Neue Justiz 1954, Seite 15

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 8. Jahrgang 1954, Seite 15 (NJ DDR 1954, S. 15); freien Konkurrenz bedeute einen Kampf widerstreitender gleichberechtigter Interessen, die einander gegenseitig Abbruch zu tun suchen. Soweit bei diesem Kampfe nicht direkt unerlaubte oder illoyale Mittel angewandt werden, könne prinzipiell von einer Ersatzpflicht nicht die Rede sein. Das gelte in gleichem Maße von dem wirtschaftlichen Lohn- und Klassenkampfe zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern.“ Man könne daher nicht „den Arbeitgeber ersatzpflichtig machen, wenn er in einem bestehenden Lohnkampf zur Wahrung seiner wirtschaftlichen Interessen und derjenigen seiner Berufsgenossen, die mit den seinigen in diesem Falle solidarisch seien, den ihm gegenüberstehenden Arbeitern durch Entziehung oder Erschwerung der Arbeitsgelegenheit Schaden zufüge“ (S. 381 f.). Daß die westdeutsche Literatur heute keinen anderen Standpunkt vertreten kann, ist selbstverständlich27). Das RG hatte also nur dem Kapitalisten ein subjektives Recht an seiner Erwerbsquelle konstruiert, wobei es dieses Recht aber im Interesse der Monopole von vornherein durchlöcherte. Demgegenüber versagte es dem Arbeiter einen jeden Schutz auf die für ihn existenznotwendige Verwertung seiner Arbeitskraft. Ergänzend mag noch die Stellung dieses Gerichts zu den freien Berufen erwähnt sein. In einer Entscheidung28) stellte es fest, daß die ärztliche Tätigkeit nur dann einen Schutz durch § 823 Abs. 1 BGB erfahre, wenn mit ihr eine Privatkrankenanstalt verbunden sei. Das heißt nichts anderes, als daß ein Schutz nur anerkannt wurde, wenn der Arzt kapitalistischer Unternehmer war; im übrigen wurde er bezüglich des Schutzes nicht anders behandelt wie der Lohnarbeiter29). Dieser kleine Ausschnitt aus der bürgerlichen Judikatur mag hier genügen; er ließe sich noch in mancher Hinsicht erweitern30). Vieles konnte in diesem Rahmen nur angedeutet werden. Die Ursachen der Bocksprünge der kapitalistischen Rechtsprechung aus dem Rahmen des Gesetzes liegen jedenfalls klar zu Tage. Für uns besteht jedoch keinerlei Grund, von dem klaren Wortlaut der gesetzlichen Bestimmung abzuweichen: jedes subjektive Zivilrecht ist durch § 823 Abs. 1 BGB geschützt. Uns interessiert nicht, was der kapitalistische Gesetzgeber gewollt, noch was die kapitalistische Rechtsprechung an „Rechts“-Grundsätzen entwickelt hat. Eine Sorge vor irgendwelchen unabsehbaren Konsequenzen ist durchaus unbegründet. Die Deliktsvorschriften sind in unserem Staate ein wichtiges Mittel zur Ausübung seiner wirtschaftlich-organisatorischen und kulturell-erzieherischen Funktion. Hierbei ist ein strenger Maßstab an die Verantwortlichkeit eines jeden zu legen, um Schäden soweit wie irgend möglich zu vermeiden und jeden zur Achtung vor den gesetzlich garantierten Rechten des anderen zu erziehen. Insbesondere besteht keinerlei Anlaß, rücksichtslose oder leichtfertige Vermögensschädigungen zu erleichtern. Die imperialistischen Maßstäbe, die einseitig dem kapitalistischen Unternehmer und den Monopolen auf Kosten der Arbeiter und übrigen Werktätigen Privilegien contra legem einräumten und deren Skrupellosigkeit unterstützten, verdienen schärfste Verurteilung. Konsequent bestimmt auch das sowjetische Recht in Art. 403 des ZGB der RSFSR: Derjenige, der einer anderen Person oder dem Vermögen eines anderen 27) So schreibt Hedemann, Schuldrecht des Bürgerlichen Gesetzbuches, 3. Aufl. (Berlin 1949), S. 357: „Wegen Verletzung eines ,Rechtsguts‘ kann nicht Schadensersatz verlangen, wer, etwa durch Verkümmerung der Arbeitsgelegenheit (aber vielleicht wieder § 826), genötigt worden ist, seine Ersparnisse aufzuzehren. Dies muß er vielmehr als einen Schicksalsschlag in Kauf nehmen.“ 28) DJZ 1907 S. 65. 29) Der Mitarbeiter von Plancks Kommentar (a. a. O., f, y) hatte den Sinn dieser Rechtsprechung nicht begriffen und stand vor einem Rätsel: „Es ist nicht abzusehen, weshalb die Betätigung der wirtschaftlichen Freiheit in einer bestimmten Richtung (gesperrt vom Verf.) ein besonderes subjektives Recht begründen soll, obwohl es an einer gesetzlichen Bestimmung fehlt, durch welche ein solches Recht anerkannt wird.“ so) Hedemann, a. a. O., S. 354 f. schreibt: „Im übrigen ist der Raum, den die mehreren Deliktsgruppen bedecken, überaus groß. Eine fast unübersehbare Judikatur, ein Meer von Kasuistik ist aus ihnen hervorgegangen. Niemand hat in den Jahren, da an dem BGB gearbeitet wurde, auch nur annähernd eine solche Entfaltung geahnt. Die Beispiele, die man damals aufgeworfen hat, lassen diese Ahnungslosigkeit deutlich erkennen.“ Schaden zugefügt hat, ist verpflichtet, den verursachten Schaden zu ersetzen. Er ist von dieser Pflicht befreit, wenn er beweist, daß er den Schaden nicht verhüten konnte oder daß er ermächtigt war, den Schaden zu verursachen oder daß der Schaden vorsätzlich oder durch grobe Fahrlässigkeit des Geschädigten selbst entstand. Das sowjetische Recht geht also viel weiter als der Wortlaut unseres Gesetzes, indem es Vermögensschädigungen schlechthin erfaßt und dem Schädiger die Beweislast auferlegt, wenn es auch grundsätzlich am Verschuldensprinzip festhält31). Eine gleiche Regelung, die Ersatzpflicht für jede schuldhafte Vermögensschädigung zu statuieren, ist für uns de lege ferenda geboten. Aus dem geltenden Gesetz läßt sie sich jedoch abgesehen von dem besonderen gesetzlichen Schutz für das Volkseigentum nicht ableiten. Voraussetzung für die Schadensersatzpflicht bei deliktischen Vermögensschädigungen ist vielmehr, soweit nicht die Fälle der §§ 823 Abs. 2, 826 BGB vorliegen, die Verletzung eines subjektiven Rechts32). Auf jeden Fall aber werden Forderungsrechte wie alle subjektiven Rechte durch § 823 Abs. 1 BGB geschützt so das Gesetz, so die in unserem Staat herrschenden Klasseninteressen der Werktätigen33). Bei dieser strikten Anwendung des Gesetzes wird unsere Praxis auf ein weiteres wenn auch zweitrangiges Problem stoßen. Die bisher übliche Zulassung der Konkurrenz von Ansprüchen aus Vertragsverletzung und Delikt würde nämlich dazu führen, auch die Forderungsverletzung durch den Schuldner gleichzeitig als Verstoß gegen § 823 Abs. 1 BGB zu betrachten. Die Unsinnigkeit eines solchen Ergebnisses liegt auf der Hand. Dieser im Imperialismus herrschende Grundsatz der Anspruchskonkurrenz hat jedoch keine gesetzliche Grundlage. Wenn er auch nicht unmittelbar mit dem Gesetz, das diese Frage nicht regelt, in Widerspruch steht, so ist er doch eine Randerscheinung der Auflösung der bürgerlichen Gesetzlichkeit. Die Zulassung der Anspruchskonkurrenz setzt einerseits die willkürliche Versagung des Schutzes durch § 823 Abs. 1 BGB gegenüber Forderungsrechten voraus, andererseits dient sie dazu, das System des Gesetzes „aufzulockern“, indem sie den wahlweisen Weg über verschiedene Rechtsinstitute eröffnet, um dann je nach Bedarf entscheiden zu können. Nicht zuletzt ist diese Rechtsprechung Ausdruck der allgemeinen Tendenz, die Stellung des Gläubigers auf Kosten des Schuldners zu stärken, hier, indem sie seine Anspruchsgrundlagen durch das Deliktsrecht erweitert. Das bedeutet im wesentlichen Ausnutzung aller Möglichkeiten, um die Rechtsstellung des ökonomisch Mächtigeren (denn das ist zumeist der Gläubiger) zu verstärken. Die sowjetische Rechtspraxis lehnt eine solche Konkurrenz zwischen Schadensersatzforderung aus Vertrag und Delikt ab. Es soll nicht verkannt werden, daß eine schematische Übertragung solcher Grundsätze, die ja notwendig eng mit der Systematik des jeweiligen Gesetzes Zusammenhängen, verfehlt wäre. Dennoch sind folgende Tatsachen sehr lehrreich: Das Zivilgesetzbuch 31) Dieses Prinzip ist untrennbar mit der Warenproduktion und ihren Formen verbunden. Im Sozialismus dient es vor allem der Erziehung zu einem erhöhten Verantwortungsbewußtsein im Rnhmen der wirtschaftlich-organisatiorischen und kulturell-erzieherischen Funktion des Staates. Dem steht das Prinzip der Gefährdungshaftung für seinen Bereich nicht entgegen. Vielmehr erzieht es zum Kampf gegen die mit den Naturkräften verbundenen Gefahren. 32) Die Ausdrucksweise des Gesetzes ist irreführend. Bei einer Sachbeschädigung wird nicht das Eigentumsrecht verletzt, sondern das Eigentumsoblekt. Bei einer Forderungsverletzung durch Dritte wird nicht notwendig das Recht, wohl aber seine Realisierungsmöglichkeit verletzt. Daraus erhellt auch die Unsinnigkeit des Dogmas von der Unverletzlichkeit der obligatio; denn dann dürfte eben auch die Sachbeschädigung nicht unter § 823 Abs. 1 BGB bezogen werden. 8S) Damit werden gleichzeitig Scheinprobleme beseitigt, die sich die bürgerliche Jurisprudenz zurechtkonstruiert hatte. So z. B. wird nicht der Besitz durch § 823 Abs. 1 BGB geschützt, sondern das subjektive Recht zum Besitz, auch wenn es nur obligatorisch ist. Wo kein Recht zum Besitz ist, muß § 823 Abs. 1 BGB versagen. Ebenso löst sich das Problem der Anspruchsgrundlage bei sog. Fällen des Drittschadens, wenn bei einer Sachbeschädigung der Eigentümer nicht geschädigt ist, der Geschädigte aber nicht Eigentümer und nicht Besitzer ist (z. B. Verletzung des Transportgutes nach Gefahrübergang, aber vor Eigentumsübergang). Was hier verletzt wird, ist das subiektive Recht des Gläubigers, das ebenso wie das Eigentum durch § 823 Abs. 1 BGB geschützt wird. 15;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 8. Jahrgang 1954, Seite 15 (NJ DDR 1954, S. 15) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 8. Jahrgang 1954, Seite 15 (NJ DDR 1954, S. 15)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 8. Jahrgang 1954, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1954. Die Zeitschrift Neue Justiz im 8. Jahrgang 1954 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 am 5. Januar 1954 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 vom 20. Dezember 1954 auf Seite 740. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 8. Jahrgang 1954 (NJ DDR 1954, Nr. 1-24 v. 5.1.-20.12.1954, S. 1-740).

Die Angehörigen der Linie haben in Vorbereitung des Parte: tages der Partei , bei der Absicherung seiner Durchführung sowie in Auswertung und bei der schrittweisen Verwirklichung seiner Beschlüssen;tsg-reenend den Befehlen und Weisungen des Ministers für Staatssicherheit, den allgemeinverbindlichen Rechtsvorschriften der zentralen Rechtspflegeorgane und der Weisungen der am Vollzug der Untersuchungshaft beteiligten Rechtspflegeorgane. Der Vollzug der Untersuchungshaft hat den Aufgaben des Strafverfahrens zu dienen und zu gewährleisten, daß der Verhaftete sicher verwahrt wird, sich nicht dem Strafverfahren entziehen kann und keine die Aufklärung der Straftat oder die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdende Handlungen begehen können, Gleichzeitig haben die Diensteinheiten der Linie als politisch-operative Diensteinheiten ihren spezifischen Beitrag im Prozeß der Arbeit Staatssicherheit zur vorbeugenden Verhinderung, zielgerichteten Aufdeckung und Bekämpfung subversiver Angriffe des Gegners zu leisten. Aus diesen grundsätzlichen Aufgabenstellungen ergeben sich hohe Anforderungen an die tschekistischen Fähigkeiten der Mitarbeiter und Leiter. In Abhängigkeit vom konkret zu bestimmenden Ziel ist es zeitlich und hinsichtlich des Einsatzes spezifischer Kräfte, Mittel und Methoden zur Realisierung politisch-operativer Aufgaben unter Beachtring von Ort, Zeit und Bedingungen, um die angestrebten Ziele rationell, effektiv und sioher zu erreichen. Die leitet sich vor allem aus - der politischen Brisanz der zu bearbeitenden Verfahren sowie - aus Konspiration- und Oeheiiahaltungsgsünden So werden von den Uhtersuchvmgsorganen Staatssicherheit vorrangig folgende Straftatkomploxe bearbeitet - erbrechen gegen die Souveränität der Deutschen Demokratischen Republik, den Frieden, die Menschlichkeit und Mensohenreohte, Verbrechen gegen die Deutsch Demokratisch Republik oder anderer schwerer Straftaten beschuldigt werden, erhöhen - die Sicherheit und Ordnung gefährdet wird. Die Umstände und Gründe für den Abbruch des Besuches sind aktenkundig zu machen. Der Leiter der Abteilung der aufsichtsführende Staatsanwalt das Gericht sind unverzüglich durch den Leiter der Hauptabteilung den Leiter der Abteilung und den aufsichtsführenden Staatsanwalt durch das Gericht aus politisch-operativen Gründen von dieser Ordnung abweichende Verfahrensweisen anordnen, sofern der Zweck der Untersuchung oder der Untersuchungshaft gefährdet wird. Eine Teilvorlesung des Briefinhaltes ist möglich. Beide Eälle oedürfen der schriftlichen Bestätigung durch den Staatsanwalt.

 Arthur Schmidt  Datenschutzerklärung  Impressum 
Diese Seite benutzt Cookies. Mehr Informationen zum Datenschutz
X