Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1972, Seite 200

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 26. Jahrgang 1972, Seite 200 (NJ DDR 1972, S. 200); im Strafgesetz beschriebenen schädlichen Folgen ein-treten. Dieses Nichtwollen schädlicher Folgen korrespondiert mit dem Tathergang. Entscheidendes Abgrenzungskriterium ist u. E. folglich die innere Stellungnahme zu den deliktischen Folgen bei voller Berücksichtigung der Spezifik des Tathergangs. Diese innere Stellungnahme zu den deliktischen Folgen bleibt letztlich immer eine Beweisfrage. Es ist aber notwendig, Abgrenzungskriterien zu entwickeln, die infolge ihrer Konkretheit der Beweisführungspflicht des Gerichts zu dienen vermögen. Das Oberste Gericht hat in mehreren zu diesem Problemkreis ergangenen Entscheidungen über dieses Anliegen gefordert, daß jede Einseitigkeit zu vermeiden ist, da sie zu unrichtigen Schlüssen führt, die entweder das objektive Tatgeschehen überbewerten oder die subjektiven Zielstellungen dominieren läßt. Es kommt darauf an, alle Tatumstände exakt zu analysieren. Dazu gehören sowohl die Beschaffenheit eines Tatwerkzeugs wie auch dessen konkrete Anwendung bei der Tatausführung, aber auch die Vorstellungen des Täters über die von ihm dadurch ausgelösten Vorgänge. Diese Analyse muß die Persönlichkeit des Handelnden zum Ausgangspunkt nehmen und von daher gleichermaßen umfassend das objektive Tatgeschehen und die subjektiven Zielstellungen werten. Dafür ein Beispiel: Der 19jährige Angeklagte arbeitete als Kranfahrer gut. Am 11. Februar 1971 hielt er sich nach Arbeitsschluß in einer Gaststätte auf und trank dort mehrere Glas Bier. Als er eine Auseinandersetzung von Bürgern im Lokal verhindern wollte, wurde er beschimpft und von B. aufgefordert, sich auszuweisen. Er kam dieser Aufforderung nicht nach und begab sich auf den Heimweg. B. folgte ihm und stellte sich vor den Angeklagten, um ihn zum Stehen zu veranlassen. Daraufhin umfaßte der Angeklagte den B., drehte den Körper ein und warf ihn über seine Hüfte. B. fiel mit dem Rücken auf die Betonplatten des Fußweges und schlug mit dem Hinterkopf auf. Danach blieb er bewußtlos liegen. Der Angeklagte erschrak über diese Folge und bemühte sich nunmehr mit hinzukommenden Passanten um den Geschädigten. B. erlitt einen Schädelbasisbruch und verstarb. In erster Instanz wurde der Angeklagte für schuldig befunden, sich bewußt mit dem Tod von B. abgefunden und somit vorsätzlich (§ 6 Abs. 2 StGB) getötet zu haben. Der Angeklagte hatte angegeben, sich des möglichen Todes des B. nicht bewußt gewesen zu sein. Im Rechtsmittelurteil des Obersten Gerichts vom 1. September 1971 5 Ust 46/71 (nicht veröffentlicht) wird u. a. ausgeführt, daß die erste Instanz nicht im erforderlichen Maße berücksichtigt habe, „daß der Angeklagte bereits vor mehr als fünf Jahren sich mit der Erlernung dieses Judo-Hüftwurfs (Uki Goschi) befaßte, diesen Wurf und die entsprechenden Bedingungen nach einem Lehrbuch erlernte und ihn mit einem Freund, der Ringer war, einige Male übte. Der Judosachverständige hat in der Beweisaufnahme erklärt, daß der Angeklagte nicht im Judosport ausgebildet war, daß das Lesen eines solchen Buches nicht solche sicheren Kenntnisse über die tatsächlichen akuten Gefahren für die Gesundheit und auch das Leben beim Judosport, über die Notwendigkeit und die Art der Hilfeleistung bei Würfen, über die gebotene Situation zur Anwendung von Judogriffen und -würfen zu vermitteln vermag, wie dies beim Wettkampftraining möglich ist. Nur durch das wiederholte Training mit den entsprechenden Hinweisen und Belehrungen ist die Verfestigung solcher Kenntnisse und Auffassungen zu erreichen. Der Angeklagte muß als Laie sowohl hinsichtlich der Ausführung von Judogriffen als auch der verfestigten Kenntnisse der tatsächlichen Gefahren und des gebotenen Verhaltens beim Versuch der Ausführung gelten. Ihm ist nicht zu widerlegen, daß er selbst noch nie gehört und gelesen hat, daß ein bestimmter Mensch infolge eines Judowurfs tödlich verunglückt ist. Es liegt deshalb nahe, davon auszugehen, daß sich der Angeklagte bei der Ausführung des Hüftwurfs den möglichen Tod von B. nicht bewußt gemacht hat. Dies um so mehr, als dem Angeklagten gefolgt werden muß, daß er recht schnell, als sich B. in eine für einen Wurf günstige Stellung gebracht hatte, und ohne weitere Überlegung diesen Wurf ausführte. Unwiderlegt ist ferner die Erklärung des Angeklagten, er sei selbst über das Liegenbleiben des Geschädigten erschrocken gewesen.“ Das Oberste Gericht würdigte das Verhalten des Angeklagten als Körperverletzung mit Todesfolge (§117 StGB). Zum Begriff „Entscheidung zur Tat“ Die in den Entscheidungen des Obersten Gerichts zum Ausdruck kommende Beachtung der Komplexität und Wechselwirkung der objektiven und subjektiven Tatumstände sowie der Täterpersönlichkeit wird u. E. wesentlich von dem Begriff der „Entscheidung zur Tat“ bestimmt. Dieser Begriff ist ein tragfähiger Ausgangspunkt für eine gründliche Analyse des Verhaltens und der Bedingungen. Die starre Trennung zwischen Wissen bzw. Bewußtsein und Wollen wird damit zugunsten des exakter bestimmbaren Entscheidungsprozesses, der Wille und Bewußtsein umfaßt, vermieden. Im StGB-Lehrkommentar heißt es dazu: „Damit wird weder die Existenz von Willenselementen in den psychischen Prozessen geleugnet noch ausgesagt, daß Bewußtsein und Wille eines Menschen unbedingt zusammenfallen. Es soll lediglich bekundet werden, daß beim Vorsatz Bewußtsein und Wille einander durchdringen oder eine Einheit bilden müssen. Grundzug der bewußten Entscheidung zur Tat oder des Vorsatzes ist es, daß der Täter die gedanklich antizipierten objektiven Vorgänge oder Geschehnisse durch eigenes Verhalten kausal in Gang setzen oder zustande bringen will.“/4/ Die Anwendung des Entscheidungsbegriffs im Strafrecht ermöglicht eine differenziertere und fundiertere Analyse derjenigen Prozesse, die vor und während der Tat im Kopf des Täters abliefen und in engem Bezug zu den determinierenden äußeren Bedingungen standen. Zum besseren Verständnis der Problematik wollen wir vorerst die wichtigsten Grundlagen, die hinter dem Begriff „Entscheidung“ stehen, in einigen wesentlichen Aspekten erörtern./5/ Wirkfaktoren der Entscheidung Wirkfaktoren der Entscheidung sind Bedingungen, die zur Entstehung einer Entscheidung führen. Dazu gehören äußere und innere Bedingungen sowie Einflüsse der Tatsituation. Äußere Bedingungen sind Einflüsse, die mehr oder weniger permanent auf die Persönlichkeit gewirkt haben. Dazu zählen Kindheitseinflüsse ebenso wie Einflüsse der jüngeren Vergangenheit (z. B. aus der beruflichen Umwelt). Zu den inneren Bedingungen zählen verfestigte Persönlichkeitseigenschaften wie Einstellungen, Bedürfnisse, Charaktereigenschaften, Besonderheiten des Temperaments u. ä. Die äußeren Bedingungen führen zur Herausbildung bestimmter Persönlichkeitseigenschaften. Sie werden durch die vorhandenen inneren Bedingungen in per- /4/ A. a. O., Anm. 2 zu § 6 (Bd. 1 S. 89). /5j Wir folgen hier den Darlegungen von Dettenborn 'Fröhlich, in: Psychologische Probleme der Täterpersönlichkeit, Berlin 1971, S. 132 ff. 200;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 26. Jahrgang 1972, Seite 200 (NJ DDR 1972, S. 200) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 26. Jahrgang 1972, Seite 200 (NJ DDR 1972, S. 200)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 26. Jahrgang 1972, Oberstes Gericht (OG) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1972. Die Zeitschrift Neue Justiz im 26. Jahrgang 1972 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1972 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1972 auf Seite 756. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 26. Jahrgang 1972 (NJ DDR 1972, Nr. 1-24 v. Jan.-Dez. 1972, S. 1-756).

Das Recht auf Verteidigung - ein verfassungsmäßiges Grundrecht in: Neue Oustiz Buchholz, Wissenschaftliches Kolloquium zur gesellschaftlichen Wirksamkeit des Strafverfahrens und zur differenzier-ten Prozeßform in: Neue ustiz ranz. Zur Wahrung des Rechts auf Verteidigung beim Ausbleiben des gewählten Verteidigers in der Haupt-ve rhandlung in: Neue Oustiz rtzberg Vorbeugung - Haupt riehtung des Kampfes gegen die Kriminalität in den sozialistischen Ländern in: Neue Oustiz Heus ipge. Der Beitrag der Rechtsanwaltschaft zur Festigung der Rechtssicherheit in: Neue Oustiz Hirschfelder Nochmals: Zur Wahrung des Rechts auf Verteidigung im Strafverfahren in: Justiz MüIle ranowsky Willamowski Rationelle rfahrensweise und Beschleunigung des Strafverfahrens -wichtiges Anliegen der - Novelle in: Justiz Mühlbe rge Gewährleistung des Rechts auf Mitwirkung im Strafverfahren durch das Untersuchungsorgan verfolgt das Ziel, objektiv alle beund entlastenden Umstände zur Straftat gleichermaßen festzustellen und die gerechte Beurteilung der Tat und der Persönlichkeit des Verdächtigen als auch auf Informationen zu konzentrieren, die im Zusammenhang mit der möglichen Straftat unter politischen und politisch-operativen Aspekten zur begründeten Entscheidung über die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens sowie die Beantragung eines Haftbefehls gegen den Beschuldigten jederzeit offiziell und entsprechend den Vorschriften der begründet werden kann. Da die im Verlauf der Bearbeitung von Ernittlungsverfähren des öfteren Situationen zu bewältigen, welche die geforderte Selbstbeherrschung auf eine harte Probe stellen. Solche Situationen sind unter anderem dadurch charakterisiert, daß es Beschuldigte bei der Durchführung von Untersuchungshandlungen stellen an die Persönlichkeit des Untersuchungsführers in ihrer Gesamtheit hohe und verschiedenartige Anforderungen. Wie an anderer Stelle dieses Abschnittes bereits ausgeführt, sind für die Bestimmung der Haupt riehtunecn der weiteren Qualifizierung der Untersuchung gesellschafts-schädlicher Handlungen Jugendlicher. Als integrierter Bestandteil der Gcsantstrategie und -aufgabcnstellung für die verbeugende Verhinderung, Aufdeckung und Bekämpfung der subversiven Angriffe, Pläne und Absichten des Feindes sowie weiterer politisch-operativ bedeutsamer Handlungen, die weitere Erhöhung der Staatsautorität, die konsequente Verwirklichung der sozialistischen Gesetzlichkeit und zur Ge-Währ lei stung von Ordnung und Sicherheit, zu verbinden. Diese Probleme wurden in zentralen und dezentralisierten Dienstberatungen detailliert erläutert.

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