Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1969, Seite 618

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 23. Jahrgang 1969, Seite 618 (NJ DDR 1969, S. 618); Die These, daß der Rechtsanwalt ein Organ der Rechtspflege ist, könnte allerdings insofern auf Widerspruch stoßen, als der Begriff „Rechtspflege“, der gesetzlich nicht definiert ist, nach allgemeiner Auffassung „die Untersuchung von Rechtsverletzungen und Rechtsstreitigkeiten auf den Gebieten des Straf-, Zivil-, Familien- und Arbeitsrechts und ihre Entscheidung durch die dafür zuständigen Organe“ umfaßt1?, während die Tätigkeit des Rechtsanwalts keineswegs auf diese Rechtsgebiete beschränkt ist. Diese Gebiete bilden zwar den Hauptinhalt der anwaltlichen Tätigkeit; jedoch entfalten viele Rechtsanwälte außerdem eine umfangreiche Tätigkeit auf dem Gebiet des Wirtschaftsrechts. Schließlich ersuchen zahlreiche Bürger auch in rechtlichen Fragen, die die Leitungstätigkeit staatlicher Organe betreffen (z. B. Wohnraumlenkung oder Steuer- und Abgabenberechnung), den Rat des -Rechtsanwalts. Wenn also der Begriff. „Rechtspflege“ nur im obengenannten Sinne verstanden wird, dann ist damit die Stellung des Rechtsanwalts zwar nicht völlig erfaßt; ein Organ der Rechtspflege bleibt er aber m. E. trotzdem. Eindeutig ist, daß der Rechtsanwalt in der DDR kein Justizorgan ist, daß sein Arbeitsgebiet über das der Justiz hinausgeht, wenn es auch besonders stark mit der Justiz verbunden ist. Eindeutig ist ferner, daß der Rechtsanwalt im Unterschied zu den meisten anderen Organen der Rechtspflege keine staatliche Tätigkeit ausübt. Er ist nicht Staatsfunktionär; jedoch ist er berechtigt, bei staatlicher Tätigkeit (z. B. ip der Rechtsprechung in Strafsachen als Verteidiger) mitzuwirken. Allgemein wird der Rechtsanwalt als gesellschaftliches Organ (bzw. die Rechtsanwaltschaft als gesellschaftliche Einrichtung) der Rechtspflege bezeichnet. Damit wird zutreffend der Unterschied zu den staatlichen Organen hervorgehoben und zugleich die gesellschaftliche Notwendigkeit seiner Funktion wie auch die Übereinstimmung seiner Tätigkeit mit den Interessen der Gesellschaft betont. Dennoch unterscheidet sich der Rechtsanwalt in seiner Organstellung wesentlich von anderen gesellschaftlichen Organen. Seine Tätigkeit ist berufliche, nicht ehrenamtliche Tätigkeit, wie etwa die der Mitglieder der gesellschaftlichen Gerichte. Daß die anwaltliche Tätigkeit von den Mitgliedern der Rechtsanwaltskollegien in einer gesellschaftlichen Organisationsform ausgeübt wird, ist in dieser Hinsicht unerheblich. Auch die Tätigkeit von Mitarbeitern sozialistischer Genossenschaften wird ja nicht als gesellschaftliche oder ehrenamtliche Tätigkeit bezeichnet. Die Existenz von Einzelanwälten wirft also insofern keine zusätzlichen Probleme auf. Die Aufgaben des Rechtsanwalts erfordern es, daß er in seiner Stellung von den übrigen Rechtspflegeorganen unabhängig ist. Es wäre mit der Wahrung der Rechte der Bürger, die dem Anwalt obliegt, unvereinbar, wenn er in einer irgendwie gearteten Abhängigkeit zu den Organen stünde, vor denen er diese Rechte durchsetzen soll. Schwieriger ist es dagegen, das Verhältnis des Rechtsanwalts zu seinem Mandanten zu bestimmen. Der Rechtsanwalt wird im Unterschied zu den anderen Rechtspflegeorganen nie von Amts wegen oder auf bloßen Antrag hin tätig, sondern, wenn man von den Besonderheiten der Beiordnung und der Bestellung als Pflichtverteidiger absieht, auf Grund eines zivilrechtlichen Vertrages, der naturgemäß wechselseitige Rechte und Pflichten für Kommentar zur Verfassung, a. a. O./ S. 425. Vgl. auch die Darlegungen von Lehmann und Weber in diesem Heft. Anwalt und Mandant begründet. Insofern ist der Rechtsanwalt im Verhältnis zum Mandanten nicht absolut unabhängig. Er kann z. B. nicht gegen den Willen seines Mandanten eine Klage einreichen, wenn außergerichtliche Bemühungen zur Regelung eines Zivilrechtsstreits erfolglos gewesen sind, und er kann auch nicht gegen den Willen seines Auftraggebers Berufung einlegen, wenn er ein Urteil für falsch hält111. Diese natürliche Abhängigkeit des Rechtsanwalts von seinem Mandanten, die sich aus dem Charakter des Anwaltsvertrages ergibt, darf jedoch nicht zu einer Abhängigkeit bei der Entscheidung über die Annahme und bei der Ausführung des Vertrages führen. Der Anwalt ist weder Sprachrohr noch Werkzeug seines Mandanten, sondern sein in der Ausführung des Mandats unabhängiger Interessenvertreter. Nur wenn er diese Unabhängigkeit gegenüber seinem Auftraggeber wahrt, ist er in der Lage, ihn sachgemäß zu beraten und ihm wirksam zu helfen. Unabhängigkeit kann unter sozialistischen Verhältnissen natürlich nicht Unverantwortlichkeit bedeuten. Der Rechtsanwalt ist vielmehr der Gesellschaft, d. h. den nach dem Gesetz zuständigen Organen gegenüber für die gewissenhafte Erfüllung seiner Pflichten verantwortlich. Diese Pflichten ergeben sich aus den Gesetzen, aus dem Anwaltsvertrag sowie aus den besonderen anwaltlichen Berufspflichten, der Anwaltsethik. Sie verlangen von dem Rechtsanwalt, daß er sich im Interesse der Festigung der sozialistischen Gesetzlichkeit unter Ausschöpfung aller gesetzlichen Möglichkeiten für die Durchsetzung der Interessen seines Mandanten einsetzt B. Zur Organisation der Arbeit des Rechtsanwalts Die sozialistische Rechtspflege erfordert eine Rechtsanwaltschaft, deren Arbeitsweise durch die Prinzipien der sozialistischen Zusammenarbeit gekennzeichnet ist. Mit der Gründung der Kollegien der Rechtsanwälte ist im Jahre 1953 in der DDR derjenige Weg beschritten worden, den die sowjetische Rechtsanwaltschaft nach den Hinweisen Lenins erfolgreich eingeschlagen hatte. Aus Anlaß des 15jährigen Bestehens der Kollegien hat der Minister der Justiz erklärt: „Die Kollegien der Rechtsanwälte haben die in sie gesetzten Erwartungen voll erfüllt, und sie nehmen einen geachteten Platz innerhalb unserer Rechtspflege und in unserer sozialistischen Gesellschaftsordnung ein.“15 Dies bedeutet natürlich nicht, daß alle Probleme bereits gelöst sind. Struktur und Arbeitsweise der Kollegien sind noch verbesserungsfähig und verbesserungsbedürftig. Im Zusammenhang mit dem notwendig werdenden Erlaß einer neuen Rechtsanwaltsordnung und einer neuen Rechtsanwaltsgebührenordnung werden auch diese Fragen im Mittelpunkt der Diskussion der nächsten Jahre stehen. Uber den Charakter des Kollegiums bestehen nicht nur unter den Rechtsanwälten noch Meinungsverschiedenheiten. Die Auffassung, das Kollegium sei als sozialistische Genossenschaft zu betrachten, geht von unzutreffenden Voraussetzungen aus Die Genossenschaft ist eine Organisationsform der Wirtschaft; das Kollegium ist jedoch eine Institution der Rechtspflege. l'l Der Ausnahmefall des § 284 Abs. 1 Satz 2 StPO, wonach der Verteidiger eines jugendlichen Angeklagten das Hecht hat, selbständig, d. h. unabhängig von seinem Mandanten, Rechtsmittel einzulegen, soll hier außer Betracht bleiben. 1' Vgl. Wünsche, a. a. O., S. 361. J3 Wünsche, a. a. O., S. 361. 618;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 23. Jahrgang 1969, Seite 618 (NJ DDR 1969, S. 618) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 23. Jahrgang 1969, Seite 618 (NJ DDR 1969, S. 618)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 23. Jahrgang 1969, Oberstes Gericht (OG) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1969. Die Zeitschrift Neue Justiz im 23. Jahrgang 1969 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1969 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1969 auf Seite 784. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 23. Jahrgang 1969 (NJ DDR 1969, Nr. 1-24 v. Jan.-Dez. 1969, S. 1-784).

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