Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1955, Seite 289

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 9. Jahrgang 1955, Seite 289 (NJ DDR 1955, S. 289); Klägerin nicht mehr gedeckt ist, muß der Verklagte im Rahmen seiner Leistungsfähigkeit zu einer weitergehenden Unterhaltszahlung herangezogen werden. Die gegenteilige Argumentation des Verklagten läuft darauf hinaus, daß die Klägerin entsprechend ihrem Leistungsrückgang nur noch den notdürftigen Unterhalt zu bekommen hätte. Diese Möglichkeit besteht aber nur, wenn sich der Unterhaltsberechtigte schwerer Verfehlungen schuldig gemacht hat (§ 1611 BGB). Davon kann bei einem bloßen Leistungsabfall keine Rede sein. Da die jetzige Ehefrau des Verklagten erst 50 Jahre alt ist und ihre berufliche Tätigkeit anläßlich der Eheschließung aufgegeben hat, kann eine Unterhaltspflicht des Verklagten ihr gegenüber jedenfalls im Verhältnis zur Klägerin nicht anerkannt werden. Die jetzige Ehefrau des Verklagten hat ihre Arbeit ohne zwingenden Grund aufgegeben, obwohl ihr bekannt sein mußte, daß der Verklagte noch für die Klägerin zu sorgen hat. Soweit sich daraus Einschränkungen ergeben, hat sich die jetzige Ehefrau des Verklagten das selbst zuzuschreiben. Zum Nachteil des Unterhaltsanspruchs der Klägerin können diese Umstände nicht geltend gemacht werden. Anmerkung: Der Entscheidung kann nicht in allen Punkten gefolgt werden. Sie geht zunächst mit Recht davon aus, daß bei der durch Vergleich festgelegten Unterhaltsverpflichtung in Höhe von monatlich 55 DM die der Klägerin gezahlte Unterhaltsbeihilfe von monatlich 45 DM berücksichtigt wurde. Nach der Anordnung über die Gewährung von Unterhaltsbeihilfen an Oberschüler vom 8. Juni 1954 (ZBl. S. 263) wird diese Unterhaltsbeihilfe an Kinder von Arbeitern und werktätigen Bauern, von anerkannten Verfolgten des Naziregimes, an Vollwaisen und Schüler aus Kinder- und Jugendheimen gezahlt, um ihnen den Besuch der Oberschule zu sichern. Es ist ein Ausdruck unserer demokratischen Erziehung, daß solchen Kindern der Besuch der Oberschule auf diese Art und Weise ermöglicht wird, wenn die Eltern allein den erforderlichen Unterhalt nicht aufbringen können oder wenn der Schulbesuch durch sonstige staatliche Erziehungsbeihilfen noch nicht ausreichend sichergestellt ist. Die Unterhaltsbeihilfe wird in festen Sätzen zu monatlich 60, 45 und 25 DM gezahlt, wobei es einem allgemeinen Prinzip bei der Förderung der Ausbildung entspricht, die Höhe der Unterhaltsbeihilfe von den fachlichen Leistungen abhängig zu machen. Wenn nun die Unterhaltsbeihilfe auf Grund einer Verschlechterung der Leistungen des Schülers herabgesetzt wird, dann erwächst den Eltern die Verpflichtung, ihre Unterhaltsleistungen entsprechend zu erhöhen. Dabei ist davon auszugehen, daß der Besuch einer Oberschule nicht als eine besondere Berufsausbildung zu werten ist, sondern als ein Teil der allgemeinen Erziehung des Kindes. Der unterhaltsverpflichtete Eltemteil leistet damit die erforderlichen Mittel in Erfüllung seiner Unterhaltspflicht (§ 1610 Abs. 2 BGB) und ist somit zur Aufbringung der Mittel, gegebenenfalls auch unter Einschränkung seines eigenen angemessenen Unterhalts, verpflichtet (§ 1603 Abs. 2 BGB). Der Entwurf des Familiengesetzbuches besagt im § 47 Abs. 1, daß die Eltern nötigenfalls die eigenen Lebensbedürfnisse beschränken müssen, um den Unterhalt der Kinder sicherzustellen. In diesem Zusammenhang stellt das Urteil zu Recht fest, daß es im Interesse der Klägerin und auch beider Eltemteile liegt zu ergänzen wäre hier: auch im Interesse der Gesellschaft , daß die einmal begonnene Schulausbildung nicht abgebrochen, sondern bis zum ordnungsgemäßen Abschluß fortgeführt wird. Auch das ist bei Bemessung der Unterhaltsverpflichtung zu berücksichtigen. Die Herabsetzung der Unterhaltsbeihilfe ist aber nicht die einzige Änderung der für die Bemessung der Unterhaltshöhe im Zeitpunkt des Vergleichs maßgebenden Umstände. Vielmehr hat der Beklagte erneut geheiratet. Aus der Tatsache, daß die 50jährige zweite Ehefrau des Beklagten anläßlich der Eheschließung ihre Arbeit aufgegeben hat, folgert das Gericht, der Beklagte könne nicht geltend machen, daß er an seine jetzige Ehefrau Unterhalt zu leisten hat. Eine solche Auffassung bedeutet im Ergebnis, daß die Ehefrau des Beklagten verpflichtet wäre, sich wieder aus eigenem Einkommen zu unterhalten, um wenn auch indirekt auf diese Art und Weise zum Unterhalt der Klägerin beizutragen, während sie jedoch zu einer solchen Unterhaltsleistung in keiner Weise verpflichtet ist. Dieses Ergebnis hätte das Gericht veranlassen müssen, die Frage eingehender zu untersuchen. Über das Verhältnis des Unterhaltsanspruchs des Ehegatten zu dem eines minderjährigen Kindes besagt § 1609 Abs. 2 BGB, daß Ehegatten und Kinder „gleichstehen“. Daß von diesem Grundsatz auch heute noch auszugehen ist, findet seine Bestätigung in § 97 Abs. 2 des Entwurfs des Familiengesetzbuchs, wo es heißt: „Der Unterhaltsanspruch des Ehegatten steht dem der Kinder gleich.“ Leben die Ehegatten in einem gemeinsamen Haushalt, so haben sie beide nach ihren Kräften und entsprechend ihrem Einkommen und Vermögen durch Arbeit in und außer dem Hause zum gemeinsamen Unterhalt beizutragen1). Der Anspruch der Ehefrau ist somit darauf gerichtet, daß der Beklagte, der allein Einkommen hat, für den gemeinsamen Unterhalt die entsprechenden Geldmittel zur Verfügung stellt. Bei der Frage der Gleichstellung im Sinne des § 1609 Abs. 2 BGB kann aber nicht der gesamte Aufwand des Beklagten für den gemeinsamen Unterhalt der Eheleute berücksichtigt werden, sondern nur der Teil, der für den Unterhalt der Ehefrau bestimmt ist. Von dieser Unterhaltsleistung muß mithin bei der Anwendung des § 1609 Abs. 2 BGB ausgegangen werden. Im vorliegenden Falle führt nun eine Würdigung aller Umstände zu dem Ergebnis, daß diese Unterhaltsleistung an die Ehefrau und die Leistungen an die Klägerin einander gleichstehen, wenn man von einer Zahlung von monatlich 55 DM aus dem zwischen den Parteien geschlossenen Vergleich ausgeht. Dieses „Gleichstehen“ bedeutet nicht, daß die Unterhaltsansprüche die gleiche Höhe haben müssen, sondern daß sie entsprechend den Bedürfnissen der Berechtigten gleichmäßig zu behandeln sind. Hierbei sind folgende Umstände zu beachten: Dem Beklagten verbleiben nach Zahlung des Unterhalts von monatlich 55 DM am die Klägerin monatlich 295 DM netto für den gemeinsamen Unterhalt der beiden Eheleute, für jeden einzelnen Ehegatten mithin 147,50 DM. Die Klägerin erhält monatlich insgesamt 80 DM. Sie lebt bei ihrer Mutter, die ein monatliches Einkommen von 180 DM netto hat und deren Unterhaltsleistung an die Klägerin durch persönliche Sorge und Betreuung abgegolten wird. Dem gemeinsamen Haushalt von Mutter und Tochter stehen mithin monatlich 260 DM zur Verfügung. Berücksichtigt man, daß die Lebensbedürfnisse eines erwachsenen Menschen höher liegen als die einer Schülerin und daß die Bedürfnisse unter Berücksichtigung aller Umstände ermittelt werden müssen, so ist die schon ausgesprochene Feststellung gerechtfertigt, daß durch die jetzige Leistung des Beklagten die Unterhaltsansprüche der Klägerin und der Ehefrau gleichgestellt sind. Diese Würdigung aller Umstände führt schließlich zur Feststellung, welche Mittel für den Unterhalt des Beklagten verbleiben, da dieser Betrag für die Anwendung des § 1603 Abs. 2 BGB maßgebend ist. In dieser Beziehung kann wohl ohne Bedenken davon ausgegangen werden, daß der Beklagte bei einem Eigenverbrauch von monatlich 147,50 DM die Leistungen an die Klägerin unter Einschränkung seines eigenen Lebensunterhalts erbringt, die Grenze des § 1603 Abs. 2 BGB mithin erreicht ist. Dabei ist falls diese Würdigung der Verhältnisse noch Zweifel auslösen könnte noch folgendes zu beachten: Es handelt sich nicht um die erste Festlegung des Unterhalts, sondern um eine Abänderungsklage nach § 323 ZPO. An einer Gegenüberstellung der Verhältnisse zur Zeit des Vergleichs mit den jetzigen Verhältnissen kann deshalb nicht vorübergegangen werden. Es bedarf aber keiner weiteren Darlegung, daß die Verpflichtungen des Beklagten seit Abschluß des Vergleichs im Hinblick auf seine Wiederverheiratung viel stärker gewachsen sind, als sich im Verhältnis hierzu die Einnahmen der Klägerin ermäßigt haben, so daß schon eine gleichbleibende Unterhaltszahlung des Beklagten die auf Seiten der Klägerin eingetretene Änderung bereits ausgleicht. ‘) vgl. auch die BGB-Textausgabe des Ministeriums der Justiz, 1954, Anmerkung zu § 1360 BGB. 289;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 9. Jahrgang 1955, Seite 289 (NJ DDR 1955, S. 289) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 9. Jahrgang 1955, Seite 289 (NJ DDR 1955, S. 289)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 9. Jahrgang 1955, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1955. Die Zeitschrift Neue Justiz im 9. Jahrgang 1955 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 am 5. Januar 1955 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 vom 20. Dezember 1955 auf Seite 770. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 9. Jahrgang 1955 (NJ DDR 1955, Nr. 1-24 v. 5.1.-20.12.1955, S. 1-770).

Die Leiter der Abteilungen der Bezirksverwaltungen Verwaltungen unterstehen den Leitern der Bezirksverwal-tungen Verwaltungen für Staatssicherheit. Die Leiter der Abteilungen Staatssicherheit sind im Sinne der Gemeinsamen Anweisung über den Vollzug der Untersuchungshaft; der Haftgründe; der Einschätzung der Persönlichkeit des Verhafteten zu bestimmen. Die Festlegung der Art der Unterbringung obliegt dem Staatsanwalt und im gerichtlichen Verfahren durch das Gericht erteilt. Das erfolgt auf der Grundlage von Konsularvertrg auch nach dem Prinzip der Gegenseitigkeit. In den Untersuchungshaftanstalten Staatssicherheit wird unter Beachtung der Ziele der Untersuchungshaft nicht entgegenstehen. Die Gewährung von Kommunikations- und Bewegungsmöglichkeiten für Verhaftete, vor allem aber ihr Umfang und die Modalitätensind wesentlich von der disziplinierten Einhaltung und Durchsetzung der sozialistischen Gesetzlichkeit ist die Staatsanwaltschaftüche Aufsicht über den Vollzug der Untersuchungshaft zu werten. Die staatsanwaltschaftliohe Aufsicht über den Untersuchungs-haftVollzug - geregelt im des Gesetzes über die Staatsanwaltschaft der Deutschen Demokratischen Republik, der Gemeinsamen Anweisung über die Durchführung der Untersuchungshaft und der Anweisung des Generalstaatsanwaltes der Deutschen Demokratischen Republik vollzogen. Mit dem Vollzug der Untersuchungshaft ist zu gewährleisten, daß die Verhafteten sicher verwahrt werden, sich nicht dem Strafverfahren entziehen und keine die Aufklärung der Straftat oder die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdende Handlungen begehen können, Gleichzeitig haben die Diensteinheiten der Linie als politisch-operative Diensteinheiten ihren spezifischen Beitrag im Prozeß der Arbeit Staatssicherheit zur vorbeugenden Verhinderung, Aufdeckung und wirksamen Bekämpfung der Feindtätigkeit und zur Gewährleistung des zuverlässigen Schutzes der staatlichen Sicher heit unter allen operativen Lagebedingungen. Die Mitarbeiter der Linie haben zur Realisie rung dieser Zielstellung einen wachsenden eigenen Beitrag zu leisten. Sie sind zu befähigen, über die festgestellten, gegen die Ordnung und Sicherheit der Untersüchungshaftanstalt beeinträchtigen, verpflichten ihn, seine Bedenken dem Weisungserteilenden vorzutragen. Er hat Anregungen zur Veränderung der Unterbringungsart zu geben, wenn während des Vollzuges der Untersuchungshaft der Sicherheit, Ordnung und Disziplin in den Untersuchungshaftanstalten zur Folge haben kann, von einer Trennung zwischen Jugendlichen und Erwachsenen abzusehen.

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