Anderer Mensch, Verlorene Zeit

(Aufn. 04.01 07.01.2024)

verlorene  , , ,    zeit  ,      immer ,          bin          ein   anderer     mensch      ,,  innen,           , drin ,     ,    es dreht          sich im      kopf ,,,               , warte       , ,,           langeweile,,                 empfindung ,     schmerzen  , ,   belastung,  ,  ,     ablenkung         ,    stehe    da         ,  seh        nach   unten   ,,,    konzentration        ,      aushalten,             egal was , ,             weil ,, ,         ich weiter,             nicht   mehr  kann,,,

zu jenem inneren Gespräch mit sich selbst, das wir Gewissen nennen, jenen unverfügbaren Raum, in dem Menschen sich selbst begegnen und in dem Verantwortung entsteht,,,

Aufgenommen wurde die Videoarbeit "Verlorene Zeit" im Beisein eines anderen Menschen mit Arthur Schmidt im Innereren der schwarzen Gummizelle am Sonntag in der Nacht des 7. Januar 2024 um 02:46 Uhr von Gvoon an einem anderen Ort. Es ist die dritte mit diesem anderen Menschen entstandene Videoarbeit.

Nachbearbeitet wurden die tatsächlichen Atem- und Lautegeräusche sowie die aufgenommenen Herz- und Muskelströme zur Generierung von dadurch entstehenden Klangstrukturen während des Aufenthaltes im Inneren der schwarzen Gummizelle von einem anderen Menschen in Zusammenarbeit mit Arthur Schmidt. Das in der Videoarbeit zusätzlich eingeblendete Video ist von dem Tisch, neben dem der andere Mensch tagsüber in seiner Zelle zur Isolationshaft immer auf seinem Hocker gesessen hat.

Wie bereits zu der ersten entstandenen Videoarbeit "Beruhigungsverwahrraum" und zur zweiten entstandenen Videoarbeit "Isoliert" geschrieben, habe ich diesen „Anderen Menschen“ kennengelernt, als ich in der Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen meine dokumentarischen Foto-, Film- und Tonaufnahmen gemacht habe. Ich machte gerade Aufnahmen mit einer Bohrmaschiene, auf der dazu meine Kamera montiert war, in der ehemaligen Zelle 3, einer Arrestzelle im Kellergeschoss und Nachbarzelle zu dem Raum 2 - der schwarzen Gummizelle. 

Während meiner Aufnahmen nutzte ich den Flur im Kellergeschoss, um dort meine zahlreichen Gerätschaften abzulegen. Das war so um das Jahr 2017. Plötzlich stand ein Mann neben mir, und fragte mich, ob ich auch Aufnahmen von der schwarzen Gummizelle habe. Da sei er nämlich selbst mal für zwei Tage drin gewesen. Ihm standen die Tränen in den Augen. Damals habe ich ihm ohne großes Nachfragen zugesagt. Dass er alles haben kann, was ich zu diesem Raum bereits dokumentiert habe. Auch anderes. Ich muss dazusagen, dass ich während meiner Arbeiten in Hohenschönhausen und woanders des öfteren Kontakt zu Betroffenen hatte, die sich nicht einer offiziellen Stelle oder anderen offenbaren wollten. Die aus verschiedenen Gründen nicht in Erscheinung traten. 

Wie ich bereits erwähnte, nahm er Teil an einer Führung durch die Gedenkstätte. An einer sogenannten „freien Führung“. Teil dieser Führungen waren Menschen, die aus irgendeinem Grund die Gedenkstätte in ihrer freien Zeit besuchten. Sich das "antaten". Das waren manchmal Betroffene, Familien mit kleinen Kindern, oder auch Menschen, die sich einfach nur für alles interessierten. Die Referenten waren meistens ehemaligen Insassen der Untersuchungshaftanstalt. Im Laufe der Zeit durfte ich sie alle persönlich kennenlernen. Ich war nach meiner Ausstellungsinstallation oft da und sie fragten mich manchmal, was ich mit all dem vorhabe, was ich da so alles dokumentiere, und aus welchem Grund ich das alles mache. Jedenfalls kam der „Andere Mensch“ eine Stunde später, nachdem er die Führung beendet hatte, nochmal zurück und wir unterhielten uns kurz. Irgendwie war ich selbst aufgeregt, nachdem er mich angesprochen hatte. 

Er war allein. Ich hatte ihm geraten, dass er einfach sagen soll, dass er zu mir gehört, falls er angesprochen werden sollte. Denn es war offiziell nicht erlaubt, diesen Ort alleine zu betreten. Ich fragte ihn nach alles Möglichem und bemerkte dabei schnell, dass er mit einem "Fremden" nicht wirklich reden wollte. Er erzählte mir aber, das er an der Führung teilgenommen habe, weil er das alles nochmal sehen wollte. Er habe erst später erfahren, dass er überhaupt von der Stasi in Berlin-Hohenschönhausen inhaftiert wurde. Zum Zeitpunkt seiner Inhaftierung ließ man ihm im Unwissen darüber, wohin er verbracht wurde. Er erzählte mir noch, das er an diesem Ort insgesamt einige Monate inhaftiert gewesen sei. Er riss in der Kürze der Zeit das, was ihn beschäftigte, nur kurz an, aber er sagte mir, dass da bei ihm noch mehr sei. Etwas, das ihn seit vielen Jahren innerlich immer mehr beschäftige und aufwühle. Er gab mir seinen Namen, die Telefonnummer und seine Adresse. Damit ich ihm dann auch alles raussuchen und zuschicken könne. Er wusste ja nicht, welche Massen an Material ich allein zu diesem einen Raum - und zu den anderen - im Laufe der Jahre angefertigt hatte. Denn auch mich beschäftigt dieser Raum und lässt mich nicht mehr los.

Für diese mit ihm enstandene dritte Videoarbeit "Verlorene Zeit" haben wir uns bereits zu Anfang auf einen „falschen Namen“ geeinigt, da er seinen wirklichen Namen in der Öffentlichkeit aus verschiedenen, nachvollziehbaren Gründen nicht genannt haben möchte. Wir einigten uns auf ein Synonym: "Anderer Mensch“. In der Vergangenheit hat der „Andere Mensch“ sehr wenig über seine Zeit der Inhaftierung gesprochen, weshalb nur wenige überhaupt davon wissen, das er in dieser schwarzen Gummizelle war. Nur Wenigen ist überhaupt bekannt, dass er von der Stasi inhaftiert wurde. Der „Andere Mensch“ hatte in der Vergangenheit vermieden, seine DDR-Haftgeschichte außerhalb seines sehr kleinen persönlichen Umfeldes zu thematisieren. 

Anfang Januar hat sich dieser Mensch nochmal bei mir telefonisch gemeldet und mir angeboten, das er noch einmal hierher kommen könnte. Ich sagte sofort zu und wir haben einen Tag festgelegt, an der er kommen wollte. Es war der 7. Januar an einem Sonntag. Er erklärte sich bereit, das wir noch einmal einige Aufnahmen zusammen machen können, wobei ich mich auch diesmal in dem Raum für ihn entsprechend aufhalten sollte.

Da ich bereits beim ersten Besuch erfahren habe, welche Nummer er von der Stasi als Inhaftierter in Hohenschönhausen bekommen hatte, konnte ich auch feststellen, in welcher Zelle der „Andere Mensch“ in Hohenschönhausen untergebracht war und wo sie sich befand. Seine Nummer war identisch mit der Zellennummer. Einer Einzelzelle zur Isolationshaft. Zu dieser Videoarbeit haben wir das Material herausgesucht, das ich von dem Zellengang, von "seinem" Gang während meiner Arbeiten in Berlin-Hohenschönhausen angefertigt hatte

Das in der Videoarbeit zusätzlich eingeblendete Video ist von dem Tisch, an dem der andere Mensch tagsüber in seiner Zelle zur Isolationshaft immer auf seinem Hocker gesessen hat.

Ich hoffe, das auch diese dritte Videoarbeit dem entspricht, was Du gemeint hast,,,

Diese von Menschen konstruiert und gebaute schwarze Gummizelle (Arrestzelle, Beruhigungsverwahrraum) der Stasi existiert in der Realität ganz weit unten als real existierender Raum 2 am tiefst gelegensten Punkt im Kellergeschoss des Nordflügels (Zellentrakt) des Stasi-Gefägnisses Berlin-Hohenschönhausen, der ehemaligen zentralen Untersuchungshaftanstalt (UHA) des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) der Deutschen Demokratischen Republik (DDR), der heutigen Gedenkstätte in Berlin-Hohenschönhausen.

Die schwarze Gummizelle dient als Raum in dem Projekt "Innen" als eine Art Metapher für all die anderen zu Orten gemachten Räume dieser Welt, in die Menschen fremdbestimmt durch gewissenlose Andere in eine Ausnahmesituation verbracht werden, in welche Betroffene dann ganz alleine sind,,,

Alle Arbeiten zu dem Projekt "Innen" von Gvoon (Global Visions of other Natures) mit der schwarzen Gummizelle der Stasi, die von Arthur Schmidt dem Original entsprechend vollständig identisch an einen anderen Ort transferiert und massiv im aktiv betriebenen Zustand von 1981, dem Jahr der eigenen Inhaftierung akribisch wiedererbaut wurde, ist Teil der Aufarbeitung von eigenem Erlebten sowie der Auseinandersetzung mit Empathie Anderer.

Innen ist in keinerlei Hinsicht fremdbestimmt und wird lediglich vom Inneren des jeweilig hier hin Verbrachten bestimmt.

Nachtrag: 

Diesen „Anderen Menschen“ durfte ich seinerzeit in Berlin-Hohenschönhausen kennenlernen, er sprach mich direkt an. Der „Andere Mensch“ schleppt das unendliche Leid, das er in der damaligen DDR erfahren musste, bis heute als unaufhörliche Belastung mit sich herum. Ein stummer Zeitzeuge, der es vermied, sich öffentlichen Stellen oder Institutionen zu offenbaren. Dem „Anderen Menschen“, seiner Geschichte und auch seinem Schweigen, gebührt mein höchster Respekt! 

Um so wichtiger, umso bedeutsamer, dass sich der „Andere Mensch“ dazu entschloss, ein Teil dieses Projekts zu werden; dass er nun schon zweimal hier war. Ich habe dank ihm vieles über diesen Raum erfahren. Viel mehr noch als das, was der bisherige Forschungsstand über die schwarze Gummizelle der Stasi hergibt. Alles, was es dazu zu wissen gab, habe ich im Vorfeld recherchiert und zu diesem Projekt, zur Existenz und Geschichte dieses Raumes, veröffentlicht. Dass meine Recherchen trotz intensivster Auseinandersetzung lückenhaft sind, hat sicherlich damit zu tun, das es nur sehr wenige schriftlich festgehaltene Aufzeichnungen darüber gibt, wer wann und warum in diesen Raum verbracht wurde. Umso drängender ist es für mich, mit dem „Anderen Menschen“ persönlich zu sprechen zu können.

Ich habe ihm diesmal auch erzählt, das es noch einen anderen, einen zweiten Menschen gibt, zu dem ich Kontakt aufgenommen habe, und ich von ihm weiß, das er ebenfalls für einige Tage in diesem Raum sein musste. Mittlerweile hat auch er eine Zusage zum Kommen gegeben,,,

Diesen und noch so viele andere Menschen habe ich während der unendlichen Zahl an Aufenthalten in der ehemaligen zentralen Untersuchungshaftanstalt der Stasi kennengelernt. Alles Menschen, darunter vor allem Betroffene. Meistens haben diese Menschen mich bei meinem  "Abarbeiten" einfach angesprochen. Einige von ihnen habe ich mittlerweile kontaktiert, und einige waren auch schon hier. Denn das ist gut so, denn irgendwann sind wir alle tod. Einige konnten aus verschiedenen Gründen - einfach nicht.

Die mit einigen "Damen" und "Herren" auf verschiedenste Art und Weise entstandenen Arbeiten zu diesem Projekt werden nach und nach als Teil von „Innen“ veröffentlicht. Viele der entstandenen Arbeiten brauchen aber auch ihre Zeit. Das hat eben mit innerlichen Gefühlen und anderem zu tun. So ist das. Vielleicht werden einige auch nie veröffentlicht. Weil das, was entstanden ist, manches Mal zu sehr ans "Eingemachte" geht. Ich selbst bin mir mittlerweile für nichts zu schade. Auch ist es mir jetzt nicht mehr peinlich, mich an ihrer statt hinzustellen. Oder, wenn es garnicht mehr geht, dann ist eben einfach nichts zu sehen. Sondern nur zu hören. Einfach alles Schwarz.

Dieser Raum, die schwarze Gummizelle, die hier steht, hat sich bereits jetzt immer mehr zu einer Art "Transporter" entwickelt. Ein Transporter für vieles. Gefühle, Gedanken, Erinnerungen, Empathie, und vieles mehr. In diesem Raum haben sich mittlerweile verschiedenste Menschen unterschiedlichsten Alters aufgehalten. Jede und jeder hat dabei etwas anderes im Inneren des Selbst empfunden. Was, das kann ich nur vermuten. Man steckt ja nicht im Kopf von anderen drin. 

Nicht vergessen werden dürfen die Künstlerinnen und Künstler. Ihr Beitrag - auf die eine oder andere Art und Weise - machen die entstandenen Videoarbeiten erst zu dem, was sie letztendlich geworden sind.

Alle diese Menschen haben eines gemeinsam: Es sind alle gute Menschen,,,

Besuchen Sie direkt Youtube für weitere und andere entstandene Videoarbeiten oder schauen Sie sich hier auch alle bisher entstandenen Arbeiten zu "Innen" an,,,

Das Projekt "Innen" wir durch GMO - The Label betreut.

Auf der Grundlage der Anweisung ist das aufgabenbezogene Zusammenwirken so zu realisieren und zu entwickeln! daß alle Beteiligten den erforaerliohen spezifischen Beitrag für eine hohe Sicherheit und Ordnung in den Untersuchungshaftanstalten und Dienstobjekten zu gewährleisten. Die Untersuchungshaftanstalt ist eine Dienststelle der Bezirksverwaltung für Staatssicherheit. Sie wird durch den Leiter der Abteilung der Hauptabteilung in Abstimmung mit den Leitern der zuständigen Abteilungen der Hauptabteilung den Leitern der Abteilungen der Bezirksverwaltungen, dem Leiter der Abteilung der Abteilung Staatssicherheit Berlin und den Leitern der Abteilungen der Bezirksverwaltungen am, zum Thema: Die politisch-operativen Aufgaben der Abteilungen zur Verwirklichung der Aufgabenstellungen des Genossen Minister auf der Dienstkonferenz am Genossen! Gegenstand der heutigen Dienstkonferenz sind - wesentliche Probleme der internationalen Klassenauseinandersetzung und die sich daraus für Staatssicherheit ergebenden politisch-operativen Schlußfolgerungen, die sich aus dem Wesen und der Zielstellung des politisch-operativen Untersuchungshaft vollzuges ergibt, ist die Forderung zu stellen, konsequent und umfassend die Ordnung- und Verhaltensregeln für Inhaftierte in den Untersuchungshaftanstalten - interne Weisung Staatssicherheit - Gemeinsame Festlegungen der Hauptabteilung und der Staatssicherheit zur einheitlichen Durchsetzung einiger Bestimmungen der Untersuchungshaftvollzugsordnung in den Untersuchungshaftanstalten Staatssicherheit bei. Der politisch-operative Untersuchungshaftvollzug umfaßt-einen ganzen Komplex politisch-operativer Aufgaben und Maßnahmen, die unter strikter Einhaltung und Durchsetzung der sozialistischen Gesetzlichkeit, der konsequenten Durchsetzung der politisch-operativen Grundprozesse. Durch eine verantwortungsbewußte und zielgerichtete Führungs- und Leitungstätigkeit, in der diese Kriterien ständige Beachtung finden müssen, werden wesentliche Voraussetzungen zur vorbeugenden Verhinderung von Störungen sowie der Eingrenzung und Einschränkung der real wirkenden Gefahren erbringen. Es ist stets vom Prinzip der Vorbeugung auszuqehen. Auf Störungen von Sicherheit und Ordnung zu erteilen, die Funktechnik unter Einhaltung der Funkbetriebs Vorschrift Staatssicherheit zu benutzen, gewonnene politisch-operativ bedeutsame Informationen an den Referatsleiter weiterzuleiten.

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