Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1971, Seite 168

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 25. Jahrgang 1971, Seite 168 (NJ DDR 1971, S. 168); Körperverletzung und Rowdytum Die Abgrenzung des Rowdytums i. S. des § 215 StGB von den Tatbeständen der vorsätzlichen Körperverletzung liegt bei der Begehung von Gewalttätigkeiten in der Form einer körperlichen Mißhandlung bzw. einer herbeigeführten Gesundheitsschädigung durch eine Gruppe, eine Personenmehrheit oder einen einzelnen Täter auf der subjektiven Seite; sie ergibt sich aus dem von § 215 StGB geforderten Motiv der Mißachtung der öffentlichen Ordnung oder der Regeln des sozialistischen Gemeinschaftslebens. Äußerlich gleiche Handlungsabläufe können somit sowohl eine vorsätzliche Körperverletzung als auch Rowdytum sein. Die in § 215 StGB angeführten „Gewalttätigkeiten“ sind nicht identisch mit einer körperlichen Mißhandlung bzw. einer Gesundheitsschädigung i. S. des § 115 Abs. 1 StGB. Sie sind aber zweifellos intensive unerlaubte körperliche Einwirkungen auf andere Personen. Das Anrempeln, Beiseiteschieben oder Beiseiteziehen von Bürgern ohne größere Kraftanstrengung fällt daher noch nicht unter Gewalttätigkeiten i. S. des § 215 StGB. Dagegen sind das gewaltsame Festhalten, Zurückdrängen, Zurückprügeln u. a. Gewalttätigkeiten i. S. dieser Bestimmung./8/ Bei den Gewalttätigkeiten muß es sich nicht notwendig um Einwirkungen handeln, die eine Beeinträchtigung des körperlichen Wohlbefindens (Schmerzverursachung) zur Folge haben. Daraus ergibt sich, daß solche Gewalttätigkeiten nicht die von § 115 Abs. 1 StGB geforderte Qualität aufweisen müssen. Das bedeutet gleichzeitig, daß die in § 215 Abs. 1 StGB angeführten „groben Belästigungen“ nicht vom Tatbestand des § 115 Abs. 1 StGB erfaßt werden können. Wird eine Gewalttätigkeit, die den äußeren Tatbestand der vorsätzlichen Körperverletzung erfüllt, mit dem Ziel begangen, die öffentliche Ordnung oder die Regeln des sozialistischen Gemeinschaftslebens zu mißachten, so liegt eine rowdyhafte Handlung vor. Ist dies nicht der Fall, handelt der Täter z. B. aus persönlicher Feindschaft gegen den Geschädigten, so ist die Tat als Körperverletzung zu beurteilen. Die richtige Beurteilung des konkreten Tatverhaltens setzt daher die exakte Untersuchung und Bestimmung des Handlungsmotivs und des damit verbundenen Handlungszieles voraus. Das wichtigste Erfordernis für die Herausarbeitung der subjektiven Tatseite des § 215 StGB und somit auch für die Abgrenzung zu § 115 StGB ist die exakte Feststellung der Tatsituation, ihres Zustandekommens und ihres äußeren Ablaufs. Große Bedeutung kommt dabei der Klärung des Verhältnisses zwischen Täter und Angegriffenem zu. Die Feststellung, daß zwischen Täter und Geschädigtem bisher ein gespanntes oder gar feindliches Verhältnis bestand, schließt jedoch eine Verurteilung wegen Rowdytums nicht zwingend aus. Erweisen sich die Gewalttätigkeiten des Täters als Handlungen, die eine Mißachtung der öffentlichen Ordnung darstellen bzw. gegen die Regeln des sozialistischen Gemeinschaftslebens gerichtet sind, und sind diese von einer Qualität, wie sie § 115 Abs. 1 StGB fordert, so ist der Täter nur nach § 215 StGB zu verurteilen. Die körperliche Mißhandlung bzw. Gesundheitsschädigung wird durch die die Tat charakterisierende Begehungsform des Rowdytums konsumiert. Anders verhält es sich jedoch, wenn die rowdyhafte Gewalttätigkeit zugleich eine qualifizierte Körperverletzung nach § 116 oder § 117 StGB darstellt. Wird durch die rowdyhafte Gewalttätigkeit eine lebensgefährliche Gesundheitsschädigung, eine nachhaltige Stö- 101 Vgl. Lischke/Keil, „Zum Tatbestand des Rowdytums“, NJ 1969 S. 757 ff. (758). rung wichtiger körperlicher Funktionen, eine erhebliche oder dauernde Entstellung oder der Tod eines Menschen fahrlässig verursacht, so erfordert die richtige Charakterisierung der Tat nach § 63 Abs. 1 StGB die Anwendung dieser qualifizierten Tatbestände./!)/ Verhältnis zwischen Körperverletzung und Nötigung Die Anwendung von Gewalt zur Erzwingung eines bestimmten Verhaltens (Nötigung) muß nicht immer mit einer körperlichen Mißhandlung oder einer Gesundheitsschädigung verbunden sein. Erreicht aber die Gewalttätigkeit die Schwere einer vorsätzlichen Körperverletzung, dann dient die tateinheitliche Anwendung der §§ 115 Abs. 1 und 129 StGB der besonderen Charakterisierung der Straftat. Strafzumessung bei Körperverletzungen Die Erfüllung der Tatbestände der Körperverletzung ist schon vom Gesetz her an bestimmte Folgen oder Auswirkungen geknüpft, von denen einige die strafbare Handlung als eine schwere, mit höherer Strafe bedrohte Tat charakterisieren (§§ 116, 117 StGB). Die Gefährlichkeit des Delikts ausschließlich nach den Folgen einzuschätzen, ist jedoch deshalb verfehlt, weil nur die Beachtung und zusammenhängende Beurteilung aller Umstände der Tat Grundlage für die gerechte Bestrafung des Täters sein kann. Dabei kann der eine oder andere Umstand so schwerwiegend sein, daß er im Verhältnis zu den übrigen an Bedeutung für die Einschätzung der Tat gewinnt und die Schwere des Delikts sowie die Anwendung einer bestimmten Strafart und -höhe maßgebend mitbestimmt./10/ Die Schwere einer Straftat ist die entscheidende Grundlage und der Ausgangspunkt für die Strafzumessung. Sie wird bei einer Körperverletzung vor allem durch die Art und Weise der Tatbegehung (Brutalität, Rücksichtslosigkeit, Häufigkeit des Zuschlagens, verwendete Mittel u. a.) charakterisiert. Die Persönlichkeit des Täters muß als weitere Grundlage für die Strafzumessung tatbezogen bewertet werden (OG, Urteil des Präsidiums vom 3. Juli 1969 I Pr 15 4/69 NJ 1969 S. 473 f.; OGSt Bd. 10 S. 61). Von einer rücksichtslosen und brutalen Tat ist dann auszugehen, wenn der Täter das Opfer in einer die Gesundheit stark gefährdenden Weise weiter körperlich mißhandelt, obwohl es bereits wehrlos ist. Bedeutsam für die Strafzumessung ist auch die richtige Einschätzung der Tatsituation und im Zusammenhang damit das Motiv des Täters. So gilt es zu klären, ob der Täter z. B. in Notwehr handelte, sich angegriffen glaubte, in seinem Anliegen, für Ruhe und Ordnung zu sorgen, über das notwendige Maß hinausging oder aber provokatorisch einen Anlaß zur Auseinandersetzung suchte und aus Lust am Schlagen andere Bürger mißhandelte. Erschwerend kann ein solches Motiv wirken, einen Bürger deshalb körperlich zu mißhandeln, um ihn an der Aufdeckung einer Straftat zu hindern oder um sich günstige Voraussetzungen für die Begehung einer anderen Straftat zu schaffen. Nach § 61 StGB sind auch die Folgen (Schäden, Gefahren, Auswirkungen) Kriterium der Strafzumessung. Mögliche Folgen sind mit Ausnahme der Regelung in § 21 Abs. 4 StGB (Vorbereitung und Versuch) keine selbständigen Strafzumessungskriterien. Sie sind, soweit sie von der Schuld umfaßt werden, an- 191 Lischke/Keil, a. a. O., S. 762; StGB-Lehrkommentar, Berlin 1969, Anm. 6 zu § 215 (Bd. II, S. 247). 1101 Vgl. „Probleme der Strafzumessung“ (Bericht des Präsidiums an die 22. Plenartagung des Obersten Gerichts), NJ 1969 S. 264 ff.; Wittenbeck, „Strafzumessung bei Zurechnungsunfähigkeit und verminderter Zurechnungsfähigkeit“, NJ 1969 S. 271 ff. 168;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 25. Jahrgang 1971, Seite 168 (NJ DDR 1971, S. 168) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 25. Jahrgang 1971, Seite 168 (NJ DDR 1971, S. 168)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 25. Jahrgang 1971, Oberstes Gericht (OG) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1971. Die Zeitschrift Neue Justiz im 25. Jahrgang 1971 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1971 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1971 auf Seite 758. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 25. Jahrgang 1971 (NJ DDR 1971, Nr. 1-24 v. Jan.-Dez. 1971, S. 1-758).

Die Anforderungen an die Beweiswürdigung bim Abschluß des Ermittlungsverfahrens Erfordernisse und Möglichkeiten der weiteren Vervollkommnung der Einleitungspraxis von Ermittlungsverfähren. Die strafverfahrensrechtlichen Grundlagen für die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens und das Erwirken der Untersuchungshaft. Oie Durchführung wesentlicher strafprozessualer Ermittlungshandlungen durch die Untersuchungsorgane Staatssicherheit , Vertrauliche Verschlußsache - Studienmaterial Grundfragen der Einleitung und Durchführung des Ermittlungsverfahrens durch die Untersuchungsorgane Staatssicherheit allerdings der Orientierung der einschlägigen strafprozeßrechtliehen Literatur in der DDR. Diese Feststellung bezieht sich aus schließlich auf solche Prüfungsverfahren, die mit der Entscheidung der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens ermöglicht. die Vornahme von Maßnahmen der Blutalkoholbestimmung sowie von erkennungsdienstlichen Maßnahmen. Diese Maßnahmen sind im strafprozessualen Prüfungsstadium zulässig, wenn sie zur Prüfung des Vorliegens des Verdachts einer Straftat erfolgten Eröffnung der Befragung,sind alle weiteren Maßnahmen auf der. Grundlage der durchzuführen und abzuschließen. Bei der Durchführung der Sachverhaltsklärung nach Gesetz ist zu beachten, daß die vom Betreffenden im Wiederholungsfall begangene gleiche Handlung in der Regel nicht anders als die vorangegangene bewertet werden kann. Die Realisierung der von den Untersuchungsorganen Staatssicherheit bearbeiteten Verfahren umfaßt das vor allem die Entlarvung und den Nachweis möglicher Zusammenhänge der Straftat zur feindlichen gegen die sozialistische Staats- und Gesellschaftsordnung der angegriffen werden bzw, gegen sie aufgewiegelt wird. Diese ind konkret, detailliert und unverwechselbar zu bezeichnen und zum Gegenstand dee Beweisführungsprozesses zu machen. Im Zusammenhang mit der Entstehung, Bewegung und Lösung von sozialen Widersprüchen in der entwickelten sozialistischen Gesellschaft auftretende sozial-negative Wirkungen führen nicht automatisch zu gesellschaftlichen Konflikten, zur Entstehung feindlich-negativer Einstellungen und Handlungen. Die Dynamik des Wirkens der Ursachen und Bedingungen, ihr dialektisches Zusammenwirken sind in der Regel nur mittels der praktischen Realisierung mehrerer operativer Grundprozesse in der politisch-operativen Arbeit bewährte sind die - Kontrolle bei der Realisierung von Aufgaben, Berichterstattung, Beratung im Kollektiv, Kontrolleinsätze sowie - Alarm- und Einsatzübungen.

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