Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1957, Seite 336

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 11. Jahrgang 1957, Seite 336 (NJ DDR 1957, S. 336); Die Rechtsentwicklung der Bundesrepublik auf strafrechtlichem Gebiet ist also dadurch gekennzeichnet, daß die Auflösung und Durchbrechung der eigenen westdeutschen Gesetzlichkeit vor allem da betrieben wird, wo es um die politische Verfolgung des fortschrittlichen Teils der westdeutschen Bevölkerung mit strafrechtlichen Mitteln geht19). Hier reichen nicht einmal die neu geschaffenen und dehnbar ausgestalteten Tatbestände20) aus, um die dem Adenauer-Regime gefährlichen Personen mit Hilfe gesetzesgemäßer Urteile mit strafrechtlichen Repressalien zu verfolgen, weil die westdeutsche Gesetzgebung genötigt war, aus Gründen der Aufrechterhaltung der Fassade der Rechts-staatlichkeit in der Formulierung der Gesetze ihre wahre politische Stoßrichtung zu verschleiern und den Anschein zu erwecken, als dienen sie wirklich der Demokratie21). So ist die Auflösung und Durchbrechung der eigenen Gesetzlichkeit im Kampf gegen das Volk, insbesondere gegen seine fortschrittlichsten Kräfte, zur Aufrechterhaltung der Macht der Monopolbourgeoisie gerade im Bereich der sog. politischen Strafsachen eine zwangsläufige und durchgängige Erscheinung22). Dieser Gegensatz zwischen Auflösungstendenzen auf der einen und Fällen richtiger Gesetzesanwendung auf der anderen Seite zeigt sich aber nicht nur bei einer Gegenüberstellung verschiedener Gebiete des westdeutschen Strafrechts, wie etwa der Staatsschutzbestimmungen und der Vorschriften zum Schutz des Eigentums. Einen solchen Gegensatz finden wir auch innerhalb eines bestimmten Bereichs23). So konnte in anderem Zusammenhang auf solche Gegensätzlichkeit bei der Strafzumessung aufmerksam gemacht werden24). Auch für andere Gebiete, so z. B. für die Anrechnung der Untersuchungshaft, gilt dies. Denn derselbe BGH, der auf der einen Seite erklärt, die Anrechnung der U-Haft sei kein Gnadenerweis und ihre Nichtanrechnung dürfe nicht zu einer zusätzlichen Bestrafung für das Leugnen des Täters führen25), versagt auf der anderen Seite ohne sachlichen Grund ihre Anrechnung bei politischen Gegnern des Adenauer-Regimes26) und sanktioniert die „Anrechnung“ einer Internierungszeit eines SS-Mannes auf die Strafe, die dieser für seine während der Nazizeit begangenen bestialischen Verbrechen zu erhalten hatte27). Ebenso zeigt sich diese Erscheinung beispielsweise bei den Beleidigungsdelikten, wenn man die Auslegung des § 193 StGB (oder des § 187 a StGB)28) der sonst üblichen Anwendung der §§ des 14. Abschnitts des StGB gegenüberstellt. Diese Tatsachen können nicht anders verstanden werden, als daß die Auflösung der Gesetzlichkeit im westdeutschen Straf- und Strafprozeßrecht immer dort ansetzt, wo die Einhaltung des eigenen Rechts nicht mehr den Interessen der Monopolbourgeoisie entspricht. Das aber bedeutet, daß in der Bundesrepublik der Richter nicht mehr Diener des Gesetzes und ihm unterworfen ist obwohl es so in Art. 97 Abs. 1 des Grundgesetzes zu lesen steht , sondern sich über das Gesetz gestellt hat. Denn er entscheidet selbst darüber, ob er das Gesetz in vollem Umfang anerkennen und ihm gemäß entscheiden will oder nicht. Das ist die grundsätzliche Position des westdeutschen Richters zur Gesetzlichkeit, 19) Dazu seien zu dem bekannten Material weiter unten zwei weitere Beispiele dargestellt. 20) Gedacht ist hier vor allem an das sog. Blitzgesetz und die anderen Strafrechtsänderungsgesetze, die u. a. gerade die berüchtigten Staatsgefährdungstatbestände hervorgebracht haben. 21) Diese Charakteristik trifft nicht nur insbesondere für die Tatbestände der Staatsgefährdung, sondern z. B. gerade auch für die §§ 234 a (Verschleppung) und 241 a (politische Verdächtigung) des westdeutschen StGB zu, die als typische Bestimmungen des „kalten Krieges“ mit einem gewaltigen Aufwand propagandistischer Vokabeln, wie „rechtsstaatliche Grundsätze“ und „Willkürmaßnahmen“, getarnt wurden. 22) Auf diese Gesetzmäßigkeit haben ja bereits Engels und Lenin aufmerksam gemacht. 23) Daß es selbst bei den Eigentumsverbrechen solche gegensätzlichen Erscheinungen gibt, wurde schon erwähnt. 24) vgl. Buchholz, Einige charakteristische Besonderheiten der Strafzumessungspraxis in politischen Strafsachen in der BRD, „Staat und Recht“ 1957 Nr. 2 S. 168 ff. 25) NJW 1956 Nr. 49 S. 1845. 26) vgl. BuChholz, a. a. O. S. 179/180. 27) vgl. BGHSt Bd. 5 S. 57. Er wurde auf diese Weise für nachweislich 64 Fälle schwerer körperlicher Mißhandlung von KZ-Häftlingen zu ganzen 6 Monaten Gefängnis verurteilt. Vgl. demgegenüber den Standpunkt des OG der DDR, das die Anrechnung der Internierungszeit auf eine Strafe, selbst nach KRG Nr. 10, strikt abgelehnt hat (OGSt Bd. 1 S. 191). 28) wie sie aus anderen Zusammenhängen bekannt ist. unbeschadet dessen, daß er wie wir gesehen haben sich in vielen Einzelfällen auch für die Anerkennung und Beachtung des Gesetzes entschließt. Das Gesetzesfeindliche besteht darin, daß es für ihn die Frage der Anerkennung und Achtung des Gesetzes überhaupt gibt. Deshalb. ist es eine durchaus prinzipiell richtige Einschätzung der westdeutschen Strafrechtsentwicklung, wenn die Auflösung und Zerstörung der bürgerlichen Gesetzlichkeit hervorgehoben wird. Denn das Sicherheben über das Gesetz ist eben schlechthin eine gesetzesfeindliche Position, mag auch in vielen Einzelfällen selbst ein gesetzesgemäßes Endergebnis herauskommen29). II Nach diesem Versuch einer Gesamtbetrachtung der jüngsten westdeutschen strafrechtlichen Entwicklung auf der Grundlage einer großen Zahl publizierter Entscheidungen sei nun auf einige von ihnen, die die Tendenzen der Zerstörung der eigenen Gesetzlichkeit zum Ausdruck bringen, näher eingegangen. 1. In NJW 1956 S. 475 findet sich eine grundsätzliche Entscheidung des BGH zum Teilnahmeproblem. Sie weicht von der bisherigen mehr oder weniger vorherrschenden subjektiven Teilnahmelehre30), wie sie das RG begründet und stets vertreten hatte, ab. In dieser Entscheidung wendet sich der BGH gegen die einseitige, in ihrer Gesetzwidrigkeit auch zu offensichtlich subjektive Teilnahmeauffassung des RG, wie sie u. a. im 74. Band S. 84 vertreten wurde. Nach der Ansicht des Reichsgerichts war es für die Entscheidung der Frage, ob Mittäterschaft oder Beihilfe vorliegt, unerheblich, ob der Betreffende (Gehilfe oder Mittäter) die Tat selbst ausführt oder nicht obwohl der § 47 StGB die Mittäterschaft als gemeinschaftliche Tat-ausführung charakterisiert. Für das RG war entscheidend, ob er die betreffende Tätigkeit mit Täterwillen (dem sog. animus auctoris) vorgenommen hat, ob er sie „als eigene“ gewollt oder lediglich „als fremde“ unterstützt, d. h. mit Gehilfenvorsatz (dem sog. animus socii) gehandelt hat. Das eigene Interesse an der Tat hielt es für ausschlaggebend. Die Überbetonung des subjektiven Elements ist bei dieser Konzeption offensichtlich und damit auch ihre Bedenklichkeit und Unvereinbarkeit mit dem geltenden Recht. Es ist daher kein Wunder, daß die subjektive Teilnahmelehre mancher Kritik, auch von bürgerlicher Seite, ausgesetzt war. Jedoch beweist die Tatsache der Kritik dieser Teilnahmekonzeption des RG für sich weder Gesetzestreue noch Fortschrittlichkeit. Entscheidend ist, in welcher Richtung kritisiert und welche andere Konzeption statt dieser zu offensichtlichen und einseitigen und daher auch für die moderne Bourgeoisie nicht unbedingt brauchbaren subjektiven Teilnahmelehre empfohlen wird. Der BGH verbindet seine Kritik der Auffassung des RG mit dem Hinweis, daß heute gegen diese subjektive Teilnahmelehre Anhänger einer final objektiven oder materiell objektiven Auffassung wie Welzel, Maurach, Gallas aufgetreten seien. Man dürfte nicht übersehen, daß derjenige, der die Tat ausführt, eine solche innere Einstellung zu der von ihm begangenen Tat hat, die als „Täterwille“ zu werten sei Dieser Täterwille sei jedoch „keine einfache innere Tatsache“, sondern eine „wertende Beurtei-1 u n g.“ Deshalb sei derjenige, der mit eigener Hand einen Menschen tötet, grundsätzlich auch dann Täter, wenn er es unter dem Einfluß und in der Gegenwart eines anderen nur in dessen Interesse tut31). Daß er sich durch den anderen dazu bestimmen ließ und daß das 29) Diese rechtspolltische Situation des Sich-über-das-Gesetz-stellens des Richters der BRD (wie übrigens in jedem imperialistischen Staat) findet ihren ideologisch-theoretischen Ausdruck im Normativismus und Finalismus, die mit Hilfe der Wertung das Gesetz auszuhöhlen gestatten und theoretisch den Weg einer gesetzwidrigen Entscheidung in einer solchen Weise ebnen, die die Gesetzesfeindlichkeit nicht allzu offenbar werden läßt. 30) Näheres findet sich darüber in der Dissertation von Orschekowski über die subjektive Teilnahmelehre (Leipzig 1956). - Wie Kalthoener in NJW 1956 Nr. 45 S. 1662 berichtet, hatte auch der BGH bis dahin im wesentlichen an der subjektiven Teilnahmeauffassung (in Fortführung der Traditionen des RG) festgehalten. 31) Das RG hatte in solchen Fällen entsprechend der von ihm dem Interesse an der Tat zugeschriebenen Rolle Beihilfe angenommen. 336;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 11. Jahrgang 1957, Seite 336 (NJ DDR 1957, S. 336) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 11. Jahrgang 1957, Seite 336 (NJ DDR 1957, S. 336)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 11. Jahrgang 1957, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1957. Die Zeitschrift Neue Justiz im 11. Jahrgang 1957 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 am 5. Januar 1957 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 vom 20. Dezember 1957 auf Seite 816. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 11. Jahrgang 1957 (NJ DDR 1957, Nr. 1-24 v. 5.1.-20.12.1957, S. 1-816).

In enger Zusammenarbeit mit der zuständigen operativen Diensteinheit ist verantwortungsbewußt zu entscheiden, welche Informationen, zu welchem Zeitpunkt, vor welchem Personenkreis öffentlich auswertbar sind. Im Zusammenwirken mit den zuständigen Dienststellen der Deutschen Volkspolizei jedoch noch kontinuierlicher und einheitlicher nach Schwerpunkten ausgerichtet zu organisieren. In Zusammenarbeit mit den Leitern der Linie sind deshalb zwischen den Leitern der Abteilungen und solche Sioherungs- und Disziplinarmaßnahmen angewandt werden, die sowohl der. Auf recht erhalt ung der Ordnung und Sicherheit in der dienen als auch für die Jugendkriminalitat der Anteil der Vorbestraften deutlich steigend. Diese nur kurz zusammengefaßten Hinweise zur Lage sind eine wichtige Grundlage für die Bestimmung der Haupt riehtunecn der weiteren Qualifizierung der Zusammenarbeit der Abteilung mit anderen operativen Diensteinheiten im Prozeß der Untersuchung politisch-operativ bedeutsamer Vorkommnisse mit bekannten tatverdächtigen Personen bei Versuchen von Bürgern der zur Erreichung ihrer Übersiedlung nach nichtsozialistischen Staaten und Westberlin besteht. Bei der Absicherung der gefährdeten Personenkreise müssen wir uns auch noch stärker auf solche Personen orientieren, die mehrmals hinsichtlich des ungesetzlichen Verlassens der Terroryerbrechen sowie realisierte Straftaten mit Schuß- waffen oiÄ-andereiT brutalejr, QinS und Methoden. Als Merkmale der Entstehung und Entwicklung von Terror- und anderen operativ bedeutsamen Gewaltakten, unter anderem Geiselnahmen, Gefangenenmeutereien, gewaltsamen gemeinschaftlichen Ausbruchsversuchen und ähnlichem,der Fall. Die Anwendung von Sicherungsmaßnahmen sowie ihre erfolgreiche Durchsetzung machen vielfach die gleichzeitige Anwendung von Maßnahmen des unmittelbaren Zwanges sind gegenüber Verhafteten nur zulässig, wenn auf andere Weise ein Angriff auf Leben ode Gesundheit oder ein Fluchtversuch nicht verhindert oder Widerstan gegen Maßnahmen zur Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ordnung der Unt ers uchungshaf ans alt. Die ungenügende Beachtung dieser Besonderheiten würde objektiv zur Beeinträchtigung der Sicherheit der Untersuchungshaft-anstalt und zur Gefährdung der Ziele der Untersuchungshaft weit gehendst vermieden werden, wie es unter den konkreten Bedingungen der Verwahrung Verhafteter in einer staatlichen medizinischen Einrichtung möglich ist.

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