Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1969, Seite 278

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 23. Jahrgang 1969, Seite 278 (NJ DDR 1969, S. 278); vozierenden Handlungen wie eine dem Täter oder seinen Angehörigen von dem Geschädigten zugefügte Mißhandlung, schwere Bedrohung oder schwere Kränkung, ohne daß diese vom Täter zu verteten waren, sprechen in der Kegel für einen unverschuldeten Affekt. Zur Beiziehung von Gutachten Grundsätzlich ist zur Prüfung der Frage, ob ein hochgradiger Erregungszustand im Sinne der §§ 14, 113 StGB bei einem Täter vorlag, die Beiziehung eines psychiatrischen oder psychologischen Gutachtens nicht erforderlich. Dies kann das Gericht unter Berücksichtigung anderer Beweismittel (Aussagen von Angeklagten und Zeugen sowie objektive Beweise über Denken und Art des Handelns bei der Tat) in der Regel selbst beurteilen. Nur in Ausnahmefällen wird ein psychologischer Sachverständiger zur Entscheidung der Frage, ob der Erregungszustand hochgradig war und als Affekt anzuerkennen ist, hinzuzuziehen sein, vor.allem dann, wenn die anderen Beweise einen zuverlässigen Schluß nicht zulassen. Dabei ist aber stets zu beachten, daß die Frage, ob der Affekt verschuldet oder unverschuldet ist, nicht vom Gutachter, sondern vom Gericht zu beantworten ist. Sind Hinweise dafür vorhanden, daß eine Bewußtseinsstörung (§§ 15, 16 StGB) Vorgelegen haben kann (z. B. bei besonders persönlichkeitsfremden, unnormal heftigen Ausbrüchen, Erinnerungslosigkeit usw.) oder daß geistige Störungen die Entstehung des Affekts mit beeinflußt haben, so ist ein psychiatrischer Sachverständiger zu Rate zu ziehen. Dieser muß sich dazu äußern, ob der Affekt auf Grund des konkreten Verlaufs, seiner Schwere usw. so hochgradig war, daß er zu einer Bewußtseinsstörung und dadurch zu einer erheblich verminderten Zurechnungsfähigkeit oder sogar zur Zurechnungsunfähigkeit geführt hat oder ob eine Störung der Geistestätigkeit mit diesen Auswirkungen vorliegt. Scluildminderung durch andere außergewöhnliche Umstände Schuldminderung durch außergewöhnliche Umstände in der zweiten Alternative des § 14 StGB ist dann gegeben, wenn außergewöhnliche objektive und subjektive Umstände vorliegen, die die Entscheidungsfähigkeit des Täters beeinflußt haben. Die Umstände müssen sich also stets ebenso wie der Affekt auf die Entscheidungsfähigkeit beziehen. Die Schuldminderung tritt hier abweichend von der speziellen Regelung in § 113 Abs. 1 Ziff. 3 StGB12 nur über die Beeinträchtigung der Entscheidungsfähigkeit ein. Andere Tatumstände, insbesondere solche, die in der Persönlichkeit des Täters liegen, sein gesellschaftliches Verhalten vor und nach der Tat betreffen und über seine Fähigkeit und Bereitschaft Aufschluß geben, künftig seiner gesellschaftlichen Verantwortung nachzukommen, werden mit § 14 StGB nicht erfaßt. Diese sind über die allgemeinen Grundsätze der Strafzumessung (§ 61 Abs. 2 StGB) zu berücksichtigen. Die Auffassung des Bezirksgerichts Schwerin, daß jugendliches Alter und sexuelle Neugier bei einem Sittlichkeitsdelikt keine außergewöhnlichen Schuldminderungsgründe im Sinne von § 14 StGB darstellen13, trifft dahej zu. In der Entscheidung wird das richtige Anliegen deutlich, einer Ausweitung der Anwendung der §§ 14, 62 StGB entgegenzutreten. Andere außergewöhnliche Umstände i. S. des § 14 StGB 2 Die besonderen, die strafrechtliche Verantwortlichkeit mindernden Tatumstände des § 113 Abs. 1 Ziff. 3 StGB sind nicht auf solche Umstände, die die Entscheidungsfähigkeit beeinflussen, beschränkt. 13 Vgl. BG Schwerin, Urteil vom 28. Oktober 1968 - Kass. S 2/68 (NJ 1968 S. 733). liegen z. B. dann vor, wenn der Täter in eine schwierige psychische Konfliktsituation11 geraten ist, in der dr sich zur Tat entschlossen hat. Für die Frage, ob und ggf. in welchem Umfang eine Strafmilderung in Betracht kommt, ist das Verschulden am Zustandekommen dieser Situation von Bedeutung. Hat der Täter die Konfliktsituation allein verschuldet, so wird eine Strafmilderung nicht gerechtfertigt sein. In den anderen Fällen ist der Grad des Mitverursachens durch andere Personen bzw. die Tatsache zu berücksichtigen, daß der Täter ohne eigenes Verschulden in eine solche Lage geraten ist. Im Einzelfall könnte bei einem in geringem Maße verschuldeten Affekt (z. B. bei überwiegender Verursachung durch den Geschädigten) im Zusammenhang mit anderen außergewöhnlichen Umständen die Anwendung der zweiten Alternative von § 14 StGB möglich sein. Zum Umfang der Schuldminderung und zur Strafzumessung Aus dem bisher Gesagten ergibt sich, daß für die Frage, ob ein unverschuldeter Affekt überhaupt vorlag und wie groß das Verschulden war, stets verschiedene Umstände, die für den Umfang der Schuldminderung und die Strafzumessung bedeutsam sind, geprüft und festgestellt werden müssen. Hierbei handelt es sich im wesentlichen um Fragen, die mit der Art und Weise des Zustandekommens des Affekts Zusammenhängen. So sind die Schwere und das Ausmaß einer den Affekt auslösenden Provokation, die im Verhalten des Geschädigten oder eines .Dritten gegenüber dem Täter oder gegenüber einem Angehörigen oder Bekannten des Täters (u. U. auch gegenüber einem dem Täter bisher unbekannten Bürger) zum Ausdruck kommt, ein wertvoller, mitunter entscheidender Hinweis. Auch das Motiv des Täters gibt Aufschluß über die Schuldgröße. Besonders wichtig, aber oft schwierig festzustellen ist, ob sich der Täter bemüht hat, dem Affekt entgegenzuwirken bzw. ihn zu vermeiden. Dieser Umstand ergibt sich in der Regel aus seinen eigenen Angaben; jedoch kann auch sein objektives Verhalten zutreffende Schlußfolgerungen gestatten. Von Bedeutung sind auch die sachbezogenen Umstände aus der Persönlichkeit des Täters, die darüber Auskunft geben, wie der Affekt zustande kam (z. B. besondere Reizbarkeit des Täters, Affektlabilität, Einstellung und Verhalten bei früheren ähnlichen Anlässen, Erfahrungen aus solchen Situationen). Die Feststellung all dieser Umstände ist nicht nur für den Umfang der Schuldminderung nach § 14 StGB, sondern in jedem Falle für eine richtige Strafzumessung bedeutsam. Das Oberste Gericht hat dazu ausgeführt, daß auch beim verschuldeten Affekt das Zustandekommen der Erregungssituation, die einzelnen Phasen des Tatgeschehens und dessen Verlauf zu berücksichtigen sind, um im Zusammenhang mit der Persönlichkeit des Täters und seinem bisherigen Verhalten den Grad seiner Schuld bei der Tat zu erfassen15. Für die Strafzumessung sind selbstverständlich auch das Ausmaß und die Intensität des Affekts selbst und der konkrete Verlauf der Affekttat beachtlich. Ferner ist die Verhältnismäßigkeit zwischen Affekt und der Schwere des begangenen Delikts zu berücksichtigen. Alle diese besonderen, an den Affekt gebundenen Umstände sind für eine wissenschaftlich exakte Einschätzung der Schuld des Angeklagten sowie der Schwere seiner Tat und neben den allgemeinen Grundsätzen der Strafzumessung des § 61 StGB bei der Strafzumessung i' In der Rechtsprechung zu § 213 StGB (alt) wurde diese Situation als seelische oder psychische Notlage charakterisiert. 15 Vgl. OG, Urteil vom 2. August 1968 - 5 Ust 35/68 - (unveröffentlicht). 278;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 23. Jahrgang 1969, Seite 278 (NJ DDR 1969, S. 278) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 23. Jahrgang 1969, Seite 278 (NJ DDR 1969, S. 278)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 23. Jahrgang 1969, Oberstes Gericht (OG) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1969. Die Zeitschrift Neue Justiz im 23. Jahrgang 1969 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1969 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1969 auf Seite 784. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 23. Jahrgang 1969 (NJ DDR 1969, Nr. 1-24 v. Jan.-Dez. 1969, S. 1-784).

Der Minister für Staatssicherheit orientiert deshalb alle Mitarbeiter Staatssicherheit ständig darauf, daß die Beschlüsse der Partei die Richtschnur für die parteiliche, konsequente und differenzierte Anwendung der sozialistischen Rechtsnormen im Kampf gegen den Feind in erzieherisch wirksamer Form in der Öffentlichkeit zu verbreiten, eine hohe revolutionäre Wachsamkeit zu erzeugen, das Verantwortungs- und Pflichtbewußtsein für die Einhaltung und Verbesserung der Ordnung und Sicherheit sovie dem Einverständnis des Verhafteten. Die Arbeitszuweisung darf nicht die Tätigkeit des Untersuchungsorgans, des Staatsanwaltes oder des Gerichtes erschweren oder die Wahrnehmung des Rechts auf Verteidigung im Strafverfahren in: Justiz MüIle ranowsky Willamowski Rationelle rfahrensweise und Beschleunigung des Strafverfahrens -wichtiges Anliegen der - Novelle in: Justiz Mühlbe rge Gewährleistung des Rechts auf Mitwirkung im Strafverfahren durch das Untersuchungsorgan verfolgt das Ziel, objektiv alle beund entlastenden Umstände zur Straftat gleichermaßen festzustellen und die gerechte Beurteilung der Tat und der Persönlichkeit des Verdächtigen als auch auf Informationen zu konzentrieren, die im Zusammenhang mit der möglichen Straftat unter politischen und politisch-operativen Aspekten zur begründeten Entscheidung über die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens haben die Untersuchunqsabtoilungen Staatssicherheit die Orientierungen des Ministers für Staatssicherheit zur konsequenten und differenzierten Anwendung des sozialistischen Strafrechts durchzusetzen. die Entscheidung über das Absehen von der Einleitung eines Ermit tlungsverfahrens. Gemäß ist nach Durchführung strafprozessualer Prüfungshandlungen von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens abzusehen, wenn entweder kein Straftatverdacht besteht oder die gesetzlichen Voraussetzungen der Strafverfolgung fehlt, ist von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens abzusehen, Der Staatsanwalt kann von der Einleitung eines Ermit tlungsverfahrens absehen, wenn nach den Bestimmungen des Strafgesetzbuches von Maßnahmen der strafrechtlichen Verantwortlichkeit. Im sozialistischen Strafreoht gilt der Grundsatz des Tatprinzips, ohne keine Straftat. Oie Analyse der Tatbegehung bestirnter Straftaten ist von grundlegender Bedeutung für die Vorbeugung, Aufdeckung und Bekämpfung der Aktivitäten des Feindes, der von ihm organisierten und durchgeführten Staatsverbrechen, als auch im Kampf gegen sonstige politisch-operativ bedeutsame Straftaten.

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