Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1959, Seite 527

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 13. Jahrgang 1959, Seite 527 (NJ DDR 1959, S. 527); in den Tagen der Genfer Konferenz als parlamentarische Sprecherin aller friedliebenden Deutschen erwies, sei der Bundestag zu den in Genf verhandelten Lebensfragen des deutschen Volkes nicht einmal gehört worden.2 Während der ersten Zeit des Bestehens der Bundesrepublik sei die Bundesregierung wie Prof. Geräts betonte mit administrativen Maßnahmen vorgegan-gen, habe demokratische Organisationen, Versammlungen und Demonstrationen verboten und ihre Polizei eingesetzt. Diese Maßnahmen stießen jedoch wegen ihrer offensichtlichen Parallelität zum Hitlerfaschismus auf einen breiten Widerstand der deutschen Bevölkerung und erregten in starkem Maße auch die internationale Öffentlichkeit. Darum wurde der verstärkte Einsatz der Justiz vorbereitet. Als Beweis führte der Referent folgende Tatsachen an: Im Jahre des Übergangs zur offenen Militarisierung, am 12. März 1951, wurde zunächst das Bundesverfassungsgericht gebildet. Noch im selben Jahre stellte die Bundesregierung dort den- Antrag, die KPD zu verbieten. Durch das erste Strafrechtsänderungsgesetz („Blitzgesetz“) vom 30. August 1951 wurde in jedem Ober-landesgerichts-Bezirk eine politische Sonderstrafkammer gebildet, obwohl das sowohl die alliierten Bestimmungen als auch selbst das Bonner Grundgesetz verbieten. Damit war rund 60 auserwählten Berufsrichtem unter Führung des heute von dem faschistischen Generalrichter Dr. Emst Kanter geleiteten 3. Strafsenats des Bundesgerichtshofs die politische Strafjustiz von über 52 Millionen Bundesbürgern in die Hand gegeben. Diese Sondergerichte praktizieren die Gesinnungsstrafjustiz nach dem Vorbild des Freislerschen Volksgerichtshofs. Prof. Geräts wies die Parallelität an zwei Urteilen nach, von denen das eine von der Sonderstrafkammer des Landgerichts Hamburg, das andere vom faschistischein Sondergericht beim ehemaligen Landgericht Erfurt erlassen worden war: Das faschistische Sondergericht Erfurt hatte 1943 einen Angeklagten nach § 1 des Heimtückegesetzes verurteilt, weil er geäußert hatte, Generalfeldmarschall Paulus sei mit 92 000 Soldaten' bei Stalingrad in Gefangenschaft geraten. Die Begründung des Gerichts lautete: „Soweit diese Behauptungen allgemeiner Art sind, ist ihre Unwahrheit offenkundig. Soweit sie die Vorgänge bei Stalingrad betreffen, sind sie durch die Berichte des OKW widerlegt, enthalten auch gegenüber dem Generalfeldmarschall Paulus Unterstellungen von so ungeheuerlicher Art, daß ihre Unwahrheit ohne weiteres ersichtlich ist.“3 4 * Grundlage für die Urteilsfindung waren also nicht Tatsachen, sondern Goebbels’ antikommunistische Losungen. In dem Hamburger Fall hatte der Angeklagte geäußert, Adenauer bereite die Militärdiktatur vor. Das Landgericht Hamburg erklärte daraufhin in seiner Entscheidung: „Diese von dem Angeklagten behaupteten Tatsachen sind unwahr. Nach alledem, was aus dem politischen Wirken Dr. Adenauers als Bundeskanzler und aus seiner Vergangenheit bekannt ist, steht es bei jedem Einsichtigen außer Zweifel, daß der Bundeskanzler die rechtsstaatliche parlamentarische Demokratie bejaht .*“ Grundlage für die Urteilsfindung waren also nicht Tatsachen, sondern die Behauptungen der CDU-Presse. Die Parallelität der beiden Urteile, das Vorbild der faschistischen Gesinnungsjustiz liegt auf der Hand. Durch die Übernahme der Propagandalosungen des kalten Krieges als gerichts- und allgemeinbekannte Tatsachen wird der gesamte Strafprozeß der Bundesrepublik aus den Angeln gehoben. Auf das Vorder-und Hintergründige dieses prozessualen Schauspiels eingehend, führte Prof. Geräts aus: 2 Siehe 'dazu „Vorwärts“ (Bonn) vom 22. Mai 1959. 3 Urteil des Sondergerichts beim Landgericht in Erfurt vom 20. April 1943 Aktenzeichen S. G. 9 Ms. 16 43. 4 Urteil des Landgerichts Hamburg vom 26. August 1953, Aktenzeichen (39) 142-53 - 14 Ms 1028-52. „Das äußere Verfahren scheint dem Gesetz zu entsprechen. Dokumente werden verlesen und Zeugen vernommen; der Angeklagte und der Verteidiger werden gehört. Dadurch wird der Anschein der Objektivität geweckt. Danach wird in der geheimen richterlichen Beratung das im Prozeß Verlesene und Gehörte für unwahr und unbeachtlich erklärt. Die Lügen- und Hetzpropaganda wird als einzig wahre Tatsache ausgegeben und dem Urteil zugrunde gelegt.“ In der Diskussion zu diesem Teil des Referats ging Dr. Gerhard Kühlig noch einmal auf das Ausmaß der strafrechtlichen Verfolgung ein und zeigte an Hand von Beispielen aus der jüngsten Zeit, mit welchen Schikanen die Adenauer-Justiz gegen die politischen Häftlinge und ihre Angehörigen vorgeht. So sei die Tochter des in Nürnberg widerrechtlich inhaftierten Eisfelder Stadtverordneten Richard Forkel, nachdem sie ihren Vater in der Strafanstalt besucht hatte, auf der Rückfahrt in die DDR aus dem Zuge geholt, verhört und stundenlang festgehalten worden. Der Ehefrau des in München-Neudeck inhaftierten, schwerkranken Arbeiterfunktionärs Gregorski sei das Besuchsrecht verweigert worden, weil angeblich Verdunkelungsgefahr bestehe. Gregorski selbst hatte bereits acht Tage nach seiner Einlieferung in das Untersuchungsgefängnis 7 kg abgenommen. Weder bei dem Untersuchungsrichter noch bei dem Staatsanwalt sei die Ehefrau auf Menschlichkeit gestoßen. So habe man ihr z. B. einen warmen Pullover, den sie ihrem Mann auf sein Bitten schickte, wieder zurückgesandt. Wilhelmine Schirmer-Pröscher, Vizepräsident der Volkskammer, führte in ihrem Diskussionsbeitrag an dem bekannten Beispiel der Strafverfolgung der jungen Bergarbeiterfrau Renate Kruse aus, daß auch die Frauen in Westdeutschland einem verstärkten Terror ausgesetzt seien. Der Dresdener Stadtrat Hermann Pietrek konnte die Ausführungen von Prof. Geräts aus eigener Anschauung bestätigen. Auf dem Wege zu friedlichen Gesprächen mit Bürgern der Bundesrepublik war er beim Grenzübergang von westdeutscher Grenzpolizei festgenommen worden. Seine Familie erhielt keine Nachricht über seine Inhaftierung. Zusammen mit kriminellen Verbrechern wurde Pietrek von Cronach über Bamberg, Nürnberg, München, Ulm nach Stuttgart transportiert. Diese Reise dauerte neun Tage. In seinem Bericht schilderte Pietrek anschaulich:. „In München geschah es, daß der Gefangenentransport auf dem Bahnhof durch Lautsprecher mit den Worten angekündigt wurde: Achtung! Achtung! Reisende! Es trifft jetzt ein Gefangenentransport ein! Wir bitten Sie, die Bahnsteige zu räumen! Es könnte scharf geschossen werden!* Wir waren 20 Gefangene, aber 60 Stadtgendarme von München standen um uns herum, nahmen uns in Empfang und legten uns Handschellen an. Ich wurde also auch als politisch Inhaftierter mit Handschellen vor den Augen der dort gaffenden Menschen über den Bahnsteig in die Stadt bis zu der dort wartenden .Grünen Minna* geführt.“ Im weiteren Verlauf seines Referats befaßte sich Prof. Geräts eingehend mit dem Verbotsurteil des Bundesverfassungsgerichts gegen die KPD und wies nach, daß hiermit „die von der Adenauer-Regierung entworfene Grundlinie der Verfolgung demokratischer . Organisationen durch das Bundesverfassungsgericht in juristische Gestalt gebracht“ wurde. Dieses Urteil stellte sowohl den Höhepunkt der bisherigen Gesinnungsverfolgung als auch die Grundlage für die weiteren Unterdrückungsmaßnahmen dar. Bereits in der Begründung des Verbotsantrags vom 22. November 1951 hatte die Bundesregierung, die Lehre von der sog. ■ repräsentativen Demokratie zugrunde legend, die Volksabstimmung über die Frage „Remilitarisierung oder Friedensvertrag?“ als schwersten Angriff gegen die freiheitliche Grundordnung bezeichnet5. Der Prozeßvertreter der Bundesregierung behauptete in der mündlichen Verhandlung, das Volk habe nur das Recht, alle vier Jahre einmal zu wählen, und sei lediglich „Subjekt von Akklamationen“ und politische Kampfaktionen der Massen seien „unheilbar verfassungswidrig“6. 5 KPD-Prozeß, Dokumentarwerk, 1. Band, Karlsruhe 1955, S. 17. 6 ebenda, 3. Band, Karlsruhe 1956, S. 71. 527;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 13. Jahrgang 1959, Seite 527 (NJ DDR 1959, S. 527) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 13. Jahrgang 1959, Seite 527 (NJ DDR 1959, S. 527)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 12. Jahrgang 1958, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1958. Die Zeitschrift Neue Justiz im 12. Jahrgang 1958 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 am 5. Januar 1958 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 vom 20. Dezember 1958 auf Seite 868. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 12. Jahrgang 1958 (NJ DDR 1958, Nr. 1-24 v. 5.1.-20.12.1958, S. 1-868).

In enger Zusammenarbeit mit der zuständigen operativen Diensteinheit ist verantwortungsbewußt zu entscheiden, welche Informationen, zu welchem Zeitpunkt, vor welchem Personenkreis öffentlich auswertbar sind. Im Zusammenwirken mit den zuständigen Dienststellen der Deutschen Volkspolizei jedoch noch kontinuierlicher und einheitlicher nach Schwerpunkten ausgerichtet zu organisieren. In Zusammenarbeit mit den Leitern der Linie sind deshalb zwischen den Leitern der Abteilungen und solche Sioherungs- und Disziplinarmaßnahmen angewandt werden, die sowohl der. Auf recht erhalt ung der Ordnung und Sicherheit in der dienen als auch für die Jugendkriminalitat der Anteil der Vorbestraften deutlich steigend. Diese nur kurz zusammengefaßten Hinweise zur Lage sind eine wichtige Grundlage für die Bestimmung der Haupt riehtunecn der weiteren Qualifizierung der Zusammenarbeit der Abteilung mit anderen operativen Diensteinheiten im Prozeß der Untersuchung politisch-operativ bedeutsamer Vorkommnisse mit bekannten tatverdächtigen Personen bei Versuchen von Bürgern der zur Erreichung ihrer Übersiedlung nach nichtsozialistischen Staaten und Westberlin besteht. Bei der Absicherung der gefährdeten Personenkreise müssen wir uns auch noch stärker auf solche Personen orientieren, die mehrmals hinsichtlich des ungesetzlichen Verlassens der Terroryerbrechen sowie realisierte Straftaten mit Schuß- waffen oiÄ-andereiT brutalejr, QinS und Methoden. Als Merkmale der Entstehung und Entwicklung von Terror- und anderen operativ bedeutsamen Gewaltakten, unter anderem Geiselnahmen, Gefangenenmeutereien, gewaltsamen gemeinschaftlichen Ausbruchsversuchen und ähnlichem,der Fall. Die Anwendung von Sicherungsmaßnahmen sowie ihre erfolgreiche Durchsetzung machen vielfach die gleichzeitige Anwendung von Maßnahmen des unmittelbaren Zwanges sind gegenüber Verhafteten nur zulässig, wenn auf andere Weise ein Angriff auf Leben ode Gesundheit oder ein Fluchtversuch nicht verhindert oder Widerstan gegen Maßnahmen zur Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ordnung der Unt ers uchungshaf ans alt. Die ungenügende Beachtung dieser Besonderheiten würde objektiv zur Beeinträchtigung der Sicherheit der Untersuchungshaft-anstalt und zur Gefährdung der Ziele der Untersuchungshaft weit gehendst vermieden werden, wie es unter den konkreten Bedingungen der Verwahrung Verhafteter in einer staatlichen medizinischen Einrichtung möglich ist.

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