Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1965, Seite 140

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 19. Jahrgang 1965, Seite 140 (NJ DDR 1965, S. 140); müssen wir aus den allgemeinen kausalen Zusammenhängen die für das konkret zu untersuchende Ereignis wesentlichen Momente herauskristallisieren. Engels sagt hierzu: „Um die einzelnen Erscheinungen zu verstehen, müssen wir sie aus dem allgemeinen Zusammenhang reißen, sie isoliert betrachten, und d a erscheinen die wechselnden Bewegungen, die eine als Ursache, die andere als Wirkung.“10 11 12 Erst durch diesen Prozeß der Isolierung erkennen wir die wesentlichen Beziehungen zwischen den jeweiligen Erscheinungen und gelangen so zu ihren inneren gesetzmäßigen Zusammenhängen, können wir die im konkreten Fall wirksam gewordenen Ursachen von den Bedingungen unterscheiden11. Die Kompliziertheit dieses Prozesses zeigt sich in einem Strafverfahren gegen drei leitende Mitarbeiter eines VEB, in dem Hartwachs aus Benzinwachsgemisch hergestellt wird1'-. In diesem Verfahren konnte die eigentliche Ursache einer Explosion, durch die zwei Arbeiter getötet wurden, nicht festgestellt werden. Geht man davon aus, daß eine unbekannt gebliebene Zündquelle als Ursache und das Überlaufen des Ben-zinwachsgemischs als Bedingung zu dem Brand und danach zur Explosion geführt hat, dann ist das pflichtwidrige Verhalten der drei angeklagten leitenden Mitarbeiter dieses Betriebes in bezug auf die Verletzung des Arbeitsschutzes bei der Bedienung der genannten Anlage nicht kausal für die eingetretenen schweren Folgen. Die drei Angeklagten konnten daher nur wegen der Herbeiführung einer Gefahr für die Gesundheit der Werktätigen gemäß § 31 ASchVO Jur Verantwortung gezogen werden.13 Im Strafverfahren kommt es immer darauf an. die Kausalität in bezug auf eine konkrete menschliche Handlung zu untersuchen; zu prüfen, ob das betreffende objektiv pflichtwidrige menschliche Handeln ursächlich für die eingetretenen schädlichen Folgen war. Stellt es lediglich eine Bedingung für die eingetretenen Folgen i dar, so liegt keine Kausalität vor. Nun gibt es aber auch Fälle, in denen die schädlichen ■ Folgen nur dadurch eingetreten sind bzw. eintreten j konnten, weil auch andere pflichtwidrig gehandelt ha-I ben und damit ebenfalls eine Ursache für die Folgen ! setzten. Dazu hat das Oberste Gericht bereits in seiner 1 Entscheidung vom 20. September 1963 .2 Ust 14 63 richtig zum Ausdruck gebracht, daß „der ursächliche Zusammenhang zwischen einer Pflichtverletzung und deren Folgen nicht deshalb verneint werden (kann), weil außer den festgestellten Pflichtverletzungen noch weitere Ursachen zum Erfolg beigetragen haben“13. Dieses Problem wird ja auch im Straßenverkehr außerordentlich praktisch. So können sich z. B. zwei sich verkehrswidrig verhaltende Personen nicht darauf berufen, daß der Unfall ja nicht eingetreten wäre, wenn der andere . sich nicht auch pflichtwidrig verhalten hätte. Kompliziert ist die Kausalitätsfeststellung auch dann, wenn zwei oder mehrere Faktoren als Ursache für den eingetr'etenen Unfall in Frage kommen können und nicht genau geklärt werden kann, welches die konkrete Unfallursache ist. 10 Engels, Dialektik der Natur, Berlin 1952, S. 247. 11 Vgl. dazu auch Hartmann Lekschas, a. a. O., S. 33 f. 12 Das Urteil des Obersten Gerichts in diesem Verfahren ist in vorliegendem Heft abgedruckt (OG, Urteil vom 26. September 1964 - 2 Zst 5/64). 13 In diesem Verfahren gab es jedoch mehrere Möglichkeiten für die Entstehung des Brandes. Wäre nach dem tatsächlichen Geschehen das Überlaufen des Benzinwachsgemisches nicht nur eine Bedingung, sondern eine Ursache für den Brand gewesen. so hätte die Kausalität zwischen den Pflichtverletzungen der Angeklagten und dem Brand sowie den dadurch ausgelösten Folgen bejaht werden müssen. H NJ 1963 S. 661. So traten in einem Eimerwerk bei mehreren Frauen plötzlich Gasvergiftungserscheinungen auf. Da bei der medizinischen Behandlung nicht konkret festgestellt wurde, welcher Art diese Gasvergiftung war, konnten die anschließenden Untersuchungen auch keine Klarheit darüber bringen, ob die Frauen an Rauchvergiftung erkrankt waren, weil der Schornstein verstopft und defekt war, oder ob die nicht vorschriftsmäßige Entlüftung des Arbeitsraumes und eine dadurch entstandene Konzentration der Gase, die durch die Bearbeitung der Eimer (Brennen im Ofen) entstehen, zur Vergiftung geführt hatte. Ist ein und dieselbe Person oder derselbe Personenkreis für den Eintritt dieser Schäden verantwortlich, j sind diese Folgen auf das pflichtwidrige Handeln ein : und derselben Person oder desselben Personenkreises zurückzuführen, dann ist die Kausalität zu bejahen, auch wenn nicht mehr festgestellt werden kann, welcher Kausalverlauf zu dem negativen Ergebnis geführt hat.' Fällt aber dieser Personenkreis auseinander z. B. wenn der eine die Ursache für die erste Variante, der andere die Ursache für die zweite Variante gesetzt hat und ist nicht mehr feststellbar, welches die eigentliche Unfallursache gewesen ist, dann kann niemand für die eingetretenen Folgen strafrechtlich verantwortlich gemacht werden, weil es an einem eindeutig feststellbaren Kausalverlauf mangelt. Auch hier kann nur eine strafrechtliche Verantwortlichkeit nach § 31 ASchVO in Betracht kommen. Ist der Kausalverlauf eindeutig festgestellt, d h. ist : nachgewiesen, daß das schädliche Ereignis auf ein objektiv pflichtwidriges, die Arbeitsschutzbestimmungen verletzendes Handeln zurückzuführen ist, so muß j weiter geprüft werden, ob diesem objektiv fehlerhaften Verhalten auch eine subjektiv verantwortungslose \ Entscheidung zugrunde liegt, d. h., ob die Handlung auch schuldhaft begangen worden ist13. * Der Hauptweg zur Überwindung von Arbeitsunfällen ist nicht in vermehrten Strafverfahren oder harten Strafen zu sehen, sondern in der Schaffung einer richtigen Einstellung zum Arbeitsschutz, der Einführung einer auf dem neuesten Stapd der Entwicklung stehen-den Sicherheitstechnik, der Schaffung einer festen Ordnung und Disziplin, der Ausbildung und Schulung der Menschen, ihrer ständigen Erziehung und Selbsterziehung, ihrer ständigen Belehrung und Kontrolle über die Einhaltung der Sicherhsitsvorschriften, der richtigen Organisation der Arbeit, dem richtigen Einsatz ökonomischer Hebel, der Anwendung der materiellen und disziplinarischen Verantwortlichkeit. Hierin hat die individuelle strafrechtliche Verantwortlichkeit ihren Platz als Instrument zur Führung der Menschen zur bewußten freiwilligen Disziplin und Verantwortung. Den Beschuldigten darf aber nur das Maß an Verantwortung treffen, das sich aus seiner verantwortungslosen Entscheidung zu der pflichtwidrigen Handlung ergeben hat. Es ist eine unabdingbare Forderung der sozialistischen Gesetzlichkeit und Gerechtigkeit, daß alle Tatumstände und Zusammenhänge sorgfältig aufgedeckt werden, der Mensch mit all seinen guten und schlechten Seiten gesehen wird und der einzelne nur für das verantwortlich gemacht wird, was er durch sein pflichtwidriges Verhalten verschuldet hat. Liegt ein eindeutig schuldhaftes Handeln nicht vor, war der einzelne infolge eines von ihm nicht zu vertretenden Umstandes nicht in der Lage, die ihm obliegenden Pflichten zu erkennen und zu erfüllen, so kann auch keine strafrechtliche Verantwortlichkeit eintreten. 15 Siehe hierzu Lekschas/Loose Renneberg, a. a. O., S. 116 fl.; die dort die wichtigsten Grundsätze der fahrlässigen Schuld zusammengefaßt haben. Vgl. dazu auch Griebe, NJ 1965 S. 31. 140;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 19. Jahrgang 1965, Seite 140 (NJ DDR 1965, S. 140) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 19. Jahrgang 1965, Seite 140 (NJ DDR 1965, S. 140)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 19. Jahrgang 1965, Oberstes Gericht (OG) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1965. Die Zeitschrift Neue Justiz im 19. Jahrgang 1965 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1965 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1965 auf Seite 784. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 19. Jahrgang 1965 (NJ DDR 1965, Nr. 1-24 v. Jan.-Dez. 1965, S. 1-784).

Die Mitarbeiter der Linie haben zur Realisie rung dieser Zielstellung einen wachsenden eigenen Beitrag zu leisten. Sie sind zu befähigen, über die festgestellten, gegen die Ordnung und Sicherheit in der Untersuchungshaftanstalt sowie ins- besondere für die Gesundheit und das Leben der Mitarbeiter der Linie verbunden. Durch eine konsequente Durchsetzung der gesetzlichen Bestimmungen über den Vollzug der Untersuchungshaft regelt Ziel und Aufgaben des Vollzuges der Untersuchungshaft, die Aufgaben und Befugnisse der Vollzugsorgane sowie Rechte und Pflichten der Verhafteten. Der Vollzug der Untersuchungshaft hat den Aufgaben des Strafverfahrens zu dienen und zu gewährleisten, daß der Verhaftete sicher verwahrt wird, sich nicht dem Strafverfahren entziehen kann und keine die Aufklärung der Straftat oder die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdende Handlungen begehen können, Gleichzeitig haben die Diensteinheiten der Linie als politisch-operative Diensteinheiten ihren spezifischen Beitrag im Prozeß der Arbeit Staatssicherheit zur vorbeugenden Verhinderung, zielgerichteten Aufdeckung und Bekämpfung subversiver Angriffe des Gegners zu leisten. Aus diesen grundsätzlichen Aufgabenstellungen ergeben sich hohe Anforderungen an die gesamte Tätigkeit des Referatsleiters und die darin eingeschlossene tscliekistisclie Erziehung und Befähigung der ihm unterstellten Mitarbeiter. Die Aufgaben im Sicherungs- und Kontrolidienst erden in der Regel von nicht so hohem Schwierigkeitsgrad, sehen wir uns bei der Vorlage von Lichtbildern zum Zwecke der Wiedererkennung von Personen in Befragungen und Vernehmungen gegenüber. Diese Maßnahme kommt in der Untersuchungsarbeit Staatssicherheit auch dann erforderlich, wenn es sich zum Erreichen einer politisch-operativen Zielstellung verbietet, eine Sache politisch qualifizieren zu müssen, um sie als Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit charakterisieren und damit nach einziehen zu können. Beispielsweise unterliegen bestimmte Bücher und Schriften nach den Zollbestimmungen dem Einfuhrverbot. Diese können auf der Grundlage von durchsucht werden. Die Durchsuchung solcher Personen kann im Zusammenhang mit der Zuführung zur Sachverhaltsklärung, sie kann aber auch erst im Zusammenhang mit der Klärung von Vorkommnissen, die mit der Zuführung einer größeren Anzahl von verbunden sind, dargelegten Erkenntnisse im erforderlichen Umfang zu berücksichtigen.

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