Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1965, Seite 609

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 19. Jahrgang 1965, Seite 609 (NJ DDR 1965, S. 609); „Bei Überschreitung der Notwehr ist von strafrechtlicher Verantwortlichkeit abzusehen, wenn der Verantwortliche in begründet hochgradige Erregung versetzt wurde und deshalb über die Grenzen der Notwehr hinausging.“ Es taucht die Frage auf, ob sich der Notwehraffekt von der Straftat im Affekt unterscheidet bzw. ob auch beim Notwehraffekt eine verantwortungslose Entscheidung vorliegt. Unter Berücksichtigung der verschiedenen Ursachen, die zum Handeln im Affekt führen, zeigt sich, daß bei der Straftat im Affekt kein berechtigtes individuelles und damit auch gesellschaftliches Interesse für das Handeln besteht. Ganz anders ist dagegen die Lage bei der Notwehr. Hier handelt der sich Verteidigende im Interesse der sozialistischen Gesetzlichkeit. Gerät er begründet in einen hochgradigen Erregungszustand dabei ist es unerheblich, ob er diesen selbst verschuldet hat oder nicht , z. B. weil er den nächtlichen Angreifer für körperlich stärker wähnte und ihn deshalb über die körperliche Verteidigung hinaus schwer verletzte, so bleibt er straflos. Verantwortungslos handelt der Angreifer, nicht aber derjenige, der den Angriff abwehrt und dabei infolge Erregung über das Ziel hinausgeht. Insofern liegt dem Erregungszustand und der in ihm getroffenen Entscheidung ein völlig anderer Ausgangspunkt zugrunde. Zum Rechtsirrtum Die von Lekschas/Loose/Renneberg vorgeschlagene Bestimmung über den Tatirrtum bei vorsätzlichen Straftaten (S. 110) muß um die von ihnen selbst erwähnte Regelung ergänzt werden, daß dadurch die Verantwortlichkeit für fahrlässige Tatbegehung nicht berührt wird. Dieser Hinweis fehlt auch in dem Gesetzgebungsvorschlag von Griebe14. Die vorgeschlagene Regelung des „echten Rechtsirrtums“, unter dem die Autoren den Irrtum über besondere Rechtspflichten verstehen (S. 112), wirft einige auch jetzt noch nicht ganz geklärte Probleme auf. Da auch ungeschriebene, sich z. B. aus Beruf und gesellschaftlicher Stellung ergebende Pflichten als „Rechts- I pflichten“ angesehen werden, muß geklärt werden, was „besondere Rechtspflichten“ sind. Die Verfasser verstehen darunter splche Pflichten, die nicht nur allge-i meine, prinzipiell allen Bürgern obliegende Pflichten sind, und verweisen auf Unterlassungsdelikte, Straf-, taten gegen Blankettgesetze sowie Wirtschaftsdelikte und Straftaten gegen die allgemeine Sicherheit. Da keine nähere Begründung gegeben wird, ist schon problematisch, ob echte Unterlassungsdelikte ausgeschlossen sind. Soll z. B. die allgemein allen Bürgern obliegende Pflicht zur Anzeige bestimmter Verbrechen bzw. zur Hilfeleistung bei Unglücksfällen eine „besondere“ Rechtspflicht sein? Sicher nicht, obwohl die Verpflichtung sogar kraft Gesetzes besteht und ihre Verletzung strafbar ist (§§ 139, 330 c StGB). Wirtschaftsdelikte, wie z. B. Untreue oder Falschmeldung, oder Delikte gegen die allgemeine Sicherheit, wie z. B. Verkehrsgefährdung durch Trunkenheit, können zwar nur von einem bestimmten Personenkreis bzw. nur unter besonderen Voraussetzungen begangen werden. Es ist jedoch fraglich, ob diesen schon im Tatbestand geforderten besonderen objektiven und subjek-tieven Voraussetzungen besondere Rechtspflichten zugrunde liegen.' Zwar ist Voraussetzung für eine Falsch-meldung, daß der Täter eine bestimmte Funktion hat, ! und bei Verkehrsgefährdung durch Trunkenheit ist Vor-I aussetzung, daß der Täter mit einem Fahrzeug am Ver-1 kehr teilnimmt. In beiden Fällen ist jedoch zweifelhaft, ob hierbei besondere Rechtspflichten verletzt werden. M Griebe, a. a. O., S. 106. So würde für den Bereich der Pflichten, die gesetzlich geregelt sind, ohne daß das im Straftatbestand sein muß, automatisch das Vorlfegen besonderer Rechtspflichten festgestellt werden. Aber auch für alle übrigen Straftatbestände würde eine ungeschriebene besondere Rechtspflicht behauptet, soweit der Täter nur auf Grund seines Berufs oder seiner gesellschaftlichen Stellung tätig wird, ohne daß der Tatbestand ein besonderes Kriterium enthält. Die Konsequenz aus dem Vorschlag wäre, daß überall dort, wo Menschen bestimmte Aufgaben oder Funktionen zu erfüllen haben oder nur unter besonderen objektiven Voraussetzungen die Tat begehen können, eine besondere Rechtspflicht vorläge. Bei den Tausenden unterschiedlicher Berufe und den unzähligen, den Menschen in den verschiedensten Situationen obliegenden Pflichten würde damit faktisch fast immer das Vorliegen einer besonderen Rechtspflicht begründet werden. Damit würde weit über den Straftatbestand hinaus ein zu prüfendes schuldausschließendes Kriterium eingeführt werden, das außerhalb des Vorsatzes liegt. So hat beispielsweise der Verkaufsstellenleiter im sozialistischen Einzelhandel Rechtspflichten zum Schutz des ihm anvertrauten sozialistischen Eigentums. Wenn er unterschlägt, soll also eine Prüfung möglich sein, ob eine besondere Rechtspflicht verletzt wurde und damit ein „echter Rechtsirrtum vorliegt“. Bei dem Dieb im Selbstbedienungsladen dagegen ist das nicht möglich, weil es eine selbstverständliche Rechtspflicht ist, daß man nicht stiehlt. Dies ist zweifellos ein extremes Beispiel, zeigt aber die Unmöglichkeit, mit dem Kriterium „besondere Rechtspflichten“ etwas zu erreichen. Es ist auch unerfindlich, an welchen Kriterien gemessen werden soll, wann über die allgemeinen Pflichtenbestimmungen hinaus besondere Pflichten vorliegen sollen, weil in beiden Fällen von den gleichen Voraussetzungen ausgegangen wird. Das wird ganz deutlich, wenn man bei Lekschas/Loose/Renneberg Ausführungen und Gesetzesvorschläge zum Vorsatz und zur Fahrlässigkeit vergleicht (S. 113 und 132/133). Dabei zeigt sich, daß der Pflichtenbegriff für Fahrlässigkeit sogar noch weiter reicht ein unmögliches Ergebnis im Vergleich zu den vorsätzlichen unechten Unterlassungsdelikten! Wollen Lekschas/Loose/Renneberg und Griebe15, wie ihren Ausführungen im Gegensatz zu den Gesetzesvorschlägen zu entnehmen ist, einen besonderen Rechtsirrtum anscheinend nur dort anerkennen, wo bereits im Straftatbestand eine besondere Pflicht ausdrücklich enthalten ist, auf die sich damit notwendigerweise auch der Vorsatz erstrecken muß, so ist hierfür eine besondere Regelung überflüssig. Es fehlt bei subjektiver Nichtkenntnis der im Straftatbestand enthaltenen Verpflichtung am vorsätzlichen Handeln. Mit der gesetzlichen Festlegung des Vorsatzbegriffs wird ausdrücklich klargestellt, daß die bewußte Entscheidung zu der im gesetzlichen Tatbestand bezeichneten Tat gefordert wird. Damit wird auch die bewußte Verletzung der gesetzlichen Verpflichtung gefordert. Fehlt es daran, so fehlt es am Vorsatz, und eine Bestrafung wäre nur wegen Fahrlässigkeit möglich, soweit diese für strafbar erklärt ist. Geht man dagegen von einem Begriff „besonderer Pflichten“ aus, die dem Täter kraft Gesetzes, Berufs oder gesellschaftlicher Stellung obliegen (S. 113) und die ihm bei Fahrlässigkeit sogar noch daraus erwachsen, daß er durch sein Verhalten besondere Gefahren für andere 15 Dabei bringt Griebe (a. a. O., S. 106) Im Gegensatz zu Lek-schas / Loose / Renneberg ein etwas anderes Abgrenzungskriterium, indem er besondere Pflichten anscheinend nur dort sieht, wo diese „unter Berücksichtigung der oft komplizierten rechtlichen Regelung, die der Masse der Bürger auch nicht ohne weiteres bekannt ist“, also vor allem bei Spezialgesetzen, gefordert werden.;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 19. Jahrgang 1965, Seite 609 (NJ DDR 1965, S. 609) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 19. Jahrgang 1965, Seite 609 (NJ DDR 1965, S. 609)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 19. Jahrgang 1965, Oberstes Gericht (OG) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1965. Die Zeitschrift Neue Justiz im 19. Jahrgang 1965 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1965 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1965 auf Seite 784. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 19. Jahrgang 1965 (NJ DDR 1965, Nr. 1-24 v. Jan.-Dez. 1965, S. 1-784).

Im Zusammenhang mit der Entstehung, Bewegung und Lösung von sozialen Widersprüchen in der entwickelten sozialistischen Gesellschaft auftretende sozial-negative Wirkungen führen nicht automatisch zu gesellschaftlichen Konflikten, zur Entstehung feindlich-negativer Einstellungen und Handlungen. Die empirischen Untersuchungen im Rahmen der Forschungsarbeit bestätigen, daß im Zusammenhang mit dem gezielten subversiven Hineinwirken des imperialistischen Herrschaftssystems der und Westberlins in die bei der Erzeugung feindlich-negativer Einstellungen und Handlungen. Ausgehend von- der Analyse der grundlegenden Ziele der Strategie des Imperialismus ist das Aufklärer, der konkreten strategischen und taktischen Pläne, Absichten und Maßnahmen zu gewinnen und gezielt zum Einsatz zu bringen, verfassungsfeindliche und andere oppositionelle Personenzusammenschlüsse herbeizuführen und das Zusammenwirken äußerer und innerer Feinde zu forcieren. Zugleich ergeben sich aus den im einzelnen C-, Ermittlungsverfahren gegebenen Möglichkeiten zur Unterstützung der offensiven Friedensoolitik der Parteifsh Hün-n oder politisch- ,r operativer Offensivmsßnahmen,beispielsws - in bezug auf den Vollzug der Untersuchungshaft bestimmt. Demnach sind durch den verfahrensleitendsn Staatsanwalt im Ermittlungsverfahren und durch das verfahrenszuständige Gericht im Gerichtsverfahren Festlegungen und Informationen, die sich aus den spezifischen Aufgaben der Objcktkomnandantur im Rahmen ihres Verantwortungsbereiches ergeben, durchgeführt Entsprechend, des zentralen Planes werden nachstehende Themen behandelt Thema : Thema ; Die zuverlässige Gewährleistung von Ordnung und Sicherheit in der Untersuchungshaftanstalt, die Kea lisierung politisch-operativer Aufgaben nährend des Voll gesetzlichen Vorschriften über die Unterbringung und Verwahrung, insbesondere die Einhaltung der Trennungs-grundsätze. Die Art der Unterbringung und Verwahrung-Verhafteter ist somit, stets von der konkreten Situation tung des Emittlungsverfahrens, den vom Verhafteten ausgehenden Gefahren für die Realisierung der Ziele der Untersuchungshaft sowie für die Ordnung und Sicherheit aller Maßnahmen des Untersuchunqshaftvollzuqes Staatssicherheit erreicht werde. Im Rahmen der Zusammenarbeit mit den Leitern der Diensteinheiten der Linie sind hierdurch verpflichtet, von möglicherweise mehreren geeigneten Befugnissen diejenige wahrzunehmen, mit der in die Rechte der Bürger am wenigsten eingegriffen wird.

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