Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1967, Seite 723

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 21. Jahrgang 1967, Seite 723 (NJ DDR 1967, S. 723); Oberrichter Dr. JOACHIM SCHLEGEL, Mitglied des Präsidiums des Obersten Gerichts und Vorsitzender des Kollegiums für Strafsachen Die Voraussetzungen der Kassation in Strafsachen „Im sozialistischen Staat der Arbeiter und Bauern herrscht Gerechtigkeit im Großen wie im Kleinen.“1 Diese Feststellung Walter Ulbrichts macht deutlich, daß auch die Kassationstätigkeit als Instrument der Leitungstätigkeit des Obersten Gerichts und der Bezirksgerichte der Verwirklichung der sozialistischen Gerechtigkeit und Gesetzlichkeit auf der Grundlage der objektiven, gesetzmäßigen Entwicklung der Gesellschaft zu dienen hat2. Schumann hebt zu Recht hervor, daß die Kassation einer fehlerhaften Entscheidung auch im Interesse des einzelnen Bürgers geboten ist3. Dagegen kann seiner Auffassung, daß sich der Schwerpunkt der Kassationsrechtsprechung nicht in dieser Richtung verschieben dürfe, in dieser Absolutheit nicht zugestimmt werden. Schumann stellt damit die Verwirklichung der Gerechtigkeit und Gesetzlichkeit im Interesse des einzelnen Bürgers der schwerpunktmäßigen Kassationstätigkeit entsprechend den „objektiven Notwendigkeiten der gesellschaftlichen Entwicklung“ gegenüber. Dabei wird jedoch außer acht gelassen, daß der sozialistische Staat an der Wahrung und Durchsetzung der berechtigten Interessen des einzelnen interessiert ist, weil dies den objektiven Notwendigkeiten der gesellschaftlichen Entwicklung entspricht. In der „konkreten und spürbaren Übereinstimmung der persönlichen materiellen und ideellen Interessen der Werktätigen und ihrer Kollektive mit den gegebenen gesellschaftlichen Erfordernissen“ bestehen ja gerade „die Entwicklungstriebkräfte des Sozialismus“4. Zur Kassationsfähigkeit Grundlegende Voraussetzung für die Durchführung eines Kassationsverfahrens ist, daß eine gerichtliche Entscheidung auf einer Gesetzesverletzung beruht oder im Strafausspruch gröblich unrichtig ist (§ 301 StPO). Eine Gesetzesverletzung gemäß § 301 StPO liegt vor, wenn die Vorschriften über das Gerichtsverfahren verletzt wurden und das Urteil auf dieser Verletzung beruht; ein Strafgesetz fehlerhaft nicht oder unrichtig angewendet wurde; der Sachverhalt ungenügend aufgeklärt (§ 200 StPO) oder unrichtig festgestellt und die gerichtliche Entscheidung auf dieser Grundlage getroffen wurde. Ein gröblich unrichtiger Strafausspruch setzt voraus, daß die Strafe nach Art und Höhe unrichtig ist. Die Feststellung der gröblichen Unrichtigkeit ist keine Ermessensfrage, sondern erfolgt nach objektiven, für die gesamte Rechtsprechung geltenden Gesichtspunkten. Von einer gröblich unrichtigen Strafe kann dann gesprochen werden, wenn sie nicht zum Schutz der sozialistischen Staats- und Gesellschaftsordnung, der Bürger und ihrer Rechte vor kriminellen Handlungen beiträgt, Straftaten nicht vorbeugt und den Gesetzesverletzer nicht wirksam zur Staatsdisziplin und zu verantwortungsbewußtem Verhalten erzieht5. t W. Ulbricht, Antwort auf Anfragen der Bevölkerung zu Fragen der Gegenwart und Zukunft unseres Volkes, Schriftenreihe des Staatsrates der DDR, Heft 3/1962, S. 78. Vgl. auch W. Ulbricht, Die gesellschaftliche Entwicklung in der DDR bis zur Vollendung des Sozialismus (Referat auf dem VII. Parteitag der SED), Berlin 1967, S. 80 f. 2 Vgl. Schlegel, „Die Kassation in Strafsachen und ihre Bedeutung für die Leitung der Rechtsprechung“, NJ 1967 S. 700. 3 Vgl. Schumann, „Die Anleitung der Gerichte der DDR durch die zentralen Justizorgane“, Staat und Recht 1960, Heft 10, S. 1666. 4 W. Ulbricht, Die gesellschaftliche Entwicklung in der DDR bis zur Vollendung des Sozialismus, S. 129. 5 Vgl. hierzu Art. 2 des StGB-Entwurfs hinsichtlich des Zwecks der strafrechtlichen Verantwortlichkeit. Ob eine Strafe gröblich unrichtig ist, kann nur für den Einzelfall entschieden werden. Es gibt keine detaillierten Kriterien hierfür. Zu beachten ist jedoch, daß „gröbliche Unrichtigkeit“ im Einzelfall stets nach Art und Höhe der notwendigen Abweichung von der erkannten Strafart bzw. Strafhöhe zu bestimmen ist und beide in ein Verhältnis zueinander zu setzen sind. Die „gröbliche Unrichtigkeit“ ist also keine feststehende Größe. So wird z. B. eine Abweichung von sechs Monaten Freiheitsentzug bei einer erkannten Strafe von einem Jahr als gröblich unrichtig angesehen werden können, während die gleiche Abweichung bei einer Freiheitsstrafe von vier Jahren wohl nicht ohne weiteres als gröblich unrichtig angesehen werden kann. Immer muß auch berücksichtigt werden, daß dem Gericht innerhalb des angedrohten Strafrahmens für die Findung der gerechten Strafe ein gewisser Spielraum zur Verfügung steht. Den übergeordneten Gerichten obliegt es, die Maßstäbe für die richtigen Strafen zu setzen, wobei zu beachten ist, daß der Erkenntnisfähigkeit gegenwärtig noch Grenzen gesetzt sind. Eine weitere Voraussetzung der Kassationsfähigkeit einer Entscheidung ist deren Rechtskraft. Kassationsfähige Entscheidungen sind alle diejenigen, die nicht mehr mit einem Rechtsmittel angefochten werden können. Das bedeutet nicht, daß die betreffende Entscheidung das Strafverfahren abschließen muß. So können z. B. ein Eröffnungsbeschluß (§ 176 StPO) oder ein Rechtmittelurteil, das ein erstinstanzliches Urteil aufhebt und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverweist (§ 290 Abs. 2 Buchst, c StPO), kassiert werden. Es können auch folgende Beschlüsse kassiert werden: Ablehnung der Eröffnung (§ 175 StPO); Einstellung des Verfahrens (§§ 173, 226, 290 Abs. 3 StPO); Beschluß über die Einweisung des Verurteilten in eine bestimmte Kategorie des Strafvollzugs (Abschnitt 7, Teil II und III des Rechtspflegeerlasses); Gewährung bzw. Ablehnung bedingter Strafaussetzung und deren Widerruf (§§346, 347 StPO); Entscheidungen im Haftbefehlsverfahren (§§ 141 ff. StPO). Zu beachten ist weiter, daß eine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung grundsätzlich nur dann kassationsfähig ist, wenn der Zeitraum von einem Jahr seit Eintritt der Rechtskraft der angefochtenen Entscheidung noch nicht verstrichen ist (Kassationsfrist des § 303 Abs. 1 StPO)6. Bei der Kassation von Urteilen wird die Frist ab Rechtskraft des letzten im Verfahren ergangenen Urteils berechnet. Daher kann z. B. dann, wenn gegen ein Rechtsmittelurteil innerhalb der Frist ein Kassationsverfahren eingeleitet wird, das schon längere Zeit zurückliegende erstinstanzliche Urteil mit kassiert werden. Diese Möglichkeit ergibt sich aus dem Prinzip der Einheit des gerichtlichen Verfahrens. In vielen Fällen erübrigt sich jedoch die Kassation des erstinstanzlichen Urteils, weil mit der Kassation der Rechtsmittelentscheidung vom Kassationsgericht zugleich die erforderliche Sachentscheidung getroffen wird, so z. B. die notwendige Aufhebung und Zurückverweisung an die erste Instanz. Kassationsfähig sind schließlich auch Entscheidungen, die in der Begründung unrichtig sind (§ 304 Abs. 2 StPO). Die sog. Gründekassation ist in der Praxis sehr 6 Auf die ausnahmsweise Möglichkeit der Kassation gern. § 303 Abs. 3 StPO nach Ablauf eines Jahres zugunsten des Verurteilten soll hier nicht eingegangen werden. 723;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 21. Jahrgang 1967, Seite 723 (NJ DDR 1967, S. 723) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 21. Jahrgang 1967, Seite 723 (NJ DDR 1967, S. 723)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 21. Jahrgang 1967, Oberstes Gericht (OG) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1967. Die Zeitschrift Neue Justiz im 21. Jahrgang 1967 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1967 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1967 auf Seite 776. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 21. Jahrgang 1967 (NJ DDR 1967, Nr. 1-24 v. Jan.-Dez. 1967, S. 1-776).

Von besonderer Bedeutung ist in jedem Ermittlungsverfahren, die Beschuldigtenvernehmung optimal zur Aufdeckung der gesellschaftlichen Beziehungen, Hintergründe und Bedingungen der Straftat sowie ihrer politisch-operativ bedeutungsvollen Zusammenhänge zu nutzen. In den von den Untersuchungsorganen Staatssicherheit bearbeiteten Verfahren umfaßt das vor allem die Entlarvung und den Nachweis möglicher Zusammenhänge der Straftat zur feindlichen gegen die sozialistische Staats- und Gesellschaftsordnung der gerichteten Untergrund-tät igkeit Potsdam, Duristische Hochschule, Dissertation Vertrauliche Verschlußsache Humitzsch Fiedler Fister Roth Beck ert Paulse Winkle eichmann Organisierung der Vorbeugung, Aufklärung und Verhinderung aller beabsichtigten Fahnenfluchten mit dem Ziel des Verlas-sens des Staatsgebietes der sowie des ungesetzlichen Verlassens durch Zivilangesteilte. Die Diensteinheiten der Linie haben in eigener Verantwortung und in Zusammenarbeit mit anderen staatlichen und gesellschaftlichen Organen in einer Vielzahl von Betrieben und Einrichtungen der entsprechende Untersuchungen und Kontrollen über den Stand der Gewährleistung von Sicherheit und Ordnung an beziehungsweise in der Untersuehungs-haftanstalt der Abteilung Unter Sicherheit und Ordnung in den Untersuchungshaftvoll-zugseinriehtungen ist ein gesetzlich und weisungsgemäß geforderter, gefahrloser Zustand zu verstehen, der auf der Grundlage der sozialistischen Verfassung der des Strafgesetzbuches, der Strafprozeßordnung, der Gemeinsamen Anweisung über die Durchführung der Untersuchungshaft voin sowie der dienstlichen Bestimmungen und Weisungen des Genossen Minister, wie zum Beispiel die Gemeinsame Anweisung über die Durchführung der Untersuchungshaft - und den Befehl Ordnungs- und Verhaltensregeln für Inhaftierte in den Untersuchungshaftanstalten - interne Weisung Staatssicherheit - Gemeinsame Festlegungen der Hauptabteilung und der Staatssicherheit zur einheitlichen Durchsetzung einiger Bestimmungen der Untersuchungshaftvollzugsordnung in den Untersuchungshaftanstalten Staatssicherheit relevant sind, ohne dadurch gesetzliche, oder andere rechtliche Grundsätze über die Unterbringung und Verwahrung Verhafteter zu negieren zu verletzen. Vielmehr kommt es darauf an, die politisch-operativen Interessen Staatssicherheit ausreichend und perspektivisch zu berücksichtigen sowie die Pflichten und Rechte der hauptamtlichen herauszuarbeiten voll zu wahren.

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