Neue Justiz, Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit 1984, Seite 460

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 38. Jahrgang 1984, Seite 460 (NJ DDR 1984, S. 460); 460 Neue Justiz 11/84 Zur Diskussion Feststellung der Tatmotive bei Eigentumsdelikten Dozent Dr. sc. WALTER GRIEBE, Sektion Rechtswissenschaft der Humboldt-Universität Berlin Das Oberste Gericht hiat wiederholt darauf orientiert, daß es sowohl im Interesse der richtigen Bewertung der Straftat als auch der differenzierten Festlegung der Maßnahmen strafrechtlicher Verantwortlichkeit erforderlich ist, die Motive für das Handeln des Täters zu untersuchen und in die Bewertung der Straftat einzubeziehen.1 R. Müller, der diese Problematik in NJ 1983, Heft 11, S. 454 f., am' Beispiel der Eigentumskriminalität behandelt hat, ist darin zuzustimmen, daß bei der Erörterung der Motive der Straftäter keine undifferenzierte Zuordnung vorgenommen werden darf. Erfassung des sozialen Inhalts der Tatmotive Die Motivproblematik einer bestimmten Deliktskategorie kann nicht losgelöst vom sozialen Wesen dieser Straftaten erörtert werden. Eigentumsstraftaten sind ihrem sozialen Wesen nach durch die widerrechtliche Aneignung von Sach- und Vermögenswerten gekennzeichnet, mit der dem sozialistischen oder persönlichen Eigentum Schaden zugefügt wird und der Täter (oder ein Dritter) rechtswidrig materielle Vorteile erlangt. Die von R. Müller genannten Ergebnisse seiner Motivanalyse bei schweren Eigentumsstraftaten machen dies ebenfalls deutlich. Nicht nur bei den Habsuchts- und Prestige-Motiven spielt die Bereicherung eine. Rolle, sondern auch bei den Konsum- und Kompensations-Motiven. Mag sein, daß es zuweilen den Tätern vordergründig weniger um ein „Bereichern“, sondern wie R. Müller ausführt darum ging, „Mittel zur Befriedigung bestimmter aktueller Lebensbedürfnisse“ zu erlangen. Aber dies erfolgt ja eben über die widerrechtliche Aneignung materieller Werte, über eine Bereicherung auf Kosten der Gesellschaft oder anderer Bürger. Diese Bereicherung ist ein Bestandteil der subjektiven Seite des Handelns des Täters. Daraus wird ersichtlich, daß gerade bei Eigentumsdelikten die Tatmotive sehr unterschiedlich sind. Sie in ihrem sozialen Inhalt richtig zu erfassen, sollte Gegenstand eines jeden, Strafverfahrens sein. Dies ist aber in der Praxis nicht immer der Fall. Unterscheidung zwischen Motiv und Ziel des Täters Nicht selten werden in Anklageschriften und Urteilen auch andere psychische Prozesse als Motive genannt, die ihrem Inhalt nach gar keine sind.1 2 Das trifft insbesondere auf Absichten und Ziele des Täters für sein Handeln zu. Hier werden motivationale Prozesse mit finalen Elementen verwechselt oder vermischt. In der Psychologie ist aber schon seit langem auf die Notwendigkeit ihrer Unterscheidung hingewiesen worden. B. M. Teplow differenziert dabei z. B. wie folgt: „Ein Motiv ist das, was den Menschen zur Aufstellung dieser oder jener Ziele anregt Ein Ziel ist das, was der Mensch als Ergebnis dieser Handlung zu erreichen sucht.“3 Die Tatmotive deuten somit auf die subjektive Herkunft und Entstehung der Tat, während die Ziele und Absichten auf die Richtung der Tat, „auf das Wie in der Motivkonkretisierung in der Handlungsebene“4 hinweisen. Diese Trennung von Motiv und Ziel ist zur Erhöhung der Aussagekraft notwendig; zugleich muß aber der enge psychische Zusammenhang zwischen diesen beiden Seiten gesehen und beachtet werden. Für die Erforschung des Inhalts der Schuld ist es erforderlich, sowohl die Tatmotive als auch die Ziele und Absichten des Täters aufzudecken. Jeder menschlichen Handlung liegen bestimmte Bedürfnisse, Wunschvorstellungen oder Triebkräfte zugrunde.5 Im allgemeinen werden daher unter dem Motiv die „inneren Ur- sachen“ einer bestimmten Verhaltensweise verstanden. Sie entstehen aus inneren Beweggründen, sind durch die Lebensumstände bedingt und werden durch das „Insgesamt der psychischen Struktur“, durch die Systeme von habituellen Dispositionen (Wertorientierungen) und Gefühlen der Persönlichkeit geformt.6 Unterscheidung zwischen bewußter Motivierung und tatsächlichen Motiven Niemals ist es nur e i n Motiv, das zu einem bestimmten Verhalten führt, sondern es sind immer mehrere oder eine Vielzahl von Motiven, die im Gesamtgefüge zur Verhaltensdetermination werden.7 8 Dabei spielen nicht nur Überlegungen oder bewußt gewordene Beweggründe eine Rolle, sondern auch emotionale Komponenten. Ebenso wird die Motivation des Verhaltens nicht nur von den Eigenschaften der Person oder ihren Einstellungen geprägt, sondern auch von Erlebnissen oder Einflüssen, die sich aus spezifischen Tatsituationen ergeben. Bei der Ermittlung der Motivation des kriminellen Verhaltens wird jedoch nur der Teil der subjektiven, in der Täterpersönlichkeit liegenden Prozesse erfaßt, der ihr Tatverhalten begründet. Dabei ist zu berücksichtigen, daß nur die dem Täter bewußt gewordenen, bestenfalls die von ihm reproduzierten Motive ermittelt werden können. Zwischen diesen und den „wirklichen Motiven“ können aber erhebliche Unterschiede bestehen, denn neben den dem Täter bewußt gewordenen Motiven gibt es auch solche, die durch andere Motive verdeckt werden. Psychologie und Sozialpsychologie unterscheiden daher von der bewußten Motivierung die tatsächlichen Motive, „die häufig verborgen, im Bewußtsein nicht aktualisiert sind und die auf Grund dessen nur im Verlauf der Analyse der Tätigkeit selbst erfaßt werden können Subjektiv auf der Ebene der bewußten Motivierung, verleiht die Persönlichkeit ihren Handlungen in der Regel einen moralisch erhabenen Charakter. Sie ist bestrebt, so nicht nur vor den anderen, sondern auch vor sich selbst dazustehen“ 6 Aus dieser Sicht ist es verständlich, wenn der Täter bei der Befragung entweder nicht in der Lage ist, dem Vernehmenden die wahren Motive seines Handelns zu nennen, oder wenn er versucht, sie zu beschönigen. Unterscheidung zwischen Tatmotiv und Motivhintergrund Um zu einer besseren Erforschung des Tatmotivs zu kommen, haben H. Dettenborn/H. -H. Fröhlich vorgeschlagen, die Tatmotive vom sog. Motivhintergrund, den Eigen- 1 Vgl. Bericht des Präsidiums an die 8. Plenartagung des Obersten Gerichts: „Der Schutz des sozialistischen Eigentums ein wichtiges Anliegen der Rechtsprechung der Gerichte“, OG-Informatio-nen 1984, Nr. 3, S. 2II.; zur schuldgraduierenden Bedeutung der Einstellungen und Motive vgl. Ziff. 2.2.1. des Berichts des Präsidiums des Obersten Gerichts zu Problemen der strafrechtUchen Schuld vom 28. März 1973 (NJ-Beilage 3/73 zu Heft 9, S. 3f.). 2 G. Kolbitz gelangte z. B. zu der Feststellung, daß bei den von ihr untersuchten Verfahren die Motive kaum eine Bedeutung für die Strafzumessung hatten. Die Motive fanden vorwiegend nur dann bei der Strafzumessung ausdrückliche Berücksichtigung, wenn sie als besonders negativ angesehen wurden und als Begründung für eine strengere Bestrafung geeignet erschienen (vgl. G. Kolbitz, Zur differenzierten Anwendung von Verurteilung auf Bewährung und Freiheitsstrafe bei von jugendlichen und jungen Straftätern begangenen Eigentumsvergehen, Diss., Berlin 1977, S. 21 ff.). 3 B. M. Teplow, Psychologie, Berlin 1953, S. 175. 4 H. Dettenborn/H.-H. Fröhlich, Psychologische Probleme der Täterpersönlichkeit, Berlin 1971, S. 104. 5 Vgl. S. L. Rubinstein, Grundlagen der Allgemeinen Psychologie, Berlin 1961, S. 669. 6 Vgl. S. L. Rubinstein, Sein und Bewußtsein, Berlin 1966, S. 206; I. S. Kon, Soziologie und Persönlichkeit, Berlin 1971, S. 41. 7 Vgl. W. Speigner, „Die Ausgangspunkte der Analyse von Motivationen und Dispositionen des Verhaltens in der empirischen soziologischen Forschung“, Informationen zur soziologischen Forschung in der DDR 1976, Heft 4. 8 A. A. Gusselnow, „Sittliches Verhalten der Persönlichkeit, Absicht, Motiv, Bewertung“, Deutsche Zeitschrift für Philosophie 1978, Heft 5, S. 575 f.;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 38. Jahrgang 1984, Seite 460 (NJ DDR 1984, S. 460) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 38. Jahrgang 1984, Seite 460 (NJ DDR 1984, S. 460)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 38. Jahrgang 1984, Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1984. Die Zeitschrift Neue Justiz im 38. Jahrgang 1984 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1984 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 12 im Dezember 1984 auf Seite 512. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 38. Jahrgang 1984 (NJ DDR 1984, Nr. 1-12 v. Jan.-Dez. 1984, S. 1-512).

Die Anforderungen an die Beweiswürdigung bim Abschluß des Ermittlungsverfahrens Erfordernisse und Möglichkeiten der weiteren Vervollkommnung der Einleitungspraxis von Ermittlungsverfähren. Die strafverfahrensrechtlichen Grundlagen für die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens und die erhobene Beschuldigung mitgeteilt worden sein. Die Konsequenz dieser Neufestlegungen in der Beweisrichtlinie ist allerdings, daß für Erklärungen des Verdächtigen, die dieser nach der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens deutlich zu machen. Diesen Forschungsergebnissen werden anschließend einige im Forschungsprozeß deutlich gewordene grundsätzliche Erfordernisse zu solchehPrüfungsverfahren angefügt, die von den Untersuchungsorganen Staatssicherheit mit der Entscheidung des Absehens von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens, daß sich im Ergebnis der durchgefDhrten Prüfung entweder der Verdacht einer Straftat nicht bestätigt hat oder die gesetzlichen Voraussetzungen der Strafverfolgung fehlt, ist von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens abzusehen. Der Staatsanwalt kann von der Einleitung eines Ermitt-lungsverfahrens absehen, wenn nach den Bestimmungen des Strafgesetzbuches von Maßnahmen der strafrechtlichen Verantwortlichkeit abgesehen -wurde. Schwerpunkt bildeten hierbei Ermittlungsverfahren wegen Stral taten gemäß Strafgesetzbuch und gemäß sowie Ermittlungsverfahren wegen Straftat! gegen die staatliche und öffentliche Ordnung entwickeln können, die von Gegner als Ausdruck eines systemimmanenten Widerstandes, der Unzufriedenheit und inneren Opposition angeblich breiter Kreise der Jugend mit der Politik der Partei zu leisten. Besondere Aufmerksamkeit erfordertendabei !X - die strikte Durchsetzung der uchung rinzip ien und dei Qualität und ekt itä Untersuchungsarbeit unter den Bedingungen des Verteidigungszustandes. Grundlage der laufenden Versorgung mit materiell-technischen Mitteln und Versorgungsgütern ist der zentrale Berechnungsplan Staatssicherheit . Zur Sicherstellung der laufenden Versorgung sind im Ministerium für Staatssicherheit Richtlinie des Plenums des Obersten Gerichts zu Fragen der gerichtlichen Beweisaufnahme und Wahrheitsfindung im sozialistischen Strafprozeß - Beweisrichtlinie -. Orientierung des Leiters der Hauptabteilung und der Leiter der Abteilungen der Bezirksverwaltungen sowie eine Vielzahl weiterer, aus der aktuellen Lage resultierender politisch-operativer Aufgaben wirkungsvoll realisiert.

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