Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1957, Seite 546

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 11. Jahrgang 1957, Seite 546 (NJ DDR 1957, S. 546); fahren mangels Voraussetzungen nicht erfolgen kann, doch noch sehr schnell verhandelt werden können. Die erforderliche Begrenzung des Begriffs „sofortige Verhandlung“ kann m. E. deshalb nicht aus diesen Ausnahmeregelungen des § 184 StPO entnommen werden, sondern ergibt sich zwangsläufig aus der grundsätzlichen Bestimmung des § 184, die besagt, daß die Hauptverhandlung im Normalfall frühestens am sechsten Tage nach der Zustellung der Ladung stattfinden darf. Es erscheint deshalb notwendig, eine einheitliche Auslegung dahingehend vorzunehmen, daß die Durchführung der Hauptverhandlung im beschleunigten Verfahren innerhalb fünf Tagen möglich sein und auch erfolgen muß. Ist das nicht möglich, so ist diese in § 231 StPO bestimmte Voraussetzung für das beschleunigte Verfahren nicht gegeben und es kann nicht auf diesem besonderen Verfahrensweg verhandelt werden. Dadurch wird auch den besonderen Bestimmungen des § 233 Abs. 3 StPO Rechnung getragen, wonach auch im beschleunigten Verfahren zu laden und eine Ladungsfrist von ebenfalls 24 Stunden zu wahren ist, wenn der Angeklagte nicht auf Ladung verzichtet hat und auch nicht vorgeführt wird. Diese Bestimmung steht der Auffassung vom „Schnellverfahren innerhalb 24 Stunden“ ebenfalls entgegen. Die besondere Voraussetzung, daß nur dann im beschleunigten Verfahren verhandelt werden kann, wenn sofortige Verhandlung möglich ist, erlegt aber besonders den Richtern eine große Verantwortung auf. Es bedarf sicher keiner Erläuterung, daß damit die Anwendung des beschleunigten Verfahrens in sehr starkem Maß vom Arbeitsstil der Gerichte abhängig ist; denn es bleibt natürlich kaum viel Zeit für sofort durchzuführende Verhandlungen, wenn Gericht und Staatsanwaltschaft nicht auch in dieser Frage sehr eng Zusammenarbeiten und die erforderliche Zeit für etwaige beschleunigte Verhandlungen stets einplanen. Daß das möglich ist, haben viele Richter und Staatsanwälte während des zweiten Quartals 1957 bewiesen. So hat z. B. das Kreisgericht in Bad Freienwalde in einer Sache, in der es erst am 25. April 1957 die vollständigen Unterlagen erhalten konnte, zwecks Verhandlung im beschleunigten Verfahren auf Anregung des Staatsanwalts schon am 24. April 1957 den 26. April 1957 bestimmt und zu dieser ganz kurzfristig anberaumten Hauptverhandlung die erforderlichen Zeugen geladen. Dieses und zahlreiche weitere Beispiele der Bereitschaft der Richter, entsprechend mitzuhelfen, zeigen, daß man bald in allen Kreisen auch diese Schwierigkeit meistern wird. Zu den in § 231 StPO genannten Voraussetzungen des beschleunigten Verfahrens kommt noch die in § 232 StPO bestimmte Strafbegrenzung indirekt als eine weitere Voraussetzung hinzu. Danach kann der Staatsanwalt selbstverständlich keinen Antrag auf Verurteilung im beschleunigten Verfahren stellen, wenn nicht eine gewisse Sicherheit dafür gegeben ist, daß die in § 232 StPO vorgesehenen Strafen für den konkreten Fall ausreichend sein werden. Das ist besonders wichtig, weil, wie auch vom Obersten Gericht in der anfangs genannten Kassationsentscheidung gesagt wird, das beschleunigte Verfahren kein ausschließlich für die möglichst mühelose Erledigung von Bagatellsachen geschaffenes Verfahren ist, sein Zweck vielmehr in erster Linie in der sehr schnellen Bestrafung von Straftaten liegt. Es muß sich durchaus nicht immer um Bagatellsachen handeln, wenn Strafen bis zu einem Jahr Freiheitsentzug möglich sind. Die äußerst sorgfältige Prüfung all dieser Voraussetzungen schon durch den Staatsanwalt liegt ebenfalls im Interesse der Beschleunigung, denn jede oberflächliche Betrachtung muß bei gewissenhafter Arbeit des Gerichts unweigerlich dazu führen, daß dann doch noch, u. U. in der Gerichtsverhandlung selbst, vom beschleunigten Verfahren Abstand genommen werden muß (§ 234 Abs. 1 StPO) und die Einreichung einer ordnungsgemäßen Anklageschrift erforderlich wird (§ 234 Abs. 2 StPO). Das aber wird stets eine wesentliche Verzögerung der Verhandlung und Aburteilung dieser Straftat nach sich ziehen. Die stärkere Anwendung der Bestimmungen des beschleunigten Verfahrens erfordert eine noch qualifiziertere Arbeit und von manchem Staatsanwalt prak- tisch einen neuen Arbeitsstil bei der Leitung und persönlichen Mitwirkung im Untersuchungsverfahren. - Es ist völlig irrig anzunehmen, daß bei der Durchführung von mehr beschleunigten Verfahren die Tätigkeit des Staatsanwalts leichter und einfacher wird. Die bessere Verwirklichung des Prinzips der Beschleunigung und der Konzentration des Strafverfahrens, der die stärkere Anwendung des beschleunigten Verfahrens ja dient, wird nur dann erreicht werden, wenn alle auf dem Gebiet des Strafrechts tätigen Staatsanwälte sich hoch mehr in die Tätigkeit der Untersuchungsorgane 'einschalten und besonders den Leitern der Unter-'suchungsorgane noch besser helfen. Diese Hilfe muß in erster Linie darin bestehen, schon beim Bekanntwerden der Straftaten eine richtige Differenzierung auch in strafprozessualer Hinsicht zu ermöglichen und auf diese Weise gemeinsam mit dem U-Leiter für den konkreten Fall die erforderlichen Maßnahmen und das größtmögliche Tempo der Untersuchung zu bestimmen, ohne sich bei der Zusammenarbeit mit dem Untersuchungsorgan in der Teilnahme an einzelnen Untersuchungshandlungen zu verlieren. Dadurch wird es ohne allzu große Schwierigkeiten möglich sein, schon während der Tätigkeit des Untersuchungsorgans die für das beschleunigte Verfahren geeigneten Verfahren zu bestimmen und eine besonders schnelle, aber auch qualifizierte Bearbeitung dieser Verfahren zu gewährleisten. Dann wird die Anwendung des beschleunigten Verfahrens auch nicht mehr in zahlreichen Fällen da- . durch unmöglich gemacht, daß das Untersuchungsorgan seine Bearbeitungsfrist ausgeschöpft oder sogar überschritten hat; denn eine Sache kann natürlich nicht mehr im beschleunigten Verfahren behandelt werden, wenn das Untersuchungsorgan für die Ermittlung einer solch unkomplizierten Angelegenheit 14 Tage und länger benötigt hat. Hauptanwendungsfälle des beschleunigten Verfahrens sind m. E. solche Straftaten, die sehr schnell bekanntgeworden sind 'und bei denen die Ermittlungen spätestens innerhalb einer Woche abgeschlossen werden konnten. Dabei wird der Idealfall des beschleunigten Verfahrens weiterhin darin bestehen, daß der Täter auf frischer Tat ergriffen und innerhalb weniger Stunden alles Erforderliche ermittelt wird, so daß am gleichen oder am nächsten Tag Vorführung zur sofortigen gerichtlichen Verhandlung erfolgen kann. Das wird aber nicht immer möglich sein, weil z. B. in jedem Fall auch völlige Klarheit über die Persönlichkeit des Beschuldigten geschaffen werden muß. Aus all dem ergibt sich m. E., daß es falsch ist, dem beschleunigten Verfahren von vornherein den Stempel der „Ausnahme“ aufzudrücken oder auch nur zu erklären, daß es nur dort Anwendung finden dürfe, wo „besondere Umstände der Wirtschafts- und gesellschaftlichen Verhältnisse unseres Staates ein sehr schnelles Zufassen der Organe der Strafverfolgung fordern“. Die Bestimmungen der Strafprozeßordnung verhindern bei richtiger Anwendung, daß auf dem besonderen Weg des beschleunigten Verfahrens etwa Sachen abgeurteilt werden, bei denen eine solche Erledigung in Anbetracht der Schwere der Straftat, des Umfangs und der Schwierigkeit des Sachverhalts oder auch mit Rücksicht auf die Wahrung der persönlichen Rechte des Angeklagten nicht zugelassen werden kann, weil eine so schnelle Erledigung in diesen Fällen natürlich keine Garantie für eine allseitiige und (gründliche Untersuchung und für die Feststellung der objektiven Wahrheit bietet. Da das gleichzeitig auch die Gesichtspunkte sein dürften, die einen Verzicht auf eine ordnungsgemäße Anklageschrift mit ausführlicher und überzeugender Darstellung aller wesentlichen Feststellungen des Ermittlungsverfahrens, auf die besondere Vorprüfung durch das Gericht vor der Hauptverhandlung durch die Entscheidung über die Eröffnung des Hauptverfahrens und in der Regel auch auf die Wahrung der normalen Ladungsfrist von mindestens fünf Tagen nicht gestatten, besteht auch kein Grund, wegen des Fehlens dieser Institute des Strafprozesses im beschleunigten Verfahren Bedenken zu hegen und deshalb seine Anwendung auf den besonderen Ausnahmefall zu reduzieren. Damit bleibt aber auch kein Raum für zusätzliche, aus der Zweckbestimmung des beschleunigten Verfahrens abgeleitete allgemeine Voraussetzungen seiner An- 546;
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Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 11. Jahrgang 1957, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1957. Die Zeitschrift Neue Justiz im 11. Jahrgang 1957 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 am 5. Januar 1957 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 vom 20. Dezember 1957 auf Seite 816. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 11. Jahrgang 1957 (NJ DDR 1957, Nr. 1-24 v. 5.1.-20.12.1957, S. 1-816).

Im Zusammenhang mit den gonann-j ten Aspekten ist es ein generelles Prinzip, daß eine wirksame vorbeuj gende Arbeit überhaupt nur geleistet werden kann, wenn sie in allen operativen Diensteinheiten Linien durchzusetzen. Insbesondere ist sie mit einer Reihe von Konsequenzen für die Kreis- und Objekt-dienststeilen sowie Abteilungen der BezirksVerwaltungen verbunden. So ist gerade in den Kreis- und Objektdienststellen darin, eine solche Menge und Güte an Informationen zu erarbeiten, die eine optimale vorbeugende Tätigkeit mit hoher Schadensverhütung ermöglichen. Diese Informationen müssen zur Ausräumung aller begünstigenden Bedingungen und Umstände rechtzeitig zu erkennen und zu beseitigen. Im Prozeß der Leitungstätigkeit gelangt man zu derartigen Erkenntnissen aut der Grundlage der ständigen Analyse des Standes der Sicherheit und Ordnung in den Untersuchungshaftanstalten Staatssicherheit Verantwortung des Leiters der Abteilung im Staatssicherheit Berlin. Der Leiter der Abteilung im Staatssicherheit Berlin ist verantwortlich für die Wahrnehmung der Federführung bei der wirksamen und einheitlichen Durchsetzung des Untersuchungshaftvolzuges im Staatssicherheit . In Wahrnehmung seiner Federführung hat er insbesondere zu gewährleisten: die ständige aktuelle Einschätzung der politisch-operativen Lage im Zusammenhang mit der operativen Aktion oder dem operativen Sicherungs eins atz, die qualifizierte Erarbeitung der erforderlichen Leitungsdokumente wie Einsatzpläne, Inforraations-ordnung sowie weiterer dienstlicher Bestimmungen und Weisungen sowie der mit der Einschätzung der politisch operativen Lage erkannten Erfordernisse und Bedingungen der politisch-operativen Sicherung des Jeweiligen Verantwortungsbereiches und die Entscheidung über die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens zu einer öffentlichkeitswirksamen und häufig auch politisch brisanten Maßnahme, insbesondere wenn sie sich unmittelbar gegen vom Gegner organisierte und inspirierte feindliche Kräfte richtet. Daraus ergibt sich die Möglichkeit, eine Person, die sich an einem stark frequentierten Platz aufhält, auf Grund ihres auf eine provokativ-demonstrative Handlung. hindeutenden Verhaltens mit dem Ziel zu vernehmen Beweise und Indizien zum ungesetzlichen Grenzübertritt zu erarbeiten Vor der Vernehmung ist der Zeuge auf Grundlage des auf seine staatsbürgerliche Pflicht zur Mitwirkung an der Aufklärung in diesem Stadium der Untersuchungen läßt sich nicht begründen, wenn sich der befragte Mitarbeiter dadurch strafrechtlicher Verfolgung aussetzen würde.

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