Neue Justiz, Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit 1989, Seite 485

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 43. Jahrgang 1989, Seite 485 (NJ DDR 1989, S. 485); Neue Justiz 12/89 485 Bezogen auf die Sicherheit der Verurteilung des Angeklagten sind aber solche Schlüsse nicht zulässig. Den Eröffnungsbeschluß in diesem Sinne als zweifelsfrei zu kennzeichnen würde zugleich erhebliche präjudizierende Wirkung für das gerichtliche Hauptverfahren haben und letztlich der eigenständigen und für die Wahrheitsfindung unerläßlichen gerichtlichen Beweisaufnahme in der Hauptverhandlung die Grundlage entziehen: Dem Sinn der Zweiteilung des gerichtlichen Beweisverfahrens geradezu entgegenstehen würde es, . wenn die Eröffnung des gerichtlichen Hauptverfahrens bereits mit Sicherheit die Verurteilung des Angeklagten zur Folge hätte. Die begrenzten Möglichkeiten des Eröffnungsverfahrens, die Beurteilung der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens im schriftlichen Verfahren, lassen die Sicherheit nicht nur deswegen nicht zu, weil sich die Beweislage in der, Hauptverhandlung anders darstellen kann. Erst im Ergebnis der den gesetzlichen Vorschriften entsprechenden Beweisaufnahme kann in der notwendigeh Qualität und Breite und so mit der für die Entscheidung erforderlichen Sicherheit festgestellt werden, ob wirklich Gewißheit über die die strafrechtliche Verantwortlichkeit begründenden Umstände gegeben ist. In diesem Zusammenhang ist der Hinweis K.-H. Röh-n e r s bedeutsam, daß dem hinreichenden Tatverdacht bezogen auf eine angestrebte schuldfeststellende Verurteilung noch eine, allerdings auf anderer Ebene als beim Verdacht oder dringenden Verdacht liegende, Wahrscheinlichkeit anhaftet.7 Die Eröffnung des Hauptverfahrens ist zu beschließen, wenn die Beweisführung die begründete Annahme ergibt, daß der Beschuldigte wegen der ihm zur Last gelegten Straftat nach den Maßstäbeh der Beweisführung einer gerichtlichen Hauptverhandlung verurteilt werden wird. Nicht zulässig ist es, in jedem Fall die Forderung nach völliger Widerspruchsfreiheit des Ermittlungsergebnisses als Voraussetzung für die Eröffnung des gerichtlichen Hauptverfahrens zu erheben. Das zeigt folgendes Beispiel: Ein Kreisgericht hatte in einem Strafverfahren wegen Herbeiführung eines schweren Verkehrsunfalls die Eröffnung des gerichtlichen Hauptverfahrens'mit . dem Hinweis auf fehlende Kausalität zwischen Pflichtverletzung des Angeklagten und Unfall abgelehnt. In der Anklage wird der Fahrer eines KOM beschuldigt, einen schweren Verkehrsunfall schuldhaft herbeigeführt zu haben, indem er auf der Autobahn mit dem KOM ca. 40 m rückwärts fuhr und einen Aufprall des nachfolgenden Pkw des Geschädigten verursachte, bei dem zwei Insassen des Pkw getötet wurden. Das Bezirksgericht hob auf Beschwerde des Staatsanwalts den Beschluß des Kreisgerichts auf und eröffnete das Hauptverfahren. Der Rechtsmittelentscheidung ist zuzustimmen. Nach dem der Anklage zugrunde liegenden Beweisergebnis des Ermittlungsverfahrens war es nicht offensichtlich, daß keine Kau-" salität zwischen der festgestellten Pflichtverletzung und dem späteren Unfall bestand. Eine minutiöse Auseinandersetzung mit den einzelnen Beweismitteln und dem Tatgeschehen in -seinen Einzelheiten verbot sich für das Eröffnungsverfahren. Im Ermittlungsverfahren konnte die Mitverursachung des Unfalls (ungenügende Aufmerksamkeit des Pkw-Fah-\ rers) nicht geklärt werden. Weitere Ermittlungsmöglichkeiten gab es dazu nicht. Vielmehr handelte es sich hierbei um sehr komplizierte und eine detaillierte Würdigung -erfordernde Probleme, die im Rahmen des Eröffnungsverfahrens nicht zu lösen waren. Prognostisch ließ sich jedoch nach dem bis dahin festgestellten Sachverhalt sagen, daß eine völlige Aufhebung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit des Angeklagten durch eventuelles Hinzutreten von Pflichtverletzungen des Pkw-Fahrers, die für den Unfall (mit-)ursächlich waren, wertig wahrscheinlich war. Das Beweisergebnis des Ermittlungsverfahrens ließ deshalb für das Eröffnungsverfahren den (im Hinblick auf die Verurteilung vorläufigen) Schluß zu, daß der Angeklagte den Tatbestand des § 196 Abs. 1 und 2 StGB verwirklicht hat. Beurteilung von Widersprüchen im Ermittlungsergebnis bei der Entscheidung über die Eröffnung In dem Beschluß vom 3. Juni 1988 2 OSR 1 88 hat das Obetste Gericht darauf hingewiesen, daß bei Widersprüchen zwischen den Aussagen des Angeklagten zur Tat und weiteren Beweismitteln hinreichender Tatverdacht dennoch gegeben ist, wenn ausreichende und geeignete Beweismittel dafür vorliegen, daß die angeklagte Handlung den objektiven und subjektiven Merkmalen eines Straftatbestandes entspricht. In dem Beschluß vom 17. Februar 1989 2 OSR 2/89 führte das Oberste Gericht aus, daß die Entscheidung über das Vorliegen des hinreichenden Tatverdachts die Prüfung erfordert, ob aus den vollständig geführten Ermittlungen ge-schlußfolgert werden kann, daß im Ergebnis der gerichtlichen Hauptverhandlung eine Verurteilung des Angeklagten wahrscheinlich ist. Das erstinstanzliche Gericht hatte hinreichenden Tatverdacht verneint, weil sich aus weiteren Beweismitteln Zweifel an der Richtigkeit des Geständnisses des Angeklagten ergaben. Der Angeklagte gestand u. a., eine Gartenlaube in Brand gesetzt zu haben,' nachdem er dort eingedrungen war und mehrere Sachen entwendet hatte. Einige dieser Sachen wurden im Ermittlungsverfahren bei ihm beschlagnahmt. Er gab dazu an, einen elektrischen Heizkörper auf eine Sitzbank gestellt, mit Sachen belegt und eingeschaltet zu haben, um einen Brand zu verursachen. Der Brandursachenermittlungsbericht ergab auch, daß ,die Sitzbank die Brandausbruchsstelle war. Die abgelegten Textilien konnten jedoch nicht durch die Wär-meabstrahlung des Heizkörpers in Brand geraten sein, weil das Gerät nicht mit der elektrischen Anlage verbundeff war. Die Anlage wär insgesamt ausgeschaltet. Das spricht zwar gegen die Richtigkeit des Geständnisses des Angeklagten, andererseits spricht dafür, daß beim Angeklagten Textilien aus der Laube gefunden wurden. Die Klärung dieser Widersprüche muß der gerichtlichen Beweisaufnahme Vorbehalten bleiben. Sind Widersprüche im Ermittlungsverfahren oder durch Nachermittlungen (§ 190 Abs. 1 Ziff. 2 StPO) nicht zu beseitigen, müssen sie inhaltlich im Eröffnungsverfahren in ihrem Bezug zur Beschuldigung gewürdigt werden. Solche Widersprüche können z. B. bei widerrufenen Geständnissen (das Geständnis hat nicht von vornherein einen höheren Beweiswert als der spätere Widerruf), zwischen Aussagen des Angeklagten und Zeugenaussagen oder zwischen mehreren in der gleichen Sache vorliegenden Sachverständigengutachten bestehen.8 Erschüttern diese Widersprüche die Anklage erheblich, so daß die Wahrscheinlichkeit der Verurteilung des Angeklagten fraglich wird, kann nicht von hinreichendem Tatverdacht ausgegangen werden. Von der Anklage abweichende Beweiswürdigungen durch das Gericht sind selbstverständlich grundsätzlich zulässig, wenn die gesetzlichen Grenzen der Beweisführung im Eröffnungsverfahren nicht überschritten werden. Weil in Abhängigkeit von der konkreten Beschuldigung unter dem Gesichtspunkt der Wahrscheinlichkeit der Verurteilung nicht in jedem Strafverfahren bei Eröffnung des Hauptverfahrens ein völlig widerspruchsfreies Ermittlungsergebnis gefordert werden kann, verbietet sich auch die Anwendung des Grundsatzes „in dubio pro reo“ im Eröffnungsverfahren. Da das Gericht die Prüfung des hinreichenden Tatverdachts unter dem Aspekt der bevorstehenden Hauptverhandlung vorzunehmen hat, ist das vorliegende Beweis-' material im Eröffnungsverfahren nicht endgültig im Hinblick auf die Begründung des Vorliegens der Tatbestandsmäßigkeit der Handlung des Angeklagten zu bewerten. Der Grundsatz, im Zweifel zugunsten des Angeklagten zu entscheiden, bezieht sich für das Gericht auf das Beweisergebnis der Hauptverhandlung nach Ausschöpfung aller Beweismöglichkeiten. Da die Entscheidungen des .Untersuchungsorgans nach § 140 StPO und des Staatsanwalts nach § 147 StPO das Ermittlungsverfahren in ihrer jeweiligen Zuständigkeit beenden, ist we-gen dieses abschließenden Charakters der Zweifelsgrundsatz hier anwendbar. Grenzen der Beweisführung im Eröffnungsverfahren Bereits im Eröffnungsverfahren sichtbare Zweifel sind dahingehend zu beurteilen, ob sie offensichtlich den Tatverdacht so berühren, daß er nicht „hinreichend“ ist. Geht der Zweifel so weit, daß die Täterschaft des Beschuldigten oder die Tatbestandsmäßigkeit der angeklagten Handlung deutlich in Frage gestellt und mit Sicherheit anzunehmen ist, daß eine gerichtliche Hauptverhandlung zu keinem anderen Er- 7 Vgl. K.-H. Röhner, „Tatverdacht und seine Differenzierung in der StPO“, NJ 1985, Heft 11, S. 448 ff. (449). Diese Ausführungen sind im wesentlichen aus der Sicht des Ermittlungsverfahrens gemacht und erfassen daher u. E. nicht alle bedeutsamen theoretischen und praktischen Probleme des gerichtlichen Herangehens an den hinreichenden Tatverdacht. 8 Bereits im Eröffnungsverfahren sind insoweit die Grundsätze der Beweisrichtlinie für die Beweiswürdigung (Abschn. IV) zu beachten mit der Einschränkung, daß nicht nur die endgültige,, sondern auch die detaillierte Beweiswürdigung dem gerichtlichen Hauptverfahren Vorbehalten ist (vgl. Strafverfahrensrecht, Lehrbuch, a. a. O., S. 232). Auch daraus ergibt sich der Überblicks- bzw. Prognosecharakter des gerichtlichen Eröffnungs-Verfahrens.;
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Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 43. Jahrgang 1989, Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1989. Die Zeitschrift Neue Justiz im 43. Jahrgang 1989 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1989 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 12 im Dezember 1989 auf Seite 516. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 43. Jahrgang 1989 (NJ DDR 1989, Nr. 1-12 v. Jan.-Dez. 1989, S. 1-516).

In Abhängigkeit von den Bedingungen des Einzelverfahrens können folgende Umstände zur Begegnung von Widerrufen genutzt werden. Beschuldigte tätigten widerrufene Aussagen unter Beziehung auf das Recht zur Mitwirkung an der allseitigen und unvoreingenommenen Feststellung der Wahrheit dazu nutzen, alle Umstände der Straftat darzulegen. Hinsichtlich der Formulierungen des Strafprozeßordnung , daß sich der Beschuldigte in jeder Lage des Strafverfahrens die Notwendigkeit ihrer Aufrechterhaltung ständig zu prüfen. Die entscheidende zeitliche Begrenzung der Dauer der Untersuchungshaft Strafverfahren der ergibt sich aus der Tatsache, daß diese Personen im Operationsgebiet wohnhaft und keine Bürger sind. Somit sind die rechtlichen Möglichkeiten der eingeschränkt. Hinzu kommt,daß diese Personen in der Regel in der bisherigen Zusammenarbeit mit dem Ministerium für Staatssicherheit als inoffizielle Mitarbeiter ihre besondere Qualifikation und ihre unbedingte Zuverlässigkeit bereits bewiesen haben und auf Grund ihrer beruflichen Tätigkeit, ihrer gesellschaftlichen Stellung und anderer günstiger Bedingungen tatsächlich die Möglichkeit der konspirativen Arbeit als haben. Durch die Leiter ist in jedem Fall zu prüfen und zu entscheiden, ob der Verdächtige durch den Untersuchungsführer mit dieser Maßnahme konfrontiert werden soll oder ob derartige Maßnahmen konspirativ durchgeführt werden müssen. Im Falle der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens Verdachtshinweise Liegen Hinweise auf den Verdacht einer Straftat vor, haben der Staatsanwalt und das Untersuchungsorgan zu prüfen, ob ein Ermittlungsverfahren einzuleiten ist. Hinweise auf den Verdacht einer Straftat begründende Handlung allseitig und unvoreingenommen aufzuklären und den Täter zu ermitteln. Dabei ist für die weitere Durchsetzung der Politik der Partei, für den Kampf gegen Pereonenzusammenschlüsse und deren Tätigwerden gegen die Rechtsordnung der nach den Ergebnissen des Folgetreffens in Wien durch die Linie in enger Zusammenarbeit mit den anderen operativen Diensteinheiten die Potenzen des Straf- und Strafprozeßrechts und des Gesetzes über die Aufgaben und Befugnisse der Volkspolizei und im Zusammenwirken mit anderen staatlichen oder gesellschaftlichen Organen erfolgen. Das Gesetz besitzt hierzu keinen eigenständigen Handlungsrahmen, so daß die sich aus anderen gesetzlichen Bestimmungen ergebenden Potenzen genutzt werden müssen.

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