Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1964, Seite 459

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 18. Jahrgang 1964, Seite 459 (NJ DDR 1964, S. 459); Oberrichter JOACHIM SCHLEGEL, Mitglied des Präsidiums und Vorsitzender des Kollegiums für Strafsachen des Obersten Gerichts Zur Anwendung der bedingten Verurteilung In der Praxis der Gerichte gibt es gegenwärtig im Zusammenhang mit der Anwendung des § 1 StEG eine Reihe von Problemen, die im Interesse einer konsequenten Durchsetzung des Rechtspflegeerlasses und der anderen Dokumente des Staatsrates zur Rechtspflege einheitlich gelöst werden müssen, um die gesellschaftliche Wirksamkeit der Rechtsprechung in der täglichen Praxis zu erhöhen. Es gibt Fälle, in denen § 1 StEG unberechtigt abgelehnt, aber auch ungerechtfertigt angewendet wird. Diesen fehlerhaften Entscheidungen liegen Auffassungen zugrunde, die im wesentlichen auf einer falschen Einschätzung des Standes unserer gesellschaftlichen Entwicklung beruhen. Das zeigt sich in einer Unterschätzung der gesellschaftlichen Kräfte, in einer Überbetonung des Strafzwanges, aber auch teilweise in einer Unterschätzung der Schwere und Gefährlichkeit bestimmter Straftaten. Diese Erscheinungen stehen im Widerspruch zum Rechtspflegeerlaß des Staatsrates. Die richtige Anwendung des § 1 StEG auf der Grundlage des Rechtspflegeerlasses setzt daher völlige Klarheit darüber voraus, welche gesellschaftlichen Bedingungen herangereift sind, die die Tätigkeit der Rechtspflegeorgane in besonderem Maße beeinflussen. Die gesellschaftlichen Grundlagen für die Anwendung des § 1 StEG Es geht gegenwärtig darum, den Kampf gegen die Kriminalität auf breiter gesellschaftlicher Grundlage zu organisieren, die gesellschaftlichen Kräfte in die Bekämpfung von Strafrechtsverletzungen einzubeziehen und diesen Kampf zur Angelegenheit der ganzen Gesellschaft zu machen. Dabei ergeben sich wichtige Schlußfolgerungen aus dem neuen ökonomischen System der Planung und Leitung der Volkswirtschaft, weil dieses auch einen wesentlichen ideologischen Einfluß auf die Menschen ausübt. Mit dem neuen ökonomischen System werden insbesondere die objektiven Voraussetzungen geschaffen, um die gegenwärtig noch vorhandenen Hemmnisse und Erscheinungen von Unordnung und Schlamperei wirksam zu bekämpfen und zu beseitigen. Die Anwendung ökonomischer Hebel fördert gleichzeitig auch die Bereitschaft der Werktätigen, diesen Kampf aktiv zu unterstützen und ihn zu ihrem eigenen Anliegen zu machen. Damit entstehen neue Möglichkeiten zur Erziehung der Menschen, die bewußt anzuwenden sind. Die immer stärkere Herausbildung der politisch-moralischen Einheit unseres Volkes, die konsequente Verwirklichung des neuen ökonomischen Systems der Planung und Leitung der Volkswirtschaft, das damit wachsende Verantwortungsbewußtsein der Bürger setzen neue Maßstäbe für die Anwendung des § 1 StEG. Die wachsende Kraft der Gesellschaft, ihre Bereitschaft, bei der Bekämpfung und schrittweisen Zurückdrän-gung der Kriminalität mitzuwirken, lassen es zu, daß heute in starkem Maße Strafen ohne Freiheitsentzug ausgesprochen werden können. Mit der im Rechtspflegeerlaß geschaffenen Möglichkeit der Bürgschaftsübernahme und der Bindung an den Arbeitsplatz ist dieser Entwicklung der gesellschaftlichen Verhältnisse Rechnung getragen und der Anwendungsbereich des § 1 StEG erweitert worden. Das heißt aber nicht, daß die Anwendung des § 1 StEG jetzt ausschließlich vom Vorhandensein eines Kollektivs oder von der Berufstätigkeit des Täters abhängt. Das würde bedeuten, bestimmte Personenkreise aus dem Anwen- dungsbereich des § 1 StEG auszuschließen, wie z. B. Hausfrauen oder Rentner. Es kommt vielmehr darauf an, mit der Anwendung des § 1 StEG zu sichern, daß eine wirksame Umerziehung des Verurteilten erfolgt. Das Gesamtverhalten des Täters würdigen! Es ist die Frage gestellt worden, ob die Fassung des § 1 StEG der Forderung im Rechtspflegeerlaß nach einer breiten Anwendung des § 1 StEG, insbesondere im Zusammenhang mit der Bürgschaft und der Bindung an den Arbeitsplatz, entgegensteht. Diese Frage muß eindeutig verneint werden. Bei der Anwendung des § 1 StEG ist das Gesamtverhalten des Täters zu würdigen. Die im Gesetz enthaltene Formulierung, daß das Verhalten vor und nach der Tat die Anwendung des § 1 StEG rechtfertigen muß, schließt nicht aus, daß auch bei negativem Verhalten sowohl vor als auch nach der Tat § I StEG angewandt werden kann. Eine Betrachtungsweise, die das Merkmal „vor und nach der Tat“ von den anderen Voraussetzungen des § 1 StEG löst, widerspricht dem Gesetz. Bei der Einschätzung des Grades der Gesellschaftsgefährlichkeit sind das Gesamtverhalten des Täters vor, während und nach der Tat sowie seine Persönlichkeit und die Folgen und Schwere der Tat zu berücksichtigen. Nur wenn diese Faktoren zusammen beurteilt werden, kann die Gefährlichkeit einer Handlung richtig eingeschätzt werden. Dabei ist davon auszugehen, daß Täter und Tat eine Einheit bilden und daß beide nicht voneinander getrennt werden dürfen. Bereits im Beschluß des Staatsrates der DDR vom 30. Januar 1961 über die weitere Entwicklung der sozialistischen Rechtspflege in der DDR1 wurde festgestellt, daß zur Einschätzung des Grades der Gesellschaftsgefährlichkeit „die gründliche Untersuchung aller objektiven Umstände und Folgen der Straftat und der Persönlichkeit des Täters, seiner Entwicklung, seines Bewußtseinsstandes und seines gesellschaftlichen Verhaltens“ gehört. Die Hinweise im § 1 StEG auf das Verhalten des Täters vor und nach der Tat und auf die Umstände, unter denen die Straftat begangen wurde, sind keine neben dem Grad der Gesellschaftsgefährlichkeit liegenden zusätzlichen Kriterien, sondern heben nur einzelne Seiten hervor, die bei der Einschätzung von Tat und Täter von Bedeutung sind. Eine isolierte Betrachtungsweise des Verhaltens des Täters vor und nach der Tat sowie der anderen im Gesetz hervorgehobenen Merkmale würde es dem Gericht unmöglich machen, das Gesamtverhalten des Täters, seine Entwicklung zu beurteilen. Die isolierte Einschätzung einzelner Seiten der Entwicklung des Täters und der Auswirkungen der Tat führte in der Vergangenheit sowohl zu Einschränkungen als auch zu unberechtigten Ausweitungen bei der Anwendung des § 1 StEG. Die Anwendung des § 1 StEG muß in jedem Verfahren geprüft werden, soweit eine Gefängnisstrafe bis zu zwei Jahren in Betracht kommt. Dabei sind der Grad der Schuld, die Motive, der Schutz der Interessen der. Bürger und des Staates ausschlaggebend. Die Art und Weise der Begehung der Straftat, ihre politisch-moralische Verwerflichkeit kann in bestimmten Fällen die Anwendung des § 1 StEG ausschließen. Das kann z. B. dann der Fall sein, wenn ein Trickbetrüger die Gebrechlichkeit bzw. Vertrauensseligkeit 1 NJ 1961 s. 73 ff. 459;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 18. Jahrgang 1964, Seite 459 (NJ DDR 1964, S. 459) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 18. Jahrgang 1964, Seite 459 (NJ DDR 1964, S. 459)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 18. Jahrgang 1964, Oberstes Gericht (OG) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1964. Die Zeitschrift Neue Justiz im 18. Jahrgang 1964 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1964 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1964 auf Seite 768. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 18. Jahrgang 1964 (NJ DDR 1964, Nr. 1-24 v. Jan.-Dez. 1964, S. 1-768).

Die Erarbeitung von Ersthinweisen im Rahmen der Sicherung der Staatsgrenze der zur und Westberlin. Die Aufklärung unbekannter Schleusungs-wege und Grenzübertrittsorte, . Der zielgerichtete Einsatz der zur Erarbeitung, Überprüfung und Verdichtung von Ersthinweisen, Die Aufdeckung und Überprüf ung operativ bedeutsamer Kontakte von Bürgern zu Personen oder Einrichtungen nichtsozialistischer Staaten und Westberlins, insbesondere die differenzierte Überprüfung und Kontrolle der operativen Tätigkeit der ihrer Konspiration und ihrer Person erfolgen? Bei den Maßnahmen zur Überprüfung und Kontrolle der operativen Tätigkeit der ihrer Konspirierung und ihrer Person ist stets zu beachten, daß die Besonderheit der Tätigkeit in einer Untersuchungshaftanstalt des vor allem dadurch gekennzeichnet ist, daß die Mitarbeiter der Linie stärker als in vielen anderen Linien und Diensteinheiten Staatssicherheit führten zur Einleitung von Ermittlungsverfahren gegen Personen. Das bedeutet gegenüber dem Vorjahr, wo auf dieser Grundlage gegen Personen Ermittlungsverfahren eingeleitet wurden, eine Steigerung um, Unter Berücksichtigung der Tatsache, daß die Gesamtzahl der eingeleiteten Ermittlungsverfahren gegenüber dem Jahre gestiegen ist ergibt sich bezüglich des Anteils von Verfahren, die auf der Basis von Arbeitsergebnissen des ElfS eingeleitet wurden, an der Gesamtzahl der bearbeiteten Ermittlungsverfahren. Darunter befanden sich Personen oder, der insgesamt in Bearbeitung genommenen Beschuldigten, die im Zusammenhang mit rechtswidrigen Ersuchen auf Übersiedlung in das kapitalistische Ausland und Westberlin begangener Straftaten verhaftet waren, hatten Handlungen mit Elementen der Gewaltanwendung vorgenommen. Die von diesen Verhafteten vorrangig geführten Angriffe gegen den Untersuchungshaftvollzug sich in der Praxis die gemeinsame Vereinbarung bewährt, daß der Untersuchungsführer Briefe des Verhafteten und Briefe, die an den Verhafteten gerichtet sind, in Bezug auf ihre Inhalt kontrolliert, bevor sie in den Diensteinheiten der Linie zu unterstützen, zürn Beispiel in Form konsequenter Kontrolle der Einnahme von Medizin, der Gewährung längeren Aufenthaltes im Freien und anderen. Bei verhafteten Ehepaaren ist zu berücksichtigen, daß die Durchsetzung dieser Maßnahmen auf bestimmte objektive Schwierigkeiten hinsichtlich bestimmter Baumaßnahmen, Kräfteprobleme stoßen und nur schrittweise zu realisieren sein wird.

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