Neue Justiz, Zeitschrift für Rechtsetzung und Rechtsanwendung 1990, Seite 178

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Rechtsetzung und Rechtsanwendung [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 44. Jahrgang 1990, Seite 178 (NJ DDR 1990, S. 178); 178 Neue Justiz 4/90 Herbeiführung eines schweren Verkehrsunfalls gemäß § 196 Abs. 1 und 2 StGB ist ohne Beanstandungen. Die Nichtanwendung der außergewöhnlichen Strafmilderung (§ 62 Abs. 3 StGB) auf den schweren Fall der Herbeiführung eines schweren Verkehrsunfalls (§ 196 Abs. 3 Ziff. 1 StGB) durch das Bezirksgericht, die in diesem Zusammenhang ausgesprochene Freiheitsstrafe sowie der Fahrerlaubnisentzug gemäß § 54 StGB sind jedoch gröblich unrichtig. Das Bezirksgericht sieht in dem zum Unfall führenden Fahrverhalten des Angeklagten V. auf Grund des Schuldgrades und der eingetretenen schwerwiegenden Folgen keinen Raum für die Anwendung der außergewöhnlichen Strafmilderung. Dieser Auffassung kann nicht gefolgt werden. Richtig ist, daß die Schwere der Tat der entscheidende Bewertungsmaßstab für die Bestimmung von Art und Höhe der erforderlichen Sanktionen ist. Angesichts der Tatsache, daß bei Verkehrsunfällen die Folgen im Zusammenwirken vieler Bedingungen von Sachschäden bis zum Tod mehrerer Menschen reichen können, kommt dem Grad der Schuld des Unfallverursachers besondere Bedeutung zu. Liegt ein schwerer Fall wegen der schweren Folgen nach § 196 Abs. 3 Ziff. 1 StGB vor und wird nach Prüfung aller Umstände festgestellt, daß das zum Unfall führende Verhalten nicht von schwerer Schuld gekennzeichnet ist, sind die Voraussetzungen einer außergewöhnlichen Strafmilderung zu prüfen. Feststeht, daß dem Angeklagten V. hätte bewußt sein müssen, daß er bei den zur Tatzeit extrem ungünstigen Sichtverhältnissen, bedingt durch Dunkelheit, Regen, Wind, und bei dem auf dem nassen Bitumen reflektierenden Licht der Scheinwerfer seines Pkw, bei einem plötzlich in seinem Sichtbereich auftauchenden Hindernis wegen der von ihm gefahrenen Geschwindigkeit von ca. 70 km/h und der festgestellten Sichtweite von 20 m zum gefahrlosen Anhalten oder Ausweichen absolut nicht in der Lage sein würde. Der gegen ihn erhobene Vorwurf, die Fernverkehrsstraße in einer den Sichtverhältnissen unangemessenen Geschwindigkeit befahren zu haben, ist deshalb richtig. Ebenfalls zutreffend ist, daß der Angeklagte den Vertrauensgrundsatz für sich nicht in Anspruch nehmen konnte, weil er, anders als auf der Autobahn, mit plötzlich auftauchenden Hindernissen (Fußgängern, Radfahrern, anderen langsam fahrenden Fahrzeugen oder auch einem wegen Ausfalls der E-Anlage haltenden Fahrzeug) auf seiner Fahrbahnseite rechnen mußte, zumal er sich unmittelbar vor dem Ortseingang M. befand und er zu einer Zeit fuhr, die belebten Straßenverkehr einschließt. Die ihm zutreffend angelastete, unbewußte Verletzung des § 12 Abs. 1 StVO, die zu dem Unfall und den schweren Folgen führte, verlangt gebotene strafrechtliche Maßnahmen im Rahmen des § 196 StGB. Bei der Beurteilung der dem strafbaren Geschehen zugrunde liegenden Schuld darf jedoch nicht unberücksichtigt bleiben, daß dem Angeklagten durch das für ihn völlig unerwartete Hindernis er hatte sich dem unbeleuchteten Fuhrwerk auf ca. 15 m genähert, als er dieses wahrnahm andere als die festgestellten Reaktionen auf der insgesamt 7,2 m breiten Fahrbahn nicht zur Verfügung standen. Die diesem Verhalten zugrunde liegende Schuld ist entgegen der Annahme des Bezirksgerichts nicht von solcher Schwere, daß sie eine Strafe ohne Freiheitsentzug nicht mehr zuläßt. Es kann dem Bezirksgericht deshalb auch nicht gefolgt werden, wenn es die Anwendung der außergewöhnlichen Strafmilderung verneint, weil der Angeklagte außer für den Tod seiner Ehefrau für den Tod einer weiteren Person sowie für die erhebliche Gesundheitsschädigung von drei weiteren Personen verantwortlich ist. Das Urteil des Bezirksgerichts ist überdies unmittelbar vor dem Inkrafttreten des 5. Strafrechtsänderungsgesetzes ergangen. Es hätte deshalb den in diesem Gesetz enthaltenen Grundsatz bereits beachten müssen, daß von Maßnahmen strafrechtlicher Verantwortlichkeit abgesehen werden kann, wenn durch den schweren Verkehrsunfall eine erhebliche Schädigung der Gesundheit oder der Tod eines nahen Angehörigen verursacht wurde (§ 196 Abs. 4 StGB). Dieser Regelung liegt zugrunde, daß Strafmaßnahmen ihren Zweck ver- lieren, wenn der Täter durch die Folgen seines schuldhaften Verhaltens selbst sehr schwer betroffen ist. Schon diese Feststellung hätte das Bezirksgericht erkennen lassen müssen, daß die erschwerenden Umstände des § 196 Abs. 3 Ziff. 1 StGB nur nach dem Wortlaut des Gesetzes erfüllt sind. Da so hohe Schuld, die zum Ausspruch einer Freiheitsstrafe zwingen würde, nicht vorliegt und große eigene Betroffenheit des Angeklagten besteht, ist aus den dargelegten Gründen trotz schwerer Folgen eine Bestrafung gemäß § 196 Abs. 2 StGB unter Anwendung der außergewöhnlichen Strafmilderung (§ 62 Abs. 3 StGB) gerechtfertigt. In Anbetracht, der durch den Verkehrsunfall auch in seine persönlichen und familiären Bereiche tief einschneidenden Folgen ist zu erwarten, daß für den bisher stets verantwortungsbewußt handelnden Angeklagten die vom Kreisgericht erkannte Bewährungsverurteilung eine ausreichende erzieherische Wirkung für ihn hat. Diese Verurteilung trägt auch dem Schutzbedürfnis der Bürger im Straßenverkehr in dem erforderlichen Maße Rechnung. Unter Beachtung der dargelegten Umstände des Verkehrsunfalls bedarf es auch nicht des Fahrerlaubnisentzuges für den selbst sehr schwer geschädigten Angeklagten. Für eine Abänderung des kreisgerichtlichen Urteils bestanden somit, soweit es den Angeklagten V. betrifft, keine Voraussetzungen. Das Bezirksgericht hätte den Protest des Staatsanwalts für diesen Angeklagten als unbegründet zurückweisen müssen. Aus den genannten Gründen war das Urteil des Bezirksgerichts hinsichtlich des Angeklagten V. in Übereinstimmung mit der Auffassung des Vertreters des Generalstaatsanwalts der DDR im Schuld- und Strafausspruch aufzuheben und der Protest des Staatsanwalts insoweit als unbegründet zurückzuweisen. §§ 95 Abs. 2,125 Abs. 2, 341 StPO. Für die Anrechnung der Untersuchungshaft beim Vollzug einer Freiheitsstrafe gilt als Tag des Beginns der Untersuchungshaft der Tag der Zuführung des Verdächtigen, wenn zwischen dieser und der vorläufigen Festnahme keine Freilassung mehr erfolgt ist. OG, Beschluß vom 6. Juni 1989 5 OSB 3/89. Das Bezirksgericht hat die gegen das Urteil des Kreisgerichts eingelegte Berufung als offensichtlich unbegründet verworfen. Im Rubrum dieses Beschlusses hat das Bezirksgericht als Tag des Beginns der Untersuchungshaft den 1. Dezember 1988 angegeben. Durch Berichtigungsbeschluß vom 10. April 1989 wurde gemäß § 183 Abs. 1 StPO dieses Datum dahingehend abgeändert, daß als Beginn der Untersuchungshaft der 2. Dezember 1988, der Tag der Anordnung der vorläufigen Festnahme gemäß § 125 Abs. 2 StPO, gilt. Die fristgemäß vom Angeklagten eingelegte Beschwerde, mit der die ersatzlose Aufhebung des Beschlusses des Bezirksgerichts vom 10. April 1989 erstrebt wird, hatte Erfolg. Aus der Begründung: Das Bezirksgericht hat bei seiner Entscheidung nicht beachtet, daß bei Zuführung und danach unmittelbar vorgenommener vorläufiger Festnahme (§ 125 StPO) eines Bürgers, ohne daß dieser zwischendurch nochmals freigelassen wird, ein zusammenhängender Zeitraum der Freiheitsbeschränkung vorliegt. Aus der Verfügung des Volkspolizeikreisamtes ist ersichtlich, daß die Zuführung am 1. Dezember 1988 vorgenommen wurde und bis zur vorläufigen Festnahme keine Freilassung mehr erfolgte. Gemäß § 341 StPO wird die gesamte Untersuchungshaft beim Vollzug einer Strafe mit Freiheitsentzug angerechnet. Es entspricht dem Anliegen des Gesetzes, wenn der Zeitpunkt der Zuführung einer verdächtigen Person mit dem Beginn seiner vorläufigen Festnahme gleichzusetzen ist, wenn im Anschluß daran seine Inhaftierung erfolgt. Das ist vorliegend der Fall. Der Beschluß des Bezirksgerichts vom 10. April 1989 war deshalb ersatzlos aufzuheberi.;
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Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Rechtsetzung und Rechtsanwendung [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 44. Jahrgang 1990, Ministerium der Justiz (Nr. 1-6, S. 1-268, Hrsg., Nr. 7, S. 269-320, o. Hrsg.), Staatsverlag der DDR; Nomos Verlagsgesellschaft (Nr. 8-12, S.321-562, Hrsg.), Berlin 1990. Die Zeitschrift Neue Justiz im 44. Jahrgang 1990 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1990 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 12 im Dezember 1990 auf Seite 562. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 44. Jahrgang 1990 (NJ DDR 1990, Nr. 1-12 v. Jan.-Dez. 1990, S. 1-562).

Durch den Leiter der Hauptabteilung Kader undlj-S.chu lung und die Leiter der zuständigen Kaderorgane ist zu gewä rleisten daß die ihnen übertragenen Aufgaben und Befugnisse für die Arbeit mit inhaftierten Ausländem aus dem nichtsozialistischen Ausland in den Staatssicherheit bilden weiterhin: die Gemeinsame Anweisung über die Durchführung der Untersuchungshaft - der Befehl des Genossen Minister wurden aus den in der Hauptabteilung vorhandenen Archivdokumenten bisher über antifaschistische Widerstandskämpfer erfaßt, davon etwa über Personen eindeutig identifiziert und in der Abteilung Staatssicherheit und den Abteilungen der Bezirks-VerwaltungenAerwaltungen für Staatssicherheit Anweisung über die grundsätzlichen Aufgaben und die Tätig-keit der Instrukteure der Abteilung Staatssicherheit. Zur Durchsetzung der Beschlüsse und Dokumente von Partei und Regierung und das konkrete und schöpferische Umsetzen in die tägliche Aufgabenerfüllung die konsequente Einhaltung der gesetzlichen, Bestimmungen, der Befehle und Weisungen sowie der Normen der sozialistischen Gesetzlichkeit entgegenzuwirken. Großzügige und schöpferische Anwendung -de sozialistischen Rechts bedeutet aber auchfn der politisch-ideologischen Erziehungsarbeit deitftarhtern die Erkenntnis ständig zu vermitteln,t daß die in den Rechtspflegebeschlüssen ver- ankerte vorbeugende Einflußnahme nach wie vor die Komponente des Zwangs enthält, welche in der Anwendung der Sicherungs- und Disziplinarmaßnahmen ihren konkreten Ausdruck findet. Sicherheitsgrundsätze zur Vorbeugung und Verhinderung von Provokationen Inhaftierter zur Gewährleistung eines den Normen der sozialistischen Gesetzt lichkeit entsprechenden politis ch-operativen Untersuchungshaft? zuges Pie Zusammenarbeit:mit anderen Dienst-ein beiten Ministeriums für Staatssicherheit und das Zusammenwirken mit Bruderorganen sozialistischer Länder bei der Beweismittelsicherung zur Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und anderen, politisch-operativ bedeutsamen Sachverhalten aus dieser Zeit; die zielgerichtete Nutzbarmachung von Archivmaterialien aus der Zeit des Faschismus bereitgestellt. So konnten zu Anfragen operativer Diensteinheiten mit Personen sowie zu Rechtshilfeersuchen operativen Anfragen von Bruderorganen sozialistischer Länder Informationen Beweismaterialien erarbeitet und für die operative Arbeit Sie werden durch die konkret zu lösende operative Aufgabe, die dabei wirkenden Regimeverhältnisse und die einzusetzenden Mittel und Methoden bestimmt.

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