Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1964, Seite 145

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 18. Jahrgang 1964, Seite 145 (NJ DDR 1964, S. 145); wesentlichen objektiven Bedingungen ausgegangen wird, lassen sich die realisierbaren grundlegenden und unabdingbaren sozialen Anforderungen an den Bürger unseres Staates erfassen, die in den Strafrechtsnormen ihren Ausdruck finden müssen. Um aber strafrechtliche Verantwortlichkeit zu begründen, müssen zu diesen objektiven Bedingungen die subjektiven Voraussetzungen die individuellen Verwirklichungsmöglichkeiten der von den objektiven Bedingungen vorgegebenen sozialen Anforderungen hinzu treten. Der Mensch muß auch in der Lage sein, die objektive Verantwortlichkeit zu realisieren1. Der Referent setzte sich sodann mit der Problematik des Verhältnisses von Ideologie zu Bewußtsein und zur strafrechtlichen Verantwortlichkeit auseinander. Er betonte, daß in der von Lekschas in den Thesen gegebenen Arbeitsdefinition der Schuld2, ein wesentlicher Fortschritt gegenüber der bisherigen Schuldauffassung erreicht wurde, da sie eine eindeutige Absage an die bisher vertretene dogmatische Auffassung darstellt, daß jede Straftat auf einem offenen ideologischen Widerspruch zu unseren grundlegenden gesellschaftlichen Verhältnissen beruhe. Die bisherige Identifizierung von Ideologie und Bewußtsein (Bewußtsein von den gesellschaftlichen Beziehungen, Verhältnissen und Zusammenhängen), welche die Grunderkenntnisse des Marxismus-Leninismus entstellte und verzerrte, ist als fehlerhaft erkannt und weitestgehend überwunden. Richtig ist, daß die Ideologie den wichtigsten Teil des gesellschaftlichen Bewußtseins darstellt; man kann aber nicht das Bewußtsein auf die Ideologie reduzieren. Das gesellschaftliche Bewußtsein, das neben der Ideologie auch die gesellschaftliche Psychologie umfaßt, existiert auch im individuellen Bewußtsein des einzelnen Menschen. Im individuellen Bewußtsein finden sich immer allgemeine Züge der gesellschaftlichen Ideologie und Psychologie. Es wird zunächst bestimmt von den unmittelbaren Arbeits- und Lebensbeziehungen der Menschen. Marx bezeichnet es als Alltagsbewußtsein, als direkten Ausfluß des unmittelbaren materiellen Verhaltens. Das Alltagsbewußtsein befähigt aber noch nicht, das gesellschaftliche Sein in seinen gesetzmäßigen Zusammenhängen zu erfassen. Wer dabei stehenbleibt, gerät in Gefahr, gegen die gesellschaftlichen Interessen zu verstoßen. Hier liegen nach Auffassung des Referenten reale Wurzeln der Kriminalität. Gerade Straftaten der allgemeinen Kriminalität sind häufig aus diesem begrenzten Alltagsbewußtsein zu erklären. Sofern sich das individuelle Bewußtsein nahezu ausschließlich aus Einwirkungen der unmittelbaren Lebenssphäre des einzelnen bildet, ist es unfähig, das Neue des sozialistischen Seins in seinem Wesen und in seinen Entwicklungstendenzen zu erfassen. Damit ist ständig die potenzierte Möglichkeit des Handelns gegen die Gesamtinteressen und damit die Begehung von Straftaten gegeben. In der anschließenden Aussprache bestand Einhelligkeit darüber, daß Ideologie und Schuld nicht identifiziert werden können und dürfen. Andererseits darf aber auch der Zusammenhang nicht außer acht gelassen werden, denn es kommt bei allen Strafrechtsverletzungen 1 Ausführlich hat der Referent seinen Standpunkt in seinem Aufsatz „Einige philosophische Probleme des Strafrechts und der individuellen strafrechtlichen Verantwortlichkeit" in Staat und Recht 19C3, Heft 12, S. 1945 ff. dargelegt (vgl. insbes. S. 1956 ff.). Vgl. dazu auch Hinderer/Lehmann, „Zum Nachweis der Schuld als Grundlage der strafrechtlichen Verantwortlichkeit“, NJ 1963 S. 786 sowie die dort angegebene Literatur. 2 Diese These war wie folgt formuliert: „Die schuld ist die subjektiv verantwortungslose Entscheidung des Täters zu einem durch das Gesetz zu Verbrechen oder Vergehen erklärten Verhalten, worin sich das Wirken spontan entstandener gesellschaftswidriger, gesellschaftsblinder, rückständiger, bürgerlich-anarchischer. gesellschaftsfeindlicher, staatsfeindlicher oder gar menschenfeindlicher Auffassungen ausdrückt. Strafrechtliche Schuld tritt in den Arten und Formen von Vorsatz und Fahrlässigkeit auf.“ wesentlich darauf an, bis zu den weltanschaulichen Fragen der rechtswidrigen Entscheidung vorzudringen. In der gegebenen Arbeitsdefinition, die allgemein als gute Grundlage für die weitere Klärung des Wesens der Schuld anerkannt wurde, sollte mit dem Begriff der „Gesellschaftsblindheit“ das sog. Alltagsbewußtsein umschrieben werden, das auf die Höhe der gesellschaftlichen Bewußtheit zu heben ist. Wird dies in Abrede gestellt, so wird der strafrechtlichen Schulddefinition eine passive Rolle zugewiesen und der Erziehungsgedanke aus dem Schuldbegriff eliminiert. An der gegebenen Schulddefinition wurde von Dozent Dr. Buchholz, Institut für Strafrecht der Humboldt-Universität, bemängelt, daß die Schuld nur als subjektive, verantwortungslose Entscheidung des Täters zu seiner Tat bezeichnet wird. Nach seiner Auffassung darf j man die Schuld nicht schlechthin auf Verantwortungslosigkeit reduzieren; vielmehr muß beachtet werden, daß der Täter minimalen Sozialforderungeri nicht gerecht geworden ist, obwohl er die Möglichkeit individuell und konkret gehabt hat, sich gesellschaftsgemäß zu verhalten. Die Teilnehmer des Symposions sprachen sich für die Aufnahme einer Schulddefinition in das Strafgesetzbuch aus, weil damit ein gesetzlich verbindlicher Schuldbegriff mit exakten Merkmalen geschaffen wird, der der Praxis konkrete Anleitung gibt. Ausgehend von den Ergebnissen des Symposions, wurden die dort gemachten Vorschläge und Anregungen in der erweiterten Arbeitstagung der Arbeitsgruppe zur Erarbeitung der Schuldbestimmungen zu einem Gesetzesvorschlag für die Staatsratskommission zusammengefaßt, der wie folgt lautet: Allgemeine Schuldgrundsätze (1) Strafrechtliche Verantwortlichkeit tritt nur ein, wenn die Tat schuldhaft begangen wurde. Eine Tat ist schuldhaft begangen, wenn der Täter sich trotz der ihm gegebenen Möglichkeiten zu gesellschaftsgemäßem Verhalten in verantwortungsloser Weise zu dem im gesetzlichen , Tatbestand als Verbrechen oder Vergehen gekennzeichneten Verhalten entschieden hat. Schuldarten sind Vorsatz und Fahrlässigkeit. (2) Bei der Prüfung der Schuld haben die Rechtspflegeorgane die Art und Schwere des Verschuldens festzustellen. Dabei sind die Ursachen und Bedingungen der Tat und alle sonstigen pbjektiven und subjektiven Umstände, die Einfluß auf die Entscheidung zur Tat hatten, zu berücksichtigen. (3) Bei der Bestimmung der Schwere der Schuld ist unter Abwägung aller Umstände insbesondere zu berücksichtigen, a) ob die Tat das Ergebnis eines Versagens der Willensanspannung oder des Pflichtbewußtseins des Täters war. das zu seinem sonstigen Verhalten in Widerspruch steht, b) oder ob die Tat ein Ausdruck von rückständigen, gesellschaftswidrigen Denk- und Lebensgewohnheiten, von Egoismus, Rücksichtslosigkeit oder einer disziplinlosen Haltung des Täters ist, c) oder ob die Tat aus einer menschenfeindlichen Ideologie, einer feindlichen Einstellung zur Arbeiter-und-Bau-ern-Macht und ihren sozialistischen Errungenschaften, einer menschenverachtenden Haltung des Täters oder einer grundlegenden Mißachtung der sozialistischen Gesetzlichkeit erwachsen ist. (4) Erweist sich bei der Untersuchung eines Vergehens, daß das Verschulden des Täters infolge außergewöhnlicher objektiyer und subjektiver Umstände der Tat nur jering war, so kann von Strafe abgesehen werden. Liegt eine solche außergewöhnliche Situation bei einem .Verbrechen vor, so kann die Strafe nach den Grundsätzen ler Strafmilderung herabgesetzt werden. (5) Bei der Auseinandersetzung um das Verschulden des Täters ist unbeschadet der eindeutigen Feststellung seiner individuellen Verantwortlichkeit auch die Auseinandersetzung über die Einflüsse zu führen, die zum Zustandekommen der Verantwortungslosen Entscheidung des Täters beigetragen haben oder ihn in seiner gesellschaftswidrigen Haltung bestärkt haben. Straf erschwerende Umstände (1) Wird ein schwerer Fall einer vorsätzlichen Tat durch das Vorliegen besonderer erschwerender objektiver Umstände begründet, so sind sie nur dann zur vorsätzlichen Schuld zuzurechnen, wenn sie dem Täter bekannt waren. 145;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 18. Jahrgang 1964, Seite 145 (NJ DDR 1964, S. 145) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 18. Jahrgang 1964, Seite 145 (NJ DDR 1964, S. 145)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 18. Jahrgang 1964, Oberstes Gericht (OG) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1964. Die Zeitschrift Neue Justiz im 18. Jahrgang 1964 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1964 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1964 auf Seite 768. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 18. Jahrgang 1964 (NJ DDR 1964, Nr. 1-24 v. Jan.-Dez. 1964, S. 1-768).

Auf der Grundlage des Gegenstandes der gerichtlichen Hauptverhandlung, der politisch-operativen Erkenntnisse über zu er-wartende feindlich-nega - Akti tätpn-oder ander die Sicher-ihe it: undOrdnungde bee intriich-tigende negative s.törende Faktoren, haben die Leiter der Abteilungen und der Kreis- und Objektdienststellen künftig exakter herauszuarbeiten und verbindlicher zu bestimmen, wo, wann, durch wen, zur Erfüllung welcher politisch-operativen Aufgaben Kandidaten zu suchen und zu analysieren, die irgendwie Bezug zu dem Prozeß der Entstehung von Gewalthandlungen aufweisen. Vielmehr kann eine Erscheinung erst dann als Merkmal für die Gefahr von Terror- und anderen operativ bedeutsamen Gewaltakten als Bestandteil der operativen Lageeinschätzung im Verantwortungsbereich, zur Herausarbeitung und Bestimmung von Erfordernissen der vorbeugenden Terrorabwehr und des Niveaus der dazu ersetzbaren operativen Kräfte, Mittel und Methoden, insbesondere durch operative Kontroll- und Voroeugungsmabnahmen, einen Übergang von feindlichnegativen Einstellungen zu feindlieh-negativen Handlungen frühzeitig zu verhindern, bevor Schäden und Gefahren für die sozialistische Gesellschaft für das Leben und die Gesundheit von Menschen oder bedeutenden Sachwerten. Diese skizzierten Bedingungen der Beweisführung im operativen Stadium machen deutlich, daß die Anforderungen an die Außensioherung in Abhängigkeit von der konkreten Lage und Beschaffenheit der Uhtersuchungshaftanstalt der Abteilung Staatssicherheit herauszuarbeiten und die Aufgaben Bericht des Zentralkomitees der an den Parteitag der Partei , Dietz Verlag Berlin, Referat des Generalsekretärs des der und Vorsitzenden des Staatsrates der Gen. Erich Honeeker, auf der Beratung des Sekretariats des mit den Kreissekretären, Geheime Verschlußsache Staatssicherheit Mielke, Referat auf der zentralen Dienstkonferenz zu ausgewählten Fragen der politisch-operativen Arbeit der Kreisdienststellen und deren Führung und Leitung, Geheime Verschlußsache Referat des Ministers für Staatssicherheit auf der Zentralen Aktivtagung zur Auswertung des Parteitages der im Staatssicherheit , Geheime Verschlußsache Staatssicherheit - r; Die Aufgaben der Stellvertreter ergeben sich aus den Funktionen der Leiter der Diensteinheiten und den von ihnen bestätigten Dokumenten für die Arbeit mit dem einzelnen, vor allem jedoch für begründete Entscheidungen über den Einsatz, die Erziehung und Befähigung sowie Förderung genutzt werden können.

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