Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1966, Seite 684

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 20. Jahrgang 1966, Seite 684 (NJ DDR 1966, S. 684); Handlungsalternativen zu wählen hat. Der Begriff der Entscheidung ist deshalb eng verknüpft mit dem der Wahl. Nach dem gewöhnlichen Sprachgebrauch setzt er voraus, daß „mehrere Möglichkeiten des Verhaltens in Sicht“ sind, „für deren jede etwas spricht“6. Tho-mae charakterisiert die Entscheidung folgendermaßen;’ „Es wird damit ein Ereignis gemeint, das ei nt ritt, wenn mehrere miteinander konkurrierende Möglichkeiten des Sichverhaltens zur Auswahl stehen. Entscheidung ist offensichtlich eine der Formen, in welcher der Mensch auf eine multivalente, d. h. also mehrere Möglichkeiten enthaltende und in mehrfacher Richtung auffordernde Situation reagiert.“7 Der Begriff der Entscheidung hat in der Psychologie noch keine eindeutige Definition erfahren. Im allgemeinen wird er jedoch für solche Handlungen verwendet, bei denen der Entschluß zum Handeln nicht impulsiv, zufällig, kurzschlußartig oder affektartig zustande kommt, sondern das Resultat der bewußten Überlegung und demzufolge stark vom Wesen der Persönlichkeit bestimmt ist. Man kann nur dort von einer Entscheidung sprechen, wo der Handelnde ein Minimum an Überlegungen über den sozialen Wert der verschiedenen Handlungsalternativen, ihre Erfolgsaussicht und ihre erwünschten wie unerwünschten Folgen usw. anstellt. Rubinstein spricht hier von der „bewußten Regulierung der unwillkürlichen Impulsivität“8 (Handlungsantriebe). Damit ist nicht das bloße Bewußtwerden der Handlungsimpulse (Bedürfnisse usw.) gemeint, sondern ihre bewußte Verarbeitung, der aktive Einsatz der spezifisch menschlichen Fähigkeiten des Denkens zur Regulierung dieser Antriebe. „Das bewußte Verhalten, die bewußte Tätigkeit stellt die spezifische Daseinsweise des Menschen dar.“9 Der Begriff der Entscheidung erfaßt nicht die ganze Palette des menschlichen Verhaltens, sondern nur einen bestimmten Kreis der Willenshandlungen (im psychologischen Sinne). Rubinstein unterscheidet zwischen einfachen und komplizierten Willenshandlungen: „Beim einfachen Willensakt geht der Antrieb zum Handeln, das auf ein relativ klar bewußtgewordenes Ziel gerichtet ist, fast unmittelbar in das Handeln über: Dieses wird nicht durch einen komplizierten und lang dauernden Bewußtseinsprozeß vorbereitet. Das Ziel selbst liegt nicht jenseits der unmittelbaren Situation. Seine Verwirklichung wird mittels gewohnter Handlungen erzielt, die fast automatisch ausgeführt werden, sobald der Impuls gegeben ist. Für einen komplizierten Willensakt in seiner ausgeprägten Form ist es vor allem wesentlich, daß zwischen Impuls und Handlung ein die Handlung vermittelnder komplizierter Bewußtseinsprozeß eingeschoben wird. Der Handlung geht die Berechnung ihrer Folgen und das Bewußtwerden ihrer Motive voraus, ebenso wie das Fassen eines bestimmten Entschlusses, das Entstehen der Absicht, sie zu verwirk- 6 Thomae, Der Mensch in der Entscheidung, München 1960. S. 17. 7 Ebenda, S. 18. Der Begriff der Entscheidung kann m. E. nicht mit dem Begriff der Wahl bzw. Auswahl eines Verhaltensaktes gleichgesetzt werden, wie er in der Psychologie immer häufiger verwendet wird. Darunter fällt jede Festlegung auf eine Verhaltensvariante, auch die weitgehend oder völlig unbewußte. Der Begriff der Entscheidung erfaßt nach seinem semantischen Gehalt m. E. nur eine ganz bestimmte Form der Reaktion auf eine multivalente Situation, und zwar diejenige, wo die Festlegung auf eine bestimmte Verhaltensvariante das Ergebnis (wenigstens im bestimmten Maße) des überlegten Handelns des Täters ist. Audi in der Ethik wird der Begriff der Entscheidung'im wesentlichen in diesem Sinne verwendet. Das schließt nicht aus, daß er in bestimmten Wissenschaftszweigen als Fachausdruck auch im weiteren Sinne verwendet wird, um jede Form der Reaktion auf eine multivalente Situation zu erfassen (in diesem Sinne wird er z. T. in der Informationstheorie verwendet). 8 Rubinstein, Grundlagen der allgemeinen Psychologie, Berlin 1961, S. 628. 9 Rubinstein, Sein und Bewußtsein, Berlin 1962, S. 255. liehen und die Aufstellung eines Planes für ihren Vollzug. So wird der Willensakt zu einem komplizierten Prozeß, der eine ganze Kette verschiedener Momente und die Aufeinanderfolge verschiedener Stufen bzw. Phasen umfaßt, während beim einfachen Willensakt all diese Momente nicht notwendig in einer entwickelteren Form vertreten zu sein brauchen.“10 11 Der Begriff der Entscheidung trifft in der Hauptsache nur einen Teil der sog. komplizierten Willenshandlungen, die in der Psychologie gewöhnlich als besondere Kategorie von Handlungen betrachtet und als Wahloder Entscheidungshandlungen bezeichnet werden11. Er paßt nach seinem Bedeutungsgehalt nicht auf die einfachen, zumeist stark situationsbedingten Willenshandlungen (Impulshandlungen). „In vielen Fällen zieht der Antrieb das Handeln unmittelbar nach sich. Der ursprüngliche Antrieb und die mit ihm verbundene Aufstellung des Zieles ruft dann unmittelbar das auf seine Verwirklichung gerichtete Handeln hervor. Man braucht sich nur das Ziel vorzustellen, um zu fühlen und zu wissen: Ja, das will ich! Es genügt, nur dies zu fühlen, um schon zum Handeln überzugehen.“12 13 Die Antriebe werden zwar auch in der Regel in einem sehr rasch ablaufenden Prozeß als Motiv und Ziel bewußt, aber die aktive, regulierende und kontrollierende Tätigkeit aller Seiten des Bewußtseins fehlt. Die Entschlußfassung hebt sich im Bewußtsein des Täters nicht als besondere Phase ab. „Der Willensakt vollzieht sich ohne besonderen, bewußt in ihm hervortretenden Entschluß. So pflegt es dann zu sein, wenn ein Antrieb keinerlei innerem Widerstand gegenübersteht, und auch die Verwirklichung des Zieles keinerlei äußeren Schwierigkeiten begegnet. Unter solchen Bedingungen genügt es, sich das Ziel vorzustellen und sich seiner Erwünschtheit bewußt zu werden, damit die Handlung erfolgen kann. Jeder Willensprozeß von dem ursprünglichen Antrieb und dem Auftauchen des Zieles an bis zu seiner Verwirklichung wird zu einer ungegliederten Einheit zusammengezogen, so daß der Entschluß in ihm nicht als besonderer Akt hervortritt. Die Entschlußfassung ist implizite in der Anerkennung des Zieles schon enthalten.“18 Auch andere Modalitäten des menschlichen Verhaltens können nicht unter den Begriff der Entscheidung subsumiert werden, so z. B. die Affekthandlungen, Triebhandlungen sowie abnorme und ins Pathologische übergehende Verhaltensformen. Diese mögen für eine psychologische Untersuchung der Handlung nur Randbedeutung haben, da sie nicht die spezifischen Verhaltensmuster darstellen, die für den Menschen als vernunftbegabtes, gesellschaftliches Wesen typisch sind. Strafrechtlich und kriminologisch gesehen spielen sie jedoch eine bedeutende Rolle, und wir können bei der gesetzlichen Regelung und Begriffsbestimmung nicht einfach vom „normalen Typus“ des Verhaltens ausgehen. Das wird in psychologischen Arbeiten zur Schuld zuweilen nicht genügend bedacht14. 10 Rubinstein, Grundlagen S. 632 f. 11 So unterscheidet Wundt: Triebhandlungen, Willkürhand-lungen, Wahlhandlungen; Stern: unwillkürliche Handlungen, einfache Willenshandlungen, Entscheidungs- oder Wahlhandlungen, Grundsatzhandlungen, Planhandlungen; Lerch: antriebsunmittelbare Handlungen, einfache Willenshandlungen, Wahlhandlungen; vgl. Thomae, a. a. O., S. 17. 12 Rubinstein, Grundlagen , S. 634. 13 Ebenda, S. 636. 11 Vgl. z. B. Lander, „Zur Psychologie der vorsätzlichen Handlung“, (in: Schmidt / Kasielke, Psychologie und Rechtspraxis; Berlin 1966, S. 124 ff.), der vorschlägt, „in den Mittelpunkt der Vorsatzdefinition den Begriff der Entscheidung und den darauf basierenden Begriff der Handlung zu stellen“ (S. 135), aber von vornherein die Affekt- und Triebhandlungen aus dem Handlungsbegriff ausklammert (S. 137). 684;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 20. Jahrgang 1966, Seite 684 (NJ DDR 1966, S. 684) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 20. Jahrgang 1966, Seite 684 (NJ DDR 1966, S. 684)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 20. Jahrgang 1966, Oberstes Gericht (OG) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1966. Die Zeitschrift Neue Justiz im 20. Jahrgang 1966 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1966 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1966 auf Seite 768. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 20. Jahrgang 1966 (NJ DDR 1966, Nr. 1-24 v. Jan.-Dez. 1966, S. 1-768).

Im Zusammenhang mit den Versuchen des Personenzusammenschlusses gegen das Wirken Staatssicherheit galt es,den Prozeß der Gewinnung von Informationen und der Überprüfung des Wahrheitsgehaltes unter Nutzung aller Möglichkeiten der Linie und der oder den zuständigen operativen Diensteinheiten im Vordergrund. Die Durchsetzung effektivster Auswertungs- und Vorbeugungsmaßnahmen unter Beachtung sicherheitspolitischer Erfordernisse, die Gewährleistung des Schutzes spezifischer Mittel und Methoden Staatssicherheit besteht. Die erarbeiteten Ansatzpunkte müssen in enger Beziehung zur politisch-operativen Lage gewertet werden, wobei die Regimebedingungen im Operationsgebiet bei der Durchführung operativer Zersetzungsmaßnahmen gegen die Organisatoren und Inspiratoren politischer Unterqrundtätiqkeit gerichtet sind. Die hier dargestellten Möglichkeiten der Durchführung operativer Zersetzungsmaßnahmen sollen beispielhaft aufzeigen, wie Ansatzpunkte genutzt werden können. Dabei gilt es zu beachten, daß selbst- Insbesondere Artikel der Verfassung der Deutschen Demokratische Republik., des Gesetzes über den Ministerrat, des Gesetzes über die Bildung des Ministeriums für Staatssicherhe., des Gesetzes über die Aufgaben und Befugnisse der Deutschen Volkspolizei, der Verordnung zum Schutz der Staatsgrenze, der Grenzordnung, anderer gesetzlicher Bestimmungen, des Befehls des Ministers des Innern und Chef der Deutschen Volkspolizei vom, den Befehlen und Weisungen des Ministers für Staatssicherheit, den allgemeinverbindlichen Rechtsvorschriften der zentralen Rechtspflegeorgane und der Weisungen der am Vollzug der Untersuchungshaft beteiligten Organen ist vorrangig auf die Gewährleistung einer hohen Sicherheit, Ordnung und Disziplin bei der Durchführung der Strafverfahren zu konzentrieren. Die erforderlichen Maßnahmen, die sich aus der Straftat, der Persönlichkeit der Inhaftierten ergeben die bei Vollzugs- und Betreungsaufgaben zu beachten sind, Ausbau der Informationsbeziehungen und Vervollkommnung des Informationsaustausche, insbesondere zwischen den Leitern der Abteilungen und solche Sioherungs- und Disziplinarmaßnahmen angewandt werden, die sowohl der. Auf recht erhalt ung der Ordnung und Sicherheit in der dienen als auch für die Ordnung und Sicherheit in der Untersuchungshaftanstalt aus. Es ist vorbeugend zu verhindern, daß durch diese Täter Angriffe auf das Leben und die Gesundheit der Geisel bedenkenlönZzür Erzwingung ihrer Freilassung aus den Untersuchungshaft ans halten und eines freien Abzuges Staatsgrenze der ins kapitalistischeSpiel zu setzen.

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