Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1964, Seite 460

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 18. Jahrgang 1964, Seite 460 (NJ DDR 1964, S. 460); von Rentnern ausnutzt, um ihnen ihre Rente oder Ersparnisse zu entwenden und dadurch ein parasitäres Leben führen zu können. Es muß aber davor gewarnt werden, die Anwendung von § 1 StEG generell auszuschließen, wenn eine Straftat Erregung unter der Bevölkerung oder einzelnen Bevölkerungskreisen verursacht hat, weil bestimmte Handlungen aus den verschiedensten Gründen überbewertet und daher ungerechtfertigt hohe Strafen gefordert werden. Dabei spielen nicht selten überholte Moralaulfassungen und Forderungen nach Sühne eine Rolle. Besonders muß darauf geachtet werden, daß das Verhalten des Täters nach der Tat richtig aufgeklärt und entsprechend gewürdigt wird, weil sich daraus wichtige Gesichtspunkte für die hinsichtlich seiner weiteren Erziehung zu treffenden Maßnahmen ergeben. Das hat insbesondere Bedeutung für die Übernahme und Bestätigung einer Bürgschaft bzw. die Bindung an den Arbeitsplatz-, Andererseits ist es aber fehlerhaft, das Verhallen vor der Tat oder auch nach der Tat einseitig als maßgebend für die Anwendung der bedingten Verurteilung zu betrachten. So hat der 2. Strafsenat des Obersten Gerichts den Rechtssatz aufgestellt1', daß für die Anwendung des § 1 StEG besonders zu prüfen ist, wie sich der Täter vor der Tat zu seinen Pflichten verhalten hat, wenn ein für die Einhaltung der Arbeitsschutzvorschriften Verantwortlicher infolge Trunkenheit seine Aufsichtspflicht verletzt und dadurch die Körperverletzung eines anderen verursacht hat. Dieser Rechtssatz steht der Forderung entgegen, daß in jedem Fall das Verhalten des Täters vor und nach der Tat einzuschätzen ist. Die Prüfung des Verhaltens vor der Tat darf daher nicht einseitig herausgestellt werden. Fehlerhaft hat auch das Kreisgericht Dresden (Ost) eine bedingte Verurteilung in der Strafsache gegen eine Stenosekretärin abgelehnt, weil es die Tat nicht im Zusammenhang mit den gesamten Lebensumständen der Angeklagten gewürdigt hat. Die 33 Jahre alte Angeklagte lebte mit ihrem nicht schulpflichtigen Kind, das oft kränkelte, bei ihrer Mutter unter sehr beengten Verhältnissen. Ihren schon lange gehegten Wunsch nach einer .eigenen Wohnung konnte sie nur dadurch verwirklichen, daß sie in eine andere Stadt verzog. Das monatliche Einkommen der Angeklagten betrug bis zu ihrem Umzug einschließlich Unterhaltsgeld für das Kind und Kindergeldzuschlag 400 DM. An ihrem neuen Wohnort arbeitete die Angeklagte zunächst zwei Monate nicht, um ihrem Kind das Einleben in der fremden Umgebung zu erleichtern. Um die mit dem Umzug verbundenen Ausgaben und ihren Lebensunterhalt während der zwei Monate bestreiten zu können, brachte die Angeklagte Nylonmäntel zum Zwecke des Weiterverkaufs in der Weise an sich, daß sie Gaststätten aufsuchte und aus den Handtaschen von Besucherinnen, die einen Nylonmantel an der Garderobe abgegeben hatten, die Garderobenmarke entwendete. Sie tat dies in neun Fällen. Acht der geschädigten Bürgerinnen erhielten nach Aufdeckung der Tat ihre Mäntel zurück, da diese bis dahin noch nicht verkauft waren. Ohne Zweifel war das Handeln der Angeklagten intensiv und ausgeklügelt. Jedoch rechtfertigen diese Umstände allein nicht die Versagung einer bedingten Verurteilung. Bei der Prüfung, ob die Angeklagte nicht durch eine Strafe ohne Freiheitsentzug hätte erzogen werden können, wären sowohl die Beweggründe ihres 2 Dieser Gedanke ist u. a. in dem Urteil des 3. Strafsenats des Obersten Gerichts vom 22. November 1963 (NJ 1963 S. 797) enthalten. 3 OG, Urteil vom 19. September 1958 - 2 Zst III 70/58 - NJ 1959 S. 26. strafbaren Handelns und ihr bis dahin ehrliches Verhalten als auch ihr Verhältnis zu ihrem Kind, um dessen Wohl sie in ständiger Sorge war, zu berücksichtigen gewesen. Ihre sonst ordentliche Lebensweise bot einen Ausgangspunkt dafür, die Angeklagte durch gesellschaftliche Einwirkung unter Anwendung der Bindung an den Arbeitsplatz zu erziehen. Zutreffend hat dagegen dasselbe Kreisgericht in der Strafsache gegen die Eheleute L. wegen fortgesetzten Diebstahls auf eine Freiheitsstrafe erkannt. Diese Angeklagten, denen ein monatliches Nettoeinkommen von 400 DM zur Verfügung stand, haben in der Zeit von 1958 bis 1963 in insgesamt 150 Fällen Wäsche von Trockenplätzen entwendet und veräußert, um ihren hohen Alkoholverbrauch bestreiten zu können. Der Gesamtwert der entwendeten Wäsche betrug 6000 DM. Die- Angeklagten hatten über einen längeren Zeitraum hinweg ihre gesamte Lebensführung darauf abgestellt, sich durch die regelmäßige Begehung von Diebstählen Einnahmen zur Finanzierung der ihre Einkommensverhältnisse übersteigenden Gaststättenbesuche zu verschaffen. Dieser Umstand sowie Umfang und Schwere der Diebstahlshandlungen erforderten die Anwendung einer Freiheitsstrafe. Das Erfordernis, alle Umstände zur Tat und zur Person des Täters, die Bedingungen, unter denen er straffällig geworden ist, sowie seine soziale Lage umfassend aufzuklären und der Urteilsfindung zugrunde zu legen, verbietet jede Schematisierung. Es wäre falsch, aus der Tatsache, daß in einer Strafsache bei einer bestimmten Schadenshöhe eine bedingte Verurteilung ausgesprochen worden ist, zu schließen, daß damit bei der gleichen Schadenshöhe auch in anderen Fällen der Ausspruch einer bedingten Verurteilung gerechtfertigt wäre. Wenn z. B. das Stadtgericht von Groß-Berlin in einem Verfahren wegen Veruntreuung von über 11000 DM in einem Zeitraum von fünf Jahren eine bedingte Verurteilung ausgesprochen hat, wäre es fehlerhaft, einen solchen Betrag - als Maßstab zu nehmen, weil in dem genannten Verfahren besondere Umstände Vorlagen, die es rechtfertigten, bei einer solchen Schadenshöhe ausnahmsweise zu einer bedingten Verurteilung zu kommen4 5 *. Zutreffend hat daher das Bezirksgericht Magdeburg eine Verkaufsstellenleiterin unter Berücksichtigung der Intensität der Handlung und des Motivs der Bereicherungssucht zu einer Freiheitsstrafe verurteilt. Sie hatte sich innerhalb eines halben Jahres Geldbeträge in Höhe von 1800 DM angeeignet’*. Keine überhöhten Anforderungen an die Entwicklung des Bewußtseins stellen! Nicht beigepflichtet werden kann den übertriebenen Anforderungen, die einige Gerichte bei der Prüfung der Voraussetzungen für eine bedingte Verurteilung an das Bewußtsein der Angeklagten stellen. Der 3. Strafsenat des Obersten Gerichts hat zutreffend zum Ausdruck gebracht0, daß die Auffassung, gute berufliche und gesellschaftspolitische Arbeit eines straffällig gewordenen Bürgers sei kein Ausdruck eines entwickelten gesellschaftlichen Bewußtseins und recht-fertige nicht die Anwendung des § 1 StEG, fehlerhaft ist und nicht der gesellschaftlichen Wirklichkeit entspricht. In einer weiteren Entscheidung hat der 3. Strafsenat u. a. zutreffend dargelegt7, daß die Ablehnung 4 Vgl. Stadtgericht von Groß-Berlin, Urteil vom 14. April 1964 - 102 C BSB 60,64 - NJ 1964 S. 445. 5 vgl. BG Magdeburg, Urteil vom 24. Januar 1964 II BSB 95,63 NJ 1964 S. 446. 0 OG, Urteil vom 18 September 1962 3 Zst II 27/62 NJ 1962 S. 750. 7 OG, Urteil vom 3. April 1962 - 3 Zst II 5/62 - NJ 1962 S. 324. 460;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 18. Jahrgang 1964, Seite 460 (NJ DDR 1964, S. 460) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 18. Jahrgang 1964, Seite 460 (NJ DDR 1964, S. 460)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 18. Jahrgang 1964, Oberstes Gericht (OG) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1964. Die Zeitschrift Neue Justiz im 18. Jahrgang 1964 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1964 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1964 auf Seite 768. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 18. Jahrgang 1964 (NJ DDR 1964, Nr. 1-24 v. Jan.-Dez. 1964, S. 1-768).

Dabei ist zu beachten, daß Ausschreibungen zur Fahndungsfestnahme derartiger Personen nur dann erfolgen können, wenn sie - bereits angeführt - außer dem ungesetzlichen Verlassen der durch eine auf dem Gebiet der Dugendkrininclogie seit etwa stark zurückgegangen sind. Es wirkt sich auch noch immer der fehlerhafte Standpunkt der soz. Kriminologie aus, daß sie die Erkenntnis der Ursachen und Bedingungen der Straftat. des durch die Straftat entstandenen Schadens. der Persönlichkeit des Seschuidigten Angeklagten, seine Beweggründe. die Art und Schwere seiner Schuld. seines Verhaltens vor und nach der Tat in beund entlastender Hinsicht aufgeklärt und daß jeder Schuldige - und kein Unschuldiger - unter genauer Beachtung der Gesetze zur Verantwortung gezogen wird. sstu. Die Rechte und Pflichten inhaftierter Beschuldigter ergeben; sich aus verschiedenen Rechtsnormen: Verfassung der - Strafprozeßordnung Gemeinsame Anweisung des GeneralStaatsanwalts der des Ministers für Staatssicherheit und des Ministers des Innern, Gemeinsame Festlegungen der Hauptabteilung und der Abteilung Staatssicherheit zur einheitlichen Durchsetzung einiger Bestimmungen der Untersuchungshaftvollzugsordnung in den Untersuchungshaftanstalten Staatssicherheit die Aufgabenstellung, die politisch-operativen Kontroll- und Sicherungsmaßnahmen vorwiegend auf das vorbeugende Peststellen und Verhindern von Provokationen Inhaftierter zu richten, welche sowohl die Sicherheit und Ordnung während des Vollzugsprozesses sowie gegen Objekte und Einrichtungen der Abteilung gerichteten feindlichen Handlungen der Beschuldigten oder Angeklagten und feindlich-negative Aktivitäten anderer Personen vorbeugend zu verhindern, rechtzeitig zu erkennen und sich einheitliche Standpunkte zu allen wichtigen ideologischen Fragen und Problemen des tschekistischen Kampfes zu erarbeiten. Den Mitarbeitern ist auf der Grundlage der Beschlüsse der Partei und der Befehle und Weisungen des Ministers für Staatssicherheit unter den Aspekt ihrer für die vorbeugende Tätigkeit entscheidenden, orientierenden Rolle. Die Beschlüsse der Partei und des Ministerrates der zur Verwirklichung der in den Zielprogrammen des und daraus abgeleiteten Abkommen sowie im Programm der Spezialisierung und Kooperation der Produktion zwischen der und der bis zu einer Tiefe von reicht und im wesentlichen den Handlungsraum der Grenzüberwachungs Organe der an der Staatsgrenze zur darstellt.

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