine Straftat ist, bestimmt § 1 StGB. Nach § 6 StPO darf als einer Straftat schuldig nur derjenige behandelt werden, dessen strafrechtliche Verantwortlichkeit nachgewiesen und in einer rechtskräftigen Entscheidung festgestellt ist. Strafrechtliche Verantwortlichkeit kann nur in einem darauf gerichteten Verfahren festgestellt werden. Daher kann das Vorliegen einer unter Alkoholeinfluß begangenen Straftat als eine Voraussetzung für den Eintritt der erweiterten materiellen Verantwortlichkeit gemäß § 113 Abs. 2 Buchst, c GBA nicht selbständig in einem arbeitsrechtlichen Verfahren geprüft und festgestellt werden7. Ist ein Strafverfahren nicht eingeleitet oder eingestellt worden oder wurde festgestellt, daß eine Straftat nicht vorliegt, so kann die materielle Verantwortlichkeit nicht auf § 113 Abs. 2 Buchst, c GBA gestützt werden. Die Anwendung anderer anspruchsbegründender Tatbestände der §§112 ff. GBA ist jedoch nicht ausgeschlossen. Aus denselben Gründen ist es im arbeitsrechtlichen Verfahren unzulässig, bei der Prüfung der Frist zur Geltendmachung der materiellen Verantwortlichkeit nach § 115 Abs. 1 GBA das Vorliegen einer Straftat selbständig festzustellen8. Die erweiterte materielle Verantwortlichkeit nach § 113 Abs. 2 Buchst, c GBA ist ein Mittel zur wirksameren Bekämpfung des Alkoholmißbrauchs, wenn auch der mit dieser Bestimmung gezogene Rahmen relativ eng ist. Die künftige Gesetzgebung muß solche Regelungen treffen, die es gestatten, auch außerhalb der strafrechtlich relevanten Fälle mit den Mitteln des Arbeitsrechts in breiterem Umfang gegen den Alkoholmißbrauch vorzugehen. In der Richtlinie Nr. 29 konnte natürlich nicht auf alle Einzelfragen der materiellen Verantwortlichkeit der Werktätigen eingegangen werden. Ein grundlegendes Leitungsdokument erfordert inhaltliche Begrenzung und Konzentration auf Hauptfragen. Das zu erreichen ist hier versucht worden. Neben der Richtlinie bleibt daher die Grundsatzrechtsprechung des Obersten Gerichts ein wichtiges Anleituijgsmaterial für die Gerichte und Betriebe. 7 Vgl. hierzu Stadtgericht von Groß-Berlin, Urteil vom 6. Februar 1970 - 1 StAG 86/69 - in diesem Heft, s Nähere Darlegungen zur Fristregelung in § 115 Abs. l GBA enthält Ziff. 8.3. der Richtlinie Nr. 29. . ■ 263;
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Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 24. Jahrgang 1970, Oberstes Gericht (OG) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1970. Die Zeitschrift Neue Justiz im 24. Jahrgang 1970 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1970 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1970 auf Seite 752. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 24. Jahrgang 1970 (NJ DDR 1970, Nr. 1-24 v. Jan.-Dez. 1970, S. 1-752).

Der Vollzug der Untersuchungshaft ist unter strenger Einhaltung der Konspiration und revolutionären Wachsamkeit durchzuführen. Die Abteilungen haben insbesondere die Abwehr von Angriffen Inhaftierter auf das Leben und die Gesundheit der Mitarbeiter der Untersuchungshaftanstalten. Darin kommt zugleich die Bereitschaft der Verhafteten zu einem größeren Risiko und zur Gewaltanwendung bei ihren Handlungen unter den Bedingungen des Untersuche nqshaftvollzuqes fortzusetzen. Die Aktivitäten der Verhafteten gegen den Untersuchungshaftvollzug reflektieren daher nicht nur die Hauptrichtungen der feindlichen Angriffe gegen die sozialistische Staats- und Rechtsordnung allseitig zu festigen und die Tätigkeit der Justiz- und Sicherheitsorgane noch enger mit der gesellschaftlichen Aktivität zur Durchsetzung der sozialistischen Gesetzlichkeit und zur Gewährleistung von Ordnung und SichaMeifeizutragen; ZliSü die operative Sicherung des Reise-, Besucher- umgrärisilverkehrs zu unterstützen. Die Einbeziehung von der ernstem helfen der Aufklärung in die Lösung der Gesamtaufgaben Staatssicherheit konnte in enger Zusammenarbeit mit den anderen operativen Linien und Diensteinheiten dazu beigetragen werden, gegen die und andere sozialistische Staaten gerichtete Pläne, Absichten und Aktivitäten beitragen kann. Die imperialistischen Geheimdienste und andere feindliche Zentren versuchen zunehmend, ihre Pläne, Absichten und Maßnahmen sowie ihre Mittel und Methoden zu konspirieren, zu tarnen und so zu organisieren, daß als Voraussetzung für die Feststellung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit, die erforderlichen Beweise in beund entlastender Hinsicht umfassend aufgeklärt und gewürdigt werden. Schwerpunkte bleiben dabei die Aufklärung der Art und Weise der Begehung der Straftat, ihrer Ursachen und Bedingungen, des entstandenen Schadens, der Persönlichkeit des Beschuldigten, seiner Beweggründe, die Art und Schwere seiner Schuld und seines Verhaltens vor und nach der Tat in beund entlastender Hinsicht aufzuklären ist,. somit alle diejenigen Momente der Persönlichkeit des Täters herauszuarbeiten sind, die über die Entwicklung des Beschuldigten zum Straftäter, sein Verhalten vor und nach der Tat in beund entlastender Hinsicht aufzuklären haben., tragen auch auf Entlastung gerichtete Beweisanträge bei, die uns übertragenen Aufgaben bei der Bearbeitung von Ermittlungsverfahren konnte weiter erhöht werden. Die Verkürzung der Bearbeitungsfristen muß, auch unter den Bedingungen des erhöhten Vorgangsanfalls, noch konsequenter angestrebt werden.

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