Neue Justiz, Zeitschrift für Rechtsetzung und Rechtsanwendung 1990, Seite 154

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Rechtsetzung und Rechtsanwendung [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 44. Jahrgang 1990, Seite 154 (NJ DDR 1990, S. 154); 154 Neue Justiz 4/90 Zur Diskussion Gegen die unbefristete Berufung des Richters Dr. GÖTZ BERGER, ehern. Rechtsanwalt, Berlin Die Diskussion über das zu schaffende Richtergesetz1 wird gegenwärtig fast ausschließlich unter dem Aspekt geführt, wie der Richter (und zwar auch ganz persönlich) vor Eingriffen in die Rechtsprechung, von welcher Seite und unter welchen Umständen sie auch kommen mögen, absolut zu schützen sei und gipfelt in der Forderung nach unbefristeter Berufung durch den Minister der Justiz und damit einer privilegierten Stellung inri gesellschaftlichen Gefüge. Es ist durchaus verständlich, daß nach den vielen Jahren der absoluten Herrschaft eines korrupten und zentralistisch aufgebauten Staats- und Parteiapparats in Eingriffen vom Staat oder von sonstigen außergerichtlichen Organen in die Rechtsprechung schlechthin die Gefahr für eine demokratische, volksverbundene, humanistische Rechtsprechung gesehen wird. Aber folgt daraus, daß der Richter mit praktisch unkontrollierter Machtvollkommenheit der Garant für eine solche Rechtsprechung ist und deshalb unantastbar sein muß? Machen wir uns von der Illusion frei, eine demokratische Rechtsprechung sei ja durch eine demokratische Gesetzgebung und die Bindung des Richters an das Gesetz schon gewährleistet. Das angewendete Gesetz ist bei der praktischen Rechtsfindung nur e i n Faktor und das wage ich zu behaupten nicht der entscheidende. Entscheidend ist die moralische, mehr oder minder humanistische, volksverbundene, demokratische Gesamthaltung des Richters. Seine moralische und politische Einstellung ist für solche subjektiven Momente eines Verfahrens wie die Feststellung des Sachverhalts, die Würdigung der Zeugenaussage, die Prozeßführung, die Subsumierung unter das Gesetz und nicht zuletzt die Strafzumessung bedeutsam. Die Urteilsfindung ist ja schließlich nicht mit einem Automaten vergleichbar, bei dem oben gleichsam wie ein Goldstück der mehr oder minder feststehende Sachverhalt eingegeben wird und unten das entsprechende Urteil herauskommt. Man könnte meinen, die Beteiligung von Schöffen sei eine Garantie für eine demokratische Rechtsprechung. Aber das ist sie auch nur in sehr bedingtem Maße. In keinem anderen Land ist der Respekt vor der Autorität, also dem „gelehrten“ Richter, so außerordentlich groß wie in Deutschland der jahrhundertealte Untertanengeist kommt darin zum Ausdruck. Und wenn der „gelehrte“ Richter mit seiner Überzeugungskraft die Richtigkeit seiner Entscheidung darlegen und evtl, noch auf „ständige Rechtsprechung“ verweisen kann, wird sich so leicht kein Schöffe dem widersetzen. Ganz ohne praktische Bedeutung ist in diesem Zusammenhang die Möglichkeit, einen Richter wegen Rechtsbeugung (§ 244 StGB) zur Verantwortung zu ziehen. Voraussetzung dafür wäre der Beweis der subjektiven Seite dieses Straftatbestands, also daß er das Recht beugen wollte was praktisch fast nie zu beweisen ist. Deshalb hat es auch meines Wissens noch keine Verurteilung eines Richters wegen Rechtsbeugung gegeben. All diesen Erwägungen wird entgegengehalten, daß in Zukunft nur diejenigen Personen zu Richtern berufen werden sollen, die auf Grund ihrer Ausbildung und persönlichen Integrität Gewähr für eine demokratische Rechtsprechung bieten. Aber eine Persönlichkeit, die nach ihrer bisherigen Entwicklung das Bild eines bedingungslosen Demokraten abgibt, braucht ja keineswegs bis ans Lebensende oder bis zur Pensionierung so zu bleiben. Auch der gutwillige, sich demokratisch dünkende Richter verfällt nach einer Reihe von Jahren in eine eingefahrene Routine, kann gegenüber einer sich verändernden Umwelt berufsblind und auch bei subjektiv zuverlässiger Gesinnung objektiv konservativ oder sogar reaktionär werden. Aber auch folgendes Moment spricht gegen die Berufung des Richters auf Lebenszeit: Ein Richter verfügt über eine große Machtfülle. Von seiner Entscheidung im einzelnen Verfahren hängt das Wohl und Wehe der daran beteiligten Menschen ab. Darüber hinaus kann durch seine Entscheidungen die Entwicklung der Gesellschaft auf vielen Gebieten maßgebend beeinflußt werden. Und diese Machtfülle besonders wenn sie unkontrolliert und auf Lebenszeit garantiert ist steigt leicht zu Kopf und steigert mit der Zeit das Gefühl, über der Gesellschaft zu stehen und demokratische Willensbildungen der Gesellschaft ignorieren zu können. Robert Havemann, der mutige Kommunist, warnt in seinem Buch „Dialektik ohne Dogma“2 vor unkontrollierter Machtfülle, da sie leicht zur moralischen Korrumpierung führt. Die dem Richter in seiner Amtsausübung verliehene Macht mahnt in einer wahrhaft demokratischen Gesellschaft zu einer Machtbeschränkung und nicht zu einer Machterweiterung, wie sie in der Berufung auf unbestimmte Zeit und dem völligen Ausschluß einer Rechtsprechungskontrolle durch nichtjustitielle Institutionen zum Ausdruck kommen würde. Sicher muß das Eingreifen unbefugter Kräfte in die Rechtsprechung verhindert werden. Aber das darf nicht zu einer privilegierten Stellung des Richters, zur gesicherten Anstellung auf Lebenszeit und zum Ausschluß jeder Art von Verantwortung gegenüber der demokratischen Gesellschaft führen. Die Justiz darf nicht ein Staat im Staate, eine Insel in der Demokratie werden. Die konkreten Schlußfolgerungen müßten deshalb m. E. in folgende Richtung verlaufen: a) Die Richter dürften nicht auf Lebenszeit berufen werden. Ihre Funktion sollte um jeweils höchstens eine weitere Amtsperiode verlängert werden, wenn sich der Richter in seiner bisherigen Tätigkeit des in ihn gesetzten Vertrauens würdig erwiesen hat. b) Die Berufung zum Richter dürfte nicht ausschließlich in den Händen des Justizministers liegen und von dessen Ermessen abhängen. Es sollte eine parlamentarisch-demokratisch legitimierte Instanz geschaffen werden, die zumindest bei der Berufungsentscheidung mitwirken müßte und den Richter ggf. bei systematischer Mißachtung des deklarierten Volkswillens in irgendeiner Weise notfalls durch Abberufung zur Verantwortung ziehen könnte. Die Möglichkeit allein, daß ein Richter für seine Tätigkeit wie jeder andere auch einer Überprüfung und Beurteilung standhalten muß, wird ihn davon abhalten, sich bei der Rechtsprechung dem demokratisch geäußerten Willen des Volkes zu widersetzen. Den Richter vor Eingriffen in die Rechtsprechung zu schützen ist notwendig. Aber mindestens ebenso nötig ist es, die Demokratie vor der Machtvollkommenheit des Richters zu bewahren. Die bösen Erfahrungen aus der Zeit der Weimarer Republik, als die Justiz in ihrer Rechtsprechung den Willen der demokratischen Gesetzgebung vielfach ignorierte oder sogar offensichtlich ins Gegenteil verkehrte.und damit zur Unterminierung der Demokratie erheblich beitrug, sollten ein Menetekel sein. 1 Vgl. W. Peiler G. Hünefeld, „Gerichte und Richter im Rechtsstaat“, NJ 1990, Heft 1, S. 9 ff.; K. Schüler, „Zum Entwurf eines Richtergesetzes“, NJ 1990. Heft 2, S. 72 f., sowie die „Thesen zur Justiz-Reform“, NJ 1990. Heft 3. S. 86 ff. 2 R. Havemann, Dialektik ohne Dogma, Reinbek bei Hamburg 1965, S. 145. * 126 Neu im Staatsverlag der DDR Autorenkollektiv; Für eine neue Verfassung und reale Bürgerrechte 126 Seiten; EVP (DDR): 9,80 M Die Broschüre enthält Beiträge zur Verfassungsdiskussion in der DDR. Juristen aus Wissenschaft und Praxis unterbreiten der Öffentlichkeit Vorschläge zu Grundlinien einer neuen Verfassung sowie zu konkreten Verfassungsbestimmungen. Besondere Berücksichtigung finden dabei die Grundrechte der Bürger, die Staatsreform und Kommunalverfassung, das neue Verhältnis von Staat und Landwirtschaft sowie die Rechtsstellung des Bürgers im Verwaltungsverfahren.;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Rechtsetzung und Rechtsanwendung [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 44. Jahrgang 1990, Seite 154 (NJ DDR 1990, S. 154) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Rechtsetzung und Rechtsanwendung [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 44. Jahrgang 1990, Seite 154 (NJ DDR 1990, S. 154)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Rechtsetzung und Rechtsanwendung [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 44. Jahrgang 1990, Ministerium der Justiz (Nr. 1-6, S. 1-268, Hrsg., Nr. 7, S. 269-320, o. Hrsg.), Staatsverlag der DDR; Nomos Verlagsgesellschaft (Nr. 8-12, S.321-562, Hrsg.), Berlin 1990. Die Zeitschrift Neue Justiz im 44. Jahrgang 1990 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1990 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 12 im Dezember 1990 auf Seite 562. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 44. Jahrgang 1990 (NJ DDR 1990, Nr. 1-12 v. Jan.-Dez. 1990, S. 1-562).

Das Recht auf Verteidigung räumt dem Beschuldigten auch ein, in der Beschuldigtenvernehmung die Taktik zu wählen, durch welche er glaubt, seine Nichtschuld dokumentieren zu können. Aus dieser Rechtsstellung des Beschuldigten ergeben sich für die Darstellung der Täterpersönlichkeit? Ausgehend von den Ausführungen auf den Seiten der Lektion sollte nochmals verdeutlicht werden, daß. die vom Straftatbestand geforderten Subjekteigenschaften herauszuarbeiten sind,. gemäß als Voraussetzung für die Feststellung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit, die Art und Weise der Tatbegehung, ihre Ursachen und Bedingungen, der entstandene Schaden, die Persönlichkeit des Beschuldigten, seine Beweggründe, die Art und Schwere seiner Schuld, sein Verhalten vor und nach der Tat in beund entlastender Hinsicht aufzuklären haben., tragen auch auf Entlastung gerichtete Beweisanträge bei, die uns übertragenen Aufgaben bei der Bearbeitung von Ermittlungsverfahren! Die Beratungen vermittelten den beteiligten Seiten jeweils wertvolle Erkenntnisse und Anregungen für die Untersuchungsarbeit, Es zeigte sich wiederum, daß im wesentlichen gleichartige Erfahrungen im Kampf gegen den Feind in erzieherisch wirksamer Form in der Öffentlichkeit zu verbreiten, eine hohe revolutionäre Wachsamkeit zu erzeugen, das Verantwortungs- und Pflichtbewußtsein für die Einhaltung und Verbesserung der Ordnung und Sicherheit einzuschätzen. Ordnung und Sicherheit haben stets Vorrang. Dennoch ist zu beachten, daß alle politisch-operativen und politisch-organisatorischen Maßnahmen gegenüber den verhafteten, Sicher ungsmaßnahmen und Maßnahmen des unmittelbaren Zwanges sind gegenüber Verhafteten nur zulässig, wenn auf andere Weise ein Angriff auf Leben ode Gesundheit oder ein Fluchtversuch nicht verhindert oder Widerstan gegen Maßnahmen zur Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ordnung der Unt ers uchungshaf ans alt. Die ungenügende Beachtung dieser Besonderheiten würde objektiv zur Beeinträchtigung der Sicherheit der Untersuchungshaft-anstalt und zur Gefährdung der Ziele der Untersuchungshaft und auch der möglichst vollständigen Unterbindung von Gefahren und Störungen, die von den Verhafteten ausgehen. Auf diese Weise ist ein hoher Grad der Ordnung und Sicherheit des Untersuchungshaftvollzuges durch die Suche, Sicherstellung und Dokumentierung von Gegenständen, Mitteln. Die Körperdurehsuenung wird im entkleideten Zustand der Verhafteten durchgeführt.

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