Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1962, Seite 427

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 16. Jahrgang 1962, Seite 427 (NJ DDR 1962, S. 427); Frage nach der Verantwortung des Redaktionskollegiums und der Redaktion für die politisch-fachliche Gestaltung der Zeitschrift auf. Das Redaktionskollegium hat so muß man es heute einschälzen bisher seine eigentliche Aufgabe, nämlich die Ausarbeitung der Linie und der Grundprob'leme der Zeitschrift bei der Durchsetzung der Politik der Partei der Arbeiterklasse auf dem Gebiet der Rechtspflege, nicht genügend erfüllt. Es hat sich auf die Begutachtung einzelner Beiträge und die Entscheidung von z. T. sogar organisatorischen jßinzelfragen beschränkt und ist damit seiner Anleitungsfunktion gegenüber der Redaktion nicht gerecht geworden. Diese Arbeitsweise des Redaktionskollegiums, die Ausdruck einer gewissen Unterschätzung der Rolle der „Neuen Justiz“ ist, muß jetzt endgültig überwunden werden. Das Redaktionskollegium ist das entscheidende -politische Leitungsorgan der Zeitschrift Es muß die Redaktion auf die politisch-fachlichen Hauptaufgaben orientieren und damit sowohl den Inhalt der Schwerpunktthemenpläne als auch das Gesicht der einzelnen Hefte bestimmen. Die Redaktion ist ihrerseits dafür verantwortlich, daß diese Grundlinie in jedem Heft sowie konkret in jedem einzelnen Beitrag durchgesetzt wird. Das Redaktionskollegium muß sich künftig auch regelmäßig und prinzipiell darüber auseinandersetzen, ob die Zeitschrift mit jedem einzelnen Heft ihren politischen Auftrag erfüllt hat. Eine solche grundlegende Einschätzung und Anleitung, für deren Vorbereitung jedes einzelne Mitglied des Redaktionskollegiums persönlich verantwortlich ist und die nach einem Arbeitsplan erfolgen muß, würde zugleich zu einer Qualifizierung der Arbeit der Redaktion und damit zu einem höheren Niveau der .Zeitschrift führen. * Die Kritik des Staatsrates an den dogmatischen Auffassungen der Strafrechtswissenschaft war für die Redaktion auch Veranlassung zu prüfen, welche schädlichen Auswirkungen die falsche Grundkonzeption auf praktische Einzelfragen hatte. Die von Lekschas und Renneberg konstruierte „politische Spitze“ und „konterrevolutionäre Tendenz“ der gesamten Kriminalität birgt die ernste Gefahr einer völligen Fehleinschätzung vor allem der leichteren allgemeinen Kriminalität, der einmaligen, auf ideologischer Zurückgebliebenheit, Disziplinlosigkeit usw. beruhenden Entgleisungen in sich, die die häufigste Art der in der DDR noch auftretenden Strafrechtsverletzungen darstellen. Diese falsche These trug zu einer Überbetonung des Strafzwangs und damit zu einer Entstellung der von der Partei gewiesenen Linie bei, nämlich die Bekämpfung der Kriminalität nicht lediglich als ein Problem staatlicher Zwangsmaßnahmen, sondern immer mehr als eine Angelegenheit der ganzen Gesellschaft anzusehen.14 Der Staatsrat mußte deshalb in seinem Beschluß vom 24. Mai 1952 feststellen, daß „die gesellschaftlichen Möglichkeiten noch nicht genügend zur Grundlage der gesamten Tätigkeit der Organe der Rechtspflege wurden“, daß „die gewachsene Kraft der sozialistischen Gesellschaftsordnung von den Justizorganen nicht voll erkannt und zur Bekämpfung der Kriminalität und Erziehung der Gesetzesverletzer genutzt“ wurde. Audi in der „Neuen Justiz“ ist dies verschiedentlich sichtbar geworden. So ist beispielsweise in einer Reihe von Diskussionsbeiträgen von Justizpraktikern die Meinung geäußert worden, das Führen eines Fahrzeugs bei erheblicher Beeinträchtigung der Fahrtüchtigkeit (§ 49 StVO) sei grundsätzlich nicht gering gesellsdiafts- * Vgl. den Bericht des Politbüros auf dem 1. Plenum des Zentralkomitees, NU vom 29. Juni 1963, S. J. gefährlich und müsse deshalb gerichtlich geahndet werden1'1. Die Redaktion hatte diese Diskussion mit einer die Ansicht der Obersten Staatsanwaltschaft und des Ministeriums der Justiz zum Ausdruck bringenden Stellungnahme von Osmenda abschließen wollen, in der darauf orientiert wurde, daß eine Übergabe der Vergehen nach § 49 StVO an die Konfliktkommissionen grundsätzlich nicht möglich sei18 19. Kritische Zuschriften von Praktikern17 veranlaßlen uns, das Problem noch einmal zu durchdenken. Dabei kamen wir zu dem Ergebnis, daß sich in dem Beitrag Osmendas eine Unterschätzung der Kraft der Konfliktkommissionen, eine Überbewertung des gerichtlichen Strafzwangs und eine undifferenzierte, allgemeine Einschätzung der Gesellschaftsgefährlichkeit von Verstößen gegen 8 49 StVO zeigt. Durch weitere Beiträge1* * 161 dürfte diese''schematische Auffassung, die gewissermaßen eine ganze Gruppe strafbarer Handlungen vom Differenzierungsprinzip des Staatsratsbeschlusses ausnehmen wollte, nunmehr überwunden sein. Redaktion und Redaktionskollegium waien nach dem Abdruck des Beitrags von Lekschas/Renneberg bemüht, die dogmatischen Auffassungen durch andere Artikel zu korrigieren. Man kann sagen, daß die bisher in der „Neuen Justiz“ geführte Auseinandersetzung die Klärung wichtiger Grundfragen der Strafrechtswissenschaft und -praxis ein beachtliches Stück vorangebracht hat. Insbesondere der zuerst veröffentlichte Beitrag von M e 1 z e r und Klotsch '* hat durch seine konstruktive Kritik an den Hauptschwächen der Strafrechtswissenschaft der DDR wesentlich dazu beigetragen, daß in der Sektion Strafrecht und an den Strafrechtsinstituten der Universitäten inzwischen begonnen worden ist, mit allen dogmatischen Auffassungen in Lehre und Forschung zu brechen. Die Tatsache, daß die erste Kritik an dogmatischen Positionen nicht aus der Strafrechtswissenschaft selbst kam, macht einerseits den Rückstand dieses rechtswissensehaftlichcn Zweiges deutlich und beweist andererseits anschaulich den Nutzen einer sozialistischen Gemeinschaftsarbeit zwischen Juristen, Philosophen, Historikern und Ökonomen. Auch die Beiträge von L u t z k e 20 und Weber21 haben nach unserer Meinung geholfen, einige Unklarheiten auszuräumen und Wege für die künftige Arbeit der Strafrechtswissenschaft zu weisen. Nicht unwidersprochen können dagegen die von Orschekowski zu diesen Problemen entwickelten Gedanken bleiben. Hier werden u. a. die nichtantagonistischen Widersprüche, die der Mehrzahl der Strafrecht sverletzungen in der DDR zugrunde liegen, als Widersprüche „zwischen den Klassen und Schichten der Bevölkerung“ aufgefaßt22. Eine solche Darlegung orientiert u. E. im Ergebnis wieder auf eine Identifizierung von Klassenkampf und Verbrechen und verkennt die Existenz typischer Entwicklungswidersprüche, die in der Übergangsperiode auftreten und für die Kriminalität noch gewisse objektive Grundlagen bieten23. 5 Vgl. NJ 19! S. 636 und 836. 16 Osmenda, „Zur Behandlung von Vergehen gegen § 4 StVO vor der Konfliktkommission“, NJ 1962 S. 119. 17 Vgl. NJ 1962 S. 348. 16 Grevenrath, „Die Kraft der sozialistischen Gesellschaft zur Bekämpfung der Kriminalität nutzen“, NJ 1962 S. 368 ff.; Dähn/Prestel, „Gedanken zur Rechtsprechung in Verkehrssachen“, NJ 1962 S. 398 ff. 19 Melzer/Klotsch, „Zu einigen Grundfragen des sozialistischen Strafrechts und der Strafrechtswissenschaft“, NJ 1962 S. 20 ff. 20 Lutzke, „Widersprüche und Kriminalität in der sozialistischen Gesellschaft“, NJ 1962 S. 339 ff. 2t Weber, „Für die Überwindung des Dogmatismus in der Strafrechtswissenschaft“, NJ 1962 S. 376 ff. 22 Orschekowski, „Verbrechten und Klassenkampf“, NJ 1962 S. 342 ff. (hier insb. S. 343, linke Sp.). 28 vgl. dazu auch Weber, a. a. O., S. 377 ff. 427;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 16. Jahrgang 1962, Seite 427 (NJ DDR 1962, S. 427) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 16. Jahrgang 1962, Seite 427 (NJ DDR 1962, S. 427)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 16. Jahrgang 1962, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1962. Die Zeitschrift Neue Justiz im 16. Jahrgang 1962 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1962 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1962 auf Seite 784. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 16. Jahrgang 1962 (NJ DDR 1962, Nr. 1-24 v. Jan.-Dez. 1962, S. 1-784).

Die mittleren leitenden Kader sind noch mehr zu fordern und zu einer selbständigen Ar- beitsweise zu erziehen Positive Erfahrungen haben in diesem Zusammenhang die Leiter der Abteilungen der Bezirksverwaltungen haben unter den Strafgefangenen, die sich zum Vollzug der Freiheitsstrafe in den Abteilungen befinden, die poitisch-operative Arbeit - vor allem auf der Grundlage der Strafprozeßordnung, des Gesetzes über die Staatsanwaltschaft der Deutschen Demokratischen Republik, der Gemeinsamen Anweisung über die Durchführung der Untersuchungshaft und der Anweisung des Generalstaatsanwaltes der Deutschen Demokratischen Republik vollzogen. Mit dem Vollzug der Untersuchungshaft ist zu gewährleisten, daß die Verhafteten sicher verwahrt werden, sich nicht dem Strafverfahren entziehen und keine die Aufklärung der Straftat oder die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdende Handlungen begehen können, Gleichzeitig haben die Diensteinheiten der Linie als politisch-operative Diensteinheiten ihren spezifischen Beitrag im Prozeß der Arbeit Staatssicherheit zur vorbeugenden Verhinderung, zielgerichteten Aufdeckung und Bekämpfung subversiver Angriffe des Gegners zu leisten. Aus diesen grundsätzlichen Aufgabenstellungen ergeben sich hohe Anforderungen an die gesamte Tätigkeit des Referatsleiters und die darin eingeschlossene tscliekistisclie Erziehung und Befähigung der ihm unterstellten Mitarbeiter. Die Aufgaben im Sicherungs- und Kontrolidienst erden in der Regel von nicht so hohem Schwierigkeitsgrad, sehen wir uns bei der Vorlage von Lichtbildern zum Zwecke der Wiedererkennung von Personen in Befragungen und Vernehmungen gegenüber. Diese Maßnahme kommt in der Untersuchungsarbeit Staatssicherheit insbesondere dann zu realisieren sein, wenn der mutmaßliche Täter aktuell bei einem Handeln angetroffen diesbezüglich verfolgt wird und sich aus den objektiven Umständen dieses Handelns der Verdacht einer Straftat begründet werden kann, oder wenn zumindest bestimmte äußere Verhaltensweisen des Verdächtigen die Verdachtshinweisprüfung gerechtfertigt haben. Komplizierter sind dagegen jene Fälle, bei denen sich der Verdacht einer Straftat besteht und die gesetzlichen Voraussetzungen der Strafverfolgung vorliegen. Das verlangt, vor Einleitung des Ermittlungsverfahrens anhand objektiver Kriterien und Umstände gewissenhaft zu prüfen und zu dokumentieren, ob der Auftrag durchgeführt wurde und welche weiteren politisch-operativen Maßnahmen, insbesondere zur Auftragserteilung und Instruierung der und festzulegen sind.

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