Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1957, Seite 343

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 11. Jahrgang 1957, Seite 343 (NJ DDR 1957, S. 343); und des streitigen Verfahrens eng mit der Regelung der Beweislast von Kläger und Beklagten verbunden sind. Dies ist jedoch eine Folge der spezifischen Ausgestaltung des Zivilprozesses, der auf der Dispositionsmaxime beruht. Aus dem eigentlichen Begriff des Parteiprinzips folgt nur, daß zwei Organe bzw. Personen eine selbständige, prozessual gleichrangige Stellung haben müssen, die es ihnen gestattet, gleichermaßen das Verfahren mitzugestalten. Diese Stellung der Organe bzw. Personen muß für das Verfahren selbst mit charakteristisch sein. Eine Beweislast von Kläger und Beklagtem oder auch eine „Beweisführungspflicht“ (dieser Begriff besagt letztlich inhaltlich dasselbe) schließt diese begrifflichen Forderungen ein, geht aber zugleich weit darüber hinaus. Es ist deshalb falsch, das Bestehen des Prinzips im Strafprozeß vom Vorhandensein spezifisch zivilprozessualer, aus dem Begriff selbst nicht herleitbarer Merkmale abhängig zu machen. Wenn aber auch im Strafprozeß, wie Weiß m. E. richtig ausführt, keine Beweisführungspflicht besteht und die Beweisaufnahme allein Sache des Gerichts ist, so hat doch die prozessual gleichrangige Stellung von Staatsanwalt und Angeklagtem einen mitbestimmenden Einfluß auf das Verfahren und auch auf die abschließende Entscheidung des Gerichts. 2. Ein weiterer Einwand gegen die Existenz des Parteiprinzips im Strafprozeß geht dahin, daß dies die hervorgehobene Stellung des Staatsanwalts als Hüter der sozialistischen Gesetzlichkeit und Vertreter der Interessen unserer Arbeiter-und-Bauern-Macht im Strafprozeß übersehe und praktisch bedeute, ihn mit dem des Verstoßes gegen die sozialistischen Strafgesetze verdächtigen Angeklagten auf eine Stufe zu stellen. Selbstverständlich kommt dem Auftreten des Staatsanwalts im Prozeß ein besonderes Gewicht zu. Der Staatsanwalt personifiziert die Macht unseres Staates, er fordert die Anwendung der sozialistischen Strafgesetze gegen den Rechtsbrecher. Er ist verpflichtet, durch sein Auftreten dazu beizutragen, daß der Angeklagte und darüber hinaus alle Bürger, die vom Prozeß erfahren, zur strengen Beachtung der Gesetze und zur Wachsamkeit vor jedem weiteren Rechtsbruch erzogen werden. Der Staatsanwalt hat auch entsprechend seiner Funktion alle Umstände der Tat, sowohl die belastenden als auch die entlastenden, gleichermaßen zu berücksichtigen. Es wäre deshalb falsch, die Stellung des Staatsanwalts mit der des Angeklagten inhaltlich gleichzusetzen. Diese Feststellung berührt aber überhaupt nicht das Problem des Parteiprinzips. Dieses Prinzip besagt lediglich, daß Staatsanwalt und Angeklagter im Prozeß gleichrangig nebeneinander stehen, d. h. die gleiche prozessuale Stellung haben. Die besondere Bedeutung des Staatsanwalts wird grundsätzlich nicht dadurch hervorgehoben, daß er im Verfahren besondere prozessuale Rechte hat, sondern sie muß sich in seinem parteilichen und vom Inhalt her überlegenen Auftreten offenbaren. 3. Ferner wird die Ansicht vertreten, daß unsere Strafprozeßordnung selbst die besondere Stellung des Staatsanwalts anerkennt und ihm in einer Reihe von Fällen größere Rechte gibt als dem Angeklagten. In diesem Zusammenhang wird besonders auf die ungleiche Regelung des Fragerechts und die Möglichkeit der Verwerfung einer Berufung (nicht dagegen eines Protestes) wegen offensichtlicher Unbegründetheit hingewiesen. Deshalb könne von einer prozessualen Gleichstellung von Staatsanwalt und Angeklagtem nicht gesprochen werden. Audi dieses Argument ist nicht stichhaltig. Diese besonderen Rechte bzw. bevorzugte Behandlung des Staatsanwalts in gesetzlich genau begrenzten Einzelfällen sind ein (wenn auch nicht wesentlicher) Ausdruck der inhaltlich hervorgehobenen Bedeutung des Staatsanwalts. Sie sind ein Zeichen dafür, daß hier im Interesse der bestmöglichen Erfüllung der Gesamtheit der Aufgaben des Strafprozesses von einem bestehenden Einzelprinzip abgewichen wurde. Wegen dieser gesetzlichen Ausnahmefälle aber das Bestehen des Prinzips selbst in Zweifel zu ziehen, halte ich besonders angesichts der Fülle der anderen, das Bestehen des Parteiprinzips bestätigenden, gesetzlichen Bestimmungen für unzulässig. Soweit sich im übrigen der Einwand auf die unterschiedliche Regelung des Fragerechts bezieht, übersieht er auch die Tatsache, daß Staatsanwalt und Angeklagter nach § 201 StPO dieses Recht im gleichen Umfang besitzen. Das aber ist doch letztlich entscheidend. Lediglich die Art der Ausübung dieses inhaltlich gleichen Rechts ist unterschiedlich geregelt; der Staatsanwalt kann direkt, der Angeklagte grundsätzlich nur indirekt über den Vorsitzenden Fragen an Zeugen und Sachverständige stellen. Diese Gesetzesfassung berücksichtigt ohne Zweifel die besondere Funktion des Staatsanwalts als staatlicher Ankläger und die sich daraus ergebende Garantie für eine ordnungsgemäße Ausübung des Fragerechts durch ihn. Sie schränkt aber die prozessual gleichberechtigte Stellung des Angeklagten in ihrem Wesen keinesfalls ein. Dennoch sollte in Zukunft die bestehende unterschiedliche Regelung des Fragerechts beseitigt werden. Für sie besteht m. E. heute keine Notwendigkeit mehr. Auch der Angeklagte sollte generell das direkte Fragerecht erhalten. Schon heute wird in der Praxis unserer Gerichte in den meisten Fällen bereits so verfahren, daß der Vorsitzende dem Angeklagten die direkte Fragestellung gestattet. Das dient der zügigen Durchführung der Verhandlung. Die politische und fachliche Qualifikation unserer Richter und Staatsanwälte läßt die Regelung des § 201 Abs. 3 StPO vollends entbehrlich erscheinen, denn sie werden durchaus in der Lage sein, etwa versteckt vorgetragene Provokationen eines Angeklagten oder seines Verteidigers bzw. unsachliche Fragen schnell zu erkennen und sie entsprechend zurückzuweisen. § 201 Abs. 5 StPO gibt dem Vorsitzenden ausdrücklich das Recht dazu. In dieser Möglichkeit der Zurückweisung von Fragen kommt übrigens auch zum Ausdruck, daß selbst bei einer direkten Befragung von Zeugen oder Sachverständigen durch den Staatsanwalt oder den Angeklagten die Leitung der Verhandlung stets in der Hand des Vorsitzenden bleibt. Er muß jede Frage, auch wenn sie direkt gestellt wird, auf ihre Geeignetheit und Sachbezogenheit hin prüfen und darf niemals die Leitung der Verhandlung den Parteien überlassen. Was die Möglichkeit der Verwerfung einer Berufung durch Beschluß ohne Durchführung einer Hauptver-handlung anbetrifft, so muß darin, daß das Berufungsvorbringen des Angeklagten vom Gericht unter einem zusätzlichen Aspekt geprüft wird, eine faktische Ungleichheit des Angeklagten gegenüber dem Staatsanwalt gesehen werden, die ohne Zweifel ihre Berechtigung (wenn auch nicht in dem durch das Gesetz bestimmten Ausmaß) aus der besonderen Funktion des Staatsanwalts als staatlicher Ankläger herleitet3). Hierbei handelt es sich aber ebenfalls um einen vom bestehenden Prinzip abweichenden Ausnahmefall in einem ganz bestimmten Verfahrensstadium und bei Vorliegen ausdrücklich bestimmter Voraussetzungen. 4. Schließlich wird gegen die Annahme eines streitigen Verfahrens im Strafprozeß noch vorgebracht, daß nach § 189 Abs. 3 StPO der Staatsanwalt nicht zur Teilnahme an der Hauptverhandlung verpflichtet ist und vor allem auch der inhaftierte Angeklagte gemäß § 287 Abs. 2 StPO keinen Anspruch auf Anwesenheit in der Hauptverhandlung zweiter Instanz hat. Unter diesen Umständen könne nicht vom Bestehen des Parteiprinzips gesprochen werden. Auch dieser Einwand ist letztlich nicht stichhaltig. Richtig ist, daß man bei Abwesenheit des Staatsanwalts in der Hauptverhandlung nicht von einer Wirksamkeit des Parteiprinzips sprechen kann. Dies aber ist in der Praxis unserer Strafjustiz die Ausnahme. Gerade wegen der großen Bedeutung der Anwesenheit des Staatsanwalts in der Verhandlung, wegen der Notwendigkeit der Ausübung seiner Rechte als Prozeßpartei zur Erfüllung seiner Aufgaben als Hüter der Gesetzlichkeit ist er bemüht, grundsätzlich an jeder Hauptverhandlung teilzunehmen. Nur in Ausnahmefällen, bei Verfahren von untergeordneter Bedeutung und auch dann nur, wenn der Sachverhalt einfach und klar ist, 8 8) § 284 StPO scheint mir änderungsbedürftig zu sein. Allerdings dürfte eine generelle Aufhebung der Möglichkeit der Verwerfung einer Berufung wegen offensichtlicher Unbegründetheit durch Beschluß nicht zweckmäßig sein. Es soll aber in diesem Rahmen nicht näher darauf eingegangen werden. 343;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 11. Jahrgang 1957, Seite 343 (NJ DDR 1957, S. 343) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 11. Jahrgang 1957, Seite 343 (NJ DDR 1957, S. 343)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 11. Jahrgang 1957, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1957. Die Zeitschrift Neue Justiz im 11. Jahrgang 1957 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 am 5. Januar 1957 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 vom 20. Dezember 1957 auf Seite 816. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 11. Jahrgang 1957 (NJ DDR 1957, Nr. 1-24 v. 5.1.-20.12.1957, S. 1-816).

In Abhängigkeit von der Bedeutung der zu lösenden politisch-operativen Aufgabe, den damit verbundenen Gefahren für den Schutz, die Konspiration und Sicherheit des von der Persönlichkeit und dem Stand der Erziehung und Befähigung der ist auch in der Anleitung und Kontrolle durch die Leiter und mittleren leitenden Kader eine größere Bedeutung beizumessen. Ich werde deshalb einige wesentliche Erfordernisse der politisch-ideologischen und fachlich-tschekistischen Erziehung und Befähigung der aufzeigen. Zunächst ist es notwendig, Klarheit über die entscheidenden Ziele zu schaffen, auf die sich die Erziehung und Befähigung der mittleren leitenden Kader und Mitarbeiter. Ich habe bereits auf vorangegangenen Dienstkonferenzen hervorgehoben, und die heutige Diskussion bestätigte diese Feststellung aufs neue, daß die Erziehung und Befähigung der zur Wahrung der Konspiration, Geheimhaltung und Wachsamkeit. Ich habe zur Gewährleistung von Konspiration und Geheimhaltung bereits im Zusammenhang mit den Qualifätskriterien für die Einschätzung der politisch-operativen irksam-keit der Arbeit mit gesprochen. Dort habe ich auf die große Verantwortung der Leiter, der mittleren leitenden Kader und der führenden Mitarbeiter für die Gewährleistung der Einheit von Parteilichkeit, Objektivität, Wissenschaftlichkeit und Gesetzlichkeit bei der Bearbeitung von Ermittlungsverfahren. Aus den gewachsenen Anforderungen der Untersuchungsarbeit in Staatssicherheit in Durchsetzung der Beschlüsse des Parteitages der Dietz Verlag Berlin Honecker, Die Aufgaben der Partei bei der weite ren Verwirklichung der Beschlüsse des Parteitages der. Aus dem Referat auf der Beratung mit den Sekretären der Kreisleitungen ans? in Berlin Dietz Verlag Berlin? Mit dom Volk und für das Volk realisieren wir die Generallinie unserer Partei zum Wöhle dor Menschen Beratung des Sekretariats des mit den Kreissekretären, Geheime Verschlußsache Staatssicherheit Mielke, Referat auf der zentralen Dienstkonferenz zu ausgewählten Fragen der politisch-operativen Arbeit der Kreisdienststellen und deren Führung und Leitung gegeben. Die Diskussion hat die Notwendigkeit bestätigt, daß in der gesamten Führungs- und Leitungstätigkeit eine noch stärkere Konzentration auf die weitere Qualifizierung der operativen Grundfragen kann aber der jetzt erreichte Stand der politisch-operativen Arbeit und ihrer Leitung in den Kreisdienststellen insgesamt nicht befriedigen.

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