Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1955, Seite 186

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 9. Jahrgang 1955, Seite 186 (NJ DDR 1955, S. 186); Welches Ausmaß die Beschäftigung von Widerrufsund Hilfsrichtern annimmt, verrät uns ebenfalls G. Müller an dem besonders krassen Beispiel des Landes Hessen, in dem im Jahre 1949 auf 400 beschäftigte Richter nur ein einziger auf Lebenszeit ernannter Richter kam10). So werden die westdeutschen Richter in einer Lage gehalten, in der sie um ihre Beförderung und um die Existenz überhaupt bangen sollen. Und leider haben diese Maßnahmen auch den von der Adenauerregierung gewünschten Erfolg, wie die westdeutsche Justizpraxis zeigt; denn überwiegend sehen die westdeutschen Richter den Ausweg nicht in der Bekämpfung dieser gesetzwidrigen, unerträglichen Verhältnisse, sondern in Unterwürfigkeit und Dienstfertigkeit. In dieser wirtschaftlichen Abhängigkeit liegt eine der Hauptursachen für die wachsende Uniformierung und Faschisierung der westdeutschen Rechtsprechung, sie ist die Ursache dafür, daß die Exekutive es immer unverhüllter wagt, den Richtern Weisungen zu erteilen. Eine derartige Zerstörung der richterlichen Unabhängigkeit das erkennt man in Bonn sehr genau bedarf der ideologischen Vorbereitung, um den Richter daran zu gewöhnen, seine Entscheidungen auf andere Grundlagen als das Gesetz zu stellen. Zur Beseitigung der Bindung des Richters an das Gesetz knüpft man auch in dieser Frage an die erzreaktionäre Praxis des ehemaligen Reichsgerichts an, das in seinem berüchtigten Urteil vom 4. November 1924 das Recht und die Pflicht des Richters proklamierte, die Verfassungsmäßigkeit von Gesetzen zu prüfen. In Westdeutschland herrscht heute infolge der Bemühungen der imperialistischen Rechtsideologen die Ideologie des sog. „überpositiven Rechts“ oder „Naturrechts“, an dem der Richter jede Rechtsnorm zu messen und auf ihre Gültigkeit zu prüfen habe. Dieses angebliche „Naturrecht“ hat nichts zu tun mit den Rechtsanschauungen der Epoche der Aufklärung und des revolutionären Kampfes der aufstrebenden Bourgeoisie gegen die Willkür des Feudalstaates. Es ist nichts anderes als ein Ausdruck der Anschauungen und ihnen zu Grunde liegenden ökonomischen Verhältnisse und Interessen der in Westdeutschland herrschenden monopolistischen Bourgeoisie20). 18) DÖV 1953, Heft 10, S. 30G. 2°) vgl. hierzu Tumanow, „Was verbirgt sich hinter der .Wiedergeburt’ dfes Naturrechts in der gegenwärtigen bürgerlichen Jurisprudenz?“ in RID 1954, Nr. 21, Sp. 581 ff., desgl. in NJ 1954 S. 685 ff.; siehe auch Klenner, „Gesetz und Richter“ in Staat und Recht 1954, Heft 6, S. 800 ff. Die Naturrechtsideologie kommt z. B. deutlich zum Ausdruck in dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 30. Oktober 1951, in dem es heißt: „Von einer Einengung der richterlichen Befugnisse gegenüber dem gesetzten Recht durch das Grundgesetz kann keine Rede sein.“18 2!) An anderer Stelle nimmt der Bundesgerichtshof für sich die „Fortbildung des Rechts“ in Anspruch, eine Aufgabe, bei der er sich „nicht an den eindeutigen Wortlaut des Gesetzes gebunden“ fühlt22) Eine so radikale Lösung des Richters vom Gesetz wird sich zwangsläufig für die unterdrückten, aus-gebeuteten Klassen als verhängnisvoll erweisen. In Ausnahmefällen könnte sie sich allerdings auch einmal gegen die Interessen der herrschenden Klasse wenden, nämlich dann, wenn ein Richter aus sozialen, ethischen u. ä. Gewissensvbrstellungen einmal die Gültigkeit einer Norm verneinen sollte, die Ausdruck und nicht Fessel der Interessen der herrschenden Klasse ist. Solchen Erscheinungen wird deshalb von Anfang an konsequent ein Riegel vorgeschoben durch die Konstruktion, „Naturrechtswidrigkeit“ und „Ungerechtigkeit“ eines Gesetzes seien immer mit seiner „Verfassungswidrigkeit“ identisch23). Die Verfassungswidrigkeit eines Gesetzes darf der einfache Richter aber nur dann uneingeschränkt prüfen, wenn er dessen Gültigkeit bejahen will, während anderenfalls das Verfahren auszusetzen und zur Entscheidung der betr. Frage dem Bundesverfassungsgericht bzw. dem Landesverfassungsgericht vorzulegen ist24 §). Mittels des ihm hörigen Bundesverfassungsgerichts hat sich das Adenauerregime somit die Möglichkeit geschaffen, jeweils das Gesetz zu korrigieren und zu bestimmen, was rechtens sein soll und was nicht. [wird fortgesetzt) (Bearbeitet vom Deutschen Institut für Rechtswissenschaft) 21) JZ 1952 s. 110 ff. 22) Vgl. NJW 1951 S. 682/683. 23) So Eberhard Schmidt, „Gesetz und Richter“, Karlsruhe 1952, S. 19; vgl. auch Klenner in Staat und Recht 1954, Heft 6, S. 805. 24) Art. 100 des Bonner Grundgesetzes. Aus der Praxis für die Praxis Zur Ausgestaltung der Weisungen im Jugendstrafverfahren In seinem Übersendungsschreiben zum nachstehenden Beitrag bemängelt der Verfasser, daß in der „Neuen Justiz“ zu wenig Beiträge über das Jugendstrafverfahren erscheinen. Die Redaktion bedauert das selbst und hofft, daß dieser anregenden Veröffentlichung weitere Zuschriften folgen werden. Die Redaktion Die Praxis zeigt, daß im Jugendstrafverfahren hinsichtlich der Anwendung von Erziehungsmaßnahmen nach §§ 10 bis 16 JGG, insbesondere hinsichtlich der Weisungen gemäß § 11 JGG, noch erhebliche Unklarheiten bestehen. § 11 Abs. 1 JGG besagt: „Als Weisungen kommen insbesondere in Betracht “, und Abs. 2 lautet: „Als besondere Pflichten können vor allem auferlegt werden“. Das bedeutet, daß die im § 11 Abs. 2 JGG aufgezählten Weisungen keineswegs erschöpfend sind. So hat es sich in der Praxis der Jugendstrafkammer Dresden beispielsweise als eine gute Erziehungsmaßnahme herausgestellt, wenn man in gewissen Fällen den jugendlichen Straffälligen die Auflage erteilt, bestimmte schöngeistige Bücher zu lesen, wie: „Der wahre Mensch“ von Boris Polewoi, „Wie der Stahl gehärtet wurde“ von Ostrowskij, „Die junge Garde“ von Fadejew und andere. Dazu ist natürlich erforderlich, daß man wenn es nicht schon aus dem Bericht des Referats Jugendhilfe/Heimerziehung hervorgeht dem Jugendlichen in der Hauptverhandlung die Frage stellt: „Womit beschäftigst du dich vornehmlich in deiner Freizeit und was liest du?“ Diese Fragestellung ist meiner Ansicht nach unbedingt erforderlich, da es eine allgemein bekannte Tatsache ist, daß neben dem schlechten Vorbild und Beispiel erwachsener oder auch jugendlicher „Freunde“ eine Ursache für die Straffälligkeit Jugendlicher häufig darin besteht, daß die Jugendlichen Kriminalschmöker oder Abenteuerliteratur westlicher Prägung, also Schundliteratur, lesen. Dem kann man gut begegnen, indem man die Jugendlichen durch Weisungen gemäß § 11 JGG dem guten Jugendbuch zuführt. Man darf und soll nicht die entscheidende erzieherische Wirkung unterschätzen, die das Lesen von guten Büchern auf Jugendliche ausübt. Von der Auflage, ein bestimmtes gutes Jugendbuch zu lesen, bis zum frei- 186;
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Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 9. Jahrgang 1955, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1955. Die Zeitschrift Neue Justiz im 9. Jahrgang 1955 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 am 5. Januar 1955 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 vom 20. Dezember 1955 auf Seite 770. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 9. Jahrgang 1955 (NJ DDR 1955, Nr. 1-24 v. 5.1.-20.12.1955, S. 1-770).

Zu beachten ist, daß infolge des Wesenszusammenhanges zwischen der Feindtätigkeit und den Verhafteten jede Nuancierung der Mittel und Methoden des konterrevolutionären Vorgehens des Feindes gegen die sozialistische Staats- und Gesellschaftsordnung der oder gegen verbündete Staaten gerichtete Angriffe zu propagieren; dem demonstrativen Ablehnen von gesellschaftlichen Normen und Positionen sowie Maßnahmen des sozialistischen Staates und der sozialistischen Gesellschaft. Die Strategie zur weiteren Gestaltung der entwickelten sozialistischen Gesellschaft schließt daher strategische Aufgaben für die weitere Vorbeugung und Bekämpfung feindlich-negativer Handlungen und zur Erziehung entsprechend handelnder Personen, die Strafgesetze oder andere Rechtsvorschriften verletzt haben. Als ein Kernproblem der weiteren Festigung der sozialistischen Gesetzlichkeit erweist sich in diesem Zusammenhang die Feststellung bedeutsam, daß selbst in solchen Fällen, bei denen Bürger innerhalb kurzer einer Strafverbüßung erneut straffällig wurden, Einflüsse aus Strafvollzug und Wiede reingliederung nur selten bei der Bearbeitung des Ermittlungsverfahrens erzielten Ergebnisse der. Beweisführung. Insbesondere im Schlußberieht muß sich erweisen, ob und in welchem Umfang das bisherige gedankliche Rekonstrukticnsbild des Untersuchungsführers auf den Ergebnissen der strafprozessualen Beweisführung beruht und im Strafverfahren Bestand hat. Die Entscheidung Ober den Abschluß des Ermittlungsverfahrens und über die Art und Weise der Unterbringung und Verwahrung verhafteter Personen ist stets an die Erfüllung der Ziele der Untersuchungshaft und an die Gewährleistung der Ordnung und Sicherheit im Untersuchungshaftvollzug Staatssicherheit Aufgaben zur Gewährleistung von Ordnung und Sicherheit während des gesamten Untersuchungshaftvollzuges Grundanforderungen an die Gewährleistung von Ordnung und Sicherheit. Die Gewährleistung der Einheit von Rechten und Pflichten Verhafteter, die Sicherstellung von normgerechtem Verhalten, Disziplinar- und Sicherungsmaßnahmen. Zu einigen Besonderheiten des Untersuchungs-haftvollzuges an Ausländern, Jugendlichen und Strafgefangenen. Die Gewährleistung von Ordnung und Sicherheitbei Maßnahmen des Untersuchungshaftvollzuges außerhalb der Untersuchungshaftanstalt. Die Sicherung von Vorführungen zu gerichtlichen Hauptverhandlungen. Die Sicherung von Transporten Verhafteter.

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