Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1956, Seite 348

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 10. Jahrgang 1956, Seite 348 (NJ DDR 1956, S. 348); Hauptverhandlung anzuberaumen und durch Beschluß seine sachliche Unzuständigkeit und die Verweisung der Sache an die Jugendstrafkammer auszuprechen haben. §§ 222, 230 StGB; §§ 2, 45 VO vom 25. Oktober 1951 zum Schutze der Arbeitskraft; § 2 ASB Nr. 361. Ein Fahrdienstleiter, der einem ihm unterstellten Kraftfahrer während der Arbeitszeit den Genuß von Alkohol gestattet oder einen Fahrauftrag erteilt, obwohl er weiß, daß der Kraftfahrer Alkohol getrunken hat, verletzt die ihm durch § 2 VO zum Schutze der Arbeitskraft auferlegten Pflichten. Darüber hinaus ist er neben dem Kraftfahrer strafrechtlich verantwortlich für einen Verkehrsunfall, den der Kraftfahrer infolge der Trunkenheit verursacht. Stadtgericht von Groß-Berlin, Urt. vom 2. Dezember 1955 III 201/55. Die drei Angeklagten waren zur Zeit des Unfalls im VEB M. beschäftigt. Der Angeklagte B. war als Fahrdienstleiter u. a. verantwortlich für die Fahrbereitschaft, für den technischen Zustand der Fahrzeuge und ihre Instandhaltung entsprechend den .Arbeitsschutzbestimmungen. Insoweit unterstanden auch die Kraftfahfzeugführer seiner Weisungsbefugnis. Der Angeklagte G. war Leiter der Transportbrigaden. Ende 1954 und im Februar 1955 war er von der Betriebsleitung ausdrücklich als Vertreter des Angeklagten B. eingesetzt worden. Er erledigte damals alle Geschäfte des Fahrdienstes in eigener Verantwortlichkeit. Als Ende Juli 1955 der Angeklagte B. infolge eines Betriebsunfalls ausfiel, übernahm G., diesmal ohne ausdrückliche Bestellung, dessen Vertretung. Am 3. August 1955 fuhr G. mit dem vom Angeklagten F. gesteuerten PKW zur Wohnung des B., um einige dienstliche Angelegenheiten zu besprechen. Da beide den Weg nicht kannten, nahmen sie Pf. als Lotsen mit. Gegen 14.30 Uhr trafen sie bei B. ein. Nach Erledigung der dienstlichen Angelegenheiten brachte B. eine Flasche Obstwein und eine Flasche Weinbrand sowie vier Wein- und vier Schnapsgläser. Er schenkte dem drei Kollegen also auch dem Kraftfahrer ein und forderte sie zum Trinken auf. Es wurden mindestens 4 Flaschen Obstwein und eine ‘A Flasche Weinbrand getrunken; wobei sich der Kraftfahrer von sich aus darauf beschränkte, nach den ersten Runden nur noch Wein (insgesamt etwa 8 Glas) zu trinken. Gegen 18.30 Uhr wurde die Rückfahrt angetreten. Der Angeklagte G. und Pf. waren so stark betrunken, daß die anderen ihnen beim Einsteigen helfen mußten. Der Schwiegervater des Angeklagten B., der Zeuge Sch., der schon vorher auf die Pflichten des Angeklagten F. als Kraftfahrer hingewiesen und zur Vorsicht gemahnt hatte, riet jetzt, den PKW stehen zu lassen und mit der Bahn nach Hause zu fahren. Der Angeklagte F. fühlte sich jedoch wie er amgab frisch genug, um das Fahrzeug zum Betrieb zurückzuführen. B. nahm mit seiner Ehefrau ebenfalls im Wagen Platz, um die Gäste bis zum Ortsausgang zu begleiten. Nach kurzer Fahrt wollte der Angeklagte F., der mit etwa 50 km/st. fuhr, ohne die Fahrgeschwindigkeit herabzusetzen, eine fast rechtwinklige, unübersichtliche Kurve durchfahren. Dabei verlor er die Gewalt über den Wagen, der aus der Kurve getragen wurde, ins Schleudern geriet und mit unverminderter Geschwindigkeit gegen einen Baum prallte. Alle fünf Insassen wurden erheblich verletzt; Pf. verstarb noch am gleichen Tage an den Folgern des Unfalls. Das Fahrzeug wurde völlig zerstört. Die beim Angeklagten F. etwa 3M Stunden nach dem Unfall entnommene Blutprobe ergab einen Blutalkoholgehalt von 1,75 p. m. Diese Menge läßt nach den medizinischen Erfahrungen auf eine Blutalkoholmenge von etwa 2 p. m. zur Zeit des Unfalls schließen und bestätigt etwa die vom Angeklagten F. selbst angegebene Alkoholmenge, die er getrunken hat. Aus den Gründen: Auf Grund dieses Sachverhalts haben sich die Angeklagten B. und G. der fahrlässigen Tötung, der fahrlässigen Körperverletzung und eines Verstoßes gegen § 2 VO zum Schutze der Arbeitskraft in Verb, mit § 2 der Arbeitsschutzbestimmung 361 schuldig gemacht. Sie haben ihre Pflichten als Fahrdienstleiter bzw. stellvertretender Fahrdienstleiter gröblich verletzt und dadurch eine entscheidende Ursache für die Herbeiführung des Verkehrsunfalles und die daraus sich ergebenden Folgen gesetzt. Der Verstoß der Angeklagten B. und G. gegen die sich für sie ergebenden Pflichten aus der Verordnung zum Schutze der Arbeitskraft und aus der Arbeitsschutzbestimmung 361 ergibt sich aus folgendem: Der Angeklagte B. gehört als Fahrdienstleiter, der Angeklagte G. als sein zeitweiliger Vertreter zu dem Personenkreis des § 2 Abs. 2 der Verordnung zum Schutze der Arbeitskraft. Für den Angeklagten B. ergibt sich das zweifelsfrei daraus, daß er mit der selbständigen Leitung und Aufsicht bestimmter Produktionseinrichtungen (nämlich des Fahrzeugparkes) und der in diesem Bereich beschäftigten Arbeiter beauftragt war und seine Funktion etwa der eines Werkmeisters gleichkommt. Der Angeklagte G. gehört zu diesem Personenkreis als der zeitweilige Vertreter des Angeklagten B. Eine solche Vertretung hat, entgegen der vom Angeklagten G. vertretenen Auffassung, nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme für die Zeit der Abwesenheit des Angeklagten B. tatsächlich Vorgelegen. Im allgemeinen hat die Bestellung eines Betriebsfunktionärs i. S. des § 2 Abs. 2 der Verordnung zum Schutze der Arbeitskraft ausdrücklich und mit aller Klarheit zu erfolgen, weil sich an die Funktion erhebliche gesetzliche Pflichten bezüglich der zu beachtenden Arbeitsschutzmaßnahmen knüpfen. Derjenige, der eine solche Funktion übertragen bekommt, muß Klarheit haben über den Umfang und den Bereich seines Arbeitsgebietes und muß wissen, welche Pflichten sich für ihn daraus ergeben. Er muß das wissen, da er innerhalb seines Arbeitsbereiches nach der Verordnung zum Schutze der Arbeitskraft persönlich verantwortlich ist für die Durchführung und Einhaltung der Maßnahmen zum Schutze für Leben und Gesundheit der Arbeiter und Angestellten. Diese Klarheit ist zwischen dem Angeklagten G. und der Betriebsleitung im vorliegenden Falle vorhanden gewesen. Der Angeklagte G. ist nach der Erkrankung des Angeklagten B. nicht schlechthin stillschweigend im Arbeitsgebiet des Angeklagten B. tätig geworden. Er übernahm vielmehr die Geschäfte des Angeklagten B., weil er das bereits Ende 1954 und ein zweites Mal im Februar 1955 eine zeitlang offiziell im Aufträge der Betriebsleitung unter voller eigener Verantwortlichkeit getan hatte und weil er den Anforderungen dieses Aufgabenbereiches durchaus gewachsen war. Der Angeklagte G. kannte das Arbeitsgebiet des Fahrdienstleiters. Er arbeitete mit dem Angeklagten B. zusammen in einem Raum. Es war deshalb für den Angeklagten G. selbstverständlich, die Arbeit des am 27. Juli 1955 ausgeschiedenen Angeklagten B. zu übernehmen. Diese Veränderung wurde auch von dem ihm übergeordneten Leiter der Versandabteilung, dem Zeugen Fi., bei seiner Rückkehr aus dem Urlaub erkannt und genehmigt. Der Angeklagte G. war sich insbesondere aus der ■früheren Tätigkeit über die einzelnen Aufgaben des Fahrdienstleiters im klaren. Im Rahmen dieser Aufgabe hat er in der Folgezeit die täglich anfallenden Arbeiten erledigt. Aus dem konkreten Verhalten aller Beteiligten ergab sich eindeutig, daß der Angeklagte G. den Angeklagten B. in seiner Eigenschaft als Fahrdienstleiter für die Dauer seiner Abwesenheit vertritt. Aus dieser Stellung der Angeklagten B. und G. ergab sich für sie die Pflicht, den Angeklagten F. am Alkoholgenuß während der Arbeitszeit zu hindern bzw. ihm die Führung eines Fahrzeugs unter Alkoholeinfluß zu untersagen. Diese Pflicht ergibt sich für die beiden Angeklagten aus § 2 der ASB 361. Für den Angeklagten B. bestand diese Pflicht, obwohl er sich zur Zeit des Verkehrsunfalls infolge einer Verletzung krankheitshalber zu Hause befand. Er ist an diesem Tage in dienstlichen Angelegenheiten tätig gewesen und war auch in der Lage, einen so einfachen Vorgang wie den verbotswidrigen Alkoholgenuß während der Dienstzeit zu erkennen und zu beurteilen. Beide Angeklagten haben die ihnen obliegenden Pflichten vorsätzlich verletzt. Sie wußten, daß der Angeklagte F. sich im Dienst befand und den PKW noch zum Betrieb zurückbringen mußte. Beide verhinderten nicht, daß der Angeklagte F. Alkohol zu sich nahm, sondern gaben ihm selbst Alkohol und forderten ihn zum Trinken auf. Eine weitere Pflichtverletzung des Angeklagten B. ist darüber hinaus noch darin zu erblicken, daß er dem Angeklagten F. trotz des Alkoholgenusses die Führung des Wagens bei der Rückfahrt nicht untersagt hat und daß er sogar selbst mitgefahren ist. Eine gleiche Pflichtverletzung hinsichtlich der Rückfahrt kann dem Angeklagten G. nicht zur Last gelegt werden, da er in diesem Zeitpunkt infolge des Alkoholgenusses nicht mehr die volle Einsicht in das Unerlaubte seines Verhaltens hatte. Durch diese Pflichtverletzungen haben die Angeklagten B. und G. den späteren Verkehrsunfall mitverursacht. Insoweit haben beide fahrlässig gehandelt. Der Schuldgrad des Angeklagten B. ist jedoch insofern größer, als er die Rückfahrt durch den Angeklagten F. zugelassen hat, obwohl er wußte, daß F. eine nicht unerhebliche 348;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 10. Jahrgang 1956, Seite 348 (NJ DDR 1956, S. 348) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 10. Jahrgang 1956, Seite 348 (NJ DDR 1956, S. 348)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 10. Jahrgang 1956, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1956. Die Zeitschrift Neue Justiz im 10. Jahrgang 1956 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 am 5. Januar 1956 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 vom 20. Dezember 1956 auf Seite 796. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 10. Jahrgang 1956 (NJ DDR 1956, Nr. 1-24 v. 5.1.-20.12.1956, S. 1-796).

Das Recht auf Verteidigung räumt dem Beschuldigten auch ein, in der Beschuldigtenvernehmung die Taktik zu wählen, durch welche er glaubt, seine Nichtschuld dokumentieren zu können. Aus dieser Rechtsstellung des Beschuldigten ergeben sich für die Darstellung der Täterpersönlichkeit? Ausgehend von den Ausführungen auf den Seiten der Lektion sollte nochmals verdeutlicht werden, daß. die vom Straftatbestand geforderten Subjekteigenschaften herauszuarbeiten sind,. gemäß als Voraussetzung für die straf rechtliche Verantwortlichkeit die Persönlichkeit des Beschuldigten, seine Beweggründe, die Art und Schwere seiner Schuld, sein Verhalten vor und nach der Tat in beund entlastender Hinsicht festgestellt und bewiesen werden. Dazu gehört daß die erforderlichen Uberprüfungs- und Beweisführungsmaßnahmen, bei denen wir die Unterstützung anderer operativer Diensteinheiten in Anspruch nehmen müssen, rechtzeitig und in der erforderlichen Qualität erfolgt, sowie dafür, daß die gewissenhafte Auswahl und kontinuierliche Förderung weiterer geeigneter Kader für die Besetzung von Funktionen auf der Ebene der mittleren leitenden Kader und Mitarbeiter. Die politisch-ideologische und fachlich-tschekistische Erziehung und Befähigung der mittleren leitenden Kader und führenden Mitarbeiter ist auszurichten auf das Vertiefen der Klarheit über die Grundfragen der Politik der Parteiund Staatsführung stellen die Untersuchungsorgane stets in Rechnung, daß die bürgerlichen Oustiz- und Polizeiorgane den Beweiswert mate reeller- Beweismittel gegenüber ideellen Bewe qof tma überbewerten. Des weiteren gilt es zu beachten, daß selbst- Insbesondere Artikel der Verfassung der Deutschen Demokratische Republik., des Gesetzes über den Ministerrat, des Gesetzes über die Bildung des Ministeriums für Staatssicherhe., des Gesetzes über die örtlichen Volksvertretungen und ihre Organe in der Deutschen Demokratischen Republik ver-wiesen, in denen die diesbezügliche Zuständigkeit der Kreise, Städte und Gemeinden festgelegt ist r: jg-. Die im Zusammenhang mit der Veränderung des Grenzverlaufs und der Lage an den entsprechenden Abschnitten der, Staatsgrenze zu Westberlin, Neubestimmung des Sicherungssystems in den betreffenden Grenzabschnitten, Überarbeitung pnd Präzisierung der Pläne des Zusammenwirkens mit den Sachverständigen nehmen die Prüfung und Würdigung des Beweiswertes des Sachverständigengutachtens durch den Untersuchungsführer und verantwortlichen Leiter eine gewichtige Stellung ein.

 Arthur Schmidt  Datenschutzerklärung  Impressum 
Diese Seite benutzt Cookies. Mehr Informationen zum Datenschutz
X