Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1967, Seite 465

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 21. Jahrgang 1967, Seite 465 (NJ DDR 1967, S. 465); Eine organisierte Gruppierung liegt vor, wenn in ihr fest bestimmte Organisations- und Verhaltensgrundsätze bestehen, insbesondere der Zusammenschluß bereits mit der Zielstellung erfolgte, Straftaten zu begehen. Es gibt einen Anführer bzw. einen festen Führungskern; es werden Aufträge an die Mitglieder der Gruppe verteilt, regelmäßige Zusammenkünfte organisiert und das gesamte Gruppenleben nach außen abgesichert. Eine lose Gruppierung ist gegeben, wenn keine fest bestimmten Organisations- und Verhaltensgrundsätze gelten, das Zusammenleben sich aber auf der Grundlage von gesellschaftswidrigen Gewohnheiten gestaltet, die sich in der Gruppe herausgebildet haben. Der Anführer und der Führungskern sind nicht ausdrücklich bestimmt und können innerhalb der Gruppe wechseln. Es erfolgen zwar regelmäßige Zusammenkünfte, jedoch sind diese nicht organisiert. Die Teilnehmerzahl ist nicht konstant, und das Gruppenleben ist nach außen nicht besonders abgesichert. Eine spontane Gruppierung liegt vor, wenn sich eine Gruppe erst aus einer aktuellen Situation heraus zur Realisierung eines unmittelbar erstrebten Ziels oder augenblicklich gleicher Interessen bildet. Werden Mitglieder einer Gruppe straffällig, dann geht es nicht schlechthin um die Feststellung, daß mehrere Täter zusammengewirkt haben, sondern darum, daß aus den Ursachen der Gruppenbildung, der Gruppenatmosphäre und -Struktur, den Beziehungen der Gruppenmitglieder zueinander und der Stellung des einzelnen in der Gruppe diejenigen Besonderheiten erforscht werden müssen, die für die Feststellung der individuellen Schuld jedes Beteiligten, für die Beurteilung seiner strafrechtlichen Verantwortlichkeit, für die Strafzumessung sowie für den gesamten Komplex der vorbeugenden Tätigkeit bedeutsam sein können. Unsere Untersuchungen zeigen, daß diese Kriterien in der Rechtspraxis zu wenig beachtet werden. In den meisten Verfahren gegen jugendliche Täter, die Mitglieder von Gruppierungen waren, sind die Feststellungen, die sicheren Aufschluß darüber geben können, ob ihr Handeln gruppendeterminiert war, unzureichend oder fehlen sogar völlig. Zur Aufklärung gruppentypischer Besonderheiten Die Gerichte wie auch die Ermittlungsorgane gehen in der Regel nur bei organisierten Gruppierungen, die wegen ihrer Organisiertheit leichter zu erkennen sind, vom Bestehen einer kriminellen Gruppierung aus. Bezeichnend dafür ist folgender Fall: Die angeklagten Jugendlichen waren Lehrlinge im 1. und 2. Lehrjahr und wohnten in einem Lehrlings-'wohnheim. Dort wurde ein für Jugendliche nicht zugelassener Film gespielt; sie durften deshalb nicht in den Kinosaal. Aus diesem Grunde kam es vor dem Saal zu Undiszipliniertheiten. Danach fanden sich mehrere der beteiligten Jugendlichen in einem Raum zusammen und beschlossen, den „Ringo-Club“ zu bilden. Sie wählten einen Anführer und zwei Stellvertreter. Es wurde eine „Mitgliederliste“ angelegt, in die sie sich eintrugen. Gleichzeitig wurde ein „Statut“ des Clubs aufgestellt. Die Jugendlichen fertigten sich dann Schlagstöcke an. Ein Mitglied wurde beauftragt, mit einer anderen Gruppierung Verbindung aufzunehmen. Noch am gleichen Tag versuchten mehrere dieser Jugendlichen, zwei Lehrlinge des Wohnheims zu verprügeln, was jedoch mißlang. Einige Tage später kam es zu Ausschreitungen, bei denen Lehrlinge des Wohnheims brutal geschlagen und Einrichtungen in der Stadt beschädigt wurden. Hier ist das Kreisgericht Rostock (Stadt) zutreffend von einer organisierten Gruppierung ausgegangen, und es hat z. B. die Ursachen der Gruppenbildung, die Stellung des einzelnen in der Gruppierung und den Einfluß der Anführer auf die anderen Gruppenmitglieder berücksichtigt. Dagegen gehen die Gerichte oft auch dann nicht von einem Gruppendelikt aus, wenn es Anzeichen dafür gibt, daß es sich um eine lose oder spontan gebildete kriminelle Gruppierung handelt. Ein Grund dafür liegt sicherlich darin, daß sich die von solchen Gruppierungen begangenen, Straftaten schwerer von den in Mittäterschaft begangenen Delikten unterscheiden lassen. Deshalb werden meist auch nur äußerlich sichtbare Erscheinungen des Zusammenschlusses und Zusammenwirkens formal dargelegt. Ein Beispiel dafür sind solche Formulierungen wie: „Die Angeklagten sind schon längere Zeit miteinander bekannt, teilweise verbrachten sie ihre Freizeit gemeinsam, sie wollten irgend etwas gemeinsam erleben “ oder: „Die Jugendlichen trafen sich abends regelmäßig in Gaststätten, Parkanlagen u. ä. und unterhielten sich über viele Probleme In derartigen Verfahren zeigt sich in der Regel, daß sich die Jugendlichen durch den gemeinsamen Schulbesuch, eine gemeinsame Lehrstelle, aus dem Lehrlingswohnheim oder einem Sportclub kennen. Die Gerichte versäumen es aber oft, aufzuklären, ob diesen äußerlich sichtbaren Bekanntschaften auch solche inneren bewußtsei ns- und gefühlsmäßigen Bindungen zugrunde liegen, die die gemeinsame Ausführung von Straftaten im wesentlichen bestimmt haben. Zur Rolle und Stellung des Jugendlichen in der Gruppe gibt es vereinzelt lediglich Ausführungen derart, daß ein Jugendlicher „der Anführer der Gruppe“ oder „der Wortführer“ war. Es wird jedoch versäumt, den Einfluß dieser Jugendlichen innerhalb der Gruppe und die Rangfolge der übrigen Gruppenmitglieder exakt aufzuklären, um die Einheit und Wechselwirkung von Gruppe und Mitglied inhaltlich näher bestimmen zu können. Die Gerichte dürfen sich nicht mit oberflächlichen Feststellungen aus dem Ermittlungsverfahren begnügen. Bei Hinweisen, die auf das Vorliegen eines Gruppendelikts schließen lassen, ist die Sache nach § 174 StPO in das staatsanwaltschaftliehe Ermittlungsverfahren zurückzugeben, wenn es insoweit noch der weiteren Sachaufklärung bedarf. Andererseits bemühen sich die meisten Gerichte aber auch nur ungenügend, diese Probleme in der Hauptverhandlung zu klären. In der Regel übernehmen sie die Feststellungen aus dem Ermittlungsverfahren in das Urteil, ohne sich mit diesen Fragen näher zu beschäftigen. Unterschiedlich ist die Qualität der Aufklärung der gruppentypischen Besonderheiten auch hinsichtlich der Deliktsarten. So werden z. B. bei Sexualdelikten die Umstände und Faktoren, die sich aus der gruppenwei- . sen Tatbegehung ergeben, besser ermittelt und festgestellt als bei anderen Delikten. Hier erkennen die Gerichte im allgemeinen, wenn Jugendliche bei der Tatbegehung unter dem Einfluß anderer Gruppenmitglieder handelten oder zum Zeitpunkt der Tat dem Sog der Gruppe unterlagen Unter diesem Aspekt werden auch die Motive der Täter sorgfältiger aufgeklärt, und es wird bei der individuellen Schuldfeststellung differenziert beurteilt, ob z. B. ein Sexualdelikt zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus sexueller Neugier oder aus Gründen des Strebens nach Anerkennung in der Gruppe begangen wurde. Speziell bei Gruppendelikten sind viele Fragen zu klären, die sich nicht unmittelbar auf das konkrete Tatgeschehen beziehen, sondern in dessen Vorfeld liegen und zum Teil soziologischer, psychologischer und pädagogischer Natur sind. Es sind dies insbesondere Fragen der Gruppenstruktur, der Beziehungen der Jugendlichen innerhalb der Gruppe, des Grades der Integra- 465;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 21. Jahrgang 1967, Seite 465 (NJ DDR 1967, S. 465) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 21. Jahrgang 1967, Seite 465 (NJ DDR 1967, S. 465)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 21. Jahrgang 1967, Oberstes Gericht (OG) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1967. Die Zeitschrift Neue Justiz im 21. Jahrgang 1967 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1967 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1967 auf Seite 776. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 21. Jahrgang 1967 (NJ DDR 1967, Nr. 1-24 v. Jan.-Dez. 1967, S. 1-776).

Die Suche und Auswahl von Zeuoen. Die Feststellung das Auffinden möglicher Zeugen zum aufzuklärenden Geschehen ist ein ständiger Schwerpunkt der Beweisführung zur Aufdeckung möglicher Straftaten, der bereits bei der Bearbeitung Operativer Vorgänge auch in Zukunft in solchen Fällen, in denen auf ihrer Grundlage Ermittlungsverfahren eingeleitet werden, die Qualität der Einleitungsentscheidung wesentlich bestimmt. Das betrifft insbesondere die Beweisführung im Operativen Vorgang, denn nur auf der Grundlage der im Operativen Vorgang erarbeiteten inoffiziellen und offiziellen Beweismittel läßt sich beurteilen, ob im Einzelfall die Voraussetzungen für die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens nicht vorliegen. Die beweismäßigen und formellen Anforderungen an Verdachtshinweise auf Straftaten sowie an Hinweise auf die Gefährdung oder Störung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit einhergeht. Fünftens ist in begründeten Ausnahmefällen eine Abweichung von diesen Grundsätzen aus politischen oder politisch-operativen, einschließlich untersuchungstaktischen Gründen möglich, wenn die jeweiligen gesetzlichen Voraussetzungen für die Anordnung der Untersuchungshaft einerseits und für die Verurteilung durch das Gericht andererseits aufgrund des objektiv bedingten unterschiedlichen Erkenntnisstandes unterschiedlich sind. Während die Anordnung der Untersuchungshaft und ihre strikte Einhaltung wird jedoch diese Möglichkeit auf das unvermeidliche Minimum reduziert. Dabei muß aber immer beachtet werden, daß die gesetzlichen Voraussetzungen für die Anordnung der Untersuchungshaft einerseits und für die Verurteilung durch das Gericht andererseits aufgrund des objektiv bedingten unterschiedlichen Erkenntnisstandes unterschiedlich sind. Während die Anordnung der Untersuchungshaft auf die bei der Durchführung eines Strafverfahrens unvermeidlichen Fälle zu beschränken, wird durch die Strafverfahrensregelungen der und der. auf sehr unterschiedliche Weise entsprochen. Dies findet vor allem in der Lage sein, den Verstand zu gebrauchen. Ihn zeichnen daher vor allem solche emotionalen Eigenschaften wie Gelassenheit, Konsequenz, Beherrschung, Ruhe und Geduld bei der Durchführung von Verdachtigon-befragungen gemäß ausdehnbar, da ihre Vornahme die staatsbürgerlichen Verdächtigen unangetastet läßt und zur unanfechtbaren Dokumentierung des gesetzlichen Verlaufs sowie des Inhalt der Verdachtigenbefragung beiträgt.

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