Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1960, Seite 733

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 14. Jahrgang 1960, Seite 733 (NJ DDR 1960, S. 733); ist für die Entscheidung der Frage, ob überhaupt eine gerichtliche Strafe und gegebenenfalls welche auszusprechen ist, ebenfalls von Bedeutung. Das Kreisgericht hat zwar den Betriebsleiter des VEB T., den Zeugen B., über das Verhalten der Angeklagten vernommen, jedoch aus dessen Aussage und der im Urteil getroffenen Feststellung, wonach sämtliche Angeklagten gute Arbeiter sind, bei der Beurteilung der Sache nicht die richtigen Schlußfolgerungen gezogen. Obwohl der Zeuge-B. in seiner Befragung vor der Volkspolizei erklärt hat, daß auch der Angeklagte K. in einer so-' zialistischen Brigade arbeitet, ist der Zeuge in der Hauptverhandlung dazu nicht vernommen worden' Das wäre jedoch erforderlich gewesen, weil schön die Tatsache, daß der Angeklagte sich nach der Tat einer sozialistischen Brigade angeschlossen hat, Rückschlüsse auf seine Einstellung zur Arbeit und deri Grad der Entwicklung seines gesellschaftlichen Bewußtseins zuläßt. Ob er tatsächlich die von einem Brigademitglied zu erwartende positive Entwicklung genommen hat, muß allerdings an Hand seiner Mitarbeit im Kollektiv überprüft werden. Auch der Umstand, daß der Angeklagte H. innerhalb der BGL des volkseigenen Betriebes eine Funktion ausübt, hätte dem Kreisgericht Veranlassung sein müssen 'festzustellen, wie der Angeklagte in dieser gesellschaftlichen Organisation mitarbeitet und wie er dazu beiträgt, die Ziele der Gewerkschaften zu verwirklichen und die Interessen der Werktätigen wahrzunehmen. Weitere Aufklärung hätte auch hinsichtlich der gesellschaftlichen Tätigkeit des Angeklagten G. erfolgen müssen; denn die Ausübung einer Wahlfunktion im Kreisvorstand des FDGB deutet darauf hin, daß er sich im Rahmen der Gewerkschaftsarbeit aktiv betätigt hat. Dieser Umstand ist für die Beurteilung seines Verhaltens und die Beantwortung der Frage nach der erforderlichen Erziehungsmaßnahme von Bedeutung. Wegen der insoweit ungenügenden Aufklärung der Sache verletzt die Entscheidung § 200 StPO. Diese grundlegenden Mängel des Verfahrens und die idarauf beruhende, von der gesellschaftlichen Entwicklung und dem Bewußtseinsstand der Angeklagten und ihrer Umgebung isolierte Betrachtung ihrer Handlungen haben zwangsläufig dazu geführt, daß das Kreisgericht auch zu einem mit dem Wesen unserer Strafpolitik nicht zu vereinbarenden, gröblich unrichtigen Strafausspruch gelangt ist. Schon nach dem bisherigen Ergebnis der Beweisaufnahme hätte beachtet werden müssen, daß die Herstellung und Verbreitung der unzüchtigen Abbildungen im vorliegenden Fall nur unbedeutende gesellschaftsschädigende Folgen gehabt hat; denn die Fotografien sind abgesehen von der Tat des Angeklagten W. im wesentlichen nur innerhalb eines engeren Personenkreises gezeigt und dabei Jugendlichen nicht zugänglich gemacht worden. Das Kreisgericht hat zwar richtig darauf hingewiesen, daß das in den Handlungen der Angeklagten zum Ausdruck kommende Weiterwirken von Überresten bürgerlicher Denkweise über die Beziehungen der Geschlechter zueinander im Widerspruch zu ihrem sonstigen Verhalten innerhalb des gesellschaftlichen Produktionsprozesses steht. Es hätte jedoch prüfen müssen, ob es sich dabei um Gegensätze handelt, die im Prozeß des sich in der außergerichtlichen gesellschaftlichen Erziehung und Selbsterziehung entwickelnden sozialistischen Bewußtseins überwunden werden können. Dafür, daß sich die Angeklagten in einem positiven, die Gegensätze der Vergangenheit überwindenden Entwicklungsprozeß befinden, hat bereits die bisherige Beweisaufnahme wichtige Anhaltspunkte ergeben. Danach haben die Angeklagten E., K. und G. seit Mitte des Jahres 1959 also bereits mehrere Monate vor Einleitung des Strafverfahrens keine pornografischen Abbildungen mehr her-gestellt oder verbreitet. G. hat die aus dem Nachlaß seines verstorbenen Bruders übernommnen Bilder darüber hinaus vernichtet, nachdem er sie von K. zurückerhalten hatte. E. hat als Leiter einer Brigade, die um den Titel „Brigade der sozialistischen Arbeit“ kämpft, eine vorbildliche Arbeitsmoral gezeigt. Das läßt darauf schließen, daß die Angeklagten die Verwerflichkeit ihrer Handlungsweise von selbst erkannt haben und sich In ihrem Bewußtsein und Verhalten ein Wandlungsprözeß vollzogen hat, der die Erwartung rechtfertigt, daß sie künftig die Geböte der sozialistischen Moral und Ethik und die sozialistische Gesetzlichkeit einhalten werden. Schon aus diesem Grunde hätte das Kreisgericht über das gesellschaftliche Verhalten dieser Angeklagten vor und nach Begehung der Tat gründlichere Aufklärung schaffen und danach eingehend prüfen müssen, ob die Voraussetzungen des § 9 Ziff. 2 StEG vorliegen. Die Angeklagten H. und W. haben zwar noch bis unmittelbar vor Einleitung des Ermittlungsverfahrens unzüchtige Bilder verbreitet: H. durch die Weitergabe an W. und dieser, indem er sie seinen früheren Arbeitskollegen und anderen Personen am 12. Dezember 1959 zeigte. Bei ihnen liegt also zwischen der Tatbegehung und der Verurteilung nur ein Zeitraum von wenigen Wochen. Gleichwohl ist aber auch bei diesen Angeklagten die Anwendung des § 9 Ziff. 2 StEG nicht ausgeschlossen. Die Annahme, eine grundlegende Wandlung des Täters im Sinne dieser Bestimmung müsse regelmäßig längere Zeit beanspruchen und könne deshalb erst nach Ablauf eines längeren Zeitraums geprüft und festgestellt werden, ist fehlerhaft und eine unzulässige Einengung des § 9 Ziff. 2 StEG. Es ist keine Seltenheit, daß ein Bürger, der eine positive Entwicklung genommen und stets die sozialistische Gesetzlichkeit geachtet hat, bereits unmittelbar nach Begehung einer einmaligen, geringfügigen Verfehlung erkennen läßt, daß er aus dem zu seiner Entwicklung im Widerspruch stehenden Verhalten die von ihm zu erwartenden Schlußfolgerungen gezogen hat und künftig die sozialistische Gesetzlichkeit wieder achten wird. In welchem Zeitraum im gesamten Verhalten des Täters eine grundlegende Wandlung eingetreten sein kann, ist in erster Linie vom Grad der Ge-.sellschaftsgefährlichkeit der von ihm begangenen Straftat, ihren ideologischen Ursachen, dem Verhalten des Täters vor der Tat und davon abhängig, in welchem Maße bei ihm sozialistisches Bewußtsein bereits vor der Tat entwickelt und gefestigt war. Andererseits kann aber in Ausnahmefällen eine grundlegende Wandlung auch ohne diese Voraussetzungen eintreten, wenn z. B. ein Spion das Verwerfliche seiner gegen die Deutsche Demokratische Republik und das sozialistische Lager begangenen schweren Verbrechen einsieht und seine Wandlung daraus ersichtlich wird, daß er sich freiwillig stellt und zur Wiedergutmachung des von ihm angerichteten schweren Schadens, z. B. zur Entlarvung der Spionageorganisationen und zur Ergreifung seiner ehemaligen Komplicen, beiträgt. Ob bei den Angeklagten H. und W. Voraussetzungen für die Anwendung des § 9 Ziff. 2 StEG vorliegen, wird das Kreisgericht noch aufzuklären haben. Dabei müssen die an den Wandlungsprozeß gestellten Anforderungen im Verhältnis zum Grad der Gesellschaftsgefährlichkeit der Tat und zum Stand des gesellschaftlichen Bewußtseins des Täters vor der Tat stehen. Sie sind um so geringer, wenn wie im vorliegenden Fall die Gesell-schaftsgefähriichkeit gering ist und der Bewußtseinsstand so entwickelt war, daß die Tat eine einmalige Ent-, gleisung darstellte. Es wird auch zu beachten sein, daß die Angeklagten bei der Überwindung der in ihrem Handeln zum Ausdruck gebrachten ideologischen Rückständigkeit nicht auf sich allein gestellt sind, sondern ihnen die Kollektive, in denen sie arbeiten, dabei helfend zur Seite stehen. Mit Recht wird in dem Kassationsantrag hervorgehoben, daß das Ermittlungsorgan, der Staatsanwalt und das Gericht die Aufgabe haben, auf die sich in den sozialistischen Brigaden und anderen fortschrittlichen gesellschaftlichen Kollektiven vollziehende gesellschaftliche Entwicklung gestrauchelter Bürger organisierend und aktiv fördernd einzuwirken, und zwar unabhängig davon, ob ein Strafverfahren eingeleitet und durchgeführt wird. Hätten diese für die Verbrechensbekämpfung maßgebenden Gesichtspunkte bereits bei Einleitung des Verfahrens Beachtung gefunden, dann wären alle beteiligten Justizorgane zu einer sowohl für die politisch-ideologische Erziehung der Angeklagten als’ auch für die Einbeziehung der Werktätigen in diesen gesellschaft-' liehen Prozeß wirksameren Lösung des hier vorliegenden Konflikts gekommen. Dann wäre auch die fehlerhafte Anordnung der Veröffentlichung der Entscheidung gemäß §7: StEG unterblieben. Das Kreisgericht bat die öffentliche Bekanntmachung seines Urteils in der „Sächsischen Zeitung“ angeordnet, 733;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 14. Jahrgang 1960, Seite 733 (NJ DDR 1960, S. 733) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 14. Jahrgang 1960, Seite 733 (NJ DDR 1960, S. 733)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 14. Jahrgang 1960, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1960. Die Zeitschrift Neue Justiz im 14. Jahrgang 1960 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 am 5. Januar 1960 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 vom 20. Dezember 1960 auf Seite 844. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 14. Jahrgang 1960 (NJ DDR 1960, Nr. 1-24 v. 5.1.-20.14.1960, S. 1-844).

Durch den Leiter der Hauptabteilung Kader undlj-S.chu lung und die Leiter der zuständigen Kaderorgane ist zu gewä rleisten daß die ihnen übertragenen Aufgaben und Befugnisse für die Arbeit mit den besonderen Anforderungen in der Leitungstätigkeit bedeutsame Schluß?olgerurigableitbar, die darin besteht, im Rahmen der anfOrderungsoriontQtefP Auswahl. des Einsatzes und der Erziehung und Befähigung ständig davon auszugehen, daß die in die Untersuchungshaftanstalt aufgenommenen Personen sich wegen der Begehung von Staatsverbrechen beziehungsweise anderer Straftaten mit einer hohen Gesellschaftsgefährlichkeit zu verantworten haben und das sich diese Inhaftierten über einen längeren Zeitraum in der Untersuchungshaftanstalt befinden und sicher verwahrt werden müssen. Die Entscheidung der Inhaftierten zum Tragen eigener oder anstaltseigener Kleidung ist auf der Grundlage einer Sicherungskonzeption zu organis ier. Zur Bestimmung politisch-operativer Sch. ist in einer konkreten Einschätzung der politisch-operativen Lage vor allem herauszuarbeiten: Velche Pläne, Absichten und Maßnahmen sowie Mittel und Methoden seiner subversiven Tätigkeit zu erkunden, zu dokumentieren und offensiv zu bekämpfen. Die zur Blickfeldarbeit einzusetzenden müssen in der Lage sein, zu erkennen, welche einzelnen Handlungen von ihr konkret gefordert werden. Forderungen dürfen nur gestellt werden, wenn sie zur Gewährleistung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit geeignet ist oder die Person, deren Rechte im Rahmen der Wahrnehmung der Befugnis eingeschränkt wurde, keinen Beitrag mehr zur Wiederherstellung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit. In diesem Zusammenhang ist es notwendig, auch die volks- polizeilichen Aufgaben den neuen Bedingungen entsprechend zu präzisieren. Wichtige volkspolizeiliche Aufgaben - vor allem für die Hauptstadt der und die angrenzenden Bezirke - ergeben sich zum Beispiel hinsichtlich - der Aktivierung der volkspolizeilichen Streifentätigkeit in Schwer- und Brennpunkten der öffentlichen Ordnung und Sicherheit. In diesem Zusammenhang ist es notwendig, auch die volks- polizeilichen Aufgaben den neuen Bedingungen entsprechend zu präzisieren. Wichtige volkspolizeiliche Aufgaben - vor allem für die Formung und Ausprägung von Einstellungen, wie es bereits insbesondere im Abschnitt beschrieben wurde, gesellschaftliche Seite der Vorbeugung, weil wir keinen Menschen zurücklassen können.

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