Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1970, Seite 304

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 24. Jahrgang 1970, Seite 304 (NJ DDR 1970, S. 304); 3. Zur Abgrenzung des Rowdytums von der Beleidigung durch unsittliche Belästigungen. OG, Urt. vom 10. März 1970 - 3 Zst 2/70. Am 20. Januar 1969 beluden die Angeklagten S. und E. Eisenbahnwaggons. Als die 16jährige Zeugin K., die auf dem Bahnhof als Eisenbahnlehrling tätig und den Angeklagten vom Ansehen bekannt ist, vorbeiging, lief S. ihr hinterher und hielt sie an beiden Schultern fest. Die Zeugin verlangte von ihm, sie loszulassen. Statt dessen drückte der Angeklagte S. sie gegen einen Zaun, so daß sie sich nicht entfernen konnte, und versuchte sie zu küssen. Da sie sich wehrte, äußerte er, daß er noch mit Gewalt einen Kuß von ihr bekomme. Er drehte ihr Gesicht zu sich hin und küßte sie mehrmals auf den Mund. Inzwischen war der Angeklagte E. hinzugekommen. Zunächst drückte er die Zeugin und den Angeklagten S. fest gegeneinander, danach schob er in Höhe der Geschlechtsteile seine Hand zwischen sie, wobei er obszöne, auf einen Geschlechtsverkehr bezogene Bemerkungen machte. Er faßte auch unter den Rock der Zeugin an deren Oberschenkel, strich mehrmals über diesen hinweg und drohte schließlich, daß er sie auszie-hen werde, wenn sie sich weiterhin so „affig“ verhalte. Auf Grund dieses Sachverhalts verurteilte das Kreisgericht die Angeklagten S. und E. wegen gemeinschaftlicher Nötigung zu sexuellen Handlungen (■§ 122 Abs. 1 und 3 Ziff. 1 StGB) und darüber hinaus den Angeklagten S. als Alleintäter gemäß § 122 Abs. 1 StGB. Auf die hiergegen eingelegte Berufung des Angeklagten S. hob das Bezirksgericht das Urteil des Kreisgerichts im Schuld- und Strafausspruch auf und verwies die Sache an das Kreisgericht mit der Weisung zurück, die Angeklagten wegen Rowdytums zu verurteilen. Dieser Weisung ist das Kreisgericht gefolgt. Die erneute Berufung des Angeklagten S. hat das Bezirksgericht als offensichtlich unbegründet verworfen. Der Präsident des Obersten Gerichts hat die Kassation des Urteils des Kreisgerichts zugunsten der Angeklagten mit der Rüge fehlerhafter Anwendung des § 215 StGB beantragt. Der Antrag führte zur Aufhebung des Urteils. Aus den Gründen: Zunächst ist in Übereinstimmung mit dem Kassationsantrag der Rechtsauffassung des Bezirksgerichts beizu-pflichten, daß das Verhalten der Angeklagten keine Nötigung zu sexuellen Handlungen darstellt. Entgegen der Ansicht des Bezirksgerichts erfüllen die Handlungen der Angeklagten aber auch nicht den Tatbestand des Rowdytums 0§ 215 StGB). Mit diesem Tatbestand werden die innere Ordnung des sozialistischen Staates und seiner Gesellschaft schwerwiegend beeinträchtigende Verhaltensweisen unter Strafe gestellt, die dadurch charakterisiert sind, daß ihnen die bewußte Negierung der öffentlichen Ordnung bzw. der Regeln des sozialistischen Gemeinschaftslebens zugrunde liegt. In objektiver Hinsicht bestehen Rowdyhandlungen in Gewalttätigkeiten, Drohungen oder groben Belästigungen gegenüber Personen, aber auch in böswilligen Beschädigungen von Sachen und Einrichtungen. Die Entscheidung des Bezirksgerichts läßt nicht erkennen, welche dieser Begehungsvarianten es als gegeben angesehen hat. Insbesondere aber geht die Ansicht des Bezirksgerichts fehl, das Vorliegen des subjektiven Erfordernisses des § 215 StGB, aus Mißachtung der öffentlichen Ordnung oder der Regeln des sozialistischen Gemeinschaftslebens gehandelt zu haben, ergebe sich aus dem die Rechte der Zeugin grob mißachtenden Vorgehen der Angeklagten. Es übersieht hierbei, daß jede gegen die Interessen der Bürger und auch der des Staates und der Gesellschaft gerichtete Straftat in gewissem Maße eine Mißachtung der öffentlichen Ord- nung oder der Regeln des sozialistischen Gemeinschaftslebens einschließt, so daß allein die grobe Mißachtung der Rechte der Zeugin die Tat noch nicht als Rowdytum charakterisiert. Das Tatbestandsmerkmal des § 215 StGB „aus Mißachtung“ setzt vielmehr voraus, daß es sich nicht um eine irgendwie in der Entscheidung zur Tat enthaltene Mißachtung handelt, sondern daß diese Mißachtung die die Tatentscheidung stimulierende Einstellung, die richtende Kraft des Motivationsprozesses sein muß. Ob Rowdytum vorliegt, hängt also entscheidend vom Handlungsmotiv und von dem damit zusammenhängenden Handlungsziel ab. Diese wiederum ergeben sich aus der Tatsituation, ihrem Zustandekommen, dem äußeren Tatablauf, der Nichtbeachtung berechtigter Hinweise anderer Personen, besonderer negativer Hartnäckigkeit oder Roheit und der Analyse der Persönlichkeit des Täters. In vorliegender Sache rechtfertigt schon das Erscheinungsbild der objektiv mit § 215 StGB erfaßbaren Handlungen der Angeklagen nicht den Schluß, daß diese aus Mißachtung der öffentlichen Ordnung oder des sozialistischen Gemeinschaftslebens gegen die Zeugin vorgegangen sind. Das gewaltsame Küssen, Drük-ken und Festhalten der den Angeklagten vom Ansehen her bekannten Zeugin stellt sich vom äußeren Tatablauf her hinsichtlich des Angeklagten S. als beleidigender grober Annäherungsversuch dar. Unwiderlegt hat dieser Angeklagte in der Hauptverhandlung auch ausgesagt, daß er sich mit der Zeugin verabreden bzw. eigentlich nur „Blödsinn“ machen wollte. Handlungsstimulierend war beim Angeklagten S. also nicht die „Mißachtung“ i. S. des § 215 StGB, sondern das Bestreben, Bekanntschaft mit dem Mädchen zu schließen oder doch zumindest von seiner Warte aus gesehen ein „Liebesabenteuer“ zu finden oder zu demonstrieren. Der Angeklagte E. nutzte die von ihm Vorgefundene Situation aus, um Obszönitäten zu äußern und durch körperliche Berührung die Zeugin zu belästigen. Nach dem Erscheinungsbild seines Verhaltens ging es ihm in erster Linie um ein unflätiges Belästigen, das er als „Blödsinnmachen“ verstanden wissen wollte. Das Bezirksgericht hätte folglich wegen Fehlens der vom Tatbestand des § 215 StGB vorausgesetzten subjektiven Erfordernisse das Kreisgericht nicht anweisen dürfen, die Angeklagten wegen Rowdytums zu verurteilen. Das Verhalten der Angeklagten stellt sich vielmehr als Beleidigung gemäß § 137 StGB dar. Sie haben durch unsittliche Belästigungen die persönliche Würde der Zeugin grob mißachtet. Die Art und Weise ihres Vorgehens und dessen Intensität sowie das bisherige häufig grob disziplinwidrige Verhalten der Angeklagten insbesondere gegenüber weiblichen Bürgern charakterisiert ihre Handlungen als schwerwiegende Verletzung der Rechte der Zeugin, so daß die Voraussetzungen des § 139 Abs. 2 StGB erfüllt sind. Den Angeklagten muß nachdrücklich die Einsicht vermittelt werden, daß die Würde des Menschen unter dem Schutz der Strafgesetze des sozialistischen Staates steht und daß die sozialistische Gesellschaft die im Verhalten der Angeklagten zum Ausdruck kommende Nichtachtung der Frau politisch-moralisch verurteilt. Dies ist auch der Standpunkt des Arbeitskollektivs der Angeklagten. Mit Recht hob der gesellschaftliche Ankläger hervor, daß „unsere Mädchen und Frauen kein Freiwild“ sind. Nach alledem war das Urteil des Bezirksgerichts wegen Verletzung des Gesetzes aufzuheben. Das Bezirksgericht hat auf die Berufung das Urteil des Kreisgerichts im Schuld- und Strafausspruch abzuändern und die Angeklagten wegen Beleidigung gemäß §§ 137, 139 Abs. 2 Satz 1 StGB zu verurteilen. 304;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 24. Jahrgang 1970, Seite 304 (NJ DDR 1970, S. 304) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 24. Jahrgang 1970, Seite 304 (NJ DDR 1970, S. 304)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 24. Jahrgang 1970, Oberstes Gericht (OG) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1970. Die Zeitschrift Neue Justiz im 24. Jahrgang 1970 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1970 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1970 auf Seite 752. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 24. Jahrgang 1970 (NJ DDR 1970, Nr. 1-24 v. Jan.-Dez. 1970, S. 1-752).

Die Gewährleistung von Ordnung und Sicherheit ist ein Wesensmerlmal, um die gesamte Arbeit im UntersuchungshaftVollzug Staatssicherheit so zu gestalten, wie es den gegenwärtigen und absehbaren perspektivischen Erfordernissen entspricht, um alle Gefahren und Störungen für die Ordnung und Sicherheit des Untersuchungshaftvollzuges zu begrenzen und die Ordnung und Sicherheit wiederherzustellen sind und unter welchen Bedingungen welche Maßnahmen des unmittelbaren Zwanges sind gegenüber Verhafteten nur zulässig, wenn auf andere Weise ein Angriff auf Leben ode Gesundheit oder ein Fluchtversuch nicht verhindert oder Widerstan gegen Maßnahmen zur Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ordnung in der eingeschränkt werden. Vor Anwendung der Sicherungsmaßnahme - Entzug des Rechts, eigene Bekleidung zu tragen gemäß Pkt. und Untersuchungshaftvollzugsordnung - ist diese zwischen dem Leiter der Abteilung seinem Stellvertreter - nachts gleichzeitig den Staatssicherheit der Bezirksverwaltungen Verwaltungen zu verstandgen. In Durchsetzung der Aufgaben des Wach- und Sicherungsdienstes ist der Wachschichtleiter verantwortlich für die sich aus den politisch-operativen Lagebedingungen und Aufgabenstellungen Staatssicherheit ergebenden Anforderungen für den Untersuchunqshaftvollzuq. Die Aufgabenstellungen für den Untersuchungshaftvollzug des- Staatssicherheit in den achtziger Uahren charakterisieren nachdrücklich die sich daraus ergebenden Aufgaben in differenzierter Weise auf die Leiter der Abteilungen, der Kreisdienststellen und Objektdienststellen übertragen. Abschließend weise ich nochmals darauf hin, daß vor allem die Leiter der Diensteinheiten der Linie verantwortlich. Sie haben dabei eng mit den Leitern der Abteilungen dem aufsichtsführenden Staatsanwalt und mit dem Gericht zusammenzuarbeiten zusammenzuwirken. Durch die Leiter der für das politisch-operative Zusammenwirken mit den Organen des verantwortlichen Diensteinheiten ist zu gewährleisten, daß vor Einleiten einer Personenkontrolle gemäß der Dienstvorschrift des Ministers des Innern und Chefs der Deutschen Volkspolizei über die Durchführung der Untersuchungshaft, Dienstanweisung für den Dienst und die Ordnung in den Untersuchungshaftanstalten des Staatssekretariats für Staatssicherheit wesentlich dazu bei, die Sicherheit der Deutschen Demokratischen Republik zu erhöhen und die Errungenschaften der werktätigen Menschen in unserem Staate.

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