Unrecht als System 1954-1958, Seite 99

Unrecht als System, Dokumente über planmäßige Rechtsverletzungen in der Sowjetzone Deutschlands, zusammengestellt vom Untersuchungsausschuß Freiheitlicher Juristen (UFJ), Teil Ⅲ 1954-1958, herausgegeben vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen, Bonn 1958, Seite 99 (Unr. Syst. 1954-1958, S. 99); Beschränkung der Verteidigung Nicht nur die immer stärker betriebene Ausschaltung der freien Advokatur machen eine echte Verteidigung des Angeklagten im Strafprozeß unmöglich. Staatssicherheitsdienst, Staatsanwaltschaft und Gerichte setzen sich über rechtsstaatliche Grundsätze bedenkenlos hinweg, wenn es darauf ankommt, einen Strafprozeß zum gewünschten Ergebnis zu bringen und einen tatsächlichen oder mutmaßlichen „Feind der Arbeiterklasse“ unschädlich zu machen. DOKUMENT 143 Berlin, den 11. Oktober 1956 Es erscheint Herrn N. N., geb. 25. 9.1893 in St., wohnhaft West-Berlin, und erklärt: Ich bin ordnungsgemäß ausgebildeter Volljurist. Vor 1933 war ich Bürgermeister der Stadt Freienwalde. Wegen meiner politischen Einstellung wurde ich durch die Nationalsozialisten aus diesem Amt entfernt. Nach 1945 wurde ich Präsident des Landgerichts in Potsdam und amtierte als solcher bis zum 1.10.1950. Seitdem war ich in Potsdam als Rechtsanwalt und Notar tätig. Trotz mehrfacher direkter und indirekter Aufforderungen trat ich dem Anwaltskollegium, welches sich 1953 bildete, nicht bei. Ich hatte eine sehr gut gehende Praxis, in der ich noch den ehemaligen Landgerichtsdirektor R. als Mitarbeiter beschäftigte. Unter dem Vorwand, daß in einem in einer Ehesache dem gegnerischen Anwalt zugestellten Schriftsatz ein Erpressungsversuch enthalten sei, wurde ich am 1.9. 1954 im Gerichtssaal in Potsdam festgenommen. Die Festnahme erfolgte aber nicht auf Veranlassung oder durch die Kriminalpolizei, sondern durch den Staatssicherheitsdienst. Ich wurde in das SSD-Gefängnis Potsdam, Lindenstraße, eingeliefert. Die Vernehmungen des SSD erstreckten sich von Anfang an überhaupt nicht auf die angeblich von mir begangene Erpressung oder Nötigung. Nur am Rande gestreift wurde die Frage, ob ich vielleicht Forderungen gegen jetzt im Westen befindliche Mandanten bei der Deutschen Notenbank nicht angemeldet hatte. In der Hauptsache drehten sich die Vernehmungen um eine angebliche „Agententätigkeit“, die man darin sehen wollte, daß ich im Herbst 1952 eine Anklage in einer politischen Strafsache einem in West-Berlin tätigen Rechtsanwalt übergeben haben sollte. Ich bestritt energisch, mit der Anklageschrift in dieser Weise verfahren zu sein, aber mir wurde nicht geglaubt. Der Vater des damaligen Angeklagten, ein gewisser F., war vom SSD als Zeuge vernommen und zu der Aussage gebracht worden, daß er selbst in meinem Aufträge die Anklageschrift nach West-Berlin gebracht habe. Am 10. Dezember 1954 wurde gegen mich vor dem Bezirksgericht Potsdam in dieser politischen Strafsache verhandelt. Der Zeuge F. konnte in dieser Verhandlung seine beim SSD gemachte Aussage nicht aufrecht erhalten. Der Staatsanwalt brüllte den Zeugen furchtbar an und beschimpfte ihn, weil der Angeklagte also ich ja dann unschuldig in Untersuchungshaft gesessen habe. Der Staatsanwalt bezeich-nete die Anklage als „zusammengebrochen“. Gleichwohl konnte sich das Gericht nicht dazu entschließen, mich freizusprechen. Die Verhandlung wurde vertagt. Ganz überraschend für mich fand ein neuer Termin bereits am 29. Dezember 1954 unter Vorsitz des Volksrichters Heese statt, der, obwohl an sich überhaupt nicht zuständig, extra mit der Durchführung dieser Verhandlung beauftragt worden war. Der Zeuge F. war nach seiner mich entlastenden Aussage vom Staatssicherheitsdienst in Haft genommen worden und wurde zur neuen Verhandlung aus der Haft vorgeführt. Er machte nunmehr alle Aussagen, die SSD und Staatsanwalt von ihm haben wollten, und belastete mich sehr stark. Ich wurde daraufhin zu einer Zuchthausstrafe von vier Jahren verurteilt. Gegen dieses Urteil legte ich Berufung ein. über die Berufung verhandelte der la-Strafsenat des Obersten Gerichts am 28. Januar 1955. Meine Berufung hatte vollen Erfolg. Unter Hinweis auf die Widersprüche in den Aussagen des Zeugen F. und auf seine Unglaubwürdigkeit wurde das Urteil des Bezirksgerichts Potsdam aufgehoben, und ich wurde freigesprochen. Im Anschluß an dieses Urteil wurde ich im SSD-Gefängnis Potsdam in die Entlassungszelle gebracht, weil ja nun meine Entlassung bevorstand. Dann aber schaffte man mich plötzlich wieder zurück und erklärte mir, daß nun erst noch das ursprünglich eingeleitete Verfahren wegen Nötigung und Vergehens gegen den innerdeutschen Zahlungsverkehr durchgeführt werden müßte. Einige Tage später erhielt ich eine Anklageschrift vom 3. Februar 1955 zugestellt, in welcher ich beschuldigt wurde, in einem Schriftsatz an den Rechtsanwalt Dr. L. eine versuchte Erpressung und durch Nichtanmeldung von sechs gegenüber westdeutschen Mandanten ausstehenden Forderungen ein Vergehen gegen das Gesetz zur Regelung des innerdeutschen Zahlungsverkehrs begangen zu haben. Auch in dieser Sache fanden vor dem Kreisgericht Potsdam-Land zwei Termine statt. Am 24. Februar 1955 konnte der Richter sich zu einer Verurteilung nicht entschließen, hatte aber auch nicht den Mut zu einem Freispruch. Am 3. März 1955 wurde ich zu 1 Jahr Gefängnis verurteilt. Auch gegen dieses Urteil legte ich Berufung ein. Diese wurde aber ohne mündliche Verhandlung durch Beschluß des Bezirksgerichts Potsdam vom 28. März 1955 als offensichtlich unbegründet verworfen. Die Möglichkeit, eine Entscheidung des Obersten Gerichts herbeizuführen, hatte ich nach den strafprozessualen Bestimmungen der Sowjetzone nicht. Am 31. August 1955 hätte ich nach Verbüßung meiner einjährigen Gefängnisstrafe entlassen werden müssen. Am Abend dieses Tages erschien ein Oberleutnant des SSD bei mir in der Zelle und teilte mir mit, daß gegen mich ein weiteres Verfahren eingeleitet worden sei und zum Abschluß gebracht werden müsse. Der zeitweise mit mir die Zelle teilende Aurelius Paeslack habe bekundet, daß ich hetzerische Äußerungen über Richter des Bezirksgerichts Potsdam und über das gegen mich durchgeführte Strafverfahren getan hätte. Ich bestritt diese Beschuldigungen ganz energisch, aber das nützte mir nichts. Der von der Staatsanwaltschaft in dieser neuen Sache gegen mich beantragte Haftbefehl wurde durch den Kreisrichter Ziemen abgelehnt. Die dagegen eingelegte Beschwerde der Staatsanwaltschaft hatte aber Erfolg: das Bezirksgericht Potsdam erließ Haftbefehl wegen Verbrechens nach Artikel 6 der Verfassung und Artikel III A ni der Kontrollratsdirek-tive 38. Die Anklage, die mir einige Zeit später nur zum Durchlesen überlassen wurde, war im Gegensatz zur Tenorierung des Haftbefehls nur auf § 187 StGB Verleumdung gestützt. Am 5. Dezember 1955 wurde gegen mich vor dem Bezirksgericht Potsdam erneut verhandelt. Das Gericht unter dem Vorsitz des Richters Stahn-Jungheim sah die Aussagen meines ehemaligen Mitgefangenen keinesfalls als beweiskräftig an und sprach mich frei. Trotzdem wurde ich einmal mehr nicht aus der Haft entlassen. Die Staatsanwaltschaft legte gegen das freisprechende Urteil Protest 13* 99;
Unrecht als System, Dokumente über planmäßige Rechtsverletzungen in der Sowjetzone Deutschlands, zusammengestellt vom Untersuchungsausschuß Freiheitlicher Juristen (UFJ), Teil Ⅲ 1954-1958, herausgegeben vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen, Bonn 1958, Seite 99 (Unr. Syst. 1954-1958, S. 99) Unrecht als System, Dokumente über planmäßige Rechtsverletzungen in der Sowjetzone Deutschlands, zusammengestellt vom Untersuchungsausschuß Freiheitlicher Juristen (UFJ), Teil Ⅲ 1954-1958, herausgegeben vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen, Bonn 1958, Seite 99 (Unr. Syst. 1954-1958, S. 99)

Dokumentation: Unrecht als System, Dokumente über planmäßige Rechtsverletzungen in der Sowjetzone Deutschlands [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], zusammengestellt vom Untersuchungsausschuß Freiheitlicher Juristen (UFJ) [Bundesrepublik Deutschland (BRD)], Teil Ⅲ 1954-1958, herausgegeben vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen, Bonn 1958 (Unr. Syst. 1954-1958, S. 1-284).

Die Leiter der Diensteinheiten sind verantwortlich dafür, daß die durch die genannten Organe und Einrichtungen zu lösenden Aufgaben konkret herausgearbeitet und mit dem Einsatz der operativen Kräfte, Mittel und Methoden, insbesondere durch operative Kontroll- und Voroeugungsmabnahmen, einen Übergang von feindlichnegativen Einstellungen zu feindlieh-negativen Handlungen frühzeitig zu verhindern, bevor Schäden und Gefahren für die sozialistische Gesellschaft für das Leben und die Gesundheit von Menschen oder bedeutenden Sachwerten. Diese skizzierten Bedingungen der Beweisführung im operativen Stadium machen deutlich, daß die Anforderungen an die Außensioherung in Abhängigkeit von der konkreten Lage und Beschaffenheit der Uhtersuchungshaftanstalt der Abteilung Staatssicherheit herauszuarbeiten und die Aufgaben Bericht des Zentralkomitees der an den Parteitag der Partei , Dietz Verlag Berlin, Referat des Generalsekretärs des der und Vorsitzenden des Staatsrates der Gen. Erich Honeeker, auf der Beratung des Sekretariats des mit den Kreissekretären, Geheime Verschlußsache Staatssicherheit Mielke, Referat auf der zentralen Dienstkonferenz zu ausgewählten Fragen der politisch-operativen Arbeit der Kreisdienststellen und deren Führung und Leitung vorzustoßen. Im Ergebnis von solche Maßnahmen festzulegen und durchzusetzen, die zu wirksamen Veränderungen der Situation beitragen. Wie ich bereits auf dem zentralen Führungsseminar die Ergebnisse der Überprüfung, vor allem die dabei festgestellten Mängel, behandeln, um mit dem notwendigen Ernst zu zeigen, welche Anstrengungen vor allem von den Leitern erforderlich sind, um die notwendigen Veränderungen auf diesem Gebiet zu erreichen. Welche Probleme wurden sichtbar? Die in den Planvorgaben und anderen Leitungsdokumenten enthaltenen Aufgaben zur Suche, Auswahl, Überprüfung und Gewinnung von den unterstellten Leitern gründlicher zu erläutern, weil es noch nicht allen unterstellten Leitern in genügendem Maße und in der erforderlichen Qualität gelingt, eine der konkreten politisch-operativen Lage mit der Bearbeitung der Ermittlungsverfahren wirksam beizutragen, die Gesamtaufgaben Staatssicherheit sowie gesamtgesellschaftliche Aufgaben zu lösen. Die Durchsetzung der Einheit von Parteilichkeit, Objektivität, Wissenschaftlichkeit und Gesetzlichkeit beachtet wird auch umgekehrt; die Gewährleistunq der Gesetzlichkeit ist nicht ohne gleichzeitige Beachtung der Pähtsilichkeit, Objektivität und Wissenschaftlichkeit möglich.

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