Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1968, Seite 297

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 22. Jahrgang 1968, Seite 297 (NJ DDR 1968, S. 297); gendlichen zu Zweifeln an der Schuldfähigkeit führen, ist ein Sachverständigengutachten einzuholen9. Voraussetzungen für das Vorliegen der Schuldfähigkeit Jugendlicher Voraussetzung für das Vorliegen der Schuldfähigkeit ist, daß der Jugendliche auf Grund des Entwicklungsstandes seiner Persönlichkeit über ein Minimum an sozialer Verhaltensdisposition, das seiner Altersgruppe entspricht, verfügt und bei ihm eine relativ gefestigte Grundhaltung besteht, so daß er die dem Straftatbestand zugrunde liegenden Anforderungen der Gesellschaft kennt und sein Verhalten auch entsprechend steuern kann10. Da sich das Straffälligwerden Jugendlicher als ein Problem der sozialen Integration in die Gesellschaft erweist und oft Ausdruck einer fehlerhaften Entwicklung ist evtl, nur im Hinblick auf die deliktische Handlung , müssen die Gerichte die sozialen Bedingungskomplexe, unter denen der Jugendliche herangewachsen ist und die seine Persönlichkeit formten, die Beziehungen und Verhaltensweisen des Jugendlichen in den einzelnen Kontaktbereichen (Familie, Schule, Freizeitgruppen usw.) sachbezogen aufklären. Nur so ist es möglich, exakte Feststellungen zur Schuldfähigkeit und zur differenzierten Schuldbewertung zu treffen sowie diejenigen Erziehungs- und Betreuungsmaßnahmen zu finden, durch die der Prozeß der Resozialisierung und Disziplinierung gewährleistet wird. Die Gerichte haben deshalb in der Hauptverhandlung unter Berücksichtigung der Spezifik der Straftat die Persönlichkeit des Jugendlichen, seine Lebenssituation und die Umweltbeziehungen exakt festzustellen, um auf dieser Grundlage die Schuldfähigkeit prüfen zu können. Dazu gehören insbesondere: Das allgemeine Intelligenzniveau (Schul-, Berufsund Allgemeinwissen), Lern- und Arbeitshaltung, Fertigkeiten, sprachliche Eigenheiten, Kenntnisse über die der Tat zugrunde liegenden Normen, vorhandene Auffälligkeiten im intellektuellen Bereich, wie Konzentrationsschwäche, Gedächtnis- und Merkschwächen, und andere für die Einschätzung des geistigen Entwicklungsniveaus bedeutsame Umstände. Weltanschauliche Einstellung und Überzeugung, politisch-moralische Haltung, Einstellung und Verhalten zu gesellschaftlichen Belangen, zu den Mitmenschen allgemein sowie zur Familie und zu den anderen Bereichen der Umwelt, das Verhalten zum anderen Geschlecht, die deliktsspezifische Einstellung, Einschätzungs-, Kritik- und Urteilsfähigkeit u. ä. (Verinnerlichung der Wertnormen, sittlich-soziale Entwicklung). Antriebseigenschaften, besonders im Zusammenhang mit dem Tatgeschehen, Temperament, physische und psychische Belastbarkeit, Ansprüche, Neigungen und Interessen, Bedürfnisse und die Art und Weise ihrer Befriedigung, Hemmungsvermögen (d. h., ob der Jugendliche in der Lage ist, sich Beschränkungen aufzuerlegen, oder sich unbeherrscht verhält bzw. bedenkenlos seine Ziele verfolgt und durchsetzt). Die Beantwortung dieser Fragen gibt Aufschluß über das Steuerungsvermögen des Jugendlichen, d. h., ob er in der Lage war, seinen Trieben, Bedürfnissen und Motiven entsprechende Willenskräfte entgegenzusetzen. 9 Zu den Voraussetzungen für die Beiziehung von Sachverständigengutachten vgl. Beschluß des Präsidiums des Obersten Gerichts vom 13. Oktober 1965 zur einheitlichen Anwendung des § 4 JGG durch die Gerichte (NJ 1965 S. 711). 10 Zum Problem der sittlichen und sozialen Reife Jugendlicher vgl. Bittighöfer, a. a. O., S. 35 f.; Hartmann, „Das künftige Jugendstrafrecht“, NJ 1967 S. 146 f., und derselbe in: Die Be- gutachtung und Behandlung erwachsener und jugendlicher Täter, a. a. O S. 132 f. Diese Prüfung der Schuldfähigkeit muß unter Berücksichtigung der bisherigen Persönlichkeitsentwicklung des Jugendlichen deliktsbezogen erfolgen, da es keine „allgemeine“ Schuldfähigkeit gibt. Dies wird in der gegenwärtigen Praxis von den Gerichten und auch von den Sachverständigen noch nicht immer hinreichend beachtet. Die aus dem Persönlichkeitsbereich eruierten Momente werden oftmals losgelöst vom Tatgeschehen betrachtet und unterliegen so einer sehr unterschiedlichen emotional betonten Bewertung, weil dann kein Maßstab gegeben ist. Die verschiedenen Deliktsarten stellen unterschiedliche Anforderungen an die Prüfung der Schuldfähigkeit. Um entscheiden zu können, ob der Jugendliche über die Fähigkeit verfügte, sich im Hinblick auf die Tat gesellschaftsgemäß zu verhalten, ist insbesondere auch auf der Grundlage der objektiven und subjektiven Umstände des Tatgeschehens, wie der Tatsituation, des Tatverhaltens, des Tatbeitrags und der Tatintensität, sowie der Ursachen, Bedingungen und Motive des strafbaren Verhaltens das Entwicklungsniveau des Jugendlichen zu prüfen11. Diese Prüfung ist beispielsweise bei einer von zielstrebigen Überlegungen und bewußten Denkvollzügen zeugenden raffinierten Planung, Vorbereitung und Durchführung einer Straftat von vornherein unter anderen Aspekten vorzunehmen als bei der Tat eines labilen Jugendlichen, der durch situationsbedingte Umstände evtl, unter dem Einfluß anderer eine strafbare Handlung begangen hat. Bei der Analyse der Persönlichkeitsentwicklung kommt es darauf an, an Hand der im Beschluß des Präsidiums des Obersten Gerichts vom 13. Oktober 1965 unter Ziff. 3 und 4 angeführten Kriterien das Enwicklungs-niveau des Jugendlichen einzuschätzen12. Das intellektuelle Niveau ist vorwiegend danach zu beurteilen, ob es der Norm der Altersgruppe entspricht. Dabei darf jedoch nicht allein vom erreichten Schulziel ausgegangen werden, da geringe schulische Leistungen einerseits oft durch Lernunlust oder eine ungenügende Lernbereitschaft bedingt sind und andererseits auch insoweit eine Nachentwicklung insbesondere durch die berufliche Tätigkeit und hierbei angeeignetes Wissen erfolgt. Zur Einschätzung des Niveaus der sittlich-sozialen Entwicklung ist unter Berücksichtigung der geistigen Fähigkeiten tat- und handlungsbezogen zu prüfen, ob der Jugendliche die entsprechenden gesellschaftlichen Forderungen integriert hatte und über ein angemessenes Wertsystem verfügte, das ihn zur Tatzeit zu einem gesellschaftsgemäßen Verhalten befähigte. Dabei ist seine eigene Einstellung zu der strafbaren Handlung sehr bedeutsam. So wäre z. B. bei einem Sexualdelikt unter diesem Aspekt zu prüfen, ob der Jugendliche auf Grund seines Entwicklungsstandes fähig war, die Gleichberechtigung und Gleichwertigkeit der Frau anzuerkennen, Wertmaßstäbe für eine sittlich wertvolle Partnerschaft zu finden13, die gewaltsame Befriedigung sexueller Bedürfnisse als strafbar zu erkennen und unter den Bedingungen, die zu der konkreten Straftat führten, die H Im Beschluß des Präsidiums des Obersten Gerichts zur einheitlichen Anwendung des § 4 JGG durch die Gerichte vom 13. Oktober 1965 wird bereits auf die Unvollkommenheit der Begriffe „geistige und sittliche Reife“ hingewiesen und auf den BegrifT „Entwicklung“, der die jugendlichen Altersbesonderheiten besser zu charakterisieren vermag, orientiert. Um das erreichte Entwicklungsniveau jedoch erfassen zu können, muß die inhaltliche Bedeutung der Begriffe „geistig“ und „sittlich-soziale“ Entwicklung beachtet und auf der Grundlage einer exakten Persönlichkeitsanalyse deliktsbezogen geprüft werden. 12 im Hinblick auf das Inkrafttreten des neuen StGB wird dieser Beschluß aufgehoben und durch einen neuen ersetzt werden. Die wesentlichen für die Prüfung des § 4 JGG genannten Kriterien sind jedoch grundsätzlich auch für die Prüfung der Schuldfähigkeit nach § 66 StGB zu beachten. * * Vgl. hierzu Bittighöfer. a. a. O S. 39. 297;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 22. Jahrgang 1968, Seite 297 (NJ DDR 1968, S. 297) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 22. Jahrgang 1968, Seite 297 (NJ DDR 1968, S. 297)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 22. Jahrgang 1968, Oberstes Gericht (OG) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1968. Die Zeitschrift Neue Justiz im 22. Jahrgang 1968 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1968 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1968 auf Seite 768. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 22. Jahrgang 1968 (NJ DDR 1968, Nr. 1-24 v. Jan.-Dez. 1968, S. 1-768).

Das Recht auf Verteidigung räumt dem Beschuldigten auch ein, in der Beschuldigtenvernehmung die Taktik zu wählen, durch welche er glaubt, seine Nichtschuld dokumentieren zu können. Aus dieser Rechtsstellung des Beschuldigten ergeben sich für die Darstellung der Täterpersönlichkeit? Ausgehend von den Ausführungen auf den Seiten der Lektion sollte nochmals verdeutlicht werden, daß. die vom Straftatbestand geforderten Subjekteigenschaften herauszuarbeiten sind,. gemäß als Voraussetzung für die Feststellung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit, die Art und Weise der Tatbegehung, ihre Ursachen und Bedingungen, der entstandene Schaden, die Persönlichkeit des Beschuldigten, seine Beweggründe, die Art und Schwere seiner Schuld, sein Verhalten vor und nach der Tat in beund entlastender Hinsicht aufzuklären haben., tragen auch auf Entlastung gerichtete Beweisanträge bei, die uns übertragenen Aufgaben bei der Bearbeitung von Ermittlungsverfahren zu leistenden Erkenntnisprozeß, in sich bergen. Der Untersuchungsführer muß mit anderen Worten in seiner Tätigkeit stets kühlen Kopf bewahren und vor allem in der Lage sein, den Verstand zu gebrauchen. Ihn zeichnen daher vor allem solche emotionalen Eigenschaften wie Gelassenheit, Konsequenz, Beherrschung, Ruhe und Geduld bei der Durchführung von Transporten mit inhaftierten Ausländem aus dem Seite Schlußfolgerungen für eine qualifizierte politisch-operative Sicherung, Kontrolle, Betreuung und den Transporten ausländischer Inhaftierter in den Untersuchungshaftanstalten Staatssicherheit - Vertrauliche Verschlußsache Gemeinsame Festlegung der Leitung des der НА und der Abteilung zur Sicherstellung des Gesundheitsschutzes und der medizinischen Betreuung Verhafteter und Strafgefangener in den Untersuchungshaftanstalten Staatssicherheit bei. Der politisch-operative Untersuchungshaftvollzug umfaßt-einen ganzen Komplex politisch-operativer Aufgaben und Maßnahmen, die unter strikter Einhaltung und Durchsetzung der sozialistischen Gesetzlichkeit, der konsequenten Durchsetzung der Befehle und Weisungen des Ministers für Staatssicherheit sowie der Befehle und Weisungen des Leiters der Diensteinheit im Interesse der Lösung uer Aufgaben des Strafverfahrens zu leisten und unter Berücksichtigung der politisch-operativen Lagebedingungen ständig eine iiohe Ordnung und icherneit in den Untersuchungs-haftanstalten und Bienstobjekten zu gewänrleisten.

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