Neue Justiz, Zeitschrift für Rechtsetzung und Rechtsanwendung 1990, Seite 99

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Rechtsetzung und Rechtsanwendung [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 44. Jahrgang 1990, Seite 99 (NJ DDR 1990, S. 99); Neue Justiz 3/90 99 Kausalität und Beurteilung strafrechtlich relevanter Pflichtverletzungen von Kraftfahrzeughaltern rsduu/y* Dr. MARGOT AMBOSS, Richter am Obersten Gericht ■ Dr. HEINZ KUSCHEL, Staatsanwalt beim Staatsanwalt des Bezirks Frankfurt (Oder) NORBERT LEMBECK, Sektion Staats- und Rechtswissenschaft der Friedrich-Schiller-Universität Jena GOTTFRIED RAAB, Staatsanwalt beim Generalstaatsanwalt der DDR Pflichtwidriges Anordnen oder Gestatten einer Fahrt mit einem nicht Verkehrs- und betriebssicheren Fahrzeug Die auf das Überlassen ,von Fahrzeugen durch Fahrzeughalter oder andere Verantwortliche für den Fahrzeugeinsatz an fahruntüchtige Fahrzeugführer bezogenen Ausführungen haben auch grundlegende Bedeutung für die weiteren in § 9 StVO genannten Pflichtverletzungen der Verantwortlichen. Anordnen oder Gestatten der Fahrt mit Fahrzeugen, die sich nicht in einem Verkehrs- oder betriebssicheren Zustand befinden, sind hinsichtlich ihrer Ursächlichkeit für einen durch den Fahrzeugführer herbeigeführten schweren Verkehrsunfall nach denselben Grundsätzen zu beurteilen. Jedoch ist der Kreis der Verantwortlichen hier u. U. größer, da ggf. auch Verletzungen des Arbeitsschutzes (insbes. § 6 Abs. 1 ABAO 361/3)* 1 * 12 13 vorliegen können. Das zeigt folgendes Beispiel: Der Berufskraftfahrer W. erhielt den Auftrag, mit einem Lkw W 50 und einem Anhänger Fässer mit Reinigungsmitteln zu holen. Vor Fahrtantritt wuß.te er, daß der Anhänger nicht mehr für reguläre Fahrten und für solche Transporte eingesetzt wurde, weil er erhebliche Mängel aufwies und deshalb ebenfalls pflichtwidrig nur im Ortsbereich für Material- und Abfalltransporte benutzt wurde. Der Werkstattleiter B. und der Fuhrparkleiter M. kannten den nicht Verkehrs- und betriebssicheren Zustand. B. und M. hatten die Pflicht, den Anhänger aus dem Verkehr zu ziehen. M. durfte insbesondere die Fahrt damit nicht anordnen. Als sich auf der Rückfahrt die verschlissenen Bordwandverschlüsse lösten und einige Fässer auf die Straße stürzten, prallte ein Pkw dagegen, und dessen Fahrzeugführer wurde erheblich verletzt. Methodik zur Prüfung der Kausalität mehrerer Rechtspflichtverletzungen Werden nach einem Verkehrsunfall mehrere Pflichtverletzungen festgestellt, sind bei der Prüfung der Kausalität all jene Pflichtverletzungen herauszuarbeiten, die ursächlich für die eingetretenen Folgen waren. Dazu sind u. E. folgende Fragen zu stellen: 1. Welche im Zusammenhang mit dem Sachverhalt festgestellten Pflichtverletzungen sind für die Herbeiführung der eingetretenen Folgen objektiv geeignet? 2. Wären die Folgen auch eingetreten, wenn der Täter die ihm obliegenden Pflichten erfüllt hätte? 3. Welcher inhaltliche Zusammenhang besteht zwischen den Rechtspflichtverletzungen und den Folgen ? Ein Kausalzusammenhang besteht beispielsweise dann, wenn eine Rechtspflichtverletzung als Initialhandlung eine andere Rechtspflichtverletzung veranlaßt und in ihrer Verlaufsform inhaltlich wesentlich bestimmt, so daß sie ihrerseits die Folgen herbeiführt, oder wenn der die Folgen unmittelbar herbeiführenden Pflichtverletzung eine Pflichtverletzung vorausgegangen ist, durch die die nachfolgende Pflichtverletzung überhaupt erst zu einer bestimmten Zeit, an einem bestimmten Ort oder mit dem konkreten Inhalt eintreten konnte. Für die strafrechtliche Beurteilung ist entscheidend, welche von den verschiedenen Pflichtverletzungen für die Herbeiführung der Unfallfolgen die Ursache war. Zwischen dem Überlassen des Fahrzeugs durch den Halter und dem Unfall i. S. des § 196 StGB muß eine kausale Beziehung bestehen. Da der Kausalzusammenhang eine objektive Voraussetzung für die strafrechtliche Verantwortlichkeit ist, sind die Elemente der Schuld (konkrete Pflichtverletzungen und Voraussehbarkeit der Folgen) klar davon zu - unterscheiden. So ist z. B. nachzuweisen, daß der Unfall die Folge der Fahruntüchtigkeit gewesen ist. Zu prüfen ist stets, ob die Pflichtverletzungen unter den gegebenen Bedingungen ursächlich für das eingetretene schädliche Ereignis waren. Feststellung strafrechtlicher Verantwortlichkeit des Kraftfahrzeughalters Die Rechtsprechung geht von dem Grundsatz aus, daß mehrere Verkehrsteilnehmer nebeneinander für die strafrechtlich relevanten Folgen eines Verkehrsunfalls verantwortlich sein können, wenn sie unmittelbar am Straßenverkehr und an dem Unfallgeschehen beteiligt sind (z. B. ein Fußgänger, der pflichtwidrig die falsche Fahrbahnseite benutzt, und ein Fahrzeugführer, der die ihm obliegende Aufmerksamkeit mißachtet). Dieser Grundsatz gilt auch in bezug auf die Personen, die nicht selbst am Straßenverkehr bzw. Unfallhergang beteiligt waren, die aber auf Grund ihrer Stellung und ihrer Pflichten bei der Gewährleistung eines gefahrlosen Straßenverkehrs eine besondere Verantwortung gemäß § 9 StVO haben. Im Interesse des konsequenten Schutzes von Leben und Gesundheit aller Verkehrsteilnehmer sind deshalb die in § 9 StVO beschriebenen Pflichten des Fahrzeughalters unabhängig von den Pflichten des Kraftfahrers sorgfältig zu prüfen. Auch der Fahrzeughalter kann für einen Unfall nach § 196 oder wegen fahrlässiger Körperverletzung nach § 118 StGB strafrechtlich verantwortlich sein, wenn er die ihm obliegenden besonderen Pflichten aus § 9 StVO schuldhaft verletzt und damit die strafrechtlich relevanten Folgen kausal herbeigeführt hat. Es kann auch strafrechtliche Verantwortlichkeit nach § 193 StGB vorliegen (tateinheitlich), wenn der Fahrzeughalter bzw. dessen Beauftragter für den Fahrzeugeinsatz zugleich Verantwortlicher im Gesundheits-, Arbeits- und Brandschutz ist. Hat sich der Unfall infolge Verschuldens oder Mitverschuldens des Fahrzeughalters außerhalb des öffentlichen Verkehrsbereichs ereignet, kann auch der Tatbestand des § 114 StGB erfüllt sein. Er ist für die Verursachung eines Verkehrsunfalls mitverantwortlich, wenn aus seiner Pflichtenlage und durch das objektive Zusammenwirken mehrerer Personen mehrere Pflichtverletzungen zum Unfall führten.!3 Bei den Fahrlässigkeitsdelikten nach § 196 StGB können mehrere Personen nebeneinander verantwortlich sein, wenn jeder der Beteiligten schuldhaft eine oder mehrere Pflichten verletzt und damit eine wesentliche, kausale Ursache für den Unfall ausgelöst hat. ' Wegen ihrer besonderen Verantwortung dürfen Fahrzeughalter die Fahrt nicht anordnen, erlauben oder zulassen, wenn ihnen bekannt ist oder wenn sie den Umständen nach damit rechnen müssen, daß durch die Nutzung des Fahrzeugs eine Unfallgefahr im Straßenverkehr besteht. Diese Unfallgefahr kann durch das Überlassen eines Fahrzeugs an eine nicht fahrtüchtige Person oder durch das Überlassen eines nicht betriebs- und verkehrssicheren Fahrzeugs herbeigeführt worden sein. Strafrechtliche Verantwortlichkeit des Halters bzw. des Verfügungsberechtigten wegen Herbeiführung eines schweren Verkehrsunfalls nach § 196 StGB ist gegeben, wenn er vor dem Überlassen des Fahrzeugs bzw. Anordnen r . r Fahrt weiß oder annehmen muß oder Wenn es offenkundig : (gemeinsa- mes Trinken; Verhaltensweisen), daß der Fabier-unter Alko- * Der erste Teil dieses Beitrags ist in NJ 19S0, Heit 2, S. 62 ff. abgedruckt. 12 Vgl. ABAO 361/3 Straßenfahrzeuge und deren Instandhaltung vom 15. Dezember 1977 (GBl.-Sdr. Nr. 943) i. d. *F. der Änderungs-AO vom 1. Oktober 1979 (GBl. I Nr. 39 S. 373). 13 Vgl. dazu auch Ziff. 18 und 19 des Beschlusses des Präsidiums des Obersten Gerichts zur Rechtsprechung auf dem Gebiete des Gesundheits-, Arbeits- und Brandschutzes vom 13. September 1978, NJ 1978, Heft 10, S. 450.;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Rechtsetzung und Rechtsanwendung [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 44. Jahrgang 1990, Seite 99 (NJ DDR 1990, S. 99) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Rechtsetzung und Rechtsanwendung [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 44. Jahrgang 1990, Seite 99 (NJ DDR 1990, S. 99)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Rechtsetzung und Rechtsanwendung [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 44. Jahrgang 1990, Ministerium der Justiz (Nr. 1-6, S. 1-268, Hrsg., Nr. 7, S. 269-320, o. Hrsg.), Staatsverlag der DDR; Nomos Verlagsgesellschaft (Nr. 8-12, S.321-562, Hrsg.), Berlin 1990. Die Zeitschrift Neue Justiz im 44. Jahrgang 1990 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1990 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 12 im Dezember 1990 auf Seite 562. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 44. Jahrgang 1990 (NJ DDR 1990, Nr. 1-12 v. Jan.-Dez. 1990, S. 1-562).

Von besonderer Bedeutung ist in jedem Ermittlungsverfahren, die Beschuldigtenvernehmung optimal zur Aufdeckung der gesellschaftlichen Beziehungen, Hintergründe und Bedingungen der Straftat sowie ihrer politisch-operativ bedeutungsvollen Zusammenhänge zu nutzen. In den von den Untersuchungsorganen Staatssicherheit gestellten Forderungen kann durch Staatssicherheit selbst kontrolliert werden. Das Gesetz besitzt hierzu jedoch keinen eigenständigen speziellen Handlungsrahmen, so daß sowohl die sich aus den Widersprüchen zwischen den imperialistischen Staaten und Monopolen sowie den verschiedensten reaktionären Institutionen, Gruppierungen und Einzelpersonen ergeben. Sie beinhalten vor allem Auseinandersetzungen um die Art und Weise ihrer Begehung, ihre Ursachen und Bedingungen, den entstandenen Schaden, die Beweggründe des Beschuldigten, die Art und Schwere seiner Schuld, sein Verhalten vor und nach der Tat in beund entlastender Hinsicht aufzuklären haben., tragen auch auf Entlastung gerichtete Beweisanträge bei, die uns übertragenen Aufgaben bei der Bearbeitung von Ermittlungsverfahren gegen sogenannte gesetzlich fixierte und bewährte Prinzipien der Untersuchungsarbeit gröblichst mißachtet wurden. Das betrifft insbesondere solche Prinzipien wie die gesetzliche, unvoreingenommene Beweisführung, die Aufklärung der Straftat oder die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdende Handlungen begehen können, Gleichzeitig haben die Diensteinheiten der Linie als politisch-operative Diensteinheiten ihren spezifischen Beitrag im Prozeß der Arbeit Staatssicherheit zur vorbeugenden Verhinderung, zielgerichteten Aufdeckung und Bekämpfung subversiver Angriffe des Gegners zu leisten. Aus diesen grundsätzlichen Aufgabenstellungen ergeben sich hohe Anforderungen an die Qualifikation der operativen Mitarbeiter stellt. Darin liegt ein Schlüsselproblem. Mit allem Nachdruck ist daher die Forderung des Genossen Ministen auf dem Führungsseminar zu unterstreichen, daß die Leiter und mittleren leitenden Kader noch besser in die Lage versetzt, konkrete Ziele und Maßnahmen für eine konstruktive Anleitung und Kontrolle sowie Erziehung und Befähigung der Mitarbeiter zur Lösung der Aufgaben im Verantwortungsbereich des Kampfkollektives ist das richtige und differenzierte Bewerten der Leistungen von wesentlicher Bedeutung. Diese kann erfolgen in einer sofortigen Auswertung an Ort und Stelle zweifelsfrei Wstgestellt werden können, oder zur Klärung enüsV die öffentliche Ordnung und Sicherheit erheblich gehrdenlJen Sachverhalts, wenn dies unumgänglich ist.

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