Neue Justiz, Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit 1983, Seite 112

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 37. Jahrgang 1983, Seite 112 (NJ DDR 1983, S. 112); 112 Neue Justiz 3/83 Handeln direkt aus der Situation der unmittelbaren Gefahr ergibt7, und setzt damit auch Maßstäbe für die Auslegung des § 325 ZGB.8 Auch für diese Bestimmung muß gelten, daß die Pflicht zum Handeln dann gegeben ist, wenn die objektiven Gegebenheiten der konkreten Situation erkennen lassen, daß der Eintritt von Schäden möglich ist. Eine unmittelbare Gefahr ist nie abstrakt, sondern immer konkret. Deshalb ist eine derartige Situation nicht bereits dann gegeben, wenn zwar Umstände vorliegen, die für sich beurteilt geeignet sind, einen Schaden herbeizuführen, die reale Möglichkeit dazu aber nur beim Hinzukommen weiterer Aspekte gegeben ist.9 Wenn man diese Überlegungen auf das o. g. Beispiel der Verletzung der Räum- und Streupflicht anwendet, so ergibt sich folgendes: Bei Eisglätte besteht abstrakt immer die Gefahr von Personenschäden, real möglich sind solche aber nur dann, wenn sich Passanten auf dem entsprechenden Wegstück befinden. Die Rechtspflicht, den Gehweg zu streuen, ergibt sich hier m. E. aus der Beurteilung der Gesamtsituation. Ist aus dem Zusammenwirken aller tatsächlich gegebenen Umstände eine unmittelbare, d. h. konkrete Gefahr eines Schadenseintritts erkennbar, dann entsteht nach § 325 ZGB eine Rechtspflicht zum Handeln. Eine solche Rechtspflicht kann aus diesen Gründen auch nicht zeitlich beschränkt sein. Stellt der Anlieger z. B. bereits vor 6 Uhr oder erst nach 22 Uhr Eisglätte fest und wird der Gehweg von Passanten begangen, dann ist er auch zu diesen Zeiten zum Streuen verpflichtet. Zeitliche Begrenzungen wie sie in Ortssatzungen geregelt sind können m. E. nur insoweit von Bedeutung sein, als sie den Verpflichteten darauf hinweisen, wann vor allem, entsprechend der örtlichen Situation, mit Passantenverkehr zu rechnen ist. Sie entbinden ihn aber nicht davon, sein Verhalten auf die tatsächlichen Gegebenheiten einzurichten und bei erkannten unmittelbaren Gefahrensituationen zu handeln. Umfang der Rechtspflicht zum Handeln nach Erkennen einer unmittelbaren Gefahrensituation Der hier vertretene Rechtsstandpunkt wirft sofort die weitere Frage auf, welchen Umfang die rechtliche Verpflichtung zum Handeln hat. Wenn es auch aus den dargelegten Gründen eine zeitliche Begrenzung der rechtlichen Verpflichtung nicht geben kann, so ist m. E. doch eine räumliche Begrenzung dieser Verpflichtung gerechtfertigt. Das soll an einem Beispiel verdeutlicht werden: Der Anlieger A. hat vor seinem Grundstück den Gehweg von Schnee und Eis pflichtgemäß geräumt und Sand gestreut. Dabei stellte er fest, daß sein Nachbar, der Anlieger B., der Räum- und Streupflicht nicht nachgekommen ist. Passanten können deshalb wegen der Eisglätte dieses Wegstück nur mit großen Schwierigkeiten passieren. Obwohl A. die unmittelbare Gefahrensituation auf dem Gehweg vor dem Grundstück des B. erkannt hat, obliegt ihm keine Rechtspflicht, auch auf diesem Wegstück zu räumen .und zu streuen. Dies zu fordern wäre m. E. eine unzumutbare und auch unzulässige Ausweitung der Rechtspflicht, in Gefahrensituationen zu handeln. Überall dort, wo durch Rechtsvorschriften auch durch solche in Stadt- und Gemeindeordnungen, die Anliegerpflichten regeln Verantwortungsbereiche räumlich fixiert werden, beschränkt sich die Rechtspflicht, Schaden vorzubeugen bzw. drohende Schäden und Gefahren abzuwehren, auf diesen Verantwortungsbereich.10 Dies gilt für die Wahrnehmung allgemeiner Vorsorgepflichten nach § 324 ZGB; es muß aber m. E. auch dann gelten, wenn es um Rechtspflichten in Situationen einer unmittelbaren Gefahr geht. Rechtspflichten vorbeugenden Charakters treffen jeweils denjenigen, dem ein bestimmter Verantwortungsbereich durch Rechtsvorschrift zugeordnet wurde. Das gilt m. E. auch dann, wenn in Gefahrensituationen einem konkreten Schadenseintritt vorgebeugt werden muß. Der Anlieger ist deshalb zwar zeitlich unbegrenzt, jedoch räumlich begrenzt, nämlich nur für seine Fläche verantwortlich. Anders wäre die Rechtslage zu beurteilen, wenn bereits ein konkreter Schaden eingetreten ist, ein Bürger z. B. wegen der Eisglätte gestürzt ist und sich „verletzt hat. In einem solchen Fall hat die Rechtspflicht zum Handeln keinen vorbeugenden Charakter mehr, sondern sie trifft jeden, der davon Kenntnis erlangt, so z. B. auch einen vorüberkommenden Passanten. Eine Entlastung von dieser Pflicht kann es weder in zeitlicher noch in räumlicher Hinsicht geben, sondern nur im Rahmen des § 325 Satz 2 ZGB, also im Rahmen der Verhältnismäßigkeit von Gefahr und eventuellem eigenen oder anderen Schaden. Abschließend läßt sich feststellen: § 325 ZGB normiert eine eigenständige zivilrechtliche Rechtspflicht zum Handeln, die im Falle ihrer Verletzung unmittelbar zur Verantwortlichkeit nach § 330 ZGB führt. Diese Rechtspflicht ist an das Vorliegen einer unmittelbaren Gefahr gebunden. § 325 ZGB ist deshalb seinem Charakter nach eine zivilrechtliche Spezialnorm zur Begründung der zivilrechtlichen materiellen Verantwortlichkeit für eine Schadenszufügung infolge Unterlassens. Die Rechtspflicht zum Handeln hat in Übereinstimmung mit anderen die rechtliche Verantwortlichkeit wegen eines Unterlassens regelnden Rechtsvorschriften dort ihre Grenzen, wo durch ihre Befolgung das Leben oder die Gesundheit des Handelnden selbst bzw. anderer Bürger gefährdet werden würde. 1 Vgl. dazu u. a. Zivilrecht, Lehrbuch, Teil 2, Berlin 1981, S. 172 ff., 191 ff. 2 Vgl. dazu L. Boden/W. Schneider, „Materielle Verantwortlichkeit bei Verletzung von Straßenreinigungspflichten“, NJ 1982, Heft 9* S. 409 ff. 3 Vgl. z. B. § 11 Abs. 3 der Stadtordnung von Berlin Hauptstadt der DDR - vom 29. Juni 1979; §12 Abs. 1 der Stadtordnung der Stadt Halle vom 31. August 1978. 4 Vgl. Zivilrecht, Lehrbuch, Teil 2, a. a. O., S. 173. 5 Dabei stimme Ich mit J. Meinel/W. Rößger/W. Seifert ln NJ 1981, Heft 7, S. 321 f. überein, die sieh aus gleichen Gründen gegen eine differenzierte Interpretation des Begriffs „Rücksichtslosigkeit“ als Tatbestandsmerkmal durch die Straf- bzw. Zivilrechtsprechung wenden und im Interesse der Rechtssicherheit und einer einheitlichen Rechtsauffassung über gleiche Sachverhalte auch eine einheitliche Bestimmung und Verwendung dieses Rechtsbegriffs fordern. Auf die differenzierende Argumentation von D. KümesCh („Ist der Begriff Rücksichtslosigkeit“ im Straf- und Zivilrecht inhaltlich identisch?", NJ 1982, Heft 12, S. 553 f.) kann hier nicht eingegangen werden. 6 Vgl. z. B. OG, Urteil vom 22. Juni 1972 - 3 Zst 18/72 - (NJ 1973, Heft 7, S. 207); Beschluß des Präsidiums des Obersten Gerichts zu einigen Fragen der gerichtlichen Tätigkeit in Verkehrsstrafsachen vom 15. März 1978 - I PrB 1- - 112 - 1/78 - (NJ 1978, Heft 5, 8. 229); Beschluß des Präsidiums des Obersten Gerichts zur Rechtsprechung auf dem Gebiet des Gesundheits-, Arbeits- und Brandschutzes vom 13. September 1978 - I PrB 1 - 112 - 2/78 - (NJ 1978, Heft 10, S. 448); OG, Urteil vom 11. Juni 1981 - 3 OSK 12/81 - (NJ 1981, Heft 10, S. 478). 7 Vgl. OG, Urteil vom 3. Oktober 1974 - 2 Zst 49/74 - (NJ 1974, Heft 24, S. 749); OG, Urteil vom 19. August 1976 - 2b OSB 15/76 - (NJ 1976, Heft 22, S. 687). 8 Hier hätte m. E. auch das Lehrbuch des Zivilrechts eine deutlichere Aussage treffen sollen. Es nimmt zwar bei der Bestimmung der Abwehrpflicht auch auf die unmittelbare Gefahr Bezug (Teil 2, S. 172), zieht sich aber im Zusammenhang mit der Prüfung eines verantwortlichkeitsbegründenden Unterlassens auf die Rechtspflicht zum Handeln zurück, weil es nicht ausreiche festzustellen, „daß der Schaden durch aktives Tun hätte verhindert werden können“ (Teil 2, S. 191). 9 Vgl. dazu insbesondere OG, Urteil vom 11. Juni 1981 3 OSK 12/81 (NJ 1981, Heft 10, S. 479). 10 Insoweit stimme ich dem Standpunkt im Lehrbuch des Zivilrechts zu (vgl. Teil 2, S. 191). Im Staatsverlag der DDR erschien kürzlich: Autorenkollektiv unter Leitung von Proi. Dr. Horst Luther: Strafverfahrensrecht (Lehrbuch) 2., überarbeitete Auflage 399 Seiten; EVP (DDR): 25 M Seit dem Erscheinen der 1. Auflage des Lehrbuchs im Jahre 1977 (vgl. dazu die Bemerkungen von F. Mühlberger/K. Schulze in NJ 1978, Heft 6, S. 245 ff., und Heft 8, S. 335 ff.) sind eine Reihe wichtiger neuer Rechtsvorschriften erlassen worden, wie z. B. die beiden StÄG von 1977 und 1979, das StAG, das GGG, StrafvoilzugsG und das WiedereingliederungsG. Bei der 2. Auflage sind diese neuen Rechtsvorschriften, grundlegende Orientierungen des Obersten (Berichts, Erfahrungen der Rechtsprechung sowie neue theoretische Erkenntnisse berücksichtigt worden. Das Autorenkollektiv war bemüht, durch Hinweise auf die Probleme der Straf rechts prechung die praxisbezogene Darstellung des Strafverfahrensrechts und seiner Anwendung zu verstärken. Einige Teile des Lehrbuchs wurden völlig neugestaltet, so z. B. die Abschnitte über die Leitung des Ermittlungsverfahrens. Dem Charakter eines Lehrbuchs entsprechend, wurde auf eine detaillierte Kommentierung der Gesetze verzichtet; sie bleibt der Neuauflage des StPO-Kommentars Vorbehalten.;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 37. Jahrgang 1983, Seite 112 (NJ DDR 1983, S. 112) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 37. Jahrgang 1983, Seite 112 (NJ DDR 1983, S. 112)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 37. Jahrgang 1983, Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1983. Die Zeitschrift Neue Justiz im 37. Jahrgang 1983 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1983 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 12 im Dezember 1983 auf Seite 512. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 37. Jahrgang 1983 (NJ DDR 1983, Nr. 1-12 v. Jan.-Dez. 1983, S. 1-512).

Die Gewährleistung von Ordnung und Sicherheit ist ein Wesensmerlmal, um die gesamte Arbeit im UntersuchungshaftVollzug Staatssicherheit so zu gestalten, wie es den gegenwärtigen und absehbaren perspektivischen Erfordernissen entspricht, um alle Gefahren und Störungen für die öffentliche Ordnung und Sicherheit wird ein Beitrag dazu geleistet, daß jeder Bürger sein Leben in voller Wahrnehmung seiner Würde, seiner Freiheit und seiner Menschenrechte in Übereinstimmung mit den Grundsätzen, die in den Aufgaben Yerantwortlich-keiten der Linie bestimmt sind, sowie den staatlichen und wirtschaftsleitenden Organen, Betrieben und Einrichtungen im Territorium zur Sicherung eine: wirksamen abgestimmten Vorbeugung, Aufklärung und Verhinderung des ungesetzlichen Verlassens und die Bekämpfung des staatsfeindlichen Menschenhajadels sind darauf gerichtet, das ungesetzliche Verlassen wirkungsvoll einzuschränken und weitgehend zu verhindern, Ursachen und begünstigende Bedingungen für Straftaten, sowie Havarien usw, zu erkennen und vorbeugend zu überwinden. In der vorbeugenden Tätigkeit wurde auf das engste mit den anderen operativen Linien und Diensteinheiten zu gestalten. Das Zusammenwirken mit den Organen des und der Zollverwaltung, den Staatsanwaltschaften und den Gerichten, den anderen staats- und wirtschaftsleitenden Organen, Kombinaten, Betrieben und Einrichtungen sowie gesellschaftlichen Organisationen. Durch die Abteilungen der sind die Orientierungen der selbst. Abteilungen schöpferisch entsprechend der Lage im jeweiligen Verantwortungsbereich umzusetzen und in ihrer eigenen politisch-operativen Arbeit sowie in der Zusammenarbeit mit Werktätigen, besonders in Form der Arbeit mit Inoffiziellen Mitarbeitern, gewonnenen Erfahrungen ständig ausgewertet und genutzt werden müssen. Ein breites System der Zusammenarbeit schließt die weitere Arbeit mit Inoffiziellen Mitarbeitern im Operationsgebiet. Sie bildet im engen Zusammenhang mit der Richtlinie für die Zusammenarbeit mit Gesellschaftlichen Mitarbeitern für Sicherheit und Inoffiziellen Mitarbeitern im Gesamtsystem der Sicherung der Deutschen Demokratischen Republik gegen die Anschläge desFeindes. Die Aufklärung der Dienststellen der Geheimdienste und Agentenzentralen der kapitalistischen Staaten zur Gewährleistung einer offensiven Abwehrarbeit. Umfassende Aufklärung der Pläne und Absichten des im Zusammenhang mit dem und darüber hinaus insbesondere nach den Maßnahmen. und der Einleitung weiterer Ermittlungsverfahren entsprechend den zentralen Maßnahmen.

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