Unrecht als System 1954-1958, Seite 102

Unrecht als System, Dokumente über planmäßige Rechtsverletzungen in der Sowjetzone Deutschlands, zusammengestellt vom Untersuchungsausschuß Freiheitlicher Juristen (UFJ), Teil Ⅲ 1954-1958, herausgegeben vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen, Bonn 1958, Seite 102 (Unr. Syst. 1954-1958, S. 102); nehmung zum Ausdruck. Mir wurde vorgeworfen, irgend etwas gemeinsam mit Dr. Silgradt, der 1951 Kreisrat für Finanzen im Landkreis Leipzig war, und einem gewissen Paul Conrads, meinem Stellvertreter in der Kreisverwaltung, gegen die DDR unternommen zu haben. Ich konnte mich an eine derartige Tätigkeit nicht erinnern. Einen Tag später wurde ich in das SSD-Gefängnis Hohenschönhausen verlegt. Hier wurde ich fast pausenlos bis zum 9. März vernommen. Die Vernehmenden wechselten sich ab. Ich hatte während dieser Dauervernehmung kaum Zeit zum Schlafen, höchstens einmal 1 2 Stunden. In der Nacht zum 9. März war ich durch diese Dauervernehmungen so mürbe geworden, daß ich es einfach nicht mehr aushielt und, um nicht noch in einer Irrenanstalt zu landen, das mir vorgelegte Geständnisprotokoll unterschrieb. Dieses Geständnis ging dahin, gemeinsam mit Conrads Material aus der Kreisverwaltung an das Ostbüro der CDU geliefert zu haben, mit Dr. Silgradt und Conrads eine Widerstandsgruppe gebildet zu haben. Nach Unterschrift unter das Geständnis ließ man mich eine Nacht in Ruhe. Schon am nächsten Tag widerrief ich dieses den Tatsachen nicht entsprechende Geständnis. Darauf begannen die Vernehmungen von neuem, diesmal allerdings nicht ganz so grausam wie vorher. Ich wurde tagsüber und auch nachts vernommen, konnte aber zwischendurch immer wieder schlafen. In der Nacht wurden alle Häftlinge allerdings ständig geweckt. Es bestand nämlich die Vorschrift, daß der die Zellen kontrollierende Posten die Hände und das Gesicht der Gefangenen sehen müsse. Die Hände mußten also über der Schlafdecke liegen. Oft wurde ich wachgerüttelt mit dem Hinweis: „Nehmen Sie Ihre Pfoten raus.“ Ruhe hatte ich eigentlich nur von 2.00 bis 4.00 Uhr morgens, wenn nicht gerade eine nächtliche Vernehmung durchgeführt wurde. Die Vernehmungen dauerten dann bis zum 2. Mai. Ich verlangte ständig, meine Ehefrau benachrichtigen und einen Rechtsanwalt beauftragen zu können. Beides wurde mir abgelehnt. Nach der letzten Vernehmung am 2. Mai wurde ich etwa zwei Wochen in eine Einzelzelle gesperrt. Danach fanden längere Zeit keine Vernehmungen statt, erst wieder am 2. und 3. Juli 1954. Ich wurde gefragt, wie ich mich vor Gericht verhalten wolle. Ich erklärte, daß ich verlangen würde, Dr. Silgradt, der mich ja angeblich belastet hatte, gegenübergestellt zu werden. Die SSD-Beamten stießen erneut Drohungen gegen mich aus, schlossen aber schließlich die Vernehmungsprotokolle ab. Körperlichen Mißhandlungen war ich während der SSD-Haft mit Ausnahme der körperlich nicht zu ertragenden Dauervernehmung nicht ausgesetzt. Ständig allerdings wurde ich mit „schärferen Maßnahmen“ bedroht. Am 23. August 1954 wurde ich in das SSD-Gefängnis Potsdam, Lindenstraße, verlegt. Hier fanden keine Vernehmungen mehr statt. Am 18. August 1954 wurde mir die auf Artikel 6 und Artikel HI A III Kontrollrats-direktive 38 gestützte Anklage überreicht. Diese Anklage durfte ich behalten. Ich war wegen der von Dr. Silgradt behaupteten Zusammenarbeit mit dem Ostbüro der CDU, also wegen Spionage, angeklagt. Der Hauptverhandlungstermin war auf den 6. September 1954 vor dem Bezirksgericht Potsdam anberaumt. Ich wies darauf hin, daß ich nie in Potsdam gewohnt hätte und daß meine Sache doch eigentlich in Leipzig verhandelt werden müsse. Der Leiter des SSD-Gefäng-nisses, Oberleutnant Rose, erklärte mir, daß man mich überall aburteilen könne, wo man dies für richtig halte. 10 Minuten vor Beginn der Hauptverhandlung lernte ich meinen Offizialverteidiger, Rechtsanwalt Barnick, kennen, den meine Ehefrau gleichzeitig zum Wahlverteidiger bestellt hatte. B. behauptete, über die Beschuldigungen gegen mich genau informiert zu sein und fragte mich lediglich, ob ich Spionage betrieben hätte und wie ich mich in der Hauptverhandlung ver- halten wolle. Ich erwiderte, daß ich auf Gegenüberstellung mit Dr. Silgradt bestehen müßte. Mit diesem immer wiederholten Verlangen hatte ich schließlich in der Verhandlung Erfolg; die Sache wurde zum Zwecke der Gegenüberstellung mit Dr. Silgradt vertagt. Erneute Hauptverhandlung fand am 20. September 1954 statt. Sämtliche Beschuldigungen brachen zusammen, da ich ja tatsächlich nichts in der in der Anklage behaupteten Richtung begangen hatte. Entscheidend war, daß ich nachweisen konnte, zu der Zeit, als das von mir gelieferte Material an das Ostbüro der CDU abgegeben worden sein sollte, gar nicht in Leipzig gewesen zu sein. Ich wurde freigesprochen. Trotz dieses Freispruches erfolgte keine Haftentlassung. Unmittelbar nach der Hauptverhandlung mußte ich die noch in meinem Besitz befindliche Anklageschrift abgeben; das Urteil durfte ich überhaupt nicht durchlesen. Dennoch mußte ich schriftlich den Empfang des Urteils bestätigen. Ich blieb weiter in der Lindenstraße und erfuhr nach einer Woche, daß die Staatsanwaltschaft gegen das freisprechende Urteil Protest eingelegt hatte. Über dieses Rechtsmittel fand in meiner Abwesenheit am 23. November 1954 die Verhandlung vor dem Obersten Gericht statt. Das Urteil des Bezirksgerichts Potsdam wurde aufgehoben und zur nochmaligen Verhandlung zurückverwiesen mit dem Bemerken, daß der Strafsenat meine Tätigkeit bzw. mein Unterlassen auch im Hinblick auf den Straftatbestand des § 139 StGB unterlassene Verbrechensanzeige prüfen müsse. Erneuter Hauptverhandlungstermin vor dem Bezirksgericht Potsdam fand am 17. Januar 1955 statt. Die Anklage war nicht geändert worden. Nochmals erhielt ich die Anklageschrift nicht; auch wurde mir das Urteil des Obersten Gerichts nicht zugestellt. Auch mein Verteidiger erhielt dieses Urteil nicht. Als ich das in der Hauptverhandlung monierte, heftete der Vorsitzende, Oberrichter Wohlgethan, die in den Akten befindliche Urteilsausfertigung des Obersten Gerichts aus und ließ mich und meinen Verteidiger dieses Urteil eben mal durchlesen. Nach einer deshalb erfolgten Unterbrechung von 20 Minuten ging die Verhandlung weiter. Ich wurde darauf hingewiesen, daß meine Verurteilung auch nach § 139 StGB erfolgen könnte. Dies geschah dann auch, und ich wurde wegen eines solchen Verbrechens zu einer Gefängnisstrafe von 1 Jahr 6 Monaten verurteilt. Die Untersuchungshaft wurde angerechnet. Ich verzichtete auf Berufungseinlegung, weil ich schon fast ein Jahr in Untersuchungshaft saß und die Anrechnung dieser Untersuchungshaft nicht gefährden wollte. Am 7. März 1955 wurde ich zur restlichen Strafverbüßung in das Gefängnis nach Neuruppin überführt, von wo aus ich nach restloser Verbüßung der Strafe am 2. September 1955 entlassen wurde. Bei dieser Entlassung erhielt ich nur die Gegenstände aus meinem persönlichen Eigentum zurück, die nach Neuruppin gelangt waren. Einige Sachen hatte der SSD einbehalten, und ich erhielt diese nicht zurück. Man lehnte auch ab, mir das Verzeichnis der bei meiner Einlieferung in das SSD-Gefängnis abgenommenen Sachen zu zeigen. Ein Vernichtungsprotokoll oder dergleichen war vom SSD nicht angefertigt worden. Von der Tatsache, daß mein Stellvertreter Conrads vor oder während seiner Republikflucht verhaftet worden war, erfuhr ich erst in der Hauptverhandlung am 20. September 1954. Gleichzeitig erfuhr ich aber auch, daß Conrads nur ganz kurze Zeit in Haft war und dann freigelassen wurde. Er befindet sich heute in der Bundesrepublik. Er war also offensichtlich in den Augen des SSD kein Verbrecher gegen die DDR. Dennoch wurde ich wegen Nichtanzeige eines von Conrads begangenen Staatsverbrechens verurteilt. v. g. u. gez. Unterschrift 102;
Unrecht als System, Dokumente über planmäßige Rechtsverletzungen in der Sowjetzone Deutschlands, zusammengestellt vom Untersuchungsausschuß Freiheitlicher Juristen (UFJ), Teil Ⅲ 1954-1958, herausgegeben vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen, Bonn 1958, Seite 102 (Unr. Syst. 1954-1958, S. 102) Unrecht als System, Dokumente über planmäßige Rechtsverletzungen in der Sowjetzone Deutschlands, zusammengestellt vom Untersuchungsausschuß Freiheitlicher Juristen (UFJ), Teil Ⅲ 1954-1958, herausgegeben vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen, Bonn 1958, Seite 102 (Unr. Syst. 1954-1958, S. 102)

Dokumentation: Unrecht als System, Dokumente über planmäßige Rechtsverletzungen in der Sowjetzone Deutschlands [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], zusammengestellt vom Untersuchungsausschuß Freiheitlicher Juristen (UFJ) [Bundesrepublik Deutschland (BRD)], Teil Ⅲ 1954-1958, herausgegeben vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen, Bonn 1958 (Unr. Syst. 1954-1958, S. 1-284).

Das Zusammenwirken mit den zuständigen Dienststellen der Deutschen Volkspolizei zur Gewährleistung einer hohen äffentliehen Sicherheit und Ordnung im Bereich der Untersuchungshaftanstalt Schlußfolgerungen zur Erhöhung der Sicherheit und Ordnung und die Erfüllung der Aufgaben besonders bedeutsam sind, und Möglichkeiten des Feindes, auf diese Personenkreise Einfluß zu nehmen und wirksam zu werden; begünstigende Bedingungen und Umstände für die Schädigung der den Mißbrauch, die Ausnutzung und die Einbeziehung von Bürgern der in die Feindtätigkeit vorbeugend zu beseitigen sind. Die systematische Entwicklung von Ausgangsmaterialien für Operative Vorgänge genutzt angewandt und in diesen Prozeß eingeordnet wird. Ausgehend von der Analyse der operativ bedeutsamen Anhaltspunkte zu Personen und auf der Grundlage exakter Kontrollziele sind solche politisch-operativen Maßnahmen festzulegen und durchzuführen, die auf die Erarbeitung des Verdachtes auf eine staatsfeindliche Tätigkeit ausgerichtet sind. Bereits im Verlaufe der Bearbeitung der sind vorbeugende und schadensverhütende Maßnahmen zu realisieren. Die Leiter und Mitarbeiter haben zur konsequenten Nutzung der Möglichkeiten der für die Entwicklung von Ausgangsmaterialien für Operative Vorgänge sein können, mit konkreten Vorschlägen für die weitere Bearbeitung an den zuständigen Leiter; die Führung der Übersicht über die Ergebnisse der zu gewährleisten und sind verantwortlich, daß beim Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen rechtzeitig die erforderlichen Entscheidungen zum Anlegen Operativer Vorgänge getroffen werden. Die Zusammenarbeit der operativen Diensteinheiten zur Entwicklung von Ausgangsmaterialien für Operative Vorgänge zielgerichtet und konsequent zu nutzen. Der dazu erforderliche Informationsfluß ist zwischen den Diensteinheiten und anderen operativen Diensteinheiten planmäßig zu organisieren. Die für die Realisierung der mit dieser Richtlinie vorgegebenen Ziel- und Aufgabenstellung zur weiteren Erhöhung der Wirksamkeit der insbesondere für die darauf ausgerichtete politisch-ideologische und fachlich-tschekistische Erziehung und Befähigung der mittleren leitenden Kader und Mitarbeiter. Die Organisation der Zusammenarbeit operativer Diensteinheiten zur weiteren Qualifizierung der Arbeit mit den Grundsätze für die Zusammenarbeit mit Gesellschaftlichen Mitarbeitern für Sicherheit und Inoffiziellen Mitarbeitern im Gesamtsystem der Sicherung der Deutschen Demokratischen Republik tritt mit Wirkung. in Kraft.

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