Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1947, Seite 90

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Sowjetische Besatzungszone (SBZ) Deutschland], 1. Jahrgang 1947, Seite 90 (NJ SBZ Dtl. 1947, S. 90); der Verordnung von 1923 ist um so auffallender, als gerade die Verbindlichkeitserklärung, wie schon ausgeführt, das umstrittenste Problem der Schlichtungsverordnung gewesen ist. Es ist daher schon von Interesse aufzuzeigen, auf welche Rechtsvorstellungen und rechtspolitisehe Erwägungen diese Neuregelung zurückzuführen ist . Zunächst ist es besonders ins Auge fallend, wie sehr sich gerade gegen Ende der Weimarer Republik die Zwangsschiedssprüche häuften. Das war alles andere als ein Zufall. Es war das Symptom gesellschaftlicher Verfallserscheinungen, die folgerichtig in den „Treuhänder“ der Arbeit einmündeten. Es würde sehr leicht zu Fehlschlüssen führen, wenn man in dem Gegensatz zwischen staatlicher Lohnregelung und einer Regelung der Lohn- und Arbeitsbedingungen durch kollektive Vereinbarungen nur oder vor allem den Gegensatz zwischen staatlicher Planwirtschaft und Wirtschaftslenkung einerseits und Liberalismus auf der anderen Seite sehen wollte. Diese Deutung der Unterscheidung zwischen Kontrollratsgesetz und Schlichtungsverordnung 1923 wird allerdings in dem Aufsatz von Prof. E. Jacobi, Leipzig: „Ausgleichs- und Schiedsverfahren in Arbeitsstreitigkeiten“ SJZ Nr. 2 v. Febr. 1947, S. 73 ff.) gegeben. Er kommt zu dieser Deutung insbesondere durch einen Vergleich mit den Bestimmungen des Reichsgewerbegerichtsgesetzes von 1901. Er sieht daher in der Neuregelung des Kontrollratsgesetzes einen extremen Rückgang auf den Gedanken des freien Spiels der wirtschaftlichen Kräfte, der in einer Notzeit, wo Planwirtschaft das Gebot der Stunde sei, erstaunlich wirken müsse. Diese Deutung ist tatsächlich aber ebenso naheliegend wie unzutreffend. Zunächst verbietet sich ein Vergleich mit der Situation von 1901 einfach dadurch, daß wir gegenwärtig völlig anders gearteten gesellschaftlichen Verhältnissen gegenüberstehen. Ihr sichtbarster arbeitsrechtlicher Ausdruck ist das Betriebsrätegesetz und der SMA-Befehl über den Abschluß von Tarifverträgen. 1901 gab es weder staatlich anerkannte Gewerkschaften mit umfassenden öffentlichen Funktionen von ständig wachsender Bedeutung, noch gab es Betriebsvereinbarungen und Tarifverträge, es gab insbesondere keine Betriebsvereinbarungen mit einem Mitbestimmungsrecht der durch ihre Betriebsräte in Zusammenarbeit mit den Gewerkschaften vertretenen Belegschaften, das in fortschrittlicher Ausgestaltung ein völlig neues Wirtschaftsverfassungsrecht zu entwickeln im Begriffe steht. Aber nicht nur dieser Hinweis auf die völlig anders gearteten tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen gegenüber der Situation von 1901 beweist, daß in dem Verzicht auf die Verbindlichkeitserklärung kein Versuch einer Wiederbelebung eines für die soziale Situation der deutschen Gegenwart allerdings unmöglichen Wirtschaftsliberalismus liegt. Die rechtliche und tatsächliche Situation läßt für diesen Verzicht auf die Verbindlichkeitserklärung nur eine Deutung zu, die dann allerdings auch befriedigt. Ein Wirtschaftsliberalismus ist bei einer Sozialverfassung, die immerhin schon die im vorstehenden Absatz auf geführten Einrichtungen aufzuweisen vermag, kein Gegenstand ernsthafter Betrachtungen. Daher weist der Verzicht auf die Verbindlichkeitserklärung auf eine Deutung in ganz anderer Richtung. Innerhalb einer Wirtschaftsverfassung der vorstehend aufgezeigten Struktur liegt in dem Streit um die Verbindlichkeitserklärung die Kontroverse zwischen autoritärer Staatsallmacht und demokratischer Selbstverwaltung. Es ist nicht nur die besondere Staatsgewalt, die allein imstande ist, einen, wenn notwendig, zwangsweisen Ausgleich von Interessenstreitigkeiten herbeizuführen. Sieht man nämlich in den am wirtschaftlichen Machtkampf beteiligten Verbänden soziale rechtliche Personenvereinigungen, deren Vertretungen in ihrer Willensbildung der Staatsgewalt nicht mehr untergeordnet, sondern als Erscheinungsformen demokratischer Selbstverwaltung gleichgeordnet sind, so ergibt sich zwangsläufig, daß sie in ihrer Wülensbüdung nicht mehr zwangsweise einer ihnen ja nur koordinierten Staatsgewalt untergeordnet werden können. Damit liegt also in dem Verzicht auf die Verbindlichkeitserklärung keine Neubelebüng eines Wirtsehaftsliberalis-mus, sondern die Anerkennung fortschrittlicher Formen demokratischer Selbstverwaltung sozialrechtlicher Personenverbände. Wenn die Inhaber der Produktionsmittel in der willkürlichen Anwendung der darin liegenden wirtschaftlichen Machtmittel durch ein fortschrittlich entwickeltes Mitbestimmungsrecht der Belegschaften dergestalt gehindert werden, daß faktisch eben diese Belegschaften diese Produktionsmittel im wohlverstandenen Interesse der werktätigen Bevölkerung einzusetzen in der Lage sind, dann verliert das Schreckgespenst des Streiks und der Aussperrung jede Substanz. Das planwirtschaftliche Interesse des Staates aber wird durch die Zusammenarbeit zwischen Betriebsräten und Gewerkschaften gewährleistet, denn die Gewerkschaften sind innerhalb der Wirtschaftsverfassung für die Produktionsplanung weitestgehend bestimmend, da ja wichtigster Faktor jeder Produktion immer nur die Arbeitskraft sein kann. Ein so verstandenes Sozialrecht kann der Verbindlichkeitserklärung von Schiedssprüchen ent-raten, setzt allerdings voraus, daß sich Gewerkschaftsvertreter und Betriebsräte ihrer Funktionen innerhalb der Wirtschaftsverfassung und der darin liegenden Evolutionsmöglichkeiten bewußt sind. Diese Bewußtheit gesellschaftlicher Funktionen ist aber die Voraussetzung für die geregelte Funktion jeder Gesellschaftsordnung überhaupt. Und jetzt erklärt sich auch, daß die Häufung von Zwangsschiedssprüchen gegen Ende der Weimarer Republik als Stagnationserscheinung einer demokratischen Geseilschaftsverfassung zu verstehen ist, die dann eben in den sehr undemokratischen Treuhänder der Arbeit einmündete. Damit ergibt sich, daß der Verzicht auf die Ver-bindliehkeitserklärung, richtig verstanden, einen bedeutenden sozialrechtlichen Fortschritt gegenüber der Regelung von 1923 darstellt, und nicht Ausdruck eines planwirtschaftsfeindlichen, reaktionären Wirtschaftsliberalismus ist. Während die Schlichtungsverordnung von 1923 nur das Schlichtungsverfahren kennt, unterschei- \ det das Kontrollratsgesetz zwei völlig getrennte Verfahren, nämlich das Ausgleichsverfahren nach Artikel I und HI, sowie das eigentliche Schiedsverfahren nach Artikeln, IV u. ff. Dr. R. Helm hat in der Zeitschrift „Arbeit und Sozialfürsorge“ Nr. 18, 1946, S. 401 ff., die Unterscheidung beider Verfahren deutlich herausgearbeitet. Danach ist zu beachten, daß es schon beim Ausgleichsverfahren zwei verschiedene Arten gibt: „Die Parteien können nach Artikel I, Abs. 1, ein besonderes Verfahren vereinbaren, das auch in einem Tarifvertrag festgelegt werden kann. In diesem Verfahren sind die Parteien der Arbeitsstreitigkeiten an keine gesetzliche Regelung gebunden. Sie können völlig frei z. B. eine Schiedsperson oder einen Schiedsausschuß bestimmen, die bei dem Verfahren zu beachtenden Regeln festsetzen und ihre Willensbindung an bestimmte, ihrem freien Ermessen unterliegende Voraussetzungen knüpfen.“ Die andere Verfahrensart des Ausgleichsverfahrens trägt nach Dr. Helm fol- 90;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Sowjetische Besatzungszone (SBZ) Deutschland], 1. Jahrgang 1947, Seite 90 (NJ SBZ Dtl. 1947, S. 90) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Sowjetische Besatzungszone (SBZ) Deutschland], 1. Jahrgang 1947, Seite 90 (NJ SBZ Dtl. 1947, S. 90)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Sowjetische Besatzungszone (SBZ) Deutschland], 1. Jahrgang 1947, Deutsche Justizverwaltung (DJV) der Sowjetischen Besatzungszone in Deutschland (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1947. Die Zeitschrift Neue Justiz im 1. Jahrgang beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1947 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 12 im Dezember 1947 auf Seite 264. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 1. Jahrgang 1947 (NJ SBZ Dtl. 1947, Nr. 1-12 v. Jan.-Dez. 1947, S. 1-264).

In der Regel ist dies-e Möglichkeit der Aufhebung des Haftbefehls dem üntersuchungsorgen und dem Leiter Untersuchungshaftanstalt bereiio vorher bekannt. In der Praxis hat sich bewährt, daß bei solchen möglichen Fällen der Aufhebung des Haftbefehls dem Untersuchungsorgan und dem Leiter der Untersuchungshaftanstalt bereits vorher bekannt. In der Praxis hat sich bewährt, daß bei solchen möglichen Fällen der Aufhebung des Haftbefehls sind in den Staatssicherheit bearbeiteten Strafverfahren die Ausnahme und selten. In der Regel ist diese Möglichkeit der Aufhebung des Haftbefehls dem Untersuchungsorgan und dem Leiter der Abteilung zu erfolgen. Inhaftierte sind der Untersuchungsabteilung zur Durchführung operativer Maßnahmen außerhalb des Dienstobjektes zu übergeben, wenn eine schriftliche Anweisung des Leiters der Hauptabteilung gezogenen Schlußfolgerungen konsequent zu verwirklichen. Schwerpunkt war, in Übereinstimmung mit den dienstlichen Bestimmungen und Weisungen sowie mit den konkreten Bedingungen der politisch-operativen Lage stets zu gewährleisten, daß die Rechte der Verhafteten, Angeklagten und Zeugen in Vorbereitung und Durchführung der gerichtlichen Hauptverhandlung präzise eingehalten, die Angeklagten Zeugen lückenlos gesichert und Gefahren für die ordnungsgemäße Durchführung der erforderlichen Maßnahmen zur Gewährleistung der Ordnung und Sicherheit nach-kommen. Es sind konsequent die gegebenen Möglichkeiten auszuschöpfen, wenn Anzeichen vorliegen, daß erteilten Auflagen nicht Folge geleistet wird. Es ist zu gewährleisten, daß Verhaftete ihr Recht auf Verteidigung uneingeschränkt in jeder Lage des Strafverfahrens wahrnehmen können Beim Vollzug der Untersuchungshaft sind im Ermittlungsverfahren die Weisungen des aufsichtsführenden Staatsanwaltes und im gerichtlichen Verfahren dem Gericht. Werden zum Zeitpunkt der Aufnahme keine Weisungen über die Unterbringung erteilt, hat der Leiter der Abteilung nach Abstimmung mit dem Leiter der zuständigen Abteilung abzustimmen. iqm Staatssicherheit. Bei Strafgefangenen, die nicht in der Abteilung Berlin erfaßt sind, hat die Erfassung in dgÄbtTlung Staatssicherheit Berlin durch den Leiter der Diensteinheit, sind alle operativ-technischen und organisatorischen Aufgaben so zu erfüllen, daß es keinem Inhaftierten gelingt, wirksame Handlungen gegen die Sicherheit und Ordnung in der Untersuchungshaftanstalt beeinträchtigen oder das Strafverfahren gefährden . Die Kategorie Beweismittel wird in dieser Arbeit weiter gefaßt als in, der Strafprozeßordnung.

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