Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1974, Seite 224

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 28. Jahrgang 1974, Seite 224 (NJ DDR 1974, S. 224); Prof. Dr. sc. HERMANN KLENNER, Akademie der Wissenschaften der DDR Recht ohne Revolution? Zur Rechtslehre der reinen Vernunft des Immanuel Kant Mindestens drei Gründe sind es, die den Marxismus berechtigen, sich zu Kant als zu einem seiner theoretischen Vorläufer zu bekennen, ohne deren Vorausgang der wissenschaftliche Sozialismus nie zustande gekommen wäre./l/ Wir sind stolz auf Kant wegen seiner Ansätze einer materialistischen Entwicklungstheorie von Galaxis, Metagalaxis und der Organismen, wegen seiner Begründung der Gesellschaftsentwicklung in Antagonismen nach vorn sowie wegen seiner materialistischen und dialektischen Elemente einer atheistischen Erkenntnistheorie. Kants sich am 22. April zum 250. Mal jährender Geburtstag mag Anlaß sein, die Frage nach der Bedeutung seiner Rechtsphilosophie, der „Rechtslehre der reinen Vernunft“, wie er sie nannte/2/, zu stellen. Steht sie auf der Höhe seiner sonstigen, die klassische deutsche Philosophie begründenden Weltanschauung, oder gehört sie der Zeit seiner Senilität an, wie seit Schopenhauer immer wieder behauptet wird?/3/ Welchen Standort markiert sie innerhalb der Geschichte der Rechtsphilosophie? Ist sie, wie von prominenter Seite gepriesen wird/4/, die zwar ablösungsreife, aber die Rechtswissenschaft bis zum heutigen Tag beherrschende Theorie? Deckt Kants Rechtslehre wirklich die erst neuerdings wieder vorgetragene Meinung/5/, daß die von ihm bereitgestellten Grundbegriffe als Axiome in Savignys System der Rechtswissenschaft eingegangen und so für das obrigkeitsstaatliche Justizdenken zumindest des vergangenen Jahrhunderts verantwortlich seien? Ist Kant tatsächlich die Schlüsselfigur für den Zustand der heutigen BRD-Rechtsideologie? Verdient er es, in das dortige Kreuzfeuer geraten zu sein? Wird ihm doch von sonst eher Aufgeklärten vorgeworfen, auf sein Menschenbild gehe das wirklichkeitsfeindliche Recht zu-rück/6/, während von der anderen Seite beteuert wird/7/, er habe die in Thomas von Aquin gipfelnde Traditionslinie abendländischen Rechtsdenkens abgebrochen. Jedenfalls: er sei so die meinungsmachende Springer-Presse der „Verderber des Rechts“./®/ Man sieht: Zu Kants Rechtslehre von 1797 Stellung zu nehmen, heißt zugleich in den ideologischen Klassenkampf von heute einzugreifen. Und trotzdem oder gerade deshalb ist es erforderlich, eine historischreale Bewertung seiner Rechtsphilosophie zu versuchen./ Es gehörte schon immer zur Aufgabe von fl/ So Marx/Engels, Werke, Berlin 1962, Bd. 18, S. 516; Bd. 19, S. 188; von Lenin (Werke, Berlin 1955, Bd. 5, S. 381) zustimmend zitiert. Zur marxistisch-leninistischen Gesamteinschätzung Kants vgl. M. BUhr/G. Irrlitz, Der Anspruch der Vernunft, Berlin 1968, S. 35 fl. /2/ VgL Kant, Briefwechsel, Leipzig 1924, S. 741. 131 VgL Schopenhauer, Sämtliche Werke, Leipzig 1877, Bd. 2, S. 396. fif VgL R. Pound, „On the present Status of legal philosophy“, in: Actorum Academiae Universalis Jurisprudentiae Compa-rativae, VoL m, Pars rv, Rom 1955, p. 201. ZS/ VgL H. Kiefner, „Der Einfluß Kants auf Theorie und Praxis des Zivilrechts“, in: J. Blühdom/J. Ritter (ed.), Philosophie und Rechtswissenschaft, Frankfurt/Main 1969, S. 5. Kf VgL R. Wiethölter, Rechtswissenschaft, Frankfurt/Main 1971, S. 73. m VgL A. Kaufmann, „Die ipsa res iusta“, in: Festschrift für K. Larenz, München 1973, S. 36. /8/ So P. LersCh, in: Die Welt, 8. November 1968, S. 11. ist VgL K. A. Mokitschew, (ed.), Geschichte der politischen Lehren, Moskau 1971, Bd. 1, S. 250 ff. (russ.); J. Baszkiewicz/ F. Ryszka, Geschichte der politischen und juristischen Lehren, Warschau 1970, S. 308 ff. (poln.); Gh. Gilescu, Geschichte der Marxisten, alles, was in der Entwicklungsgeschichte des menschlichen Denkens wertvoll war, gegen die jeweiligen Verfallsstrategen reaktionärer Klassen zu verteidigen; aber diese Verteidigung kann sinnvoll nur kritisch und materialistisch erfolgen: auch Kants Theorie ist von so zeitloser, „reiner“ Vernunft geprägt zu sein sie auch vorgibt ideeller Ausdruck einer mate- riell geprägten Wirklichkeit, der deutschen Zustände in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Die deutschen Zustände gegen Ende des 18. Jahrhunderts Und die hatten es in sich! Denn Deutschland steckte damals in einer Sackgasse. Es war hinter seinen westeuropäischen Nachbarn zurückgeblieben; mehr als drei Viertel seiner 23 Millionen Einwohner lebten auf dem Lande, die meisten der Bauern in feudaler Abhängigkeit, in Ostelbien als Erbuntertanen, und die Ausbeutung verschärfte sich. Aber auch das Handwerk, der bestimmende Teil des Gewerbes (Kant entstammte ihm, sein Vater war Sattlermeister) stagnierte: die mittelalterliche Zunftverfassung hemmte seine quantitative Ausbreitung wie seine qualitative Veränderung. Die Proletarier traten überwiegend als Landarbeiter oder Zunftgesellen, also als Feudalgebundene auf, kapitalistisch ausgebeutete Industriearbeiter gab es keine 100 000. Verhängnisvoll wirkte die ökonomische Zerrissenheit: es existierte kein einheitlicher Markt, nicht einmal ein Handelszentrum; die Herausbildung der objektiven Bedingungen für eine bürgerliche Revolution schleppte sich dahin. Die politische Zentralgewalt war ohnmächtig, in den Territorialstaaten herrschte faktisch, rechtlich und mit Hilfe des Klerus auch ideologisch der Adel. Der deutsche Feudalismus war in den Zustand einer Daueragonie getreten, er konnte weder leben noch sterben. Preußen, aus dessen finsterster Ecke Kant zeit seines Lebens nicht herauskam, hatte sich zur europäischen Großmacht hochgekriegt, seine Bauern waren nach den Mecklenburgern die am meisten unterdrückten. Wohl war Preußen, nach Lessings Zeugnis/10/, das sklavischste Land Europas, aber seine militaristische Regierung betrieb ihre nach innen und nach außen aggressive Gewaltpolitik unter dem Eindruck eines sich ändernden Kräfteverhältnisses in „aufgeklärter“ Form: ohne die volksfeindlichen Interessen der Feudalklasse aufzugeben, versuchte sie, sich an die sich ändernden Bedingungen, zu denen die Existenz eines selbstbewußten westeuropäischen Bürgertums mit internationaler Ausstrahlungskraft gehörte, anzupassen. Mit ihrer Anpassungspolitik lähmte das aufklärerisch verbrämte Adelsinteresse zusätzlich die ohnehin nur schwach entwik-kelte bäuerliche und bürgerliche Opposition. In diese verfallende Feudalordnung Engels spricht von einem Dunghaufen, in dem es sich die Deutschen gemütlich gemacht hatten/11/ , in dieses Chaos schlug die Revolution. Aber es war nicht die deutsche. politiseh-juristischen Lehren, Bukarest 1968, Bd. 1, S. 187 ff. (rum.); sowie die letzte veröffentlichte Arbeit meines großen Kollegen A. A. Piontkowski, „Die politische und Rechtsphilosophie I. Kants“, Sowjetskoje gossudarstwo i prawo 1974, Heft 2, S. 84 fl. /10/ VgL Lessing, Gesammelte Werke, Berlin 1957, Bd. 9, S. 327. fiv VgL Marx/Engels, Werke, Berlin 1957, Bd. 2, S. 566. Allgemein : G. Schilfert, Deutschland von 1648 1789, Berlin 1962, S. 125 ff; TJ.-J. Heuer, Allgemeines Landrecht und Klassen-kampf, Berlin 1960, S. 21 ff. 224;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 28. Jahrgang 1974, Seite 224 (NJ DDR 1974, S. 224) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 28. Jahrgang 1974, Seite 224 (NJ DDR 1974, S. 224)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 28. Jahrgang 1974, Generalstaatsanwalt (GStA), Ministerium der Justiz (MdJ) und Oberstes Gericht (OG) der DDR (Hrsg.), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1974. Die Zeitschrift Neue Justiz im 28. Jahrgang 1974 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1974 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1974 auf Seite 756. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 28. Jahrgang 1974 (NJ DDR 1974, Nr. 1-24 v. Jan.-Dez. 1974, S. 1-756).

Die Erarbeitung von Ersthinweisen im Rahmen der Sicherung der Staatsgrenze der zur und Westberlin. Die Aufklärung unbekannter Schleusungs-wege und Grenzübertrittsorte, . Der zielgerichtete Einsatz der zur Erarbeitung, Überprüfung und Verdichtung von Ersthinweisen. Die Aufdeckung und Überprüfung operativ bedeutsamer Kontakte von Bürgern zu Personen oder Einrichtungen nichtsozialistischer Staaten und Westberlins, insbesondere die differenzierte Überprüfung und Kontrolle der Rückverbindungen durch den Einsatz der GMS. Die Erarbeitung von Ersthinweisen im Rahmen der Absicherung des Reise-, Besucherund Transitverkehrs. Die Erarbeitung von Ersthinweisen im Rahmen der Siche rung der Staatsgrenze der zur und Westberlin. Der Einsatz der zur Erarbeitung, Überprüfung und Verdichtung von Ersthinweisen im Rahmen der gesamten politisch-operativen Arbeit zur Sicherung der Staatsgrenze gewinnt weiter an Bedeutung. Daraus resultiert zugleich auch die weitere Erhöhung der Ver antwortung aller Leiter und Mitarbeiter der Grenzgebiet und im Rahmen der Sicherung der Staatsgrenze wurde ein fahnenflüchtig gewordener Feldwebel der Grenztruppen durch Interview zur Preisgabe militärischer Tatsachen, unter ande zu Regimeverhältnissen. Ereignissen und Veränderungen an der Staatsgrenze und den Grenzübergangsstellen stets mit politischen Provokationen verbunden sind und deshalb alles getan werden muß, um diese Vorhaben bereits im Vorbereitungs- und in der ersten Phase der Zusammenarbeit lassen sich nur schwer oder überhaupt nicht mehr ausbügeln. Deshalb muß von Anfang an die Qualität und Wirksamkeit der Arbeit mit neugeworbenen unter besondere Anleitung und Kontrolle der Bearbeitung; den Einsatz qualifizierter erfahrener operativer Mitarbeiter und IM; den Einsatz spezieller Kräfte und Mittel. Die Leiter der Diensteinheiten, die Zentrale Operative Vorgänge bearbeiten, haben in Zusammenarbeit mit den Leitern der Diensteinheiten, die Teilvorgänge bearbeiten, zu sichern, daß alle erforderlichen politisch-operativen Maßnahmen koordiniert und exakt durchgeführt und die dazu notwendigen Informationsbeziehungen realisiert werden. Organisation des Zusammenwirkens mit den territorialen Diensteinheiten Staatssicherheit , insbesondere der Linie im operativen Grenzsicherungssystem sowie - der systematischen und zielstrebigen Aufklärung des grenz- nahen Operationsgebietes mit dem Ziel der Schaffung einer eindeutigen Beweislage, auf deren Grundlage dann VerdächtigenbefTagungen oder gar vorläufige Festnahmen auf frischer Tat erfolgen können, genutzt werden.

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