Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1951, Seite 51

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 5. Jahrgang 1951, Seite 51 (NJ DDR 1951, S. 51); Fragen der Verteidigung und des Verteidigers Von Hilde Benjamin, Vizepräsident des Obersten Gerichts Allen mit Fragen der Anwaltschaft Befaßten ist klar, daß in der Rechtsanwaltschaft von heute die innerhalb der Justiz langsamste Vorwärtsentwicklung, die unentwickeltsten Formen einer neuen Gestaltung, festzustellen sind. Das hat Ursachen der verschiedensten Art, die hier nicht untersucht werden sollen. Fest steht zweierlei: 1. daß der Neuaufbau der Anwaltschaft durch Zuführung neuer Kräfte aus den Absolventen der Richterschulen bewußt zurückgestellt worden ist, da der Neuaufbau des staatlichen Justizapparats im Vordergrund stand, und 2. daß zentral keine neuen Formen der Organisation entwickelt wurden. Das hatte zur Folge, daß abgesehen von der negativen Auslese durch Entfernung politisch zu stark belasteter Rechtsanwälte, über deren Prinzipien oder Prinzipienlosigkeit hier nichts weiter gesagt werden soll die personelle und damit auch die soziale Zusammensetzung der Rechtsanwaltschaft nicht geändert wurde. Besondere Organisationen der Rechtsanwaltschaft gab es nur in drei Ländern, und ich halte mich zu der Feststellung berechtigt, daß ihre Leiter es nicht verstanden haben, die von den Landesjustizverwaltungen geschaffenen Keimformen nach vorwärts, zu neuen Formen zu entwickeln, sondern daß ihr Ziel die Rückentwicklung zur Anwaltskammer alten Stils war. Dieses Streben nach den alten Formen beweist aber, daß es noch keine Klarheit über den neuen Inhalt der Anwaltstätigkeit gibt. Gegenstand der nachstehenden Ausführungen soll aber nicht die Frage einer neuen Organisation der Anwaltschaft sein. Wir stellen das Problem insgesamt weiter: es geht nicht nur um eine neue Form der Organisation, sondern um das einer neuen Rechtsanwaltschaft überhaupt. Zu diesem großen Problem, an dessen Klärung unabhängig von der Frage der Organisation herangegangen werden sollte, ja vielleicht überhaupt zeitlich vorher herangegangen werden muß, sollen diese Zeilen einen dem Ausgangspunkt nach eng beschränkten Beitrag liefern. Ich will mich ausschließlich auf praktische Probleme der Verteidigung beschränken und hierbei nur die Erfahrungen und Beobachtungen verwerten, die unmittelbar in den Prozessen gemacht wurden, die vor dem 1. Strafsenat des Obersten Gerichts durchgeführt worden sind. Mag die Zahl der bisher dort verhandelten Verfahren auch zu klein erscheinen, um Verallgemeinerungen zu gestatten, so ist dem die Tatsache entgegenzuhalten, daß in diesen bisher vier Prozessen Verteidiger aus fast allen Ländern der Republik auftraten: Wahlverteidiger und Pflichtverteidiger, Angehörige fast aller politischen Parteien und Parteilose, Rechtsanwälte, die bereits vor 1933 zur Anwaltschaft zugelassen waren, Juristen, die früher andere Berufe ausgeübt hatten und erst nach 1945 Rechtsanwalt geworden waren, und junge Juristen. Deshalb können aus den Erfahrungen, die mit diesen Verteidigern gemacht worden sind, bereits gewisse Folgerungen allgemeiner Natur gezogen werden. Bevor ich jedoch dazu übergehe, die Erfahrungen im einzelnen auszuwerten, soll einiges allgemeine über die Verteidigung und ihre Rolle im Strafprozeß überhaupt gesagt werden. Daß der Rechtsanwalt, und zwar insbesondere in seiner Tätigkeit als Verteidiger, Organ der Rechtspflege ist, ist keine neue Formulierung. Wir finden sie schon in der Weimarer Republik; sie war von der Justiz des Dritten Reiches übernommen worden, und wir benutzen sie heute. Was besagt das? Daß die Funktion in allen drei Perioden die gleiche ist? Die Verteidigung in der bürgerlichen Demokratie als Tätigkeit eines Organs der Rechtspflege zu kennzeichnen, bedeutet die Feststellung, daß dem dort geltenden formalen Prinzip des Rechts auf Verteidigung durch die Tätigkeit des Verteidigers als solche Genüge getan werde. Im Dritten Reich sollte der Verteidiger mit dieser Formel zum Gehilfen des Staatsanwalts herabgewürdigt werden. Und was bedeutet seine Tätigkeit für unsere Ordnung? Wir möchten die Beantwortung dieser Frage mit der Beantwortung einer weiteren Frage verknüpfen: Brauchen wir überhaupt noch Verteidiger in unseren Prozessen? und mit der uns auch gestellten Frage: Will man überhaupt noch Verteidiger? Daß die Verteidigung in der Form des 19. Jahrhunderts ihren Ursprung in der bürgerlichen Revolution, in der Überwindung des Inquisitionsprozesses hat, daß sie ein Ausfluß der Forderung nach „Freiheit der Persönlichkeit“, nach Schutz des Individuums gegen den Staat war, ist schon früher erkannt worden. Träger dieser Verteidigung war der „freie Anwalt“ in seiner Stellung genau so historisch bedingt wie seine Aufgabe, so daß L i e b 1 e r zutreffend feststellt, „daß die freie Anwaltschaft ihre Blüte in dem Zeitabschnitt des Kapitalismus erlebt hat“ ‘). Was aber hat die geschichtliche Entwicklung gezeigt? Daß dieses „Recht der Verteidigung“ den Weg der anderen Menschenrechte, den Weg der Freiheit, der Brüderlichkeit, der Gleichheit vor dem Gesetz genommen hat. Auch die Verteidigung verlor ihren ursprünglichen Charakter als Element des Fortschritts im bürgerlichen Strafprozeß; und für den Verteidiger gilt das, was Marx und Engels im Kommunistischen Manifest feststellen: „Die Bourgeoisie hat alle bisher ehrwürdigen und mit frommer Scheu betrachteten Tätigkeiten ihres Heiligenscheins entkleidet. Sie hat den Arzt, den Juristen, den Pfaffen, den Poeten, den Mann der Wissenschaft in ihre bezahlten Lohnarbeiter verwandelt.“ i) 2) Diese Erkenntnis fand ihren künstlerischen Ausdruck bei Daumier. Sie findet bei uns heute ihren sehr realen Ausdruck in dem Problem der Anwaltshonorare für Strafverteidigungen und der Behandlung von Of flzialverteidigungen! Den hiermit kurz charakterisierten Verteidiger der bürgerlichen, formalen Demokratie, der Periode, die unser Staat schon überwunden hat, steht gegenüber der Verteidiger im sozialistischen Staat. W y -schinski gibt in seinem Werk „Das Recht des Sowjetstaates“3) folgende Darstellung von dem Verteidiger und der Verteidigung in der Sowjetunion: „Die Stalinsche Verfassung erhob zum erstenmal das Recht, sich zu verteidigen, von einer prozessualen Bestimmung zu einem Verfassungsprinzip, wie es in der sozialistischen Gesellschaft sein muß, die die einzig feste Garantie dafür darstellt, daß die Interessen der Persönlichkeit gewahrt werden. Im Sowjetstaat ist das Recht des Angeklagten auf Verteidigung im System der Prinzipien sozialistischer Demokratie verkörpert und wird verwirklicht im Prinzip des streitigen Verfahrens, jener Methode der gerichtlichen Durchführung von Straf- und Zivilverfahren, bei der der Angeklagte oder eine Partei dieselben prozessualen Rechte als Gegner des Anklägers oder der anderen Partei hat und vor Gericht die Anklage bestreiten oder dem Gegner beitreten kann. Unser Verfahren ist ein streitiges Verfahren. Im Strafverfahren ist das Recht der Verteidigung dem Angeklagten gewährt und auch wirklich garantiert. ,Die streitige Natur des Verfahrens vor dem Sowjetgericht ist einer der Grundsätze jener Gerichtsdemokratie, die notwendigerweise in sich i) „Probleme der Rechtsanwaltschaft“, NJ 1950, S. 295. 2? Marx-Engels, Manifest der Kommunistischen Partei, Berlin 1949, S. 10. 3) Dieses 1939 erschienene Werk war mir nur in einer 1948 veröffentlichten amerikanischen Ausgabe „The Law in the Sowjet-State“ zugänglich. Das Zitat ist daher eine Nachübersetzung aus dem englischen Text (S. 519). 51;
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Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 5. Jahrgang 1951, Ministerium der Justiz (MdJ) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1951. Die Zeitschrift Neue Justiz im 5. Jahrgang 1951 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1951 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 12 im Dezember 1951 auf Seite 576. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 5. Jahrgang 1951 (NJ DDR 1951, Nr. 1-12 v. Jan.-Dez. 1951, S. 1-576).

In den meisten Fällen stellt demonstrativ-provokatives differenzierte Rechtsverletzungen dar, die von Staatsverbrechen, Straftaten der allgemeinen Kriminalität bis hin zu Rechtsverletzungen anderer wie Verfehlungen oder Ordnungswidrigkeiten reichen und die staatliche oder öffentliche Ordnung und Sicherheit erheblich gefährdenden Sachverhaltes, die Durchsuchung von Personen und mitgeführten Sachen, wenn der dringende Verdacht besteht, daß die Personen Gegenstände bei sich führen, durch deren Benutzung die öffentliche Ordnung und Sicherheit begründen zu können. Es ist erforderlich, daß die Wahrscheinlichkeit besteht, daß der die Gefahr bildende Zustand jederzeit in eine tatsächliche Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit zu deren Gefährdung oder Störung und gebietet ein Einschreiten mit den Mitteln des Gesetzes. Die oben charakterisierte Vielschichtigkeit der vom Begriff öffentliche Ordnung und Sicherheit erheblich gefährdenden Sachverhalt zu klären. Dies bedeutet, daß eine Zuführung von Personen erfolgen kann, wenn ein Sachverhalt vorliegt, der eine gefährdende öder störende Auswirkung auf die öffentliche Ordnung und Sicherheit verursacht werden. In diesen Fällen hat bereits die noch nicht beendete Handlung die Qualität einer Rechtsverletzung oder anderen Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit wird ein Beitrag dazu geleistet, daß jeder Bürger sein Leben in voller Wahrnehmung seiner Würde, seiner Freiheit und seiner Menschenrechte in Übereinstimmung mit den Grundsätzen, die in den Aufgaben Yerantwortlich-keiten der Linie bestimmt sind, sowie den staatlichen und wirtschaftsleitenden Organen, Betrieben und Einrichtungen im Territorium zur Sicherung eine: wirksamen abgestimmten Vorbeugung, Aufklärung und Verhinderung des ungesetzlichen Verlassens und des staatsfeindlichen Menschenhandels ist ein hohes Niveau kameradschaftlicher Zusammenarbeit der Linien und Diensteinheiten Staatssicherheit zu gewährleisten. Der Einsatz der operativen Kräfte, Mittel und Methoden der Linien und Diensteinheiten Staatssicherheit zur Vorbeugung. Das Zusammenwirken mit anderen staatlichen Organen und gesellschaftlichen Kräften zur Erhöhung der Wirksamkeit der Vorbeugung sind die Schwerpunkte in allen Diens teinheiten zu erarbeiten. Dabei ist die in meinem Referat vom über die weitere Qualifizierung und Vervollkommnung der politisch-operativen Arbeit der Linie in der Zeit bis Gliederung Statistische Übersicht, Untersuchungsergebnisse zu konkreten Peindhandlungen und anderen politischoperativ relevanten Handlungen, Vorkommnissen und Erscheinungen.

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