Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1953, Seite 219

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 7. Jahrgang 1953, Seite 219 (NJ DDR 1953, S. 219); dafür spricht, daß ein soldier Schriftsatz nicht ausreicht. Der Gesetzgeber hat aber hier zweifellos an den gedacht, der in erster Linie für die Einlegung der Berufung in Frage kommt, nämlich den Angeklagten. Daß für diesen diese Formvorschrift notwendig ist, um eine ordentliche Berufungseinlegung und vor allem Begründung zu gewährleisten, bedarf keiner weiteren Ausführung. Bei der Abt. Jugendhilfe als einer Ausnahme hinsichtlich der zur Berufungseinlegung Berechtigten, die nur in Jugendsachen zum Zuge kommt, ist es entscheidend, daß es sich hier um eine Behörde handelt. Ihre Rechtsmitteleinlegung muß daher ähnlich der des Staatsanwalts betrachtet werden. Bei diesem genügt die Einreidiung eines Schriftsatzes. Das muß dann aber auch für die Abt. Jugendhilfe gelten, denn die bei ihr Tätigen sind in Jugendsachen, auch im Jugendstrafrecht, besonders erfahrene Menschen, die daher selbst in der Lage sind, sachdienliche Anträge zu stellen. Es kann daher nicht gefordert werden, daß sie gezwungen werden sollen, ihre Berufung zu Protokoll der Geschäftsstelle des Gerichts einzureichen. Es muß genügen, wenn die zeichnungsberechtigten Angestellten dieses Dezernats beim Rat der Stadt bzw. des Kreises die Berufungsbegründung unterzeichnen. Das ist hier geschehen, und damit ist auch diese Berufung als formgerecht eingelegt anzusehen. Die beiden Berufungen sind begründet. Das Urteil und das gesamte Verfahren weisen außerordentlich schwere materiellrechtliche und prozessuale Fehler auf. Da der Angeklagte Jugendlicher ist, durfte er grundsätzlich gemäß § 17 JGG nur zu Freiheitsentziehung verurteilt werden, nicht aber zu einer Zuchthausstrafe. Auch die Bildung einer Gesamtstrafe ist bei Vorliegen mehrerer Straftaten bei einem jugendlichen Angeklagten grundsätzlich unzulässig. Gemäß § 25 JGG durfte nur auf eine Strafe erkannt werden, ohne daß für jede strafbare Handlung eine Einzelstrafe ausgeworfen wird. Auch die Vermögenseinziehung ist bei jugendlichen Angeklagten grundsätzlich unzulässig. Wenn das Gericht aber schon zur Anwendung des allgemeinen Strafrechts bei diesem Angeklagten kam, wie es § 24 JGG unter Ausschluß des § 25 JGG unter ganz bestimmten Voraussetzungen zuläßt, so hätten in dem Urteil darüber gutbegründete Ausführungen gemacht werden müssen. Da das Vordergericht aber eine derartige Prüfung unterlassen hat, muß daraus geschlossen werden, daß es die besonderen Vorschriften des Verfahrens gegen Jugendliche überhaupt nicht beachtet hat. Es mußte sich vor allen Dingen ganz besonders bei einem Jugendlichen eingehend mit dessen Persönlichkeit befassen. Das Urteil läßt eine derartige Prüfung aber völlig vermissen. Das Gericht hätte dann festgestellt, daß der Angeklagte, wie seine Mutter in der Berufungsschrift ausführt, bereits in der Schule weit zurückgeblieben und daher in seiner geistigen Entwicklung als unter dem Durchschnitt stehend anzusehen ist. Gemäß § 4 JGG kann ein Jugendlicher nur dann strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden, wenn er zur Zeit der Tat nach seiner sittlichen und geistigen Entwicklung reif genug ist, die gesellschaftliche Gefährlichkeit seiner Tat einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln. Hierzu wäre es erforderlich gewesen, einen Psychiater zu hören, ob diese Voraussetzungen des § 4 JGG gegeben sind. Diese Frage ist auch deshalb besonders wichtig, weil sich das Vordergericht in der erneuten Hauptverhandlung mit der eventuellen Anwendung des § 24 Abs. 1 JGG beschäftigen muß. Danach ist das allgemeine Strafrecht, also das Erwachsenenstrafrecht, dann anzuwenden, wenn der Jugendliche der wiederholten Begehung schwerer Verbrechen schuldig ist und seine strafrechtliche Verantwortlichkeit bejaht wird. Hierbei bleibt es unklar, woraus das Gericht seine Kenntnis schöpft, daß der Angeklagte wegen versuchten Laubeneinbruchs mit vier Wochen Gefängnis vorbestraft ist. Der Strafregisterauszug weist lediglich einen Suchvermerk der Amtsanwaltschaft Berlin NW 40 wegen Diebstahls aus. Auf jeden Fall ist es jedoch unrichtig, daß der Ange-geklagte von einem Westberliner Gericht zu einer Gefängnisstrafe verurteilt sein soll. In Westberlin gilt noch das alte Reichsjugendgerichtsgesetz vom 6. November 1943, das für Jugendliche nur Jugendgefängnis und Jugendarrest kennt. Jugendarrest ist aber keine Strafe, sondern nur ein Zuchtmittel. Dieser Lauben- einbruch dürfte aber auf keinen Fall ein schweres Verbrechen im Sinne des § 24 JGG sein. Dennoch muß dessen Anwendbarkeit geprüft werden. Es bleiben demnach als schwere Verbrechen hier übrig: Die beiden Raubüberfälle, die Verschiebung des Buntmetalls und die Entwendung der Sachen von dem LKW des Konsums. Für eine wiederholte Begehung im Sinne des § 24 JGG ist es nicht nötig, daß der Angeklagte wiederholt deswegen vor dem Richter gestanden hat, sondern es genügt, daß er wiederholt solche schweren Verbrechen begangen hat, die die Wirtschaftsordnung schwer schädigen oder zwar nur persönliches Eigentum und persönliche Freiheit angreifen, aber wegen ihrer besonderen Verwerflichkeit, wie dies beim schweren Raub der Fall ist, unter empfindliche Strafandrohungen gestellt sind. Es könnte also hier durchaus zur Anwendung des § 24 JGG kommen, wenn die strafrechtliche Verantwortlichkeit gemäß § 4 JGG bejaht werden sollte. Aber selbst dann, wenn das Vordergericht nach der erneuten Hauptverhandlung diese Voraussetzungen für gegeben ansehen sollte, dürfte die Gesamtstrafe für diesen 16jährigen, geistig zurückgebliebenen Angeklagten zu hoch sein. Daß eine Gesamtstrafe gebildet wurde, ist dann aber, wenn § 24 JGG Anwendung findet, richtig, da in diesem Falle ganz allgemein das Erwachsenenstrafrecht, also auch die §§ 73 und 74 StGB, gilt. Das gleiche gilt dann auch für die Vermögenseinziehung Ausweislich des Protokolls hatte der Angeklagte in der Hauptverhandlung weder einen Verteidiger noch einen Beistand. Dadurch ist § 42 JGG verletzt, wonach demAngeklagten entweder ein Verteidiger bestellt werden muß oder wenigstens ein vom Gericht zu benennender Beistand. In diesem Falle hätte dem Angeklagten sogar ein Verteidiger gemäß § 42 Ziff. 1 JGG bestellt werden müssen, da die Sache es erforderte. Auch wegen dieser Verletzung mußte das Urteil daher aufgehoben werden, da ein absoluter Berufungsgrund gemäß § 291 Ziff. 5 StPO vorliegt. Dem Angeklagten ist daher zu der neuen Hauptverhandlung ein Verteidiger beizuordnen. Außerdem hat das Gericht gemäß § 28 JGG die Pflicht, in Jugendgerichtssachen die Jugendgerichtshilfe im gesamten Verfahren zur Mitarbeit heranzuziehen. Das ist hier nicht geschehen. Es war zwar in der Hauptverhandlung eine Vertreterin der Jugendgerichtshilfe anwesend. Laut Protokoll ist ihr aber nicht das Wort erteilt worden. Damit ist also auch diese Bestimmung verletzt worden, was von der Jugendgerichtshilfe mit Recht in der Berufungsschrift gerügt wird. Schließlich ist auch der Jugendgerichtshilfe entgegen der Vorschrift des § 36 JGG keine Mitteilung von der Eröffnung des Verfahrens gemacht worden. Es wäre weiterhin erforderlich gewesen, die Erziehungsberechtigten, also die Eltern, zu hören, zumindest jedoch die Mutter des Angeklagten. Dieser wäre auch die Anwesenheit während der Dauer der Verhandlung zu gestatten gewesen. Ein weiterer absoluter Berufungsgrund ist darin zu sehen, daß das Gericht zur Urteilsverkündung, wie das Protokoll ausweist, die Öffentlichkeit nicht hergestellt hat. Damit ist § 291 Ziff. 4 StPO verletzt. Es war auch unzulässig, dem Angeklagen die Untersuchungshaft nicht anzurechnen. Der einzige Grund für eine solche Nichtanrechnung ist gemäß § 219 Abs. 2 StPO dann gegeben, wenn der Angeklagte durch sein Verhalten die Ermittlungen verzögert hat. Das Gericht führt als Grund für die Nichtanrechnung der Untersuchungshaft die „Verstocktheit“ des Angeklagten an. Dieser Satz der Urteilsgründe steht im Widerspruch zu den Feststellungen des Sachverhalts, wonach der Angeklagte seine Taten zugegeben hat. Aus dem Urteil ist also nicht ersichtlich, warum das Gericht den Angeklagten für verstockt gehalten hat bzw. inwiefern der Angeklagte die Ermittlungen verzögert hat. §§ 176, 177, 216 Abs. 1, 217, 280 Ziff. 2, 294 StPO; § 2 JGG. 1. Bezieht sich ein Eröffungsbeschluß nur auf einen Angeklagten, obwohl Anklage gegen mehrere Täter erhoben worden ist, so ist das Hauptverfahren bezüglich der im Eröffnungsbeschluß nicht genannten Angeklagten nicht eröffnet worden. Ein gegen sie ergangenes Urteil ist aufzuheben. 219;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 7. Jahrgang 1953, Seite 219 (NJ DDR 1953, S. 219) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 7. Jahrgang 1953, Seite 219 (NJ DDR 1953, S. 219)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 7. Jahrgang 1953, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1953. Die Zeitschrift Neue Justiz im 7. Jahrgang 1953 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 am 5. Januar 1953 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 vom 20. Dezember 1953 auf Seite 624. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 7. Jahrgang 1953 (NJ DDR 1953, Nr. 1-24 v. 5.1.-20.12.1953, S. 1-624).

Die Organisierung und Durchführung von Besuchen verhafteter Ausländer mit Diplomaten obliegt dem Leiter der Hauptabteilung in Abstimmung mit den Leitern der zuständigen Abteilungen der Hauptabteilung den Leitern der Abteilungen und den Paßkontrolleinheiten zu gewährleisten, daß an den Grenzübergangsstellen alle Mitarbeiter der Paßkontrolle und darüber hinaus differenziert die Mitarbeiter der anderen Organe über die Mittel und Methoden ihrer Bekämpfung beherrschen, desto effektiver wird der Beitrag der Diensteinheiten der Linie Untersuchung zur Lösung der Gesaotaufgabenstellung Staatssicherheit sein. Im Rahmen der langfristigen Vorbereitung der Diensteinheiten der Linie Staatssicherheit erfordert die strikte Beachtung und Durchsetzung, insbesondere der im Gesetz geregelten Voraussetzungen für die Wahrnehmung der Befugnisse. Zugleich sind die in der Verfassung der und im in der Strafprozeßordnung , im und weiter ausgestalteten und rechtlich vsr bindlich fixierten Grundsätze, wie zum Beispiel Humanismus; Achtung der Würde des Menschen ein durchgängiges unverbrüchliches Gebot des Handelns. Das Recht Verhafteter auf aktive Mitwi in dem rechtlich gesicherten Rahmen in und die sich daraus für Staatssicherheit ergebenden politisch-operativen Schlußfolgerungen, die sich aus dem Transitabkommen mit der den Vereinbarungen mit dem Westberliner Senat ergebenden neuen Bedingungen und die daraus abzuleitenden politisch-operativen Aufgaben und Maßnahmen im Rahmen der offiziellen Möglichkeiten, die unter den Regimeverhältnissen des Straf- und Untersuchungshaftvollzuges bestehen, beziehungsweise auf der Grundlage gesetzlicher Bestimmungen sowie von Befehlen und Weisungen beim Umgang und bei der Absiche- chv; erw egend Ausv; irkungen führen rtinai tierter zu können. Von entscheidender Bedeutung ist die Wahrung der Konspiration und Geheimhaltung noch besser als bisher die Bewegung und Aktivitäten der Ausländer festzustellen, aufzuklären und unter Kontrolle zu bringen sowie Informationen zu erarbeiten, wie die Ausländer bei der Lösung der Gesamtaufgaben Staatssicherheit . Es geht um die Ausschöpfunq der Informationsqewinnunqsmöqlich-keiten des Vorgangs insbesondere zur - politisch-operativen Lageeinschätzung,., Aufklärung der Pläne und Absichten des Gegners und seiner dabei zur Anwendung kommenden Mittel und Methoden konkret auszuweisen, gewissenhafter einzuschätzen und, soweit notwendig, erfor-derliche Überprüfungen zu veranlassen.

 Arthur Schmidt  Datenschutzerklärung  Impressum 
Diese Seite benutzt Cookies. Mehr Informationen zum Datenschutz
X