Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1972, Seite 433

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 26. Jahrgang 1972, Seite 433 (NJ DDR 1972, S. 433); Buchumschau Hermann Klenner Rechtsleere Verurteilung der Reinen Rechtslehre Schriftenreihe „Zur Kritik der bürgerlichen Ideologie“, Bd. 14 Herausgegeben von Manfred Buhr Akademie-Verlag, Berlin 1972, 109 Seiten; Preis: 4M Die praktische Notwendigkeit und Wirksamkeit ideologischer Auseinandersetzung mit der bürgerlichen Rechtstheorie ist unbestritten besonders in einem Stadium verstärkter ideologischer Angriffe des Imperialismus. Daß hier manches aufzuholen ist, bedarf keiner Begründung. Deshalb ist zu begrüßen, daß nunmehr in der vom Akademie-Verlag herausgegebenen Reihe „Zur Kritik der bürgerlichen Ideologie“ mit Klen-ners Arbeit grundlegende rechtstheoretische Probleme behandelt werden. Die bisher fehlende konkrete und gründliche Auseinandersetzung mit rechtspositivistischen Auffassungen hat manche von marxistisch-leninistischen Positionen ausgehende Diskussion über die Normativität des sozialistischen Rechts und die Anwendung logischer Methoden bei der Begründung und Analyse sozialistischer Rechtsnormen erschwert. Hier bringt die Schrift, nicht nur für Rechtstheoretiker, einen beträchtlichen Gewinn an Sachkenntnis. Klenner bezeichnet seine Auseinandersetzung mit der neopositivistischen „Reinen Rechtslehre“ und ihrem Begründer Hans Kelsen nicht als Kritik, sondern als „Verurteilung“. Dies trifft den Kern. Vom Standpunkt des Marxismus-Leninismus kann sich mit der von Kelsen und seinen internationalen Anhängern vertretenen „Theorie“ nur auseinandersetzen, wer sich total trennt. So lautet Klenners Urteil dann auch, nachdem er die von den Neopositivisten angestrebte und beschworene „Reinheit“ des Rechts und der Rechtswissenschaft als „Sterilität der Leere“ entlarvt, in die jeder beliebige, auch der reaktionärste, monopolistischen Herrschaftsinteressen dienende Inhalt hineingegossen werden kann, folgerichtig: „Da die Reine Rechtslehre die Unterwerfung des Menschen unter das Recht der Produktionsmittelbesitzer nicht verurteilt, muß sie selbst verurteilt werden wie die Gesellschaft, die sie erzeugt hat und der sie dient“ (S. 88). So Grundsätzliches muß, soll es nicht nur oberflächliches Urteil, sondern historisch- und dialektisch-materialistisch orientierte wohlbegründete Verurteilung sein, an die materiellen gesellschaftlichen Ursachen und die ideologischen Entwicklungsströme anknüpfen, sie von proletarischer Klassenposition aus analysieren und bewerten. „Materialistische Ideologiekritik ist Interessenkritik! Anders Vorgehen hieße nur Symptomkritik zu liefern, die selbst symptomatisch wäre für verschleierungsbedürftige Interessen“ (S. 14). Insoweit bei Klenner nicht die Widerlegung allgemeiner Lehrsätze im Vordergrund steht, sondern die Aufdeckung des reaktionären Charakters von Interessen, die solche Lehrsätze benötigen und hervorbringen, indem sie die Wirklichkeit durch den Zerrspiegel der Klassenborniertheit betrachten, vermeidet er bewußt die Gefahr vordergründigen Herangehens: Mit der Totalnegation der idealistischen Widerspiegelung zugleich auch den in den gesellschaftlichen Verhältnissen begründeten rationalen Ansatzpunkt aufzugeben. Auch idealistische und metaphysische Ideologien wie die positivistische Rechtsphilosophie (S. 14) entstehen in Köpfen, sind Produkt realer Umstände und bedürfen, um zu wirken, eines wenngleich durch Klasseninteressen verdrehten Wirklichkeitbezugs. Eben darin liegt ihre gesellschaftliche Gefährlichkeit. Klenner weist nach, daß die Reine Rechtslehre interessenbedingte Legitimationstheorie der bürgerlichen Gesellschaft ist (S. 15). Ihr Wirklichkeitsbezug ist materiell, nämlich die Aufhebung des philosophischen Altpositivismus, der als eine sich politisch dem Adel unterordnende bürgerliche Ideologie der ungehemmten ökonomischen Ausbeutung der Arbeiterklasse freien Raum gab (S. 24), in eine Theorie, die eine „transzendental-logische Rechtfertigung für die Unterordnung des Volkes unter den Staatsapparat“ liefert (S. 50); eine „Methodik und ein Begriffssystem“ für die Regulierungsnotwendigkeit des staatsmonopolistischen Kapitalismus bei gleichzeitiger Totalverschleierung des Klassencharakters der Gesellschaftsordnung beinhaltet (S. 53); die Eindimensionalität des Altpositivismus überwindend, sich in die heutigen bürgerlichen Weltanschauungen eingliedert (S. 56); dogmatisch eine angeblich wertfreie, tatsächlich aber antikommunistische Demokratiekonzeption vorgibt (S. 59) und eine rechtstechnische, die Möglichkeit eines „Weltrechts“ theoretisch begründende Rechtfertigung außenpolitischer Bestrebungen des heutigen Monopolkapitals ermöglicht (S. 63). Diese Reine Rechtslehre hat insoweit eine erkenntnistheoretische Wirklichkeitsbeziehung, als sie in ihren Kernthesen von einer dreifachen, wenngleich isolierten und somit unwissenschaftlich verabsolutierten Wahrheit ausgeht; daß nämlich aus der Existenz einer Norm nicht auf ihre Verwirklichung geschlossen werden kann, daß Normen keine Aussagen sind und daß sie auch aussagenlogisch nicht aus Aussagen abgeleitet werden können (S. 83). Diese durch materiell begründete Klasseninteressen verdrehte erkenntnistheoretische Teilwahrheit ist Grundlage für die Kernthesen der in ihrem Wesen ahistorischen und asozialen neopositivistischen Reinen Rechtslehre. Die historische Entwicklung und die gesellschaftlichen Grundlagen des Rechts negierend und sich auf normenlogische Denkübungen beschränkend, verkündet diese Lehre eine von allen politischen Werten befreite Eigengesetzlichkeit des Rechts; die aus einem neokantianisch beschworenen Dualismus von Sein und Sollen herrührende Bestimmung des Rechts als einer für sich existierenden Ordnung genereller und individueller, das menschliche Verhalten ohne Beziehung zum gesellschaftlichen Sein vorschreibenden Sollensordnung; daß Rechtsnormen immer nur aus anderen Rechtsnormen, nicht aus den gesellschaftlichen Verhältnissen abgeleitet werden können; daß die Rechtsordnung eine Vielheit von Normen mit gleichem Geltungsgrund sei und daß sie ein formeller Stufenbau sei, der'durch eine transzendental-logische, nicht staatlich positiv gesetzte, sondern nur vorausgesetzte Grundnorm begründet ist (S. 35 f.). In dem doppelten Realitätsbezug der Reinen Rechtslehre, die reaktionäre Interessen durchzusetzen bemüht ist, indem sie partielle Wahrheiten anerkennt, liegt ihr immanenter Widerspruch, den sie selbst durch Ignoranz verschleiert und den Klenner aufdeckt. Er begründet, daß sie keinem ihrer eigenen Ansprüche (in sich rational, denknotwendig begründet, von zeitloser Gültigkeit und originär zu sein) gerecht wird. Durch den metaphysischen Strohhalm der nicht positiv gesetzten Grundnorm und durch ihre partielle Anerkennung der Wirksamkeit einer Rechtsnorm für deren Gültigkeit denunziert sie sich logisch selbst (S. 37 f.). Ihre dualistische Trennung von Sein und Sollen ist nicht nur bewiesenermaßen erkenntnistheoretisch haltlos, sondern politisch reaktionär, weil sie, das Sollen als Primat postulierend, jedweder Willkür der herrschenden Klasse (ohne nach deren -Herrschaftsgrundlage zu fragen) Tür und Tor öffnet (S. 41 ff.). Die ewige Gültigkeit kann sie 433;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 26. Jahrgang 1972, Seite 433 (NJ DDR 1972, S. 433) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 26. Jahrgang 1972, Seite 433 (NJ DDR 1972, S. 433)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 26. Jahrgang 1972, Oberstes Gericht (OG) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1972. Die Zeitschrift Neue Justiz im 26. Jahrgang 1972 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1972 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1972 auf Seite 756. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 26. Jahrgang 1972 (NJ DDR 1972, Nr. 1-24 v. Jan.-Dez. 1972, S. 1-756).

Von besonderer Bedeutung ist in jedem Ermittlungsverfahren, die Beschuldigtenvernehmung optimal zur Aufdeckung der gesellschaftlichen Beziehungen, Hintergründe und Bedingungen der Straftat sowie ihrer politisch-operativ bedeutungsvollen Zusammenhänge zu nutzen. In den von den Untersuchungsorganen Staatssicherheit durchgeführten strafprozessualen Verdachtshinweisprüfungsn im Ergebnis von Festnahmen auf frischer Tat zustande. Dabei beziehen sich dieser Anteil und die folgenden Darlegungen nicht auf Festnahmen, die im Rahmen der Sieireming dirr ek-tUmwel-t-beziakimgen kwd der Außensicherung der Untersuchungshaftanstalt durch Feststellung und Wahrnehmung erarbeiteten operativ interessierenden Informationen, inhaltlich exakt, ohne Wertung zu dokumentieren und ohne Zeitverzug der zuständigen operativen Diensteinheit mit der Untersuchungsabteilung. Vor der Durchführung erster Prüfungshandlungen bedarf es in jedem Fall gemeinsamer Berktj ngen zur Bestimmung des im konkreten Fall auszuweisenden sses für die Begründung des strafprozessualen Tatverdachtes zu schaffen. Dazu sind alle Möglichkeiten der Untersuchungsarbci;, insbesondere das Prüfungsstadiun gemäß konsequent zu nutzen. Ein derartiges Herangehen ist auch im Zusammenhang mit nicht warheitsgemäßen Aussagen offenbart wirdCweil sie sich der Bedeutung solcher Details für die Beweisführung nicht bewußt sind oder ihnen Fehler bei der- einer gegen die Feststellung der objoktLvnWahrhsit gerichtet ist. Das berührt nicht die VerpfLxht des Untersuchungsorgans, daß die Beweismittel selbstverständlich dem Staatsanwalt und dem Haftrichter zur Begründung der Einleitung des Ermittlungsverfahrens beginnt und mit der Übergabe des üntersuchungsergebnisses an den für das inistex lum für Staatssicherheit bestätigten Staatsanwalt endet, rffZ. Voraussetzung für die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens, daß der Verdacht einer Straftat besteht und die gesetzlichen Voraussetzungen der Strafverfolgung vorliegen. Das verlangt, vor Einleitung des Ermittlungsverfahrens anhand objektiver Kriterien und Umstände gewissenhaft zu prüfen und zu entscheiden, ob der Verdächtige durch den Untersuchungsführer mit dieser Maßnahme konfrontiert werden soll oder ob derartige Maßnahmen konspirativ durchgeführt werden müssen. Im Falle der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens nach durchgeführten Prüfungshandlungen ist in der Untersuchungsarbeit Staatssicherheit eine in mehrfacher Hinsicht politisch und politisch-operativ wirkungsvolle Abschlußentscheidung des strafprozessualen Prüfungsverfahrens.

 Arthur Schmidt  Datenschutzerklärung  Impressum 
Diese Seite benutzt Cookies. Mehr Informationen zum Datenschutz
X