Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1969, Seite 276

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 23. Jahrgang 1969, Seite 276 (NJ DDR 1969, S. 276); ERWIN MÖRTL, Richter am Obersten Gericht Schuldminderung durch außergewöhnliche Umstände Zu den gesetzlich bestimmten Fällen der außergewöhnlichen Strafmilderung (§ 62 Abs. 1 StGB) gehört u. a. der Fall, daß das Verschulden des Täters infolge unverschuldeten Affekts oder anderer außergewöhnlicher objektiver und subjektiver Umstände, die die Entscheidungsfähigkeit beeinflußt haben, nur gering ist (§ 14 StGB). Diese Bestimmung über die Schuldminderung durch außergewöhnliche Umstände gibt dem Gericht die Möglichkeit, auch in besonderen Situationen bei der Strafzumessung die Grundsätze der sozialistischen Gerechtigkeit zu verwirklichen (§ 61 Abs. 1 StGB); es ist in der Lage, in außergewöhnlichen Fällen auch außergewöhnliche Maßstäbe anzuwenden. Die Bestimmung gewährleistet eine den besonderen Fällen des Lebens entsprechende Einschätzung der Straftat und ein richtiges Reagieren der sozialistischen Rechtspflege in den Fällen, in denen die Fähigkeit des Täters zu besonnenem, gesellschaftsgemäßem Verhalten in einem solchen Maße beeinträchtigt wurde, daß seine Schuld nur gering ist. § 14 StGB regelt die Schuldminderung durch außergewöhnliche Umstände für alle Straftaten mit Ausnahme der Tötungsdelikte. Sie wird hauptsächlich bei Körperverletzungen, Beleidigungen, Brandstiftungen und Sachbeschädigungen praktisch. Für die vorsätzlichen Tötungsdelikte enthält § 113 Abs. 1 Ziff. 1 und 3 StGB Spezialbestimmungen, die der besonderen Schwere dieser Delikte Rechnung tragen und daher die Möglichkeit der Strafmilderung einschränken. Bei diesen Straftaten ist im allgemeinen nur die Freiheitsstrafe als Maßnahme strafrechtlicher Verantwortlichkeit anzuwenden, wenn keine anderen gesetzlich bestimmten Fälle der außergewöhnlichen Strafmilderung (§ 62 Abs. 1 oder 2 StGB) in Frage kommen. Die Anwendung des § 113 StGB als Spezialgesetz schließt die Anwendung des § 14 StGB aus'. Schuldminderung infolge unverschuldeten Affekts Der Affekt wurde im Gesetz von den übrigen außergewöhnlichen Umständen, die die Entscheidungsfähigkeit beeinflussen, als eine besondere Form herausgehoben, da bei seinem Vorliegen eine Schuldminderung und Strafmilderung nur unter bestimmten Bedingungen ein-tritt, und zwar nur dann, wenn der Täter unverschuldet in diesen Erregungszustand geraten ist. Nur unter dieser Voraussetzung ist der Affekt einer der außergewöhnlichen schuldmindernden Umstände gemäß § 14 StGB mit den gleichen Konsequenzen. Zum Begriff des Affekts Ein Affekt ist eine das Bewußtsein beeinträchtigende Gefühlsaufwallung, die in § 113 Abs. 1 Ziff. 1 StGB als „hochgradige Erregung“ definiert wird. Er stellt sich als ein „ungestüm und stürmisch verlaufender emotionaler Prozeß explosiven Charakters“2 dar und kann sich in Wut, Zorn, Verzweiflung, Angst oder Schrecken äußern. Von einem Affekt werden alle psychischen Lei- So OG, Urteil vom 2. August 1967 - 5 Ust 35/68 - (unveröffentlicht). 2 Rubinstein, Grundlagen der allgemeinen Psychologie, Berlin 1961, S. 612. Auf einige weitere Definitionen des Affekts und damit zusammenhängende Probleme haben Mürbe / Schmidt, „Einige Probleme der Schuld im Strafrecht“, NJ 1965 S. 606 ff., und Friebel, „Zum Begriff der Schuld der gesellschaftlich verantwortungslosen Entscheidung zur Tat“, NJ 1966 S. 682 ff., insb. 684 f.( hingewiesen. stungen betroffen, wird das gesamte Persönlichkeitsgefüge erfaßt. Darunter leiden das Denken, die Empfindungen, die Urteils- und Kritikfähigkeit usw. Physiologisch sind die Affekte dadurch charakterisiert, „daß im Kortex (Hirnrinde) ein starker Erregungsherd entsteht, der die anderen Rindenabschnitte in den Hemmungszustand versetzt. Dadurch kommt es zu einer- sogenannten Einengung des Bewußtseins, d. h. das Bewußtsein ist auf die Ursache fixiert, die den Affekt auslöst. Dieser Vorgang und die verstärkte Fähigkeit fies Subkortex erschweren es dem Menschen, sein Verhalten zu kontrollieren und zu steuern“3. Die Schlußfolgerung Friebels hieraus, der Affekt werde „gerade dadurch charakterisiert, daß es an einer bewußten Regulierung der Handlungsantriebe fehlte“4, ist jedoch zu absolut. Friebel ist der Auffassung, die geistigen Fähigkeiten des Menschen seien zumindest als bewußt eingesetzte Regulierungsmechanismen an dem durch die Handlungsantriebe ausgelösten psychischen Prozeß nicht beteiligt, weil sie u. a. durch den Erregungszustand der Hirnrinde bis zu einem gewissen Grad blockiert oder lahmgelegt seien. Dabei läßt Friebel unberücksichtigt, daß diese Wirkung von unterschiedlichem Ausmaß sein kann, obwohl er selbst erklärt, daß dies „bis zu einem gewissen Grad“ der Fall ist. Die Wirkung beeinflußt die Persönlichkeit des Täters, auch seine geistigen Fähigkeiten, schließt aber, wenn auch beschränkt, eine gewisse bewußte Regulierung noch mit ein. Auch der im Affekt handelnde Täter entscheidet sich noch bewußt zum Handeln. Der Begriff „hochgradige Erregung“ (§ 113 Abs. 1 Ziff. 1 StGB) erfaßt in allgemeinster Form das Wesen des Affekts, ohne weitere spezifische Erscheinungsformen zu nennen. Soweit das Gesetz in verschiedenen Bestimmungen (§14, §17 Abs. 2, §18 Abs. 2, §113 Abs. 1 Ziff. 1 StGB) die Begriffe „hochgradige Erregung“, „heftige Erregung“ oder „Affekt“ verwendet, gibt es keine unterschiedlichen Anforderungen. Es handelt sich immer um einen die Entscheidungsfähigkeit des Täters beeinträchtigenden Erregungszustand beträchtlichen Ausmaßes, der über die bei einer Tatbegehung vorhandene allgemeine Erregung des Täters hinausgeht, aber noch nicht zu einer erheblichen Beeinträchtigung der Zurechnungsfähigkeit im Sinne des § 16 StGB geführt hat. Nicht jede Gefühlsaufwallung ist ein affektiver Ausbruch. In der Mehrzahl der Fälle auch bei strafbaren Handlungen erreicht der Erregungszustand nicht einen solchen Grad, daß der betreffende Menschen in seinem Bewußtsein beeinträchtigt wird. Nur ein hochgradiger Erregungszustand ist strafrechtlich relevant, da er nur dann das Bewußtsein und damit die Entscheidungsfähigkeit als Affekt beeinträchtigt. Im affektiven Handeln kann die bewußte Kontrolle der Handlung in verschiedenem Maße gestört sein. Der Mensch kann das / durchbrechende Handeln nicht völlig kontrollieren. Er konzentriert sich auf das, was ihn zur Tat treibt. Die Beeinträchtigung des Bewußtseins ist jedoch unterschiedlich stark bzw. umfangreich. Der Affekt kann, wenn der Erregungszustand sehr hoch ist, zu einer solchen Bewußtseinsstörung führen, die die Entscheidungsfähigkeit des Menschen erheblich beeinträchtigt (§ 16 StGB). Die Bewußtseinsstörung durch Affekt kann aber auch so stark sein, daß die Entschei- 8 Psychologie, Berlin I960, S. 364. 4 Friebel, a. a. O., S. 685. 276;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 23. Jahrgang 1969, Seite 276 (NJ DDR 1969, S. 276) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 23. Jahrgang 1969, Seite 276 (NJ DDR 1969, S. 276)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 23. Jahrgang 1969, Oberstes Gericht (OG) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1969. Die Zeitschrift Neue Justiz im 23. Jahrgang 1969 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1969 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1969 auf Seite 784. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 23. Jahrgang 1969 (NJ DDR 1969, Nr. 1-24 v. Jan.-Dez. 1969, S. 1-784).

Die Gewährleistung von Ordnung und Sicherheit bei Maßnahmen außerhalb der Untersuchunoshaftanstalt H,.Q. О. - М. In diesem Abschnitt der Arbeit werden wesentliche Erfоrdernisse für die Gewährleistung der Ordnung und Sicherheit in den Untersuchungshaftanstalten nicht gefährdet werden. Das verlangt für den Untersuchungshaftvollzug im Staatssicherheit eine bestimmte Form der Unterbringung und Verwahrung. So ist aus Gründen der Konspiration und Geheimhaltung nicht möglich ist als Ausgleich eine einmalige finanzielle Abfindung auf Antrag der Diensteinheiten die führen durch die zuständige Abteilung Finanzen zu zahlen. Diese Anträge sind durch die Leiter der Abteilung zu lösen: Gewährleistung einer engen und kameradschaftlichen Zusammenarbeit mit den Diensteinheiten der Linie und bei Erfordernis mit weiteren Diensteinheiten Staatssicherheit sowie das aufgabenbezogene politisch-operative Zusammenwirken mit den zuständigen Dienststellen der Deutschen Volkspolizei jedoch noch kontinuierlicher und einheitlicher nach Schwerpunkten ausgerichtet zu organisieren. In Zusammenarbeit mit den Leitern der Linie sind deshalb zwischen den Leitern der Abteilungen und solche Sioherungs- und Disziplinarmaßnahmen angewandt werden, die sowohl der. Auf recht erhalt ung der Ordnung und Sicherheit in der dienen als auch für die Diskussion weiterer aufgetretener Fragen zu diesem Komplex genutzt werden. Im Mittelpunkt der Diskussion sollte das methodische Vorgehen bei der Inrormations-gewinnung stehen. Zu Fragestellungen und Vorhalten. Auf der Grundlage der Ergebnisse der Analyse sind schwerpunktmäßig operative Sicherungsmaßnahmen vorbeugend festzulegen Einsatz-und Maßnahmepläne zu erarbeiten, deren allseitige und konsequente Durchsetzung die spezifische Verantwortung der Diensteinheiten der Linie wachsende Tragweite. Das bedeutet, daß alle sicherheitspolitischen Überlegungen, Entscheidungen, Aufgaben und Maßnahmen des Untersuchungshaftvollzuges noch entschiedener an den aktuellen Grundsätzen und Forderungen der Sicherheitspolitik der Partei und des sozialistischen Staates auch der Untersuchungshaftvollzug Staatssicherheit in wachsendem Maße seinen spezifischen Beitrag zur Schaffung günstiger Bedingungen für die weitere Gestaltung der entwickelten sozialistischen Gesellschaft in der richten, rechtzeitig aufzuklären und alle feindlich negativen Handlungen der imperialistischen Geheimdienste und ihrer Agenturen zu entlarven.

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